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Full text of "Journal für Ornithologie"

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JOURNAL 


ORNITHOLOGIE 


GEGRÜNDET VON J. CABANIS 


Im Auftrage der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 


mit Beiträgen von 


Graf H. v. Berlepsch, Frh. H. v. Berlepsch-Seebach, Prof. Dr. R. Blasius, 

Geh. Hofrat Dr. W. Blasius, F. Braun, E. Hartert, C. E. Hellmayr, 

Dr. F. Helm, Dr. F. Henrici, Dr. A. Jacobi, Prof. Dr. A. König, 

Dr. O. Köpert, Dr. P. Leverkühn, Dr. L. v. Lorenz, Oberltn. F. v. Lucanus, 

Dr. J. v. Madaräsz, P. Matschie, Baron W. v. Rothschild, H. Schalow, 

R. Schlegel, Dr. A. Sokolowsky, J. Thienemann, Dr. E. Vanhöffen, 
Baurat C. Wüstnei. 


herausgegeben 


von 


Prof. Dr. Ant. Reichenow, 


Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, 
Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der Natur- 
forschenden Gesellschaft des Osterlandes, der American Ornithologists’ Union, 
der British Ornithologists’ Union, der Ungarischen Ornithologischen Centrale, 
der Urnitholog. Vereine in Leipzig und München u. a. 


XLIX, Jahrgang. 


Fünfte Folge, 8. Band 
mit 4 Tafeln, 2 Karten und einem bildnıs. 


Leipzig 1901. 
Verlag von L. A. Kittler. 


London, Paris, New-York, 
Williams & Norgate, 14 F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Co. 
Henrietta Street, Coventgarden. 812 Broadway, 


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Inhalt des XLIX. Jahrganges (1901.) 


Graf H. v. Berlepsch, Mitteilungen über die von den Gebrüdern 
G. und O. Garlepp in Bolivia gesammelten ee und Be- 
schreibungen neuer Arten . . 
Frh. H. v. Berlepsch-Seebach, Bericht über den im  Auıftrage 
der D. 0. G. aufgestellten on eines internationalen Vogel- 
schutzgesetzes und über die Beratung dieses Entwurfes auf 
dem Pariser Kongress 
R. Blasius, Reiseskizzen aus dem Nordwesten) Frankreichs 
— Michel Edmond Baron de Selys-Longchamps. Nachruf . 
W. Blasius, Die Vogelfauna in den diluvialen Ablagerungen der 
Rübeländer Höhlen RL 
— Bemerkungen über neue Sendungen malayischer Vogel 5 
F. Braun, Über Weite und Spielraum des Temperaments bei 
einigen Arten der Sperlingsvögel . a 
— Zur Ornis des Thales der Drewenz 
— Zur modernen Naturbeschreibung. (Eine Entgegnung auf Dr. 
F. Henricis Aufsatz S. 220 ff.) . 

Hartert, Über die Bedeutung der Rleinschmidt’schen Formenkreise 

E. Hellmayr, Kritische Bemerkungen über die JParidae, 
Sittidae. und COerthüdae . i 

Helm, Weitere Betrachtungen über die Beweise Gätkes für "die 
Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges der Vögel 

Henrici, Was verstehen wir unter logischer Naturbeschreibung ? 

. Jacobi, [Über eine Varietät der Stockente] 

. König, Über seltene Arten aus dem mediterranen Gebiete 

. Koepert, Nachträge zur Vogelwelt des Herzogtums S. Altenburg 

Leverkühn, Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub . 

v. Lorenz und C. E. ne Ein Beitrag zur Ornis Süd- 

arabiens. ! 

v. Lucanus, [Über eine "Amsel mit partiellem Albinismus] 

v. Madaräsz, Über Merops salvadorü : 

. Matschie, Bemerkungen zur Zoogeographie des westlichen 

Mikronesiens 

— Einige Bemerkungen über Verbreitung und Systematik der Kasuare 

A. Reichenow, [Über Hörundo neumanni n. sp] - - » 

— [Über neue afrikanische Arten und Gattungen] Ä 


Kuss Fropb=s B as 


81 


IV Inhalt. 


Abbildungen: 


W. v. Rothschild, Einige Bemerkungen über Kasuare 359 

H. Schalow, Ein Rückblick auf die Geschichte der Deutschen Or- 
nithologischen Gesellschaft ; o 6 

— Über die Herausgabe einer ornithologischen Bibliographie Deutsch- 
lands 105 

— Beiträge zur en Conkralastens | Übersicht. der von 

Herrn Oberamtmann Dr. Holderer während einer Durchquerung 
Asiens gesammelten Vögel . . 393 

R. Schlegel, Über Abänderungen von Raubrögeln und Hahnfedrige 
Birkhennen . . 102 

‚ A. Sokolowsky, [Bericht über W. v. Rothschild’ Monograph of 
the Genus Oasuarius] 280 

J. Thienemann, Über Zwecke und Ziele einer ornithologischen 
Beobachtungsstation in Rossitten 73 

E. Vanhöffen, Bericht über die bei der deutschen Diefscenpedi- 
tion beobachteten Vögel ; h 304 

C. Wüstnei, Beobachtung aus der Ormis Mecklenburgs im \ kim 
19002227: 246 
— Eine weissliche Farbenvarietät der Märzente, Anas boschas L. 334 

Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 

Bericht über die Jahresversammlung 1900 (Feier des fünfzigjährigen 
Bestehens der Gesellschaft) Am u 1 
Bericht über die Dezembersitzung 1900 274 
Bericht über die Januarsitzung 1901 276 
Bericht über die Februarsitzung 1901 279 
Bericht über die Märzsitzung 1901 283 
Bericht über die Aprilsitzung 1901 . 381 
Mitgliederverzeichnis der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 1901 157 

Vogelwarte Rossitten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
(Satzungen, Geschäftsordnung, Bitte an alle Ornithologen) 270 
Entwurf eines Vogelschutzgesetzes für das Deutsche Reich \ 457 
Dem Herausgeber zugesandte Schriften . . . . 165, 286, 383, 467 


Taf. I. Merops salvadorii A. B. M. und Pachycephala aurea Rehw. 


Taf. II. Anas bochas L. var. 

Taf. III. Archibuteo hemiptilopus Blyth. 

Taf. IV. Phasianus holdereri Schal. 

Karte zur Zoogeographie des westlichen Mikronesiens. 
Karte zum Bericht über die deutsche Tiefseeexpedition. 
Bildnis des Baron Selys-Longchamps. 


JOURNAL 


für 
ORNITHOLOGIE. 
ne Neunundvierzigster Jahrgang. 
No. 1. Januar 1901. 


Bericht über die Jahresversammlung 


der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
in Leipzig vom 5. bis 8. Oktober 1900, 
| zugleich 
Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Gesellschaft. 


Anwesend waren dieHerren: F. von Bardeleben (Frankfurt 
a. Main), Graf von Berlepsch (Schloss Berlepsch), Frei- 
herr von Berlepsch-Seebach (Kassel), R. Blasius (Braun- 
-schweig), W. Blasius (Braunschweig), von Dallwitz (Tornow), 
Deditius (Berlin), Grunack (Berlin), Hartert (Tring), Heck 
(Berlin), Heine sen. (Hadmersleben), Helm (Chemnitz), 
Hennicke (Gera), König (Bonn), Kollibay (Neisse), Lampert 
(Stuttgart), von Lucanus (Berlin), Matschie (Berlin), Nehr- 
korn (Braunschweig), Proft (Leipzig), Reichenow (Berlin), 
Rey (Leipzig), Rolle (Berlin), Schalow (Berlin), Thienemann 
(Rossitten). 

Als Gäste nahmen Teil die Herren: E. de Maes (Bonn), 
Hellmayr (Wien), Herman (Budapest), R. de Neufville 
(Frankfurt a. Main), Lindner (Osterwieck), Berge (Zwickau), 
G. Garlepp (Klotzsche), Schneider (Liebertwolkwitz), Loos 
(Libau a. Elbe), Wolfram (Fuchshain), V. Müller, Krezschmar, 
Schreiber, Köhler, Westphal, Thieme, Schlegel, 
Schmitt, Voigt, Schulze, Groschupp, Zacharias, 
Göring, Zehnigen, Thiel, Simroth, Giebelhausen, 
Kunz, Chun, zur Strassen, Detto, Fritsche, Weinhold, 
Keu, Krancher, Prasse, Woltereck, Kloss, Kothe, 
Pinkert, Naumann, Thatemuth, O. Müller, Tamamscheff, 

Journ. f. Orn. XLIX, Jahrg. Januar 1901, 1 


2 Bericht über die Jahresversammlung. 


Popitz, Weiske (sämtlich aus Leipzig), sowie folgende Damen: 
Frau Kollibay, Frau de Macs, Frau Voigt, Frau Göring, 
Frau Fritsche. 

Der Leipziger Ornithologische Verein hatte in liebens- 
würdigster Weise die Vorarbeiten zu der Feier übernommen und 
Herrn OÖ. Giebelhausen mit der Lokalgeschäftsführung beauf- 
tragt. Die von auswärts erschienenen Mitglieder und Gäste fanden 
Unterkunft im Hötel Stadt Nürnberg, wo auch die Sitzungen 
‚abgehalten wurden. 

Folgende Tagesordnung war festgesetzt worden: 

Freitag, den 5. Oktober, Abends 71/, Uhr: Gesellige 
Vereinigung im Hötel zur Stadt Nürnberg. 

Sonnabend, den 6. Oktober, Vorm. 94), Uhr: Festsitzung: 

1. Begrüssung durch den Ornithologischen Verein Leipzig. 
2. Festvortrag: Herr H. Schalow: Rückblick auf die 
Geschichte der Gesellschaft. 
3. Empfang der Vertreter anderer Gesellschaften und 
Vereine. 
Frühstücks-Pause. 

12 Uhr: Besuch des Zoologischen Gartens. 

31/, Uhr: Festessen im Hötel Stadt Nürnberg. 

8 Uhr: Besuch des Krystallpalastes. 

Sonntag, den 7. Oktober, Vorm. 9 Uhr: Versammlung 
im Hötel Stadt Nürnberg. Geschäftliche Sitzung. 

10 Uhr: Wissenschaftliche Sitzung. An Vorträgen sind an- 
gemeldet: 

Herr Freiherr H. v. Berlepsch: Bericht über den im Auf- 
trage der Gesellschaft aufgestellten Entwurf eines internationalen 
Vogelschutzgesetzes und über Beratung dieses Entwurfes auf dem 
Pariser Congress. 

Herr Graf H. v. Berlepsch: Über die von Herrn Gustav 
Garlepp in Bolivia gesammelten Vögel. Beschreibung neuer 
Arten und Vorlage von Bälgen. 

Herr Prof. Dr. R. Blasius: Naturhistorische Reiseskizzen 
aus der Normandie, Bretagne und Touraine. 

Herr Geh.-Hofrat Dr. W. Blasius: Die Vogelfauna in den 
diluvialen Ablagerungen der Rübeländer Höhlen. — Bemerkungen 
über neue Sendungen malayischer Vögel. 

Herr Dr. F. Helm: Über die Beweise Gätke’s für die Höhe 
des Wanderfluges der Vögel. 


Bericht über die Jahresversammlung. 3 


Herr Prof. Dr. König: Vorlage seltener Arten aus dem 
mediterranen Gebiet. 

Herr P. Kollibay: Unsere gegenwärtige Kenntnis der 
schlesischen Vogelwelt. 

Herr P. Matschie: Bemerkungen zur Zoogeographie von 
Mikronesien. 

Herr Prof. Dr. Reichenow: Über die Beziehungen der 
Vogelfauna Afrikas zu denen anderer Tiergebiete. 

Herr H. Schalow: Über die Herausgabe einer ornitho- 
logischen Bibliographie Deutschlands. 

Herr R. Schlegel: Lokale Raubvogelvarietäten. Kleider 
von Tetrao tetrix und T. mlokosiewicezi. 

Herr J. Thienemaun: Über Zwecke und Ziele einer 
ornithologischen Beobachtungsstation in Rossitten. — Vorlage 
handschriftlicher Aufzeichnungen aus der Gründungszeit der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. 

12 Uhr: Besichtigung der Sammlung von Kukukseiern des 
Herrn Dr. Rey und Besuch des Zoologischen Museums der Königl. 
Universität. 

2 Uhr: Gemeinsames Mittagessen im Hötel Stadt Nürnberg. 

3 Uhr: Fortsetzung der wissenschaftlichen Sitzung und 
Schluss der Versammlung. 

7 Uhr: Besuch des Stadttheaters, nachher gesellige Ver- 
einigung in Oertel’s Restaurant. 

Montag den 8. Oktober: Ausflug nach dem süssen See 
bei Eisleben. 

Abfahrt Leipzig 62% früh, in Eisleben 8%. Frühstück im 
Wiesenhause. Fahrt zu Wagen um den süssen See mit Unter- 
brechungen je nach Zeit, Wetter und Beobachtungsgelegenbheit. 
Wenn die Zeit es gestattet, Abstecher nach Volkmaritz und Be- 
sichtigung der Sammlung des Herrn Pfarrer Kleinschmidt. Um 
4 Uhr Rückkehr nach Eisleben. Im Wiesenhause in Eisleben 
Ausstellung zweier Sammlungen von Vögeln, die früher auf dem 
salzigen See erbeutet worden sind. Mittagessen im Wiesenhause. 

Die Verhandlungen leitete als Vorsitzender Herr R. Blasius, 
als Stellvertreter Herr H. Schalow, als Schriftführer waren 
bestellt die Herren P. Matschie und OÖ. Giebelhausen. 

Am Freitag den 5. Oktober, Abends 71/, Uhr ver- 
sammelten sich die Teilnehmer im Hötel Stadt Nürnberg zu einer 
zwanglosen geselligen Vereinigung. Alte Freunde tauschten ihre 

7 


4 Bericht über die Jahresversammlung. 


wissenschaftlichen Erfahrungen aus, Fachgenossen, welche längst 
in regem Briefverkehr gestanden hatten, traten einander persönlich 
nahe, und neue Beziehungen wurden angeknüpft. 

Am Sonnabend, den 6. Oktober wurde um 10 Uhr 
die Festsitzung durch Herrn Prof. Dr. R. Blasius eröffnet. Der 
Sitzungssaal hatte einen besonderen Schmuck erhalten durch ein 
von Professor Göring’s Meisterhand ausgeführtes Transparent, 
ausserdem waren zahlreiche Aquarellbilder aus der Mappe des- 
selben Künstlers ausgestellt. 


Der Vorsitzende hielt folgende Ansprache: 

Vor 50 Jahren wurde die Deutsche Ornithologische Ge- 
sellschaft hier in Leipzig gegründet. In dem halben Jahrhundert, 
seit welchem sie besteht, hat sie mannigfache Wandlungen er- 
fahren. Auf die beschreibende Richtung, welche zunächst das 
Feld beherrschte und sich besonders den Vögeln Deutschlands 
zuwandte, folgte eine andere, die sich mehr der praktischen Be- 
obachtung hinneigte und auf Untersuchungen über Schädlichkeit 
und Nützlichkeit der Vogelarten, ihre Wanderungen und bio- 
logischen Verhältnisse vornehmlich Wert legte. Als nach der 
Erstarkung Deutschlands das Interesse an der Erforschung fremder 
Erdteile gewaltig sich mehrte und Sammlungen aus allen Ländern 
in die Hände deutscher Vogelkenner gelangten, blühte die Ornitho- 
logie in Deutschland weiter auf, indem sie sich dem Studium der 
Vögel der ganzen Erde widmete. Möge unsere Gesellschaft, der 
Mittelpunkt für die deutschen Ornithologen, weiter gedeihen. Ich 
erkläre die 50. Jahresversammlung für eröffnet und erteile Herrn 
Kunz das Wort. 


Herr Kunz begrüsste als Vertreter des Ornithologischen 

Vereins in Leipzig die Versammlung mit folgenden Worten: 
Hochgeehrte Anwesende! 

Von dem hiesigen Ornithologischen Verein ist mir die hohe 
Ehre zu teil geworden, die erste Ansprache an Sie zu richten. 
Diese Ehrung ist keineswegs eine Folge meiner Verdienste um 
die Ornithologie, sondern ich verdanke sie lediglich dem Umstande, 
dass ich noch der einzige lebende Stifter der Deutschen Ornitho- 
logischen Gesellschaft bin. Der geistigeUrheber der Vereinigung, der, 
dessen Hirn der Gedanke entsprungen ist, eine Ornithologische Ge- 
sellschaft zu stiften, ist der vor einigen Jahren verstorbene Dr. 
Eduard Baldamus, damals Collaborator am Gymnasium zu 


Bericht über die Jahresversammlung. 5 


Köthen. Vor etwa 60 Jahren machte ich eine 7 monatige Reise 
durch Oesterreich, Ungarn, Öber-Italien, Schweiz, Frankreich, 
Belgien, Holland und West-Deutschland; überall nahm ich Ge- 
legenheit zu beobachten und zu sammeln und brachte eine 
hübsche Sammlung von damals hier wenig bekannten südlichen 
Vogelbälgen und Eiern mit heim. Dadurch wurde ich mit 
Naumann, Brehm, Baldamus, Thienemann u. A. be- 
“kannt und befreundet. Eines Tages besuchte mich Baldamus 
und im Laufe des Gesprächs befragte er mich um meine Meinung 
betreffend die Gründung einer Ornithologischen Gesellschaft mit 
dem Bemerken, er habe bereits mit Naumann darüber gesprochen, 
der sich zustimmend erklärt habe. Mit Eifer fasste ich den Ge- 
danken auf, und wir schrieben sofort an alle uns bekannten 
Ornithologen, welche freudig zustimmten. Auf der bald darauf 
stattfindenden Zusammenkunft wurde die Deutsche Ornithologische 
Gesellschaft gestiftet. Verschiedene Umstände veranlassten nach 
einigen Jahren eine Reorganisation, die 1850 ins Leben trat. Auf 
diese Weise hat die Deutsche Ornithologische Gesellschaft zwei 
Perioden durchgemacht: eine heitere, mehr dem gesellschaftlichen 
Vergnügen geltende, und eine ernste, der Arbeit gewidmete. 
Von der zweiten Periode will ich schweigen, 1850—1900, da die 
Vorgänge und Ereignisse Ihnen von sachkundigerem Munde 
werden vorgeführt werden, auch will ich von der ersten Periode 
nur erwähnen, dass die alljährlichen Versammlungen zu den 
schönsten Erinnerungen meines Lebens gehören. Ich erinnere 
an das gesellige Zusammensein, die Scherze und Witzworte, die 
hin und herflogen, und an die sogenannte Ornitbologen-Bole, 
mit deren Zubereitung der darin bewanderte Baron v. Münch- 
hausen betraut war, dem ich als Vorkoster zur Seite stand, 
meine Herren, ein angenehmer aber anstrengender Posten! Als 
Curiosum will ich noch erwähnen, dass wir auch eine Ornithologin 
zum Mitgliede hatten, eine stille, bescheidene Dame, die in Be- 
gleitung ihres Gatten die Versammlungen regelmässig besuchte. 
Doch genug der Erinnerungen! Im Auftrage der hiesigen Ornitho- 
logischen Gesellschaft begrüsse ich Sie und rufe Ihnen „ein 
herzliches Willkommen in Leipzigs Mauern“ zu! 


Nachdem der Vorsitzende im Namen der Deutschen Orni- 
thologischen Gesellschaft für die Begrüssung gedankt, erteilte er 
Herrn Schalow das Wort zur Festrede. 


6 Bericht über die Jahresversammlung. 


Ein Rückblick auf die Geschichte der Deutschen Ornitho- 
logischen Gesellschaft. 


Von Herman Schalow. 


Hochansehnliche Versammlung! 

Wo nur immer ein hoher Tag festlich begangen wird, da 
empfängt er seine Weihe durch geschichtliche Erinnerung! In 
besonderem Sinne gilt dies von den Festen der Wissenschaft. 
Sie, die stets in einem historischen Element lebt, sucht an 
solchen Tagen ihre lebendige Geschichte auf. Freudig feiert sie 
die Männer, aus deren Händen sie das Erbe empfangen und ver- 
tieft und erweitert ihre Geschichte, bis sie sie als Geschichte 
des Geistes zu fassen vermag. So lassen auch wir an dem 
heutigen Tage die Erinnerung walten und grüssen die Vorfahren, 
die ihn uns bereitet haben. — 

Möge es gestattet sein, mit diesen Worten Adolf Harnacks, 
die gelegentlich der Feier des zweilıundertjährigen Bestehens der 
Königl. Preuss. Academie der Wissenschaften gesprochen wurden, 
den Rückblick auf die Geschichte unserer Deutschen Ornitholo- 
gischen Gesellschaft einzuleiten. -— — 

Lassen auch wir in heutiger Stunde die Erinnerung walten! 
die Erinnerung in der Zeiten Lauf an jenen für uns denkwürdigen 
Tag, an dem vor 50 Jahren, in dieser selben Stadt, eine Anzahl 
für die Vogelkunde begeisterter Männer sich die Gesetze zu 
festerem Anschluss an einander gab und die Bestimmungen 
regelte für die Einrichtung und Führung ihrer gesellschaftlichen 
Organisation. Lassen Sie uns in gemeinsamem Gedenken den 
Werdegang unserer Deutschen Ornithologischen Gesellschaft ver- 
folgen und die einzelnen Phasen ihrer geschichtlichen Entwickelung 
betrachten. Lassen Sie uns den Fragen nachgehen, die in den 
letzten 50 Jahren auf dem Gebiete der Vogelkunde der Lösung 
harrten und in kurzem Überblick zu schildern suchen, wie man 
der Fülle der Aufgaben gerecht geworden. Die Geschichte 
unserer Gesellschaft ist die Geschichte der Ornithologie 
in Deutschland in den verflossenen zehn Lustren. 

Zwei gesonderte, sich scharf von einander abhebende Perioden 
lassen sich in der Entwickelung der Deutschen Ornithologischen 
Gesellschaft verfolgen. In seltener Gleichartigkeit umfasst eine 
jede von ihnen fast ein Vierteljahrhundert. Naumann, Ludwig 
Brehm, Baldamus bezeichnen die erste, Cabanis, Hartlaub und 


Bericht über die Jahresversammlung. 7 


Alfred Brehm sind die Träger der zweiten Epoche, welche die Auf- 
saben und die Richtung der ornithologischen Arbeit bestimmten 
und wesentlich beeinflussten. In diesen Männern verkörpert sich 
die deutsche Ornithologie der letzten 50 Jahre. Mit regem Eifer 
für die Vogelkunde verbanden sie ein starkes Gefühl und eine 
feste Überzeugung von der wesentlichen Einheit der gemeinsamen 
Ziele. Oft ist man in den Kreisen unserer jetzigen Zeit geneigt 
gewesen, den einen Abschnitt in der Geschichte unserer Gesell- 
schaft zu verherrlichen und den anderen herabsetzend zu beklagen. 
Beides mit Unrecht. Der zweiten Periode musste in logischer 
Folge die erste vorangehen. Eine jede fand ihre Aufgaben, die, 
von verschiedenen äusseren Factoren beeinflusst, wesentlich von 
denen der anderen abwichen. Beide suchten sie dieselben in 
enereischer Arbeit der Lösung nahezuführen. — 

Nicht so umfassend wie in Frankreich und so eindringend 
wie in England entwickelte sich im Beginn des vorigen Jahr- 
hunderts in Deutschland die Ornithologiee Leonhard Frisch, 
Matthäus Bechstein, Borchhammer, Meyer, Wolf u. a. waren im 
engumgrenzten Schematismus beschreibender Artdarstellung be- 
fangen oder betrachteten die Vogelkunde durch die dreiteilige 
Brille naturphilosophischer Allwissenheit eines Lorenz Oken, die 
eine bestimmte Anzahl von Lebewesen „als notwendig aufzufinden“ 
einfach vorausprophezeitee Auf den Schultern dieses grossen 
Gedankenjongleurs standen viele der damaligen Ornithologen. 
Da kam ein Wendepunkt in der Entwickelung unserer Vogel- 
kunde: das Werk Johann Friedrich Naumanns! Die deutsche 
Ornithologie, welche im Beginn des 19. Jahrhunderts noch von 
scholastischen Anschauungen und einseitigen Spekulationen be- 
herrscht war, erwachte unter dem mächtigen Einfluss von Nau- 
manns herrlichem Werk zur vollsten Thatkraft! — 

Im engsten Familien- und Freundeskreise feierte der grosse 
deutsche Naturforscher, wie uns sein treuer Schüler Schneider 
berichtete, im Juli 1844 durch ein kleines Fest die Herausgabe 
des Schlussbandes seines Lebenswerkes. Im Jahre 1822 begonnen, 
wurde es nach dreiundzwanzigjähriger Arbeit, die reich war an 
Freuden, aber auch reich an Mühen und Arbeit, vollendet. In zwölf 
Bänden, mit 337selbst gezeichneten, gestochenen und geätztenTafeln, 
steht es vor uns, heute noch ein Fundamentalwerk ersten Ranges 
und unerreichter Art, welches Alfred Newton, gewiss ein compe- 
tenter Beurteiler, als die erste aller Faunenarbeiten der ganzen 


8 Bericht über die Jahresversammlung. 


Welt bezeichnete. Ja, Henry Seebohm, einer-der genialsten 
englischen Ornithologen unserer Zeit, dessen Arbeiten noch ge- 
nannt sein werden, wenn die vieler seiner Mitgenossen längst 
vergessen sind, bezeichnet den deutschen Forscher nie anders als den 
„grossen Naumann“, den „Giganten der Ornithologie“. Er glaubt 
seinem verehrten Landsmann William Macgillivray die grösste 
Anerkennung zu erweisen, wenn er ihn den „Naumann der eng- 
lischen Vogelkunde“ nennt. „Die zwölf Bände, ein jeder über 
600 Seiten“, ruft Henry Seebohm begeistert aus, „zeugen von 
dem unglaublichen Fleiss des Verfassers; und ein sorgfältiges 
Studium des Inhalts liefert den glänzenden Beweis von der ganz 
ausserordentlichen Kenntnis der verschiedenen Phasen des Ge- 
fieders der Vögel, ihrer Sitten, ihres Gesanges, ihrer Nahrung 
und all’ der kleinen Einzelheiten ihrer Geschichte, zu deren 
Studium ein ganzes, langes Leben nötig war. Das Werk ist 
ohne Rivalen in Vergangenheit, in Gegenwart und Zukunft!“ Und 
Seebohm fügt hinzu: Wäre des grossen Naumanns Arbeit in das 
Englische übersetzt worden, ‚‚der helle Unsinn, welchen spätere 
Ornithologen bei uns geschrieben, wäre nicht veröffentlicht 
worden!“ Mit Freuden dürfen wir dieses Urteil verzeichnen, 
welches ein hervorragender Vogelkundiger im Jahre 1885, also nach 
weit fortgeschrittener Entwicklung der Materie, über den Alt- 
meister deutscher Vogelkunde in rückhaltloser Bewunderung 
ausgesprochen! 

Naumanns Werk begründete die deutsche Ornithologie 
des 19. Jahrhunderts. Es riss die Schranken nieder, welche von 
Anschauungen gestützt waren, die zum Teil engem Gesichtskreise 
und naturphilosophischer Überhebung, zum Teil ungenügendster 
Erfahrung in Bezug auf die einfachsten Lebenserscheinungen der 
Vögel entsprangen. Und noch eins, und für uns wahrlich das 
Wichtigste: Naumanns Werk gab den Impuls zum festen An- 
einanderschliessen der in Deutschland vorhandenen, aber zer- 
streuten ornithologischen Kräfte. Überall regte die Arbeit zu 
weiterer Forschung an. Überall wurde der bescheidene und 
einfache Naumann das leuchtende Vorbild. Das lebhafte Interesse 
und die Liebe für die Vogelwelt, die in uns Deutschen von An- 
beginn an vorhanden, fand neue Anregung und nachhaltige 
Weckung. Zur weiteren, fördernden Entwickelung. bedurfte es 
nur der Weisung zielbewusster Methode. Und diese gab ein 
begeisterter Jünger des grossen Meisters, Eduard Baldamus, da- 


Bericht über die Jahresversammlung. 9 


mals Kollaborator am Herzoglichen Gymnasium in Cöthen. Auf 
Baldamus’ Initiative kam gelegentlich der Versammlung deutscher 
Naturforscher und Ärzte im September 1845 eine Anzahl von 
Örnithologen zu gemeinsamen Verhandlungen über die Lieblings- 
wissenschaft zum ersten Male zusammen. In dem ersten Heft 
der durch Dr. Fr. Aug. Thienemann 1846 begründeten Zeitschrift 
„Rhea“ finden wir einen Bericht über jene zwanglose Vereinigung, 
welcher Naumann präsidierte. Unter den 32 Teilnehmern nennt 
er u.a. Baldamus und Brehm, E. von Homeyer, Pässler, Thiene- 
mann, Zander und H. Kunz, den wir in voller geistiger Frische 
noch in unserer Mitte zu sehen die hohe Freude haben, und der 
uns soeben in seinen Begrüssungsworten aus dem lebendigen 
Born seiner Erinnerung in jene fern liegenden Zeiten der Be- 
sründung unserer Gesellschaft zurückgeführt hat! 

Der ersten Zusammenkunft folgten weitere in Dresden und 
Halle. Aber beiden wohnte nicht mehr das impulsive Interesse 
inne, welches der ersten Versammlung ein so glänzendes Prog- 
nosticon für die Zukunft zu stellen schien. Der inzwischen ein- 
segangenen „Rhea“, von der nur zwei Hefte erschienen, folgte 1849 
unter des thatkräftigen Baldamus Leitung eine neue Zeitschrift, 
die Naumannia. Ihr Titel nennt sie bereits „Organ des Deutschen 
Ornithologen Vereins“, obwohl noch gar kein Verein vorhanden! 
Trotz aller Anstrengungen war ein Stillstand in der ornitholo- 
logischen Bewegung eingetreten. Niemand empfand dies mehr 
als Naumann und Baldamus, die mit heiligem Eifer für die Ent- 
wickelung ihrer Wissenschaft sich mühten. So kamen die Tage 
vom 1. zum 3. Oktober 1850 in Leipzig, die für die vierte Ver- 
sammlung bestimmt worden waren. Allseits war das Empfinden 
rege, dass etwas geschehen müsse, um das langsam Errungene 
zu halten und zu festigen. Und man glaubte das Heilmittel ge- 
funden zu haben. „Der Hauptgrund für das Zurückgehen des 
Besuchs der Versammlungen“, so heisst es in dem in der Nau- 
mannia veröffentlichten Aufruf, „liegt in der in Cöthen beliebten 
lockeren Konstituierung oder vielmehr Konstitutionslosigkeit, und 
dürfte nur durch eine festere Konstituierung Leben und Zweck 
dieser von den vielen Freunden unserer Wissenschaft so freudig 
begrüssten Versammlung zu erwarten sein“. Diese „festere Kon- 
stituierung“ fand nun in Leipzig statt. Die Satzungen der Ge- 
sellschaft deutscher Ornithologen, welche im $ 2 die Förderung 
der Ornithologie, besonders der Ornithologie Europas als ihren 


10 Bericht über die Jahresversammlung. 


Zweck bezeichnete, wurden entworfen, angenommen und Naumann 
und Lichtenstein, Eug. von Homeyer, Zander, Brehm und Baldamus 
in den Vorstand berufen. Naumann übernahm den Vorsitz, welchen 
er bis zu seinem im Jahre 1857 erfolgten Tode inne hatte. Die 
Gesellschaft sollte ein Mal im Jahre an einem Orte Deutschlands 
tagen, um in lebendigem Gedankenaustausch die Ornithologie zu 
fördern. Zum Organ bestimmte man die Naumannia, welche 
jedoch für die Mitglieder nicht obligatorisch sein sollte. Im Jahre 
1851 tagte die Gesellschaft in Berlin. Hier wurden die Leipziger 
Beschlüsse lediglich bestätigt. In der Tagungsliste finden wir u. a. 
Hartlaub, Graf Wodzicki, Kjaerbölling, Lichtenstein, v. Homeyer, 
Baldamus, Naumann, Brehm, Kunz und Cabanis verzeichnet. 
Hartlaub beantragte in den $ 2 der Satzungen statt Förderung 
der ÖOrnithologie zu setzen, der gesamten Örnithologie. Der 
Antrag wurde angenommen, gelangte aber in der nächsten Zeiten 
Lauf weder in den Jahresversammlungen noch in dem Inhalt 
der Naumannia zu lebendigem Ausdruck. Cabanis und Hartlaub 
empfanden die Lücke in der Arbeit der Gesellschaft und sahen 
die Gefahr voraus, welche durch das einseitige Thun der Ent- 
wickelung der Ornithologie in Deutschland drohen musste. Durch 
ihre, die gesamte Vogelfauna der Welt, als einheitliches Ganze, 
umfassenden Arbeiten hatten sie einsehen gelernt, dass wissen- 
schaftliches Material durch alleinige Bearbeitung eines eng 
umgrenzten kleinen Teils des palaearktischen Faunengebietes nur 
in beschränktem Umfange gewonnen werden könne. Nicht neue 
Satzungen schienen ihnen nötig, sondern neue Männer, mit weitem 
Blick für die zu leistende Arbeit! Aber die Kraft, bildend auf 
Persönlichkeiten einzuwirken und die Jugend zu erziehen, ist ohne 
Ausnahme den Männern versagt gewesen, die damals an der 
Spitze unserer Gesellschaft standen. Sie fehlte dem grossen, 
nur auf das Eine schauenden Manne, der den Vorsitz in der 
Gesellschaft innehatte. Aus all’ diesen Empfindungen heraus, -die 
durch den alleinigenWunsch hervorgerufen wurden,aufeinemanderen 
Wege als dem, der in der Naumannia ausschliesslich der führende 
war, die Vogelkunde zu fördern, entschloss sich Cabanis im Jahre 
1853 zur Herausgabe des Journals für Ornithologie. Es sollte 
ein Sammelpunkt der Arbeiten über die Vogelkunde der ge- 
samten Erde werden. Auf der Versammlung zu Gotha im Jahre 
1854, der ersten, an welcher Alfred Brehm teilnahm, — ein neuer 
Stern ist aufgegangen, schrieb damals Baldamus, — beantragte 


Bericht über die Jahresversammlung. 11 


Cabanis, dass auch sein Journal als Zeitschrift der Gesellschaft 
anerkannt werde, ein Antrag, der erst nach hartem Streit der 


Meinungen Annahme fand. 

Der Berliner Versammlung folgten solche in anderen Teilen 
unseres deutschen Vaterlandes.. Man traf sich in Halberstadt 
und Gotha, in Braunschweig und Cöthen. Die Anzahl der Mit- 
glieder der Gesellschaft wuchs von Jahr zu Jahr. 1856 ver- 
zeichnet die Liste deren 237. Neue Namen gesellten sich zu 
den alten. Neben Baron König Warthausen und Graf Dziedus- 
eycki, neben Heine, Lucanus und Blasius finden wir Salomon 
v. Petenyi, den genialen Begründer der ungarischen Ornithologie, 
dessen geistvollen Biographen wir an dem heutigen Jubeltage 
unter uns zu sehen die hohe Freude haben! 


In den Tagen vom 2. bis 5. Juni 1856 fand eine Versammlung 
in Cöthen statt. Lassen Sie uns einen Augenblick bei derselben 
verweilen. Sie war stark besucht. Von den 52 Mitgliedern, die 
an ihr Teil nahmen, seien Blasius, Zander, Wiepcken, Brehm 
sen., Jäckel, Altum, Gloger, Tobias, Naumann, Pässler, Baldamus 
genannt. Eine besondere Weihe empfing diese Versammlung, 
die letzte, welche Naumann leitete, durch die Anwesenheit des 
bedeutendsten der zeitgenössischen Ornithologen, des Prinzen 
Lucian Bonaparte, der mit seiner Tochter und seinem Schwieger- 
sohn, dem Fürsten Gabrielli, aus Rom kommend bereits am 
Vorabend der Versammlung in Cöthen eingetroffen war. 

Die Verhandlungen dieser Tage trugen einen bestimmten 
Character. _Sie beschäftigten sich fast ausschliesslich mit der 
Definition der Begriffe Species, Subspecies, Rasse, Form, Spielart und 
Abart. All’ die Fragen, die noch heute die Ornithologie bewegen, 
wurden schon damals, ebenso lebhaft und ebenso leidenschaftlich 
wie in unseren Tagen, debattiert. Wenn man an Stelle der Namen 
Naumann, Brehm, Gloger, Altum, Blasius, Baldamus, einsetzt: 
Reichenow, Graf Berlepsch, König, Hartert, Kleinschmidt, man 
könnte glauben, eine Debatte aus den jüngsten Tagen zu hören! 

Brehm betonte, dass die Unterschiede der von ihm beschrie- 
benen Subspecies in der Natur existierten, daher auch im System 
sämtlich ihre Geltung behalten müssten. Heute wissen wir, 
dass Brehm vielfach nur individuelle Abweichungen beschrieben. 
So nur konnte er für Europa allein 1606 Vögel nachweisen, von 
denen er 966 als Arten und 640 als Subspecies aufgefasst wissen 
wollte. Auch heute geht wieder ein Brehm’scher Zug durch die 


12 Bericht über die Jahresversammlung. 


Ornithologie. Wehe unserer Wissenschaft wenn sich derselbe, 
in Brehm’scher Auffassung und in gleicher Ausdehnung, auch der 
Vögel der fremden Regionen der Erde bemächtigte und in not- 
wendiger Consequenz die heute noch ternär charakterisierte 
Subspecies in benannte Individuen auflöst! 

Und Gloger docierte in jenen Cöthener Tagen: Alles, was 
entweder einer Abstammung nach oder zum Behufe der Fort- 
pflanzung zu einander gehört, bildet eine Art. Altum definierte 
den Begriff der Species als Wesensgleicheit. Und Prinz Bonaparte, 
eifrig an den Debatten sich beteiligend, führte aus, dass die 
Species „eine Zusammenfassung oder eine Reihenfolge von Indi- 
viduen sei, charakterisiert durch eine Gesamtheit von unter- 
scheidenden Zügen, deren Vererbung bei der jetzigen Ordnung 
der Dinge natürlich regelmässig und unbegrenzt sei.“ Im An- 
schluss an diese Fragen wurden auch die der geographischen 
Verbreitung mannigfach discutiert. Ist es nicht auch heute noch 
bei vielen ein Axiom, was Altum damals ausführte, wenn er sagt: 
„Ich würde, wenn in Neuholland ein Wanderfalke vorkäme, was 
ich nicht weiss, mir zutrauen sein Äusseres Kleid zu malen, ohne 
dass ich ihn gesehen oder eine Beschreibung von ihm erfahren 
hätte!“ Oder wenn Gloger ausführt, dass die beschränkte 
geographische Verbreitung eine Art verdächtig und 
zweifelhaft mache. „Die Engländer“ sagt er „haben einen 
speciellen ornithologischen Patriotismus, indem sie 3 Species, 
Motacilla rayi, M. yarrelli und Lagopus scoticus für ihr Vater- 
land allein in Anspruch nehmen, die nichts als Varietäten! 
Sie bleiben bei dem rührend naiven Glauben, freilich ohne sich 
denselben zoologisch oder logisch-rationell klar zu machen, dass 
es die Natur der Mühe wert befunden oder gar für notwendig 
gehalten habe, für jene zwei Streifen Land, welche man Gross- 
Britanien nennt, und welche etwa den fünfzigsten Teil von Europa 
ausmachen, eigens drei besondere Vogelarten zu schaffen I!" — 

Aus diesen hier wiedergegebenen Mitteilungen mögen wir 
ersehen, welch’ wunderbare Vorstellungen damals in den Köpfen 
selbst hervorragender Ornithologen spukten, Vorstellungen, die 
sich zum grossen Teil durch die alleinige und ausschliessliche 
Beschäftigung mit dem beschränkten europäischen Arbeitsgebiet 
erklären lassen. 

Drei Tage dauerte in Cöthen der Kampf der Meinungen 
über diese Fragen. Und das Resultat? Baldamus fasste die 


Bericht über die Jahresversammlung. 13 


langen Debatten resumierend dahin zusammen, dass er erklärte, 
trotz all’ der scharfsinnigen und gelehrten Deductionen noch 
immer nicht zu wissen, was eine Art, was eine Unterart, was eine 
Species und was eine Subspecies sei! Seien wir offen. Kehrt 
nicht gleiches auch in unseren Tagen wieder? — 

Am 15. August 1857 starb Joh. Friedr. Naumann im acht- 
undsiebenzigsten Lebensjahre. Ein Gott begnadeter Naturforscher 
schied mit ihm aus dem Leben. Fünf gesunde Sinne, ein nüchternes 
Urteil, ein ernstes Streben und vor allem eine unbegrenzte Liebe 
zu der umgebenden Natur waren ihm eigen. Und mit diesem 
Pfunde hatte er gewuchert. Nur Autodidact brachte er es dahin, 
von den Fachmännern als ebenbürtiger Forscher und Gelehrter 
anerkannt zu werden. Von ausserordentlicher Bedeutung war 
sein Wirken, das der deutschen Vogelkunde galt; aber ebenso 
herrlich jener Teil des Menschen Naumann, den nur die Familie 
kannte, und den die Freunde bewundernd und verehrend schätzten. 
Naumann war eine Natur von echtem deutschen Sinn. Aus all’ 
den Berichten seiner Zeitgenossen dürfen wir entnehmen, wie 
hoch Naumann als Mensch, als mitfühlender, helfender Freund 
und Berater auch bei denen bewertet wurde, die seiner wissen- 
schaftlichen Bedeutung nicht gerecht zu werden vermochten. An 
des grossen Vogelkundigen Bahre stand trauernd die junge 
deutsche Ornithologie, und mit ihr einten sich die vielen Freunde, 
die den Menschen Naumann beweinten! — 

Das Jahr 1867 bedeutet einen wichtigen Abschnitt in der 
Geschichte unserer Gesellschaft. Nach dem Tode Naumann’s 
trat ein Stillstand in der ornithologischen Arbeit ein. Die Ver- 
sammlungen, die immer von neuem die alten Beziehungen 
knüpfen sollten, fanden wiederholt nicht statt. Die „Naumannia“ 
war aus Mangel an Beteiligung eingegangen. Dagegen ent- 
wickelte sich Cabanis’ Journal mehr und mehr und behauptete 
den schnell errungenen Platz als erste deutsche Fachzeitschrift, 
die auch im Auslande mit Ehren genannt und als gewichtige 
Quelle zum Studium der Vogelwelt anerkannt wurde. An Stelle 
Naumann’s war Bernard Altum getreten. Doch auch ihm glühte 
nicht mehr das alte Feuer jugendlicher Begeisterung für die 
Sache. Streitigkeiten im Schosse des Vorstandes, Auflehnung 
gegen die Autokratie von Baldamus schufen unerquickliche 
Verhältnisse, die um so drückender wurden, als die Mehrzahl 
der Mitglieder den Bestrebungen Einzelner zur Besserung und 


14 Bericht über die Jahresversammlung. 


Änderung der vorhandenen Misstände teilnamlos gegenüber- 
standen. So scheint denn bereits in der Versammlung zu Nienburg, 
im Jahre 1867, die Frage des Fortbestandes der Gesellschaft 
eingehend erörtert worden zu sein, ohne dass jedoch ein be- 
stimmter Beschluss hierüber gefasst worden wäre. Cabanis, der 
dieser Versammlung beigewohnt und mit seinem Antrag, das 
Journal für Ornithologie zum Gesellschaftsorgan zu bestimmen, 
nicht durchgedrungen war, schien mit dem Eindruck nach Berlin 
zurückgekehrt zu sein, dass eine Auflösung der Gesellschaft un- 
mittelbar bevorstehe Sei es nun in irriger Auffassung der 
Nienburger Verhandlungen, sei es vielleicht auch um ein fait 
accompli zu schaffen, kurz, Cabanis entschloss sich in rascher 
That zur Bildung einer neuen Gesellschaft. Es erschien ein 
Aufruf, der die Grundzüge der Satzungen entwickelte, welche, 
wie es in dem Schriftstück hiess, „zur allseitigen Förderung der 
Sache sowie zur Vermeidung einer einseitigen Richtung oder 
persönlicher Willkür Einzelner notwendig erscheinen dürften.“ 
Cabanis, Bodinus, Bolle, Brehm, Finsch, Hartlaub, Heine sen., 
Heuglin, Eugen von Homeyer, Alex. von Homeyer, König- 
Warthausen und v. Pelzeln zeichneten den Aufruf. Am 3. Februar 
1868 fand die erste Monatssitzung der Deutschen Ornithologischen 
Gesellschaft in Berlin statt, der Alfred Brehm präsidierte. Die 
Organisation der neuen Vereinigung war eine wesentlich andere 
als die der alten Deutschen Ormithologen Gesellschaft. 
Während diese nur alljährlich eine Versammlung abhielt, fanden 
in der neuen Gesellschaft allmonatlich Sitzungen statt. Die 
Mitglieder der alten Gesellschaft erhielten keine Zeitschrift, die 
der neuen Berliner Vereinigung das Journal für Ornithologie, 
das nun schon im sechszehnten Jahre erschien. 

Das eigenmächtige und schnelle Vorgehen Cabanis’ regte 
die alte Gesellscheft noch ein Mal zu neuer Thatkraft an. Zu- 
nächst war man über den Schritt des Berliner Geiehrten unsag- 
bar aufgebracht, und Altum gab in der am 2. Juni 1868 zu 
Kiel stattfindenden Versammlung den Gefühlen der Mitglieder der 
alten Gesellschaft deutlichen und beredten Ausdruck. Er legte 
zugleich die Geschäftsführung nieder. In seine Stelle trat 
Freiherr Ferdinand von Droste Hülshofl, ein junger, für die 
ornithologische Wissenschaft begeisterter Edelmann, der sich 
durch verschiedene Arbeiten über die vaterländische Vogelfauna 
die Anerkennung seiner Fachgenossen schnell erworben hatte.. 


Bericht über die Jahresversammlung. 15 


Mit Feuereifer und jugendlichem Enthusiasmus nahm er die 
Arbeit für die Gesellschaft auf. Da traf diese ein neuer, schwerer 
Schlag! Der Mann, der ihr der eigentliche geistige Leiter 
und Führer in diesen Tagen war, dessen Name für sie ein 
Programm bedeutete, wurde ihr durch den Tod entrissen. Am 
26. Mai 1870 verschied in Braunschweig Johann Heinrich Blasius, 
der in den schwierigen Verhältnissen der letzten Jahre dem 
Vorstande der Gesellschaft allezeit ein kluger, vorausschauender 
Berater gewesen, der mit seinem umfassenden Wissen, seinem 
organisatorischen Talent, seinem sicheren Takt die Gesellschaft allein 
gehalten hatte. Mit ihm ging ein Mann dahin, von dem Baron Droste 
mit Recht in seinem Nachruf rühmend sagen konnte, dass kein 
einziger der zeitgenössischen Vogelkundigen als Kenner des euro- 
päischen Faunengebietes mit ihm verglichen werden könne. — 
Die anfängliche Entrüstung gegen Cabanis machte ruhigeren 
Erwägungen Platz. Man ward sich im Schosse der alten Ge- 
sellschaft mehr und mehr darüber klar, dass in der einen oder 
anderen Richtung etwas zur Änderung des Bestehenden ge- 
schehen müsse. Allseits mehrten sich die Stimmen, die einer 
Vereinigung beider Gesellschaften das Wort redeten. Aber trotz 
mehrfach, auf beiden Seiten genommener Fühlung kam man zu 
keinem befriedigenden Zugeständnis. Den Unterhändlern fehlte 
das versöhnlich ausklingende Wort, die überzeugende Treue! 
Da machten sich Rudolf und Wilhelm Blasius, die Söhne des 
unvergessenen braunschweiger Forschers, zu klugen, hingebend 
der Sache dienenden Interpreten des allgemeinen Wunsches! 
Durchdrungen von der Notwendigkeit eines Ausgleiches für beide 
Teile und für die Wissenschaft vor allem, führten sie die Ver- 
handlungen mit den Berliner Freunden. In der Versammlung 
zu Braunschweig vom 20. bis 23. Juni 1875, an der von der alten 
Gesellschaft u. a. Wilh. u. Rudolf Blasius, Eugen von Homeyer, 
Ferd. Heine, Nehrkorn, Pralle, Russ, von der jüngeren Brehm, 
Cabanis, Prinz Isenburg, Reichenow, Rey und Thienemann Teil 
nahmen, konnte der Vorsitzende, Wilh. Blasius, der lebhaftesten 
Freude Ausdruck geben, dass sich endlich wieder Mitglieder beider 
Gesellschaften zu gemeinsamer Arbeit einten. Die lang ersehnte 
Vereinigung wurde hier dann auch zur That! Beide Gesellschaften 
verbanden sich zur Allgemeinen Deutschen Ornithologischen Ge- 
sellschaft. So fand die erste Epoche unseres Gesellschaftslebens 
ihren Abschluss. Nach den 25 Jahren vorbereitender Arbeit trat 


16 Bericht über die Jahresversammlung. 


sie nun in den Zeitenabschnitt des ruhigen, stetigen Ausbaues. 

Wohl geziemt es sich, bei dem Eintritt in die zweite 
Periode der Geschichte unserer Gesellschaft, des Errungenen 
der ersten zu gedenken. 

Die Ergebnisse der Arbeiten der ersten Jahre sind in den Heften 
der Rhea, den Bänden der Naumannia und den einzelnen Jahres- 
berichten niedergelegt. In natürlicher Entwickelung der Dinge 
richteten sich diese Arbeiten fast ausnahmslos auf die Erforschung 
der deutschen Vögel und der Vögel Europas, welch’ letzteres, im 
Sinne alter Auifassung, als ein natürliches, zoogeographisches 
Gebiet betrachtet wurde. Die Frage der Begrenzung des palae- 
arktischen Faunen-Gebietes, die Auflösung desselben in charak- 
terisierte Subregionen, lag noch in der Zukunft Schatten. Die 
srundlegende Kenntnis unserer Vögel danken wir dieser 
Zeit. Mustergültiges finden wir in jenen Arbeiten über die Bio- 
logie unserer Vögel im weitesten Sinne, und über die faunisti- 
schen Gebiete Europas. Nach der angegebenen Richtung dürfen 
sie als Fundgruben unendlich reicher Art bezeichnet werden. 
Sollen Namen genannt sein, so mögen hier für dankbare Er- 
innerung bewahrt werden: Tobias, Naumann, Eugen von Homeyer, 
Pässler, Baldamus, Thienemann, Ludwig Brehm, Zander, Jäckel, 
Altum, Bolsmann, Joh. Hch. Blasius, Pralle, Preen. — 

Aber so hoch die Arbeiten all’ dieser Männer anzuschlagen 
sind, so barg doch die ausschliessliche Richtung ihrer Thätig- 
keit eine dauernde Gefahr. In dem engbegrenzten Horizont 
europäisch - deutscher Ornithologie, in der ausschliesslichen 
Beschäftigung mit einem engen geographischen Gebiet, musste 
der klärende Blick für die allgemeinen und weiteren Beziehungen, 
für die Gesamtheit der zu lösenden Fragen verloren gehen und 
die Auffassung systematischer Relationen bei der absoluten Un- 
kenntnis der vermittelnden und verbindenden, ausserhalb des 
europäischen Faunengebietes vorkommenden Formen, zu wunder- 
baren Schlüssen führen. Was über Europa hinausging, war selbst 
den hervorragendsten jener grossen deutschen Ornithologen eine 
nie geahnte Welt, und die reiche Litteratur über die fernen 
Gebiete in anderen Zungen war ihnen ein Buch mit sieben 
Siegeln! Aus der Reihe vieler nur ein Beispiel: Ein nicht 
gewöhnliches Können, eine bewundernswerte Schärfe des Blickes 
war zweifellos Ludwig Brehm zu eigen. Rückhaltlose Aner- 
kennung zollen wir seinen Arbeiten auf dem Gebiete deutscher 


Bericht über die Jahresversammlung. 17 


Ornithologie. Aber mit befangenem Urteil, mit gemütlicher 
Überschätzung seines Wissens und seines Könnens und einem 
kritiklosen Wagemut trat er auch an die Lösung von Aufgaben 
heran, die er absolut nicht zu bewältigen vermochte. So hatte 
sich z. B. einst eine kleine Sammlung neuholländischer Vögel in 
das Pfarrhaus zu Renthendorf verirrt. Da Brehm die Arten 
nicht kannte, beschrieb er sie einfach sämtlich als neu. Der 
Gedanke, dass es eine Litteratur über diese Gebiete geben könne, 
kam ihm nicht. Die Vögel waren ihm neu, also waren sie für 
die Wissenschaft neu! Solch’ gefährlichem Thun gegenüber 
erhob Gustav Hartlaub warnend seine Stimme. Er wies darauf 
hin, dass die Brehm’schen nov. spec. längst von Vigors, Horsfield, 
Vieillot, Gould u. a. beschrieben worden waren. „Möchte meine 
Berichtigung“, sagt Hartlaub, „dazu dienen, den Herrn Brehm, 
der, wie es mir scheint, mit der bezüglichen Literatur vollständig 
unbekannt ist, von weiteren Benennungen fremder Vögel abzu- 
halten. Wir haben ja, weiss es Gott!, der Namen genug und es 
muss doch mindestens sehr gewagt erscheinen, die ersten besten 
Sachen, die man zufällig früher noch nicht gesehen, so auf das 
Geradewohl hin für neu zu halten und als solche benennen und 
beschreiben zu wollen. Wer heutzutage über neuholländische Vögel 
publizieren will, der muss Goulds Arbeiten kennen, und wem die Ge- 
legenheit dazu fehlt, der thut klüger, nicht über Dinge zu schreiben, 
von denen er nichts versteht!“ So lautete ein Urteil, und in 
dieser Richtung ein vollständig gerechtes über Ludwig Brehm! — 
Die Berliner Gesellschaft hatte sich nach ihrer Begründung 
schnell entwickelt. Nicht nur, dass ihr aus Nah und Fern 
Ornithologen beitraten, auch Männer, die sich als Liebhaber für 
die Welt der Vögel interessierten, deren Beruf aber im Getriebe 
des hastenden Lebens nach ganz anderer Richtung gravitierte, 
schlossen sich ihr an. Otto von Bismarck, des deutschen Reiches 
späterer Kanzler, und seine journalistisch rechte Hand, der 
formengewandte Lothar Bucher, Prinz Ferdinand von Coburg, 
der spätere Fürst von Bulgarien, bekannt als hervorragender 
Kenner fremder bei uns eingeführter Vögel, der grosse Eisen- 
'bahnenerbauer Dr. Strousberg, der viel genannte Financier Gerson 
von Bleichröder, der damalige Rittmeister, jetzige General von 
‚Korff, der bekannte Schwiegersohn Meyerbeer’s und Freund Las- 
'salles, Otto von Mühlberg u. a. finden sich bereits in den Mit- 
‚gliederverzeichnissen der siebenziger Jahre genannt. 
Journ, £, Orn, XLIX, Jahrg. Januar 1901. 2 


18 Bericht über die Jahresversammlung. 


Im Jahre 1873 weilte Nicolas Sewertzoff zur Bearbeitung 
seiner centralasiatischen Sammlungen längere Zeit in Berlin. Oft 
hatte die Gesellschaft den Vorzug, den genialen Russen bei sich 
zu sehen, wie er in geistvoller Darstellung ein Bild seiner Reisen 
und Forschungen im Gebiet des Kuen-lun und Tianschan ent- 
wickelte.e Und mit ihm sahen wir an einem Abend einen alten 
Freund der Gesellschaft, der auch nachher noch oft bei uns Ein- 
kehr gehalten, Gustav Radde, den besten Kenner und glänzendsten 
Darsteller und Schilderer des fernen kaukasischen Gebietes; an 
einem köstlichen Abend, der unvergesslich in der Erinnerung 
aller fortleben wird, die an demselben Teil genommen. 

Am 3. Jan. 1876 fand die erste Monatssitzung der vereinten 
Allgemeinen Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in Berlin 
statt, in welcher Alfred Brehm der veränderten Verhältnisse ge- 
dachte und in warmer Empfindung die Vereinigung feierte. Den 
Vorsitz selbst hatte Brehm im Jahre 1870 an Hermann Golz ab- 
gegeben, der ihn bis 1876 inne hatte. In engem Zusammenhang 
mit der Neuordnung der Dinge übernahm alsdann Eugen von 
Homeyer das Präsidium, das bis zum Jahre 1882 in seinen 
Händen verblieb. — 

Die Frage der Lösung eines verständigen Vogelschutzgesetzes, 
die in den weitesten berufenen wie unberufenen Kreisen — in 
den letzteren vornehmlich — diskutiert wurde, begegnete auch 
in unserer Gesellschaft lebhaftestem Wiederhall. Abgesehen von 
national-ökonomischen Momenten hat man sie bei uns vor allem 
als eine Frage von ethischer Bedeutung betrachtet. Oft wurde 
sie in diesem Sinne eingehendst debattiert. Die Gesellschaft 
hatte die Genugthuung, dass sich eine Anzahl hervorragender 
Reichstagsabgeordneter wie Heinr. Dohrn, Rohland, Aschenborn 
und Fürst Hohenlohe Langenburg in unserem Kreise das Material 
für die Vogelschutzdebatten im Reichstage holten und sich mit 
unseren Ansichten vertraut machen liessen, die sich himmelweit 
von den durch Unkenntnis des Lebens der Vögel diktierten 
Sentimentalitäten kritiklos schwatzender Liebhabervereine ent- 
fernten. — 

Das Jahr 1884 schlug unserer Gesellschaft schwere Wunden. 
In der Zeit weniger Wochen hatten wir das Hinscheiden von 
Heinr. Bodinus, Wilh. Thienemann und Alfred Brehm zu beklagen. 
Des letzteren Tod war ein harter Schlag für unsere Berliner 
Gemeinschaft. War Brehm in Berlin, so versäumte er keine 


Bericht über die Jahresversammlung. 19 


Sitzung. Ausgerüstet mit weitem Blick und umfassenden Kennt- 
nissen, wusste er immer Leben und Bewegung in die Versamm- 
lungen hineinzutragen und Fragen in die Debatte zu werfen, die 
stets weitere Kreise zogen. Noch heute hat die Lebensarbeit 
dieses genialen Mannes, dessen Wirken auf die Ausbreitung 
naturwissenschaftlichen Empfindens in Deutschland von unschätz- 
barer Bedeutung war, nicht in zusammenhängender Darstellung 
die gebührende Würdigung gefunden. Ein Unrecht an dem 
grossen Schilderer tierischen Lebens! Fern sei es daher auch 
dieser Stunde und an dieser Stätte, an der er sein bestes Werk, 
das „Leben der Vögel“, geschrieben, Nachlese in wenigen Worten 
halten und Ähren sammeln gehen zu wollen in dem Felde, in 
dem leider bis zum heutigen Tage die volle Ernte seines Ruhmes 
noch nicht eingebracht worden ist. Alle, die Brehm nahe ge- 
standen, waren durch die plötzliche Nachricht seines Todes tief 
erschüttert. Wir sahen ihn noch vor uns. Der charakteristische 
Kopf des erst Sechsundfüntzigjährigen mit den straff zurückgelegten, 
kaum noch von einigen Silberfäden durchzogenen dunklen Haaren, 
mit der energisch vorspringenden Nase und den durchdringenden 
Augen, alles verriet auf den ersten Blick, dass hier Jemand war, 
dem die Natur die Merkzeichen des nicht gewöhnlichen aufgeprägt 
hatte. Es rollte so viel unverwüstlich scheinendes Leben in 
seinen Adern, er hatte ein so grosses Mals geistiger Arbeit voll- 
bracht, dass man sich nur schwer mit dem Gedanken an die 
‚Vergänglichkeit seiner Person vertraut machen konnte. Als er 
von seiner ersten afrikanischen Reise heimgekommen, trat er mit 
dem kecken Mut der Jugend und wit dem Rüstzeug einer 
'tüchtigen Bildung in den Kreis jener Männer, die die Populari- 
sierung der Wissenschaft auf ihre Fahnen geschrieben. Mit der 
Klarheit scharfen Denkens und der ruhigen Sicherheit des 
‚Urteils paarten sich bei Brehm mannhafter Überzeugungsmut 
und Schlagfertigkeit des Wortes, die seiner Persönlichkeit das 
IGepräge gaben. Oft wandelte ihn die Lust an, durch kleine 
oder auch grosse Rücksichtslosigkeiten der Wahrheit zu ihrem 
Rechte zu verhelfen. Seine geistige Gesundheit liess nicht Raum 
für sentimentale Regungen; er war kein sentimentaler Freund, 
der seine Empfindungen in weicher Bequemlichkeit wohlieil ver- 
schwendete. Wer das verlangte, dem konnte er herbe erscheinen. 
‚Aber diese Herbheit war nur gesunde Klugheit, die nichts ver- 
‚hut, auch nicht Empfindungen, die aber gewährte, mie gewährte 


20 Bericht über die Jahresversammlung. 


aus einem seltenen inneren Reichtum am rechten Orte und zu 
rechter Zeit. a 

Und wie plauderte es sich mit diesem Manne! Wie freute 
er sich seiner Vorfahren voll Charakter und Eigenart, und wie 
hoch bewertete er den Schatz, der ihm aus diesem Familienleben 
überkommen. Immer wieder erinnerte er an Lebensregeln und 
kernige Familiensprüche die im Renthendorfer Pfarrhause von 
Mund zu Mund gingen, und welche die Philosophie des Lebens 
ausmachten, einer gesunden Philosophie voll Klarheit, voll Ur- 
sprünglichkeit und voll von jenem Daseinsoptimismus, den der 
thätig strebende Mensch nicht entbehren kann. Man soll den 
Leuten auf’s Maul schauen, hatte Luther gemeint; das hatte 
Brehm gethan, als er sich die gesunde Anschauung dieser 
kraftvollen, thüringischen Art für’s Leben zu eigen machte. 
Was er für recht anerkannt hatte, suchte er mit unerschütter- 
licher Folgerichtigkeit durchzuführen. Ein Mann mit ausge- 
zeichnetem Können, ausgestattet mit Geistesgesundheit, voll Ur- 
sprünglichkeit, wie sie dem Volke eigen sein kann, und mit dem 
sachlich umfassenden Wissen und der sachlich kritischen Begabung 
des Gelehrten — diese Mischung, die so einzig ist, war in 
Brehm zu völligem Ausgleich gelangt. Und auf dieser Mischung 
beruhte es allein, dass er oft schwierige Probleme des Tierlebens 
mit vollendeter Klarheit und überdies lebensvoll fesselnd darzu- 
stellen vermochte. — 

Auch die folgenden Jahre brachten uns schwere Verluste. 
Am 5. Oktober 1885 schied Richard Böhm, im fernen Zentral- 
afrika aus dem Leben. Ein rechtes Kind unserer Gesellschaft, 
begabt und begeistert wie wenige vor ihm, durfte die Wissenschaft 
die grössten Hoffnungen auf ihn setzen, die zu erfüllen ein herbes 
Geschick vereiteltee Am 6. Dezember 1886 starb in Berlin an 
schwerem Schwarzwasserfieber Gustav Adolf Fischer, ein Mann, 
der die Kenntnis der ostafrikanischen Vogelwelt wie kaum ein 
zweiter zu fördern gewusst hatte; am 12. Juni 1889 ging Eugen von 
Homeyer dahin, ein hervorragender Kenner unserer paläarktischen 
Vogelfauna, leider nur oft befangen in kleinlicher Beurteilung 
seiner wissenschaftlichen Gegner. Am 14. April 1890 starb 
Ladislas von Taczanowski und ein Jahr später am 9. März 1891 
Friedrich Kutter, der unvergessene, dem es leider nicht beschieden 
gewesen, procul negotiis, der Oologie die Bahnen zu weisen, zu 
deren Erschliessung er vor. allen berufen schien. Nach Gustav 


Bericht über die Jahresversammlung. 21 


Hartlaub hatte er von 1890 bis 1891 den Vorsitz in unserer Gesell- 
schaft inne gehabt, der nun auf Bernard Altum überging, dessen 
am 1. Februar dieses Jahres erfolgter Tod noch in unserer Aller 
Erinnerung ist. Altum’s umfassende Thätigkeit auf dem Gebiete 
der deutschen Vogelkunde ist noch in den letzten Tagen, gele- 
gentlich seines Hinscheidens, der Gegenstand allseitiger Aner- 
kennung gewesen. — 

Aus den Statuten der alten Ornithologen Gesellschaft war 
beim Ausgleich im Jahre 1875 für die neuen Satzungen die 
Bestimmung herübergenommen worden, in jedem zweiten Jahre, 
ausserhalb Berlins, eine Jahresversammlung zu halten. So fanden 
dieselben vom Jahre 1877 an, in welchem die Gesellschaft zum 
ersten Male in Dresden tagte, in Stettin, Hamburg, Oldenburg, 
Braunschweig und Münster, Wiesbaden, Frankfurt a. M., Oassel, 
Altenburg und wieder in Dresden statt. 

Die Tage in Stettin im Jahre 1879, an denen sich die 
Ornithologen in den ausgedehnten, wilden, Curower Bruchgebieten 
der unteren Oder der Jagd und Beobachtung der Cormorane 
widmen konnten; die Stunden in Oldenburg im Jahre 1883, wo 
in dem herrlichen, mit Ureichen bestandenen Hasbruch Excellenz 
von Alten im Namen des Grossherzogs von Oldenburg mit goldenem 
Humpen, gefüllt mit köstlichem deutschen Wein, die Ornithologen 
willkommen hiess und dem hohen Empfinden Ausdruck gab, 
welches sein erlauchter Herr den Bestrebungen der Gesellschaft 
entgegenbrachte; und schliesslich die Festtage in Altenburg, die 
der Enthüllung des Brehm-Denkmales galten, all’ diese herrlichen 
Tage sind mit unauslöschlichen Lettern in das Buch der Erinne- 
rung jedes Einzelnen der Teilnehmenden lichtvoll für alle Zeiten 
eingeschrieben. 

Von einschneidender Bedeutung für unsere Gesellschaft 
waren die Beschlüsse, die auf der Jahresversammlung in Cassel, 
vom 23. bis 26. September 1893, gefasst wurden. Auf eine Anre- 
sung Adolf Nehrkorn’s wurde beschlossen, mit dem Begründer 
und Besitzer des Journals für Ornithologie, Jean Cabanis, ein 
dahingehendes finanzielles Abkommen zu treffen, dass das Journal 
Besitz der Gesellschaft wurde, welche die Herausgabe ihrem 
damaligen Generalsekretär, Anton Reichenow, übertrug. So wurde 
die Gesellschaft Eigentümerin der ältesten ornithologischen Zeit- 
schrift der Welt, die heute in einer stattlichen Reihe von 48 
Jahrgängen vor uns steht und ein monumentales Zeugniss ablegt 


22 Bericht über die Jahresversammlung. 


von deutscher Energie, deutschem Fleisse und deutscher Arbeit. 
Die Ergebnisse emsigster Forschungen, welche in allen Teilen 
unseres Vaterlandes durch einen sich stetig verjüngenden Stab 
tüchtiger Ornithologen, die durch die Gesellschaft herangezogen 
und gebildet wurden, ausgeführt worden sind, finden sich darin ; 
niedergelegt. Durch diese Arbeiten hat sich die Deutsche Ornitho- 
logische Gesellschaft als ein wichtiges Glied der Geschichte des 
wissenschaftlichen Aufschwungs der Vogelkunde in der zweiten 
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eingefügt und vermittelnd 
fremden Ländern Kunde gebracht von deutscher Forschung auf 
dem Gebiete der Vogelkunde. 

Lassen Sie uns in wenigen, kurzen Zügen ein Bild der 
Arbeiten gewinnen, welche in den letzten 25 Jahren von den 
Mitgliedern unserer Gesellschaft und im Rahmen der Veröffent- 
lichung der letzteren, geliefert worden sind. Nicht kann es 
unsere Absicht sein, die nach Hunderten zählenden Mitteilungen 
hier namentlich auzuführen. Die Entwickelung der Kenntnis 
unseres Erdballes ist eine so rapide, die Ausbildung der mit der" 
Ornithologie in Verbindung stehenden Wissenschaften eine so 
durchgreifende gewesen; neue, früher nur auf Empierie beruhende 
Disciplinen haben im Laufe der Jahre einen so sicheren Boden 
gewonnen, dass wir uns nicht müssiger Übertreibung schuldig 
machen, wenn wir die letzten, verflossenen fünfundzwanzig Jahre 
als eine zweite Epoche der Entwicklung der Ornithologie in Deutsch- 
land bezeichnen. Mögen die Namen einiger unserer Mitglieder, 
die mit der Geschichte dieses Zeitabschnittes auf das engste und 
innigste verbunden sind, hier eine kurze Erwähnung finden: 

Allgemeine systematische, anatomische und oologische Fragen 
wurden von Cabanis, W. Blasius, Fürbringer, Reichenow, Kutter, 
von Nathusius, Kuschel, Lühder, Gadow und Nehrkorn behandelt. 
Das arctische Gebiet dankt wertvolle Aufschlüsse den Forschungen 
Heuglins, Walters und Hartlaubs. Im Anschluss an die Zeit von 
1850 bis 1875 ist in der weiteren Entwickelung der Kenntnis 
unserer deutschen Vögel ausserordentlich viel geschehen. Es 
möchte fast den Raum überschreiten, Namen zu nennen. Nur 
wenige seien aus der grossen Zahl an dieser Stelle genannt: 
Altum, Rud. Blasius, Eugen u. Alexander v. Homeyer, Graf Ber- 
lepsch, Alfr. Brehm, v. Droste, Gätke, Hartert, Kollibay, Liebe, Lever- 
kühn, Matschie, Reichenow, von Tschusi, Walter, Wiepken u. Ziemer. 
Für Sibirien müssen wir Eugen von Homeyer, von Taczanowski, 


Bericht über die Jahresversammlung. 23 


Dybowski, Bolau, für die Kaukasusländer Gustav Radde, für das 
weite turkestanische Gebiet Nicolas Sewertzoff nennen. Das 
kaum gekannte Mittelmeerbecken, im weiteren Sinne Zzo0ogeo- 
sraphischer Begrenzung, ist durch die Arbeiten Reiser’s, König’s 
von Erlanger’s, Krüpers und v. Taczanowski’s grundlegend und 
fast abschliessend erschlossen worden. Die Namen Dohrn, 
Bolle, Hartwig und vor allem derjenige König’s werden mit der 
Erforschung der capverdischen und canarischen Inseln immer 
verknüpft sein. Nicht wenige unserer Mitglieder haben in eifriger 
Arbeit dazu beigetragen, dass die Kenntnis der Vogelfauna der 
äthiopischen Region die Höhe erreichte, auf der sie sich heute 
befindet. In dem ersten Zeitabschnitt dieser Arbeit sind es Finsch 
und Hartlaub wie Cabanis, in dem zweiten vor allem Anton 
Reichenow, die ihm die Bedeutung aufprägten und die intensive 
Erforschung der Vogelfauna des afrikanischen Gebietes einleiteten 
und mustergiltig fortführten. Mit Reichenow seien dann noch 
Fischer und Böhm, Hartert, v. Pelzeln und Neumann genannt. 
Für die Erforschung des indischen und malayischen Gebietes 
waren Kutter, Hartert, v. Pelzeln, und Wilh. Blasius thätig. 
Wenden wir unsere Blicke der neotropischen Region zu, so müssen 
wir anerkennend zweier Männer gedenken, die hier ausser- 
ordentliches für die Erforschung dieser Gebiete gethan haben: 
Jean Cabanis und Graf Berlepsch. Über Centralamerika danken 
wir von Frantzius, über die westindischen Inseln Gundlach und 
Graf Berlepsch wertvolle Aufschlüsse. Neu Guinea, das poly- 
nesische Inselgebiet und Neuseeland haben Finsch, Hartlaub, 
Gräffe, Meyer und Reichenow in einer Reihe wichtiger und nach- 
haltig wertvoller Arbeiten eingehend behandelt. — 

Lassen Sie uns unseren Rückblick auf das fünfzigjährige 
Wirken unserer Gesellschaft schliessen. Mit Stolz dürfen wir es 
bekennen, dass die Deutsche ornithologische Gesellschaft in der 
verflossenen Epoche ihres Daseins den festen Grund gefügt für 
einen späteren Ausbau unserer Wissenschaft. In das elfte Lustrum 
treten wir jetzt ein, und an der Schwelle des neuen Halbjahrhun- 
derts wollen wir noch einmal dankbar uns der Männer erinnern, 
unter deren Sorge unsere Gesellschaft gegründet, welche sie geleitet 
und entwickelt haben, und von denen noch Cabanis und Hartlaub, 
Krüper und Kunz, alle hochbetagt, unter uns weilen. Sie ver- 
binden die heutige Ornithologie mit der stolzen Epoche der 
Grundlegung unserer Gesellschaft. Sie haben uns auf die Bahnen 


24 Bericht über die Jahresversammlung. 


gewiesen und dieselben eröffnet, welche von einer jüngeren Ge- 
neration, und wir dürfen es mit Genugthuung und Freude be- 
kennen, von vielen unserer Mitglieder zur Förderung und zum 
Ruhm der Wissenschaft verfolgt worden sind. Gelüftel ist der 
Schleier, der Jahrzehnte hindurch die Kenntnis ferner Zonen 
unseres Planeten verhüllte. Damit schwindet der Reiz des Un- 
bekannten und der Überraschungen. Aber neue Reize ent- 
hüllen sich oft, wenn man dem Einzelnen forschend nachgeht oder 
die Erscheinungen vergleichend zusammenzufassen sucht. Und 
der Aufgaben zu lösen sind noch viele! Noch sind mannigfache 
Schranken niederzulegen. Der durch Linne begründete Glaube 
an die Unveränderlichkeit der Art ist eine dieser Schranken. 
Der Einfluss des Darwinismus und die Bedeutung desselben für 
die Ornithologie ist bei uns kaum gestreift worden. Darwin’s 
und Wallace’s grundlegende Forschungen fielen in Deutschland 
in eine Epoche notwendig vorbereitender ornithologischer Arbeit. 
Arten wurden beschrieben, Gattungen abgegrenzt, faunistische 
Übersichten geschaffen, die einzelnen Lebensmomente erforscht, 
aber der Nutzanwendung der Untersuchungen des grossen 
englischen Naturforschers auf die Ornithologie ist bisher nicht 
nachgegangen worden. Viele unserer Ornithologen nahmen die 
Lehre in der Theorie an, aber Niemand dachte eigentlich bis 
heute daran, sie eingehend zum Studium der Vögel zu verwenden. 
Und wie in dieser Richtung, so bleiben uns noch viele andere 
Fragen offen, die die kommende Zeit in Angriff nehmen wird. 
All’ unser heutiges Wissen ist noch Stückwerk und wird überholt 
werden von dem Wissen späterer Tage. Wenn die Ornithologie 
so fortschreitet, wie sie es in den letztverflossenen fünfzig Jahren 
gethan, so dürfen wir noch Grosses erwarten. Intensiveres Licht 
wird auf die verwickelte Klassification der Vögel geworfen werden, 
wenn wir den Vogelkörper und nicht nur den Balg zu studieren 
beginnen. Wenn dann die dort ruhenden reichen Schätze ge- 
hoben sind, dann soll den Sitten und Lebensgewohnheiten nach- 
gegangen werden, die einen wichtigen Teil in der Geschichte des 
Individuums ausmachen. Daun wird es ernste Aufgabe sein, den 
hochorganisierten Vogel in seinem instinetiven Leben und Treiben 
zu beobachten, die Beziehungen des einzelnen Individuums zu 
der Gesamtheit kennen zu lernen und zu versuchen, das 
selbständige und selbstthätige, eigenartige Handeln in einzeln 
gegebenen Lagen des tierischen Daseins zu verstehen und zu 


Bericht über die Jahresversammlung. 25 


erkennen. Dann wird zu prüfen sein, wie sich das Thun der 
Vögel, welches meist als das Ergebnis eines uns unverständlichen 
Naturtriebes angesehen wird, als eine Folge besonderer Sinnes- 
schärfe, als eine verständige Verwertung der empfangenen Sinnes- 
eindrücke erklären lässt. Und so giebt es der Fragen noch viele! 
Auf sie alle die Forschung auszudehnen, die Maschen des über 
den ganzen Erdball ausgespannten ornithologischen Arbeitsnetzes 
enger und enger zu knüpfen, das ist die grosse Aufgabe, welche 
die Gegenwart der Zukunft stellt. Dieses herrliche Ziel aber zu 
erreichen, dazu bedarf es der thatkräftigen Mitwirkung aller 
Kreise, welche die Förderung der ornithologischen Wissenschaft 
auf ihr Banner geschrieben haben! So mag denn das heutige 
Jubelfest, welches die älteste ornithologische Gesellschaft, nicht 
Deutschlands allein, sondern der ganzen Erde an der Stätte 
begeht, an der sie vor 50 Jahren ihren Ausgang genommen, zu 
einer neuen Anregung gemeinsamen Strebens werden, für 
die ornithologischen Vereinigungen fremder Länder wie für die 
Schwestergesellschaften in unserem deutschen Vaterlande! 

Möge es bei dem Eintritt in das neue Halbjahrhundert ge- 
stattet sein, dem Gefühl freudiger Zuversicht Ausdruck zu leihen 
auf eine fernere wirksame Beteiligung unserer Gesellschaft an 
der Förderung der gesamten Vogelkunde und auf weitere Lustren 
ernster Arbeit, innerer Festigung und äusserer Blüte! 


Der Vorsitzende: In ergreifenden Worten hat der Redner 
die Geschichte unserer Gesellschaft geschildert. Ihm ist es ge- 
lungen, ihre Sturm- und Drangzeit in unparteiischer Weise uns 
vor Augen zu führen. Und doch ist er in einer Beziehung nicht 
unparteiisch genug zu Werke gegangen. Er hat den Anteil nicht 
hervorgehoben, den er selbst am Gedeihen unserer Vereinigung 
sehabt und Schalow’s Verdienste dürfen nicht unerwähnt bleiben, 
wenn ein Bild der Geschichte unserer Gesellschaft entrollt wird. 


Nunmehr folgten die Ansprachen und Beglückwünschungen 
anderer Gesellschaften und wissenschaftlichen Anstalten. ! 
Herr Otto Herman als Chef der Ungarischen Ornitho- 
logischen Centrale in Budapest: 
Herr Präsident! Hochverehrte Festversammlung! 
| Ich folge dem Gebote der Gesittung, welcher ja auch mein 
| Vaterland Ungarn huldigt, indem ich die Deutsche Ornithologische 


26 Bericht über die Jahresversammlung. 


Gesellschaft an der fünfzigsten Jahreswende ihres Bestehens und 
ihrer ein halbes Jahrhundert umfassenden glänzenden Thätigkeit 
im Namen :der Ungarischen Ornitholegischen Centrale, der Ge- 
samtheit der ihr angehörenden ungarischen Ornithologen und 
endlich zuletzt, dem Gebote der Bescheidenheit folgend, im 
eigenen Namen ehrfurchtsvoll begrüsse. 

Dem Gebote und der Form nach könnte ich es ja bei diesen 
Worten auch bewenden lassen, hätte der so glänzend beredte 
Mund des Historiographen der Gesellschaft nicht einen Gedanken- 
gang in meiner Seele angeregt, welchem ich mit Ihrer gütigen 
Erlaubnis in bündigster Form wohl Ausdruck verleihen muss. 

Vor meiner Seele erscheint ein wunderbar schönes Bild, 
welches ich nie vergessen werde. 

In einer der schönsten Königsstädte Deutschlands, im Parke 
vor dem Königsschlosse erscheint ein kleines deutsches Mädchen. 
So wie die erste Amsel das Kind erblickt, lässt sie den Freuden- 
ruf erschallen und alles Gevögel des Parkes fliegt dem Kinde zu. 


Das Kind nimmt ein Schächtelchen hervor, öffnet es und 


beginnt seine Gaben zu verteilen — hier eine Ameisenpuppe, 


dort ein Mehlwürmchen — und das Haschen beginnt. 

Nun aber ist eine Schwarzamsel die Gierigste von allen; 
sie schnappt alles weg, lässt die Übrigen nicht zu. 

Da ertönt die Stimme des Kindes: 

„Aber Mätzchen, wie kann man auch so unartig sein; die 
Anderen sollen ja auch etwas haben!“ 

Die Amsel zieht den Kopf ein, lässt die Flügel erzittern 
und hängen, sie öffnet den Schnabel, — sie bittet also und das 
Kind giebt wieder. 

Genug! 

Fs kann ja in unserer zur kältesten Nüchternheit neigenden 
Zeit Leute geben, die das Gebaren des Kindes auf den Nach- 
ahmungstrieb zurückzuführen geneigt sind, dass nämlich das Kind 
dem Vogel gegenüber jene Lehre anwendet, welche es von der 
eigenen Mutter an sich selbst erfahren hat. 

Ich sehe mehr darin! 

Ich sehe in dem Vorgange den edelsten, in die tiefste Tiefe 
der Volksseele verpflanzten ethischen Zug, ein Kleinod von un- 
schätzbarem Werte im Schmuckkästchen eines grossen und starken 
Kulturvolkes, | 


| 
| 
| 


Bericht über die Jahresversammlung. 27 


Die edle Erzader dringt in ihrer feinsten Verzweigung bis 
zum Herzen des Kindes und erzeugt darin die Freude am Vogel, 
die Liebe zum Vogel. 

Und die Amseln ziehen für den Winter nicht mehr fort! 

Und wenn wir nun die Frage aufwerfen, wer denn die 
Knappen waren, die den Erzbau begonnen, die edle Ader ent- 
deckt, verfolgt und es bewirkt haben, dass ihr Erz selbst in der 
tiefsten Tiefe des Kinderherzens erglänzen möge? 

Nun der beredte Mund meines Freundes Schalow hat sie 
genannt, die Naumanns, Brehms, Baldamus und die Anderen, 
deren Jünger wir ja alle sind. Der Eifer, die Begeisterung dieser 
Bahnbrecher waren es, welche grundlegende Werke schufen, aus 
welchen jede Stufe der Bildung dasjenige entnahm und fort- 
entwickelte, was für den Geist und das Fassungsvermögen des 
segebenen Elementes nötig und erspriesslich war — also von 
der höchsten Kulturstufe des Fachwissens bis zum Bilderbuche 
des Kindes! 

Sie fragen „wir?“ sind die Jünger der Grossen? also die 
Ungarn auch? Hohe Festversammlung! Unseren ungarischen 
Pastor Johann Salomon von Petenyi, den Begründer der unga- 
rischen Ornithologie, knüpften innige Freundschaftsbande an die 
Naumanns, Baldamus und viele Andere; die innigsten an Vater 
Brehm. War es ja Petenyi, der Brehms Sohn über das Tauf- 
becken hielt, den Chrysostomus der Deutschen, der mit goldenem 
Munde und goldener Feder die Kenntnis des Tierlebens einer 
ganzen gebildeten Welt vermittelt hat! Diese Männer waren in 
Wissenschaft, in Liebe und Freundschaft aufs Innigste verbunden. 
Nun, Salomon von Petenyi führte meinen Vater ein, dieser war 
also der ornithologische Sohn der grossen Kohorte; nach meinem 
Vater bin ich der Enkel und jene junge Schar, die ich in der 
Ungarischen Ornithologischen Centrale um mich vereinte, besteht 
aus Urenkeln der Bewegung, deren Jubelfest wir alle feiern. 

Ihr grosser Dichter sprach: 

Das ist der Fluch der bösen That, 
Dass sie fortzeugend Böses muss gebären. 

In unserem Falle muss es lauten: 

Das ist der Segen der guten That, 
Dass sie fortzeugend Gutes muss gebären. 

Ich begrüsse nochmals aus vollem Herzen die Deutsche 
Ornithologische Gesellschaft! Ich wünsche derselben eine der 


28 Bericht über die Jahresversammlung. 


glänzenden Vergangenheit und Gegenwart voll entsprechende 
Zukunft, reich an Erfolgen zu Gunsten der Wissenschaft, im 
Dienste der wahren Aufklärung und der Humanität! 


Der Vorsitzende: 

Im Namen der Gesellschaft danke ich für die warm em- 
pfundenen Worte des Vertreters der Ungarischen Centrale, welche 
zu beglückwünschen ist dazu, dass ein so unermüdlicher, arbeits- 
freudiger Forscher an ihrer Spitze steht. 


Herr Prof. Dr. Chun (Leipzig): 
Meine Herren! 

Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft hat 
mich beauftragt, Sie zu der Feier des 50 jährigen Bestehens der 
Orvithologischen Gesellschaft warm zu beglückwünschen. Ich 
komme dem Auftrage um so lieber nach, als nicht nur zahlreiche 
Anwesende zugleich auch Mitglieder der D. Zool. Ges. sind, sondern 
auch zu Jenen gehören, deren Namen in der Zoologischen Wissen- 
schaft sich des besten Klanges erfreuen. Die Anwesenheit derselben 
mag Zeugnis dafür ablegen, dass die Zeiten längst vorüber sind, 
wo derjenige, dem es obliegt, das Gesamtgebiet der Zoologie 
zu vertreten, sich vornehm einem Ornithologen-Congress fern hält. 
Ein Blick auf die zur Diskussion gestellten Vorträge zeigt, dass 
Sie im Geiste der Begründer der Gesellschaft denselben Fragen 
nachgehen, die sich jeder Einzelne auf seinem Spezialgebiete 
als Vorwurf wählt und von allgemeinen Gesichtspunkten aus zu 
beantworten sucht. Das sind die Fragen nach dem Werte und 
der Berechtigung der systematischen Kategorien, nach der geo- 
graphischen Verbreitung, des Zusammenhanges der ausgestorbenen 
Vogelfauna mit der heute lebenden, nach dem Einfluss äusserer 
Existenzbedingungen und vor allem der anziehenden biologischen 
Eigenart unserer Lieblinge. Grund genug, dass wir aufmerksam 
den Darlegungen folgen und für die Quellenkunde dankbar sind, 
die uns auf Spezialkongressen geboten wird. Und mögen die 
Quellen weltentlegen schwer zugänglich sein, mögen sie leicht 
erreichbar am Wege liegen, so haben wir ihnen nachzugehen, 
wenn anders uns der breite Unterlauf der Erscheinungen ver- 
ständlich werden soll. 

So heisse ich Sie denn im Namen der Mutter, der Deutschen 
Zoologischen Gesellschaft, die freilich diesmal recht viel jünger 
ist, als die Tochter, herzlich in Leipzig willkommen! 


Bericht über die Jahresversammlung. 29 


Der Vorsitzende: 

Herzlichen Dank sagen wir der Deutschen Zoologischen 
Gesellschaft für die freundlichen Wünsche. Wir schätzen uns 
glücklich, dass wir einen Teil der Arbeit übernommen haben, 
welche die Deutsche Zoologische Gesellschaft pflegt. 


Herr Direktor E. Hartert (Tring) überreicht dem Vorsit- 
zenden ein vom Sekretär der British Ornithologists’ Union, Herrn 
W. Oates vollzogenes Beglaubigungsschreiben und hält folgende 
Ansprache: 

Herr Präsident, hochansehnliche Versammlung! 


Die Britische Ornithologische Gesellschaft hat mich beauf- 
tragt, Ihnen Glück zu wünschen zu dem heutigen Feste, Ihnen 
ihre Freude und Genugthuung auszudrücken darüber, dass die 
Deutsche Gesellschaft diesen Gedenktag feiert, und Ihnen die 
aufrichtigsten Wünsche darzubringen, für eine kräftige Weiterent- 
wicklung und Förderung unsrer geliebten Wissenschaft. 

Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich gern bereit war, 
den mir erteilten Auftrag zu übernehmen, da ich aus Erfahrung 
weiss — seit ich in England bin, ist es das dritte Mal, dass ich 
an den Jahresversammlungen der D. OÖ. G. teilnehme — wie 
es in Ihrem Kreise, dem ich ich ja auch angehöre, zugeht, und 
auch ohnedies. als Abgesandter der Britischen Ornithologischen 
Gesellschaft eines guten Empfanges sicher war. 

Ich benutze diese Gelegenheit, Ihnen die Versicherung zu 
geben, dass wir in England das wärmste Interesse nehmen an 
den Angelegenheiten der älteren Schwestergesellschaft in Deutsch- 
land. Schon dass ich den weiten Weg von dem Mittelpunkte 
Englands aus über das Wasser bis hierher in das Centrum von 
Deutschland gesandt wurde, beweist Ihnen dies, Ich werde noch 
darauf zurückkommen, indem ich Ihnen einiges aus der Ent- 
wickelung der „Brit. Orn. Union“ mitteile, das im Vergleich mit 
der Geschichte dieser Gesellschaft, von der wir soeben eine so 
vortreffliche Schilderung gehört haben, von Interesse sein dürfte. 

Im Jahre 1858 gründeten einige englische Ornithologen, 
nachdem sie schon mehrere Jahre in zwangloser Weise jährliche 
Zusammenkünfte gehalten hatten, in Cambridge die „Ornitholo- 
gical Union,‘ deren Aufgabe es hinfort sein sollte, eine ornitho- 
logische Zeitschrift, genannt „The Ibis“ herauszugeben. Dieses 
Journal, so hies es, sollte mit keinem der bestehenden zoologischen 


30 Bericht über die Jahresversammlung. 


Journale rivalisieren; aber das ornithologische Interesse sei 
in Grossbritannien gross genug, um einen Versuch zu rechtfer- 
tigen, der in einem andern Lande, bei einer stammverwandten 
Nation so erfolgreich gewesen sei. Ich brauche kaum zu sagen, 
dass hiermit Deutschland und das ‚Journal für Ornithologie“ 
gemeint war. Wie glänzend der Versuch ausfiel, beweist Ihnen 
der erste Band des „Ibis“, den ich ihnen hiermit vorlege, und 
der in Bezug auf Stärke wie Zahl und Pracht der Abbildungen 
die ersten Jahrgänge des „Journals für Ornithologie‘“ übertrifft, 
und in Bezug auf den Inhalt ebenfalls jeden Vergleich rühmlichst 
aushält. Interessant ist, dass die Anzahl der Mitglieder anfangs 
auf 20 beschränkt blieb, dass also diese 20 Männer allein die 
nicht unerheblichen Kosten der Zeitschrift aufbrachten. Von 
diesen 20 Gründern weilen heute noch sieben unter uns, und sie 
beschäftigen sich alle noch, und zwar zum Teil auf das eifrigste 
mit der Ornithologie. 

Die Zahl der Mitglieder wurde erst 1866 erhöht, aber noch 
immer müssen Formalitäten durchgemacht werden, um ein Mit- 
glied der Gesellschaft zu werden. Nur in der Jahresversammlung 
kann ein neues Mitglied aufgenommen werden. Es muss von 3 
Mitgliedern schriftlich proponiert werden, von denen eins es 
persönlich kennt und seine Qualification der Versammlung ausein- 
andersetzt. Dann erst wird zu einer geheimen Wahl geschritten. 
Die dadurch herbeigeführte Exklusivität trägt sehr zum Ansehen 
dieser und andrer wissenschaftlicher Gesellschaften in England bei. 

Im Jahre 1892 wurde, nachdem Dr. Sharpe und andere 
‚englische Ornithologen den Jahres- und Monatsversammlungen 
der D. ©. G. beigewohnt hatten, als ein Zweig der „Union“ 
der „British Ornithologist’s Club“ auf Anregung des ersteren 
gegründet, der wie die deutsche Gesellschaft monatliche Ver- 
sammlungen abhält, und der häufigeren gemütlichen Verkehr der 
ÖOrnithologen herbeiführte.e. Nur Mitglieder der Union können 
diesem Klub angehören. 

Vor nicht langer Zeit schrieb mir ein deutscher Freund, 
dass die deutsche ornithologische Arbeit nicht genügend in Eng- 
land beachtet würde. Dieser Vorwurf jedoch ist nicht allgemein 
berechtigt. Wenn nicht jede deutsche Arbeit überall in Gross- 
britannien bekannt ist, so kann dasselbe auch umgekehrt ge- 
funden werden. Ich könnte Ihnen mehr als eine englische 
ornithologische Schrift von nicht ganz geringer Bedeutung nennen, 


Bericht über die Jahresversammlung. 31 


die kaum Einem von Ihnen bekannt sein dürfte. Es ist ausser- 
dem recht schwer, alle Litteratur zu beherrschen, und die Zahl 
der in englischer Sprache erscheinenden Werke über Vögel ist 
so gross, dass man viel Mühe hat, damit allein fertig zu werden. 
Die berühmten englischen Ornithologen aber kennen die deutsche 
Litteratur sehr gut. Die Ziele der Forschung auf beiden Seiten 
des Kanals sind nicht immer gleiche, wo sie einander aber be- 
rühren, bringen sie jenen gesunden Wetteifer mit sich, der der 
Wissenschaft zum Wohle gereicht und frei bleibt von persönlicher, 
eitler Rivalität, wie man sie in andern Lebenslagen findet, wie 
sie aber in der hehren Wissenschaft, der wir uns geweiht haben, 
nie vorkommen sollte, da es ja nicht Erwerb ist und nicht per- 
sönlicher Ruhm sein sollte, nach dem die Männer der Wissenschaft 
streben. Je mehr die Ornithologen der beiden blutsverwandten 
Nationen, Deutschlands und Englands, gemeinsam wirken, desto 
mehr wird die Wissenschaft gefördert. 

Nicht uninteressant ist es, zu sehen, dass diese beiden 
Nationen die einzigen in Europa sind, die schon in den fünfziger 
Jahren lediglich der Ornithologie gewidmete Zeitschriften und 
Gesellschaften gründeten, deren Bestand und rühmliches Fort- 
bestehen auf lange Zeit gesichert ist. 

Noch einmal, meine Herren, versichere ich Sie der kamerad- 
schaftlichen Gesinnungen der ornithologischen Genossen jenseits 
des Kanals und rufe Ihnen in ihrem Namen zu ein herzliches 

Glück auf! 


Der Vorsitzende: 

Mit unserem Danke für die Glückwünsche der British 
Örnithologist’s Union verknüpfe ich die Versicherung, dass wir 
Deutsche alle aufrichtig die grossen Verdienste der englischen 
Gesellschaft um die Förderung der Wissenschaft anerkennen. 
20 Ornithologen gründeten die Ornithologist’s Union und diese 
20 gaben ein grosse Zeitschrift heraus, den „Ibis“. Solcher 
kapitalkräftigen Männer erfreuen wir uns in Deutschland nicht 
viele. Noch einen gewaltigen Vorsprung haben die englischen 
Ornithologen vor den deutschen voraus gehabt; seit vielen Jahren 
sind aus den englischen Kolonien die Sammlungen nach London 
geströmt. Wir wollen jetzt erst die Verbindungen mit fremden 
Ländern vermehren. Nicht vergessen darf man die Förderung, 
welche die Anatomie der Vögel durch englische Forscher erfahren 


32 Bericht über die Jahresversammlung. 


hat. Aus dem Londoner Zoologischen Garten ist das Material 
für zahlreiche anatomische Arbeiten hervorgegangen. In dieser 
Hinsicht müssen wir den Engländern nacheifern, Material wird 
uns aus unseren zoologischen Gärten genügend geboten; noch 
aber sind die Bearbeiter dieser Schätze nicht auf dem Plan. Die 
Vertiefung der Systematik durch die Ergebnisse der Anatomie 
ist aber die Vorbedingung für die Erweiterung unserer Kennt- 
nisse, für die Möglichkeit, eine natürliche Einteilung der Vögel 
zu erlangen. Herr Hartert, der Direktor des Museums in Tring, 
hat uns die Grüsse der Freunde in England überbracht; wir 
empfinden es besonders freudig, dass diese Grüsse von einem 
Sohne unseres Vaterlandes überbracht worden sind, der mit 
unserer Gesellschaft so viele Beziehungen hat, vielen der Mit- 
glieder durch Freundschaft verknüpft ist und der im fremden 
Lande sich eine ehrenvolle Stellung errungen hat. 


Herr Dr. Hennicke (Gera): 
Meine Herren! 
Im Namen des Deutschen Vereins zum Schutze der Vogel- 
welt bringe ich der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft zu 
ihrer 50 jährigen Jubelfeier die herzlichsten Glückwünsche dar. 


Mancher mag vielleicht denken, was hat denn ein Vogelschutz- | 
verein mit der Feier der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 


zu thun? Nun, meine Herren, der Deutsche Verein zum Schutze 
der Vogelwelt hat vom ersten Tage seines Bestehens an die Ansicht 
vertreten, dass ein wirksamer Vogelschutz ohne genaue Kenntnis 
der Vögel und ihres Lebens unmöglich ist, und vor allem die 
Verbreitung der Vogelkunde auf seine Fahne geschrieben. Er 
glaubt deshalb auch, dass Sie ihn nicht in einen Topf werfen mit 
den Vogelschutzvereinen, deren sentimentale Bestrebungen Herr 
Schalow vorhin streifte Der Deutsche Verein zum Schutze der 
Vogelwelt weiss also die hohen, wissenschaftlichen Ziele der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft zu schätzen und erkennt 
ihre Erfolge, die auch ihm zugute kommen, im vollstem Masse 
an. Um dieser Anerkennung auch äusserlich Ausdruck zu geben, 
hat die Generalversammlung beschlossen, die Herren Prof. Dr. 


Reichenow und Herman Schalow zu ausserordentlichen und 


korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Vereins zum 
Schutze der Vogelwelt zu ernennen, und mich beauftragt, den 


beiden Herren die Diplome hierüber zu überreichen. Möge die 


Bericht über die Jahresversammlung. 35 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft auch fernerhin blühen, 
wachsen und gedeihen und sich noch recht lange der Führer- 
schaft solcher Männer zu erfreuen haben, wie der jetzt an ihrer 
Spitze stehenden. 


Der Vorsitzende: 


Die Deutsche Ornithologische Gesellschaft spricht dem 
Deutschen Verein für Vogelschutz, ihren Dank für die warmen 
Worte aus, mit denen der Vorredner sie begrüsst hat. Viele 
unserer Mitglieder gehören auch diesem Verein an und auch in 
unseren Reihen wird einem praktischen Vogelschutz alle An- 
erkennung gezollt. Wir erkennen voll die Leistungen des Vereins 
für Vogelschutz an und wir freuen uns namentlich darüber, dass 
Naumann’s gewaltiges Werk verjüngt auf Anregung und durch 
die werkthätigen Bestrebungen dieses Vereins herausgegeben wird. 
Möge der Vereiu gedeihen und blühen. 


Herr Geh. Hofrat Prof. Dr. W. Blasius (Braunschweig): 


Sehr geehrte Festversammlung! 

| Von dem Verein für Naturwissenschaft in Braunschweig ist 
mir der ehrenvolle Auftrag erteilt, der Allgemeinen Deutschen 
‚Ornithologischen Gesellschaft zu ihrem goldenen Jubiläum die 
herzlichsten Glückwünsche zu überbringen. Nach den erhebenden 
Worten der soeben gehörten Festrede und den warmempfundenen 
Ansprachen meiner Vorredner kann ich, wenn ich nicht in den 
Fehler der Wiederholungen verfallen will, es nicht für meine 
Aufgabe halten, an dieser Stelle nochmals den Ruhm der feiernden 
Gesellschaft zu verkünden. Wohl aber glaube ich, mit einigen 
Worten begründen zu sollen, weshalb unser Verein in Braunschweig 
sich für berufen halten darf, seine Glückwünsche darzubringen. 
Braunschweig ist schon seit langer Zeit eine Pflegestätte ornitho- 
logischer Forschung. Als ich vor einiger Zeit damit beschäftigt 
war, alte Schriften, die sich auf die Ornithologie unseres Landes 
beziehen, aufzusuchen und zu einem Litteratur-Verzeichnis zu 
sammeln, fand ich schon in der ersten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts aus der Feder Braunschweigischer Naturforscher manche 
Abhandlung über die Vögel Braunschweigs, die auch für weitere 
Kreise Interesse beanspruchen dürfte Vor allem erinnere ich 
her an Franz Ernst Brückmann, dessen 275 Epistolae 
itinerariae und andere Abhandlungen manche nicht unwichtige 
Journ. £& Orn. XLIX, Jahrg. Januar 1901. 3 


34 Bericht über die Jahresversammlung. 


Aufschlüsse über die einheimische Vogelwelt geben. Etwa hundert 
Jahre später sind von Alexander Graf Keyserling und 
meinem damals als Professor in Braunschweig wirkenden Vater 
Johann Heinrich Blasius in den zoologischen Sammlungen zu 
Braunschweig die in dem zoologischen Museum zu Berlin be- 
gonnenen Arbeiten über die Säugetiere und Vögel Europas 
beendigt, deren Ergebnisse in dem klassischen Werke: „Die 
Wirbelthiere Europas I“ niedergelegt sind. Und dieses Werk ist 
zusammen mit manchen anderen ornithologischen Schriften in dem 
Verlage von Fr. Vieweg & Sohn in Braunschweig erschienen. — 
Seit beinahe 4 Jahrzehnten besteht in Braunschweig der Verein 
für Naturwissenschaft, der sich die Pflege aller naturwissenschaft- 
lichen Interessen zur Aufgabe gestellt hat. Schon in den ersten 
Jahren des Bestehens hat der Verein gesucht, seinen Mitgliedern 
auch Anregungen auf dem Gebiete der Vogelkunde zu geben und 


der ornithologischen Forschung zu dienen. Seit vielen Jahren 


besteht auch eine besondere Abteilung für Zoologie und Botanik, 
in welcher der Ornithologie ein weiter Spielraum gegönnt wird. 
Dankbar erkennen wir an, wie befruchtend gerade auf die Arbeiten 
dieser Abteilung seit jeher die Anregungen gewirkt haben, die 
die Deutsche Ornithologische Gesellschaft uns gegeben hat. So 
bringen wir mit dem Ausdrucke herzlicher Dankbarkeit der Ge- 
sellschaft die innigsten Wünsche für das neu beginnende zweite 
halbe Jahrhundert ihres Lebens dar. Möge die Deutsche 
Ornithologische Gesellschaft wie bisher blühen, wachsen und 
gedeihen in dem neuen Zeitabschnitt und über diesen hinaus, 
immerdar bis in alle Zukunft! Mit diesem Wunsche erlaube ich 
mir das mir anvertraute Glückwunschschreiben unseres Vereins 
für Naturwissenschaft zu überreichen. 
Eine vom Redner gleichzeitig überreichte Glückwunsch- 
adresse lautet: 
Der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
widmet 
zur Jubelfeier ihres fünfzigjährigen Bestehens 
am 6. Oktober 1900 
der Verein für Naturwissenschaft zu Braunschweig 
die herzlichsten Wünsche für den Fortschritt ihrer hohen 
Bestrebungen in der Erkenntnis und Pflege der Natur. 
i. A. der Vorstand 
Dr. Kaempfer. Dr. Grundner. 
Dr. med. Bernhard. Mus.-Insp. F. Grabowsky. 
Dr. Wilh. Blasius. 


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Bericht über die Jahresversammlung. 35 


Der Vorsitzende: 

Der Braunschweiger Verein für Naturwissenschaft hat seit 
langer Zeit durch Veröffentlichungen über Vogelkunde in ähnlicher 
Weise gewirkt wie unsere Gesellschaft. Einer der Gründer der 
Braunschweiger Gesellschaft, Herr Nehrkorn, ist auch eines 
unserer thätigsten Mitglieder. In bibliographischer Beziehung 
hat der Braunschweiger Verein uns ein Vorbild geschaffen, dem 
nachzustreben unsere Aufgabe sein muss. Mögen die Beziehungen 
zwischen beiden Vereinen sich freundlich weiter entwickeln. 


Herr R. de Neufville, Sektionär der ornithologischen 
Abteilung des Senckenbergischen Museums in Frankfurt a. M., 
überreicht mit warmen Begrüssungsworten der Versammlung 
folgende Adresse: 


Der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
beehren wir uns, anlässlich ihrer Jahresversammlung in Leipzig 
und der Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens, mit dem Ausdruck 
verbindlichsten Dankes für die freundliche Einladung zur Teil- 
nahme an derselben, Gruss und Glückwunsch zu übersenden. 


Mit aufrichtiger Freude und mit warmem Danke blicken wir 
heute auf die hervorragenden Erfolge zurück, welche die Deutsche 
Örnithologische Gesellschaft durch die rastlose, segensreiche 
Thätigkeit ihrer verdienten Mitglieder im Laufe eines halben 
Jahrhunderts errungen hat, und wünschen von Herzen, dass sie 
mit gleichem Erfolge auch in Zukunft und für alle Zeiten ihren 
grossen und schönen Aufgaben zum Segen und zur Förderung 
der Wissenschaft gerecht werden möge! 


Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft. 


ualaadaıN. 
Dr. A. Knoblauch, Ad. Rörig, 
I. Direktor. II. Direktor. 
Dr. med. E. Roediger. Dr. Vohsen. 
I. Sekretär. Il. Sekretär. 


Der Vorsitzende: 

Für die Glückwünsche der Senckenbergischen Naturforschen- 
den Gesellschaft danken wir von Herzen und wünschen ihr 
ferneres Blühen und Gedeihen. Die Frankfurter Ornithologische 


Sammlung ist in Deutschland eine der an Typen reichsten. 
Bi 


36 Bericht über die Jahresversammlung. 


Herr Rechtsanwalt P. R. Kollibay (Neisse): 
Meine Herren! 

Aus den Ostmarken des Deutschen Reiches bin ich entsandt, 
unserer festfeiernden Ornithologischen Gesellschaft einen Gruss 
zu entbieten. Dort, wo nach der Meinung vieler Westländer 
sich die Füchse gute Nacht sagen, oder wo die Welt mit Brettern 
vernagelt ist, in Oberschlesien und zwar in der früheren Festung 
Neisse haben sich vor 6 Jahren auf meine Anregung eine Anzahl 
Männer von ornithologischem Interesse zusammengeschlossen, die, 
ohne sich über den wissenschaftlichen Erfolg ihrer Bestrebungen 
übertriebenen Erwartungen hinzugeben, immerhin durch gegen- 
seitigen Gedanken- und Beobachtungsaustausch sich selbst zu 
belehren und dadurch Vogelkunde und Vogelschutz zu fördern 
bestrebt sind. Ohne Satzungen und ohne Beiträge hält der orni- 
thologische Verein in Neisse durch das Wintersemester in zwangloser 
Form seine Monatssitzungen ab und veranstaitet im Sommer Ex- 
kursionen in vogelreiche Gebiete. Er fühlt sich als ein Kind der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, denn von einem Mit- 
gliede derselben ist er ins Leben gerufen, seine Satzungen sind 
denen der Gesellschaft äusserlich nachgebildet, was das Gesell- 
schaftsorgan uns bringt, das wird, soweit möglich, zum Gegen- 
stande der Besprechungen gemacht, und vom Geiste der Gesell- 
schaft versuchen wir alle uns durchdringen zu lassen. So fühlt 
sich denn der Ornithologische Verein in Neisse berechtigt und 
verpflichtet, Anteil zu nehmen an dem frohen Feste, das die 
Deutsche Ornithologische Gesellschaft in diesen Tagen hier feiert. 
Unsere Mitglieder sind im Geiste hier anwesend und sind be- 
sierig, von dem Resultate der gegenwärtigen Tagungen und 
Verhandlungen Kenntnis zu erhalten. In unserer Vereinssitzung 
vom 29. September hat man mich beauftragt, die Teilnahme und 
die wärmsten Glückwünsche des ÖOrnithologischen Vereins in 
Neisse hier in Leipzig auszusprechen. Ich entledige mich dieses 
mich ehrenden Auftrages um so lieber, als gerade die letzten 
Jahre gezeigt haben, dass neues, frisch pulsierendes Leben in 
unsere deutsche ornithologische Wissenschaft eingekehrt ist, 
und damit der Erfüllung unserer Glück- und Heilwünsche von 
vornherein das günstigste Prognostikon gestellt ist. Ich entledige 
mich des Auftrages ferner in der Hoffnung, dass das weitere 
Blühen und Gedeihen der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
auch der Vogelkunde meiner schönen Heimatprovinz Schlesien 


Bericht über die Jahresversammlung. 37 


zu derjenigen Förderung dienen möge, deren sie so sehr be- 
darf. Und so fasse ich die Glückwünsche des durch mich ver- 
tretenen Vereins in Worte zusammen, wie sie der hiesigen, 
altgeheiligten Stätte der Wissenschaft angemessen sind, in die 
Worte: „Die Deutsche Ornithologische Gesellschaft 


Vivat, floreat, crescat in aeternum!“ 


Der Vorsitzende: 


Herzlichen Dank sagen wir den Freunden der Ostmark 
für ihren warmen Gruss. Wer sich mit der Vogelwelt des 
Riesengebirges je beschäftigt hat, der weiss, welche Fülle von 
Aufgaben dort noch den Ornithologen gestellt sind. Möge es 
den schlesischen Fachgenossen gelingen, ein umfassendes Werk 
über die schlesische Vogelwelt zu stande zu bringen. 


Herr Prof. Dr. Lampert (Stuttgart): 


Hochverehrte Anwesende! 


Gestatten Sie, dass ich dem Gruss aus dem Osten in 
kurzen Worten einen Gruss aus dem Süden, aus Schwaben, an- 
schliesse. Wir haben in Württemberg keine besondere ornitho- 
logische Vereinigung, allein in dem „Verein für vaterländische 
Naturkunde in Württemberg‘, der seit nun bald sechs Dezennien 
sich die Erforschung der natürlichen Verhältnisse Württembergs 
zur Aufgabe gesetzt hat, hat auch die Ornithologie stets eine 
Heimstätte gefunden. Manche seiner Mitglieder, ich erinnere 
nur an Ländbeck, Freiherr Richard von Koenig- Warthausen, 
Julius Hotfmann, waren bestrebt, auch ihrerseits am Ausbau der 
ornithologischen Wissenschaft litterarisch mitzuarbeiten, und vor 
allem waren und sind unsere Vereinsmitglieder stets bemüht, 
durch Ergänzung der im K. Naturalien-Cabinet nach biologischen 
Grundsätzen aufgestellten Sammlung Württemberger Vögel ein 
möglichst vollständiges Bild zu liefern von der Ornis eines Teiles 
unseres deutschen Vaterlandes. So mögen sie es nicht für un- 
bescheiden erachten, wenn auch der Verein für vaterländische 
Naturkunde in Württemberg dieses Ehrentages der Deutschen 
ornithologischen Gesellschaft gedenkt,und wenn ich in seinemNamen 
nicht nur die herzlichsten Grüsse zum frohen Verlauf des Festes 
überbringe, sondern zugleich auch die besten Wünsche für ein 
stetes Blühen, Wachsen und Gedeihen der Deutschen Ornitho- 


88 Bericht über die Jahresversammlung. 


logischen Gesellschaft in der zweiten Jahrhunderthälfte ihres 
Bestehens. ; 


Der Vorsitzende: Mit innigem Danke vernehmen wir 
den Gruss aus dem schönen Württemberg. Wer Stuttgart kennt, 
muss es beneiden um sein Museum, dessen reichhaltige Schätze 
Ornithologen von weit und breit anziehen, dessen vorzügliche 
vaterländische Vogelsammlung den weitesten Kreisen Teilnahme 
für die Vogelwelt einflössen. In Württemberg haben zahlreiche 
gute Vogelkenner gewirkt, deren Thätigkeit unvergessen bleiben 
wird. 


In Vertretung des am persönlichen Erscheinen leider ver- 
hinderten Herrn Dr. C. Parrot (München) verliest der Schrift- 
führer folgende, vom Ornithologischen Verein in München ver- 
fasste und in Schönschrift ausgeführte Adresse: 


Der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
bringt zur 50 jährigen Jubelfeier 
seine herzlichsten Glückwünsche dar 
der Ornithologische Verein München (E. V.) 
zugleich mit dem Wunsche, die Gesellschaft möge zu Nutz und 
Frommen der Wissenschaft, die ihr schon so viel zu verdanken 
hat, noch viele, viele Jahre weiter blühen und gedeihen. 


Der Vorstand. 
Dr. C. Parrot Dr. F. Kreitner 
I. Vorsitzender. IL. Vorsitzender. 


Der Vorsitzende spricht dem Münchener Verein den 
Dank unserer Gesellschaft aus. Herr Parrot, dessen geschicktem 
Vorgehen die Gründung des Münchener Vereins zu danken ist, 
hat sich durch seine guten Beobachtungen die Sympathien der 
übrigen Ornithologen längst gesichert. Er ist der Mann, in dessen 
Händen die Pflege der bayrischen Vogelkunde nach Jäckel’s 
Tode gut aufgehoben ist. Möge der Münchener Verein, der 
durch seinen ersten, wissenschaftlich wertvollen Jahresbericht 
gezeigt hat, was er leisten kann, zur Freude der Fachgenossen 
weiter wirken und gedeihen. 


Herr Hellmayr verliest folgenden Brief des Herrn Victor 
Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen: 


me 


Bericht über die Jahresversammlung. 39 


Als eines der ältesten Mitglieder der Deutschen Ornitho- 


logischen Gesellschaft drängt es mich, einige Worte — leider aus 
der Ferne — an Sie zu richten: 


Ich nehme den innigsten Anteil an der schönen und er- 
hebenden Feier, die Sie heute begehen, und weile im Geiste in’ 
Ihrer Mitte, Sie alle herzlichst grüssend. 

Wir damals Jungen, die mit dem Feuereifer der Jugend 
uns begeistert in den Dienst der Ornithologie gestellt, sind nun 
alt geworden, manche Lücke wurde in unsere Reihen gerissen; 
aber wir blieben treu der Wissenschaft, die uns damals be- 
seistert, und halten ihr Banner hoch. Und wenn heute unsere 
Gesellschaft ihr 50 jähriges Jubiläum feiert, so vermag sie mit 
vollem Rechte stolz zu sein auf den zurückgelegten Weg, auf 
die errungenen Erfolge, auf die gegebenen Anregungen, welche 
die schönsten Früchte zeitigten. 

Aus nah und fern sind Sie, meine Herren, herbeigeeilt, um 
Teil zu nehmen an dem schönen Feste; aber auch wir, die dem- 
selben fern bleiben mussten, feiern dieses im Geiste mit Ihnen, 
und indem wir Sie alle herzlich grüssen, lassen Sie uns in den 
Ruf einstimmen: 

„Die Deutsche Ornithologische Gesellschaft wachse und 
gedeihe immerdar!“ 

V. v. Tschusi zu Schmidhoffen, (Hallein). 


Der Generalsekretär übermittelt der Versammlung die Grüsse 

des Ehrenpräsidenten der Gesellschaft, Herrn Geheimen 
Regierungsrat Professor Dr. Möbius in Berlin, 

des Seniors der Gesellschaft, Herrn Dr. G.Hartlaub in Bremen, 

des Wirkl. Geh. Staatsrats Dr. Radde, Excellenz, in Titlis, 

des Herrn Dr. J. v. Madaräsz, Kustos am Ungarischen 
Nationalmuseum in Budapest 

und des Herrn Dr. C. Bolle in Berlin. 


Ferner sind der Versammlung folgende Begrüssungsschreiben 
teils brieflich, teils telegraphisch zugegangen: 


„Zum fünfzigjährigen Jubiläum der Deutschen Ornithologischen 
Gesellschaft, der ich seit 26 Jahren als Mitglied angehöre und 
deren Leistungen ich stets mit Interesse verfolge, spreche ich 
meine beste Gratulation aus und wünsche guten Erfolg für ihre 
wissenschaftlichen Arbeiten.‘ Fürst von Bulgarien. 


40 Bericht über die Jahresversammlung. 


„Die naturforschende Gesellschaft zu Altenburg entbietet 
der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, mit welcher sie 
durch beinahe fünfzigjährige Beziehungen verbunden ist, herzliche 
Glückwünsche zum Jubeltage.“ Dr. Koepert. 


„Anlässlich der 50 jährigen Jubelfeier des Bestehens der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft gestatten wir uns, unsere 
herzlichsten Glückwünsche hierdurch ergebenst zu übermitteln. 

Mögen diesen ersten fünfzig Jahren auch alle weiteren 
gleichen, immer neue wissenschaftliche Erfolge den bisherigen 
sich anreihen und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen 
unseren Gesellschaften für alle Zeiten in ungeschmälertem Grade 
bestehen bleiben.“ 

Das Präsidium der Naturforschenden Gesellschaft in Görlitz: 
v. Seeger. Dr. Freise. Dr. Mund. 


„Zur fünfzigjährigen Jubelfeier sendet Glückwunsch“ 
Der Verein für naturwissenschaftliche Uuterhaltungen in Hamburg. 


„Die besten Wünsche für das fernere Blühen und Gedeihen 
sendet der Naturwissenschaftliche Verein für Neuvorpommern 
und Rügen.“ 


„Im Namen der k.k. Zoologischen Botanischen Gesellschaft 
Und insbesondere der ornithologischen Section, bitte ich, für die 
Deutsche Ornithologische Gesellschaft die besten Glückwünsche 
entgegenzunehmen. Es möge unserer Schwestergesellschaft be- 
schieden sein, so wie sie im Laufe eines halben Jahrhunderts 
sich fortentwickelnd eine erspriessliche Thätigkeit entfaltet hat, 
auch in alle Zukunft fruchtbringend zu wirken, zum Stolze ihrer 
Mitglieder, zum Gedeihen der Wissenschaft.“ v. Lorenz (Wien). 


„Mit dem Ausdruck des herzlichsten Bedauerns, nicht per- 
sönlich im schönen Leipzig erscheinen zu können, sende ich der 
Jubilarin in alter Anhänglichkeit herzlichen Glückwunsch. Allen 
Festteilnehmern verbindlichsten Gruss.“ 

Hermann Bünger (Berlin). 


„Am Erscheinen leider verhindert, sende den Ornithologen 
herzlichen Gruss in der Hoffnung, sie 1901 zur 50 jährigen Jubel- 
feier der Gesellschaft in Berlin persönlich begrüssen zu können, 


Bericht über die Jahresversammlung. 41 


wo die Gesellschaft durch Statut (siehe Naumannia Jahrgang 
1851) gegründet wurde.“ 
Cabanis (Friedrichshagen b. Berlin). 


„Die herzlichsten ornithologischen Grüsse zur Feier des 
fünfzigjährigen Bestehens der Gesellschaft.“ 
Stefan Chernel von Chernelhäza (Köszeg). 


„Zur Jubelfeier besten Glückwunsch.“ 
Stabsarzt Gengler (Erlangen). 


„Zur Jubelfeier sende ich der Deutschen Ornithologischen 
Gesellschaft die herzlichsten Glückwünsche! Möge die schöne 
Feier, begünstigt vom Wetter, zur vollen Zufriedenheit Aller ver- 
laufen.“ Hartwig (Berlin). 


„Kann ich heute nicht die Ehre haben, zu profitieren von 
Meistergaben, wünsch’ ich der Gesellschaft doch ferneres Glück, 
den Vereinsgenossen des Adlers Blick.“ 

Ludwig Holtz (Greifswald). 


„Gern hätte ich der Feier des fünfzigjährigen Bestehens 
der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in meiner Vaterstadt 
beigewohnt, doch wurde mir der erbetene Urlaub von meiner 
vorgesetzten Behörde nicht bewilligt. Mit Bedauern verzichte 
ich auf eine Gelegenheit, durch mündliche Aussprache mit Fach- 
genossen die mir obliegenden Arbeiten zu fördern und meinen 
wissenschaftlichen Anschauungskreis zu erweitern. Stattdessen 
muss ich mich auf den aufrichtigen Wunsch beschränken, dass 
die heutige Jubeltagung einen zweiten Abschnitt in der Geschichte 
unserer Gesellschaft einleiten möge, der an Leistungen und Er- 
folgen dem vollendeten mindestens gleichkomme. In diesem Sinne 
bitte ich die Festteilnehmer, einen herzlichen Glückwunsch und 
Gruss von mir entgegenzunehmen.“ 

Dr. Arnold Jacobi, 
Technischer Hülfsarbeiter in der Biologischen 
Abteilung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes 

in Berlin. 


„Der Jahresversammlung zur Feier des fünfzigjährigen 
Bestehens der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft sendet 
besten Gruss und Glückwunsch.“ Kuschel (Breslau). 


42 Bericht über die Jahresversammlung. 


„Im Geiste heute bei Ihnen, bitte ich, den versammelten 
deutschen Ornithologen meine herzlichsten Grüsse zu übermitteln.“ 
Leverkühn (Sofia). 


„Zu meinem Bedauern kann ich wegen Abwesenheit im 
Süden der 50 jährigen Feier der Gesellschaft nicht persönlich 
beiwohnen und übermittle daher vor meiner Abreise meine 
kollegialen Grüsse auf diesem Wege zugleich mit dem Wunsche, 
dass unsere Gesellschaft nach weiteren 50 Jahren einen heute 
von uns noch ungeahnten Aufschwung genommen haben möge.“ 

A. B. Meyer (Dresden). 


Adis-Abeba, 11. Sept. 1900. 

„Die herzlichsten Glückwünsche der Gesellschaft zur Jubel- 

feier und Grüsse allen Anwesenden senden von afrikanischem 
Boden.“ Oskar Neumann. C. v. Erlanger. 


„Obwohl ich leider durch die Ausführung einer zweimonat- 
igen Sammelreise in Serbien verhindert bin an den Festtagen 
in Leipzig teilzunehmen, kann ich doch die Versicherung geben, 
dass ich im Geiste an jenen Tagen in der Mitte der Versammlung 
weilen werde, der ich so gerne persönlich beigewohnt hätte. 

So bringe ich hiermit wenigstens schriftlich meine aufrich- 
tigen Wünsche für das Gedeihen der Verhandlungen sowohl, als 
insbesondere für den Weiterbestand und die fernere erfolgreiche 
Arbeitsleistung unserer Gesellschaft auf dem Gebiete unserer 
schönen Wissenschaft zur Kenntnis. 

Da ich mit Leib und Seele der heute festlich versammelten 
Körperschaft seit einer Reihe von Jahren angehöre, wird es 
auch fernerhin mein stetes Bestreben sein, in ornithologischer 
Beziehung auf der Balkan-Halbinse! zu leisten, so viel mir eben 
möglich ist. 

Indem ich der Gesellschaft ein kräftiges „Vivat, crescat, 
floreat‘‘ zurufe, mit treudeutschem Grusse.“ 

Othmar Reiser (Sarajevo). 


„Der von mir zwecks Teilnahme an der Jahresversammlung 
der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft beantragte Urlaub 
ist mir verweigert worden, ebenso wie der von mir gestellte 
Antrag, mich dienstlich nach Leipzig zu entsenden, abgelehnt 
worden ist. 


Bericht über die Jahresversammlung. 45 


Ich teile dieses dem Vorstand der Deutschen Ornithologischen 
Gesellschaft mit dem Ausdruck des lebhaftesten Bedauerns darüber 
mit, dass es mir auf diese Weise unmöglich gemacht ist, nach 
Leipzig zu kommen; ich bitte, den Grund meines Fernbleibens 
in das Protokoll aufzunehmen, da es sonst auffällig erscheinen 
könnte, dass ich die so günstige Gelegenheit, die Interessen 
meines Berufes durch Beteiligung an den Verhandlungen, welche 
zumteil mein spezielles Arbeitsgebiet betreffen, zu fördern, nicht 
wahrgenommen habe, und mir später vielleicht ein Vorwurf 
daraus gemacht werden könnte.“ Professor Dr. Rörig, 

Regierungsrat (Berlin). 


„Zur Jubelfeier sendet freundlichen Festgruss und herz- 
lichen Glückwunsch aus deutscher Nordmark.“ 
Rohweder (Husum). 


„Zum fünfzigjährigen Bestehen herzliche Glückwünsche für 
ein kräftiges Weiterblühen und Gedeihen.“ 
Direktor Schöpf (Dresden). 


„Leider persönlich verhindert, sendet den anwesenden 
Örnithologen Gruss und Glückwunsch.“ 
von Treskow (Berlin). 


„Leider kann ich mich an der Festversammlung in Leipzig 
nicht beteiligen, wollte aber nicht unterlassen, der Gesellschaft 
meinen ergebensten Gruss zu übersenden und ihr eine erspriess- 
liche Weiterentwicklung zu wünschen.“ 

C. Wüstnei (Schwerin i. M.). 


Der Vorsitzende spricht alien, die der Jubelfeier gedacht 
haben, herzlichsten Dank aus und verkündet der Versammlung 
nachstehende Ehrung: 


Der Vorstand der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
hat beschlossen, zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens 
folgende ausländische Ornithologen zu Ehrenmitgliedern der 
Gesellschaft zu ernennen: 

Herrn Wirklichen Geheimen Staatsrat Dr. Radde Excellenz, 

Direktor des kaukasischen Museums in Tiflis. 

Herrn Dr. P. L. Sclater, Sekretär der zoologischen Gesell- 

schaft in London. 


44 Bericht über die Jahresversammlung. 


Herrn Otto Herman, Chef der Ungarischen Ornithologischen 
Centrale in Budapest. 

Herrn Dr. R. Bowdler Sharpe, Assistant Keeper, British 
Museum, in London. 

Herrn Professor Graf T. Salvadori, Vicedirektor des 
Zoologischen Museums in Turin. 


Herr Herman dankt für die Ehre, die ihm die Ornitho- 
logische Gesellschaft hat zuteil werden lassen, eine Ehre, die 
ihm für seinen Lebensabend als höchster Schatz erscheint, die 
ihm Veranlassung geben wird, das Band immer fester zu knüpfen, 
das ibn mit den deutschen Ornithologen verbindet. 


Nach einer kurzen Frühstückspause begaben sich die Teil- 
nehmer in den Zoologischen Garten, wo Herr Direktor Pinkert 
in liebenswürdiger Weise die Führung übernahm. Nachdem der 
Tierbestand sehr eingehend in Augenschein genommen war und 
Gelegenheit zur Erörterung von mancherlei interessanten Fragen 
gegeben hatte, wurde ein photographisches Gruppenbild aller 
Anwesenden aufgenommen. Hierauf ging es zur Besichtigung 
des prächtigen, eben eröffneten Restaurations-Gebäudes. Bald 
mahnte die vorrückende Zeit zum Aufbruch. 

Um !/,4 Uhr fanden sich die Mitglieder der Jahresversammlung 
zu einem Festmahle zusammen, an dem auch Damen sich betei- 
ligten. Eine von Prof. Döring’s Meisterhand entworfene humo- 
ristische Tischkarte bot sich als heiterer Führer für die Speisen- 
folge. Ernste und heitere Tischreden in grosser Anzahl belebten 
das Mahl. Der Abend wurde durch einen Besuch im Krystall- 
palaste und daran anschliessende gesellige Vereinigung ausgefüllt. 


Sonntag, den 7. October 1900. Vormittags 9 Uhr. 

Die Mitglieder der Gesellschaft traten zunächst zu einer 
geschäftlichen Sitzung zusammen. 

Herr Professor Dr. R. Blasius übernimmt wieder den 
Vorsitz und Herr Matschie wirkt als Schriftführer. 

Herr Blasius eröffnet die Sitzung um 9 Uhr 20 Min. 

Herr Deditius verliest den Kassen-Bericht und bittet um 
Prüfung und Anerkennung der Rechnungsbeläge. 

Auf die Anregung des Vorsitzenden erhebt sich die 
Gesellschaft von den Plätzen, um die in dem Vortrage des Herrn 


Bericht über die Jahresversammlung. 45 


Deditius genannten, im Verlaufe des letzten Geschäftsjahres 
verstorbenen Mitglieder zu ehren. 

Hierauf werden als Prüfungsausschuss die Herrn Kollibay, 
Nehrkorn und Rey gewählt. 

Herr Reichenow erhält alsdann das Wort und weist 
darauf hin, dass durch den Tod des Geh. Regierungsrat Professor 
Dr. Altum und den durch eine Forschungsreise bedingten Rück- 
tritt des Hrn. Dr. Heinroth für die Ämter des Präsidenten 
und des stellvertretenden Sekretärs eine Ergänzungswahl während 
des verflossenen Jahres vorgenommen werden musste, die durch 
den Ausschuss erfolgt ist. Die Wahl ist auf die Herren Prof. 
Dr. R. Blasius und P. Matschie gefallen. 

Nachdem hierauf der leitende Vorstand den Satzungen ge- 
mäss sein Amt niedergelegt hatte, wurde zur Neuwahl des Vor- 
standes geschritten. Auf Antrag des Hrn. Amtsrat Nehrkorn 
wurde von der Versammlung der ausscheidende Vorstand durch 
Zuruf wiedergewählt. Der Vorstand besteht somit für die fol- 
senden 2 Jahre aus den Herren: R. Blasius als Präsident, 
H. Schalow als Vice-Präsident, A. Reichenow als General- 
sekretär, P. Matschie als stellvertretendem Sekretär und 
C. Deditius als Kassenführer. 

Nunmehr wurde die Neuwahl für 5 ausscheidende Mitglieder 
des Ausschusses vorgenommen Es werden wiedergewählt die 
Herren J. Cabanis, A. von Homeyer, W. Blasius und 
Freiherr R. König-Warthausen; für den wegen der Über- 
nahme des Präsidiums austretenden Herrn R. Blasius wird 
Herr Koilibay in den Ausschuss gewählt. 

Als letzter Gegenstand der geschäftlichen Sitzung ist die 
Bestimmung über die Zeit und den Ort der nächsten Jahres- 
versammlung vorgesehen. Herr Matschie schlägt vor, diese 
Versammlung vom 12.—16. August 1901 in Berlin abzuhalten 
in denjenigen Tagen, welche für die Sitzungen des Internationalen 
Zoologen Congresses in Aussicht genommen sind. 

Die Versammlung beschliesst, im nächsten Jahre gleichzeitig 
mit dem Internationalen Zoologen Congress und als dessen Section 
in Berlin zu tagen. 

Nachdem die geschäftliche Sitzung durch den Präsidenten 
geschlossen worden ist, eröffnet Herr R. Blasius sofort die 
wissenschaftliche Sitzung. Mit Rücksicht auf die Reichhaltigkeit 
der Tagesordnung bestimmt der Vorsitzende, dass jedem Vor- 


46 Bericht über die Jahresversammlung. 


tragenden nur je 20 Minuten und jedem in der Discussion 
Sprechenden nur je 3 Minuten zum Reden gestattet werden können. 
Herr Kollibay zieht seinen angekündigten Vortrag zu 
Gunsten der übrigen zurück. 
Es erhält als erster das Wort Herr Freiherr von Ber- 
lepsch Seebach: 


Bericht 
über den im Auftrage der deutschen Ornithologischen &e- 
"sellschaft aufgestellten Entwurf eines internationalen Vogel- 
schutzgesetzes und über Beratung dieses Entwurfes auf dem 
Pariser Congress. 
Von Hans Freiherr von Berlepsch. 


Mehrere Motive bestimmten die „deutsche Ornithologische 
Gesellschaft“ in der letzten Jahresversammlung sich auch mit 
der Frage eines internationalen Vogelschutzgesetzes zu beschäf- 
tigen. Abgesehen von der nach den veränderten Culturverhältnissen 
vorliegenden Notwendigkeit eines solches Gesetzes, war es haupt- 
sächlich auch der Wunsch, dass diese Frage, da sie nach Lage 
der Dinge jetzt doch nun mal einer Lösung entgegen gedrängt 
wird, nicht von Laien, sondern in sachlicher Weise von Fach- 
männern behandelt werden möchte. Zur Bearbeitung eines diesbez. 
Entwurfes wurde deshalb nachfolgender Ausschuss eingesetzt: 


Amtsrat Nehrkorn — Braunschweig 
Professor Dr. König — Bonn 
Direktor Hartert — Tring (England) 
Professor Dr. Rörig — Berlin 


Rechtsanwalt Kollibay — Neisse 
sowie meine Wenigkeit, und zwar letzterer als Obmann. 

Ich glaube den Bericht am kürzesten und klarsten an der 
Hand des vorliegenden Aktenmaterials geben zu können, indem 
ich zuerst über den Entwurf, alsdann über die Verhandlungen 
und das Ergebnis derselben auf dem Pariser Congress spreche. 

Nach mündlichem und schriftiichem Verkehr mit den ver- 
schiedenen Herren des Ausschusses stellte ich einen ersten Ent- 
wurf auf und sandte diesen allen Ausschussmitgliedern, wie auch 
verschiedenen anderen Herrn unserer Gesellschaft zur Einsicht 
und Begutachtung ein. Danach haben wir gemeinsam weiter 
gearbeitet, bis endlich nach etwa drei Monaten der vorliegende 
endgültige Entwurf zu stande kam. 


Bericht über die Jahresversammlung. 47 


Die Sache gestaltete sich schwieriger, als wir anfänglich 
glaubten, und es konnte dieser endgültige kurze Entwurf nur 
als oft filtrierter Extrakt dickleibiger Aktenstösse gewonnen werden. 
Als unermüdlicher Arbeiter ist besonders unser hochverehrtes 
Mitglied Direktor Hartert zu nennen, und wir haben diesem Herrn 
unbedingt einen Löwenanteil am Zustandekommen des uns vor- 
liegenden Entwurfes zu danken. 

Bei Bearbeitung desselben sind die Protokolle aller 7 bis 
jetzt zu diesem Zwecke stattgehabten Kongresse, bezw. Kon- 
ferenzen — Budapest 1871, Wien 73, Rom u. Budapest 1875, 
Wien 1884, Budapest 1891, Paris 1895 und Graz 1898 — einer 
eingehenden Durchsicht unterzogen, und die darin zum Ausdrucke 
gebrachten Ansichten und Wünsche möglichst berücksichtigt 
worden, dabei war das Bestreben des Ausschusses, den Entwurf 
in möglichster Kürze und so abzufassen, dass durch denselben 
andere, insbesondere die Jagdgesetze möglichst wenig berührt 
werden. 

Der Gesetzentwurf verliert sich nicht in Einzelheiten, sondern 
stellt im allgemeinen nur bestimmte Principien auf, nach welchen 
die einzelnen Staaten ihrerseits Gesetze zu geben haben. Deshalb 
nahmen wir auch von Aufstellung irgend welcher Listen Abstand 
und glauben, dass gerade hierdurch eine allgemeine Aufnahme 
vorliegenden Gesetzentwurfes sehr erleichtert werden wird, indem 
die Vorschläge der früheren Kongresse, bezw. Konferenzen haupt- 
sächlich immer daran scheiterten, dass die für das ganze palä- 
arktische Faunengebiet aufgestellten Listen von einzelnen Staaten 
nicht angenommen werden konnten. 

Zuerst wurde die Frage klar gestellt, ob und warum wir 
jetzt Gesetze gegen die Vogelvernichtung bedürfen, indem der 
diesbez.e. Wunsch des grossen Publikums allein gewiss nicht 
massgebend sein kann. Die Antwort lautet: 

Früher, bei den unbeschränkten Nistgelegenheiten konnten 
wir eines Gesetzes gegen die Vogelvernichtung wohl ent- 
behren. Damals konnten die Vögel dem einen Angriffe 
von Seiten des Menschen schon widerstehen. Jetzt ist in- 
folge der intensiven Land- und Forstwirtschaft aber auch 
noch Entziehung der Brutplätze hinzugekommen. Dieser 
doppelte Vernichtungskrieg ist zu viel! Deshalb bedürfen 
wir zur Erhaltung und, wenn möglich, Wiedervermehrung 
unserer Vögel ausser der Schaffung von Lebensbedingungen für 


48 Bericht über die Jahresversammlung. 


dieselben (hauptsächlich Nistgelegenheiten) jetzt auch noch 
eines — vernünftigen — Vogelschutzgesetzes. 
Der von unserer Gesellschaft aufgestellte Entwurf lautet 


nun folgendermassen. 


Gesetz. 
81. 
Verboten ist: 

a. Fangen der Vögel und Ausnehmen 
bezw. Zerstören der Nester und 
Bruten derselben. 

Jedoch dürfen Nester, welche 
sich an oder in Gebäuden oder 
in Hofräumen befinden, von deren 
Nutzberechtigten beseitigt werden. 


b. Schiessen der Vögel vom 1. März 
bis 15. August. 


c. Das Feilbieten und die Einfuhr 
von Vögeln, Bälgen, Teilen oder 
Federn derselben zu Nahrungs- 
und Putzzwecken. ; 


Bemerkungen. 


Das Schiessen vom 15. August 
bis 1. März müssen wir den Süd- 
ländern schon lassen, und zwar alle 
Vögel ohne Unterschied. Andernfalls 
fehlt die Kontrolle, da die Aufsichts- 
behörden keine Ornithologen sind. 


Ein Feilbieten der unter $ 3 be- 
zeichneten Vögel ist also insoweit 
erlaubt, als in dem betreffenden 
Lande diesbezügliche verschärfende 
Sonderbestimmungen nicht bestehen. 

Es muss zugegeben werden, dass 
die Kontrolle unter Umständen 
schwierig ist, doch ist sie immerhin 
durchzuführen. Die Einfuhr der 
unzähligen kleinen Vögel durch die 
Modewarenhändler wäre jedenfalls 
damit zu Ende, wie dies in Nord- 
amerika schon seit einem Jahre 
verboten ist. 

Ein Nachteil für die Wissenschaft 
ist daraus nicht zu befürchten. 

Die von den Modewarenhändlern 
bezogenen Bälge ohne Angabe, wo 
und wann dieselben erbeutet wurden, 
sind für die Wissenschaft mehr von 
Nachteil als Nutzen und haben schon 
manche Konfusion gezeitigt. Ausser- 
dem wird durch Einfuhr dieser un- 
nützen und billigen Ware die Arbeit 
der wissenschaftlichen Sammler ent- 


8 2. 

Ausnahmen von $S 1. a. und b. 
können auf Ansuchen gut beleu- 
mundeter Leute für eine bestimmte 
Örtlichkeit und Zeit nach Bei- 
bringung einer Einwilligungsbeschei- 
nigung der Besitzer des Grund und 
Bodens sowie der Jagdberechtigten 
von den zuständigen Behörden ge- 
stattet werden 
a. zu wissenschaftlichen Zwecken. 
b. zum Fang von Stubenvögeln, in- 

sofern derselbe nicht Massenfang 

ist, innerhalb der Zeit vom 

15. August bis 1. März. 
ce. zur Vernichtung z. Z. local schäd- 

licher oder lästig werdender Vögel. 


8 3. 
Vorstehende Bestimmungen finden 
keine Anwendung auf 
a. das ganze Haus-Federvieh. 
b. die von den einzelnen Staaten als 
schädlich bezeichneten Vögel. 
c. das Jagdgeflügel mit Einschluss 
der Wasser-, Sumpf-, Strand- 
Hühnervögel und Tauben. 


r 


S.4. 
Zugvögel mit Ausnahme der 
Wasser, Sumpf-, Strand-, Hühner- 
Journ f, Or, XLIX, Jahrg. Januar 1901. 


Bericht über die Jahresversammlung. 49 


wertet, was auch ein nicht zu unter- 
schätzender Nachteil ist. 


Unter gewissen Verhältnissen wird 
diese Einwilligung von den be- 
treffenden Behörden herbeizubringen 
sein. 

In Ländern, wo freie Jagd ist, hat 
natürlich nur ersteres, dort, wo 
Grund und Boden dem Staate ge- 
hört, nur letzteres Gültigkeit. 

Auch dies müssen wir zugeben, 
schon um den Vogelhändlern nicht 
plötzlich das Brod zu nehmen. 

DerFrühjahrsfang der Nachtigalen 
und  Sprosser, welche jetzt zu 
hunderten mit Dutzendpreisen an- 
gezeigt sind (siehe „Gef. Welt“, 
„Geflügelbörse‘“, „Tierbörse“ und 
andere Zeitungen) würde damit aber 
glücklich beseitigt sein. 


Aufstellung von Listen kann in 
einem internationalen Gesetze nicht 
stattfinden. Bei der grossen geo- 
graphischen wie wirtschaftlichen Ver- 
schiedenheit der einzelnen Länder 
kann derselbe Vogel hier nützlich, 
dort schädlich sein. Deshalb muss 
es jedem einzelnen Staate überlassen 
bleiben, eventuell erforderliche Listen 
nach den in diesem Gesetze gege- 
benen Direktiven selbständig auf- 
zustellen. 

Der Zusatz ‚mit Einschluss der 
Wasser-, Sumpf-, Strand-, Hühner- 
vögel und Tauben“ ist ‘deshalb 
nötig, weil diese Vögel nicht in 
allen Ländern (z. B. in England) 
Jagdgeflügel sind, und somit ohne 
diesen Zusatz durch $ 3 c. in jenen 
Ländern der Verkauf dieser Vögel 
(Enten, Bekassinen, Tauben etc.) 
verboten sein würde. 


Es war das Bestreben, den Gesetz- 
entwurf so zu formulieren, dass die 
4 


F 


vögel und Tauben dürfen nicht Jagd- 
geflügel sein. 


Sb 
Jedem einzelnen Staate bleibt es 
anheimgestellt, für sein Territorium 
verschärfende Sonderbestimmungen 
zu geben. 


50 Bericht über die Jahresversammlung. 


Jagdgesetze möglichst unberührt 
blieben, da hieran zu rütteln sehr 
heikel scheint. 

Diesen $4 können wir aber un- 
möglich missen, und glaube ich, 
dass es auch keine Schwierigkeiten 
haben wird, die anderen kleinen 
Zugvögel (bezüglich der Krammets- 
vögel siehe Anlage) aus der Liste 
des Jagdgeflügels auszuschliessen. 

Da alle Vögel vom 15. August 
bis 1. März geschossen werden 
dürfen, so schliesst „Jagdgeflügel“ 
nur in sich, dass diese Vögel auch 
noch zu anderen Zeiten und mit 
anderen Mitteln erbeutet werden 
können, d. h. insoweit dies durch 
die Jagdgesetze des betreffenden 
Landes erlaubt ist. 

Sehr wünschenswert wäre es, wenn 
der Frühjahrswachtelfang und 
Schnepfenstrich (auf dem wir nur 
unsere eigenen Brutschnepfen weg- 
schiessen) allgemein verboten 
würden; doch wollen wir von diesen 
jedenfalls schwer zu erlangenden 
Gesetzen das Zustandekommen des 
Ganzen nicht abhängig machen. 

Solches bleibt also von den ver- 
schärfenden Sonderbestimmungen der 
einzelnen Staaten zu erwarten. 


Dies ist besonders nötig und 
wünschenswert bezügl. $ 1 b. und 
SS 3 und 4. 


Der Krammetsvogelfang. 


Als erste Vorbedingung zu einem internationalen Vogelschutzgesetze 
erachten wir Beseitigung des Krammetsvogelfanges in Deutschland. 

Wie können wir anderen Völkerschaften, speciell den Südländern 
einen Vorwurf machen, oder denselben gar verbieten wollen, dass sie 
unsere Vögel fangen, solange wir selbst jene Vögel, welche von Norden 
kommend bei uns Gastfreundschaft suchen (ein kleiner Teil der sog. 
Krammetsvögel sind bekanntlich nordische Drosseln) in gleicher Weise 
durch den Krammetsvogelfang vernichten ? 


Nein, gewiss nicht! 


Bericht über die Jahresversammlung. 51 


Mit vollem Rechte verlachen uns deshalb auch die Südländer und 
sagen, dass wir, wenn wir solche Vorschriften geben wollen, doch erst 
mal vor der eigenen Thür kehren möchten. 

Wenn wir somit Beseitigung des Krammetsvogelfanges auch haupt- 
sächlich der Consequenz halber fordern müssen, so sprechen aber doch 
auch andere Gründe hierfür, wie unter anderen aus nachstehenden statis- 
tischen Notizen zu ersehen ist. 


Einige statistische Notizen bez. des Krammetsvogelfanges. 

Nach genauer Aufzeichnung des jetzigen Herrn Forstrats Eberts 
zu Cassel (Originalacten liegen mir vor) ergab der Krammetsvogelfang 
auf der Oberförsterei Heimbach zu Gemund in 10 Jahren, von 1887 — 
1896 folgendes Resultat: 


1.) 11.2) I. IV. v. 


Summe | Kram- Sing- %, | Andere | %, Rot- %, 
allerVögellmetsvögel| drosseln |von IT| Vögel | von I |kehlchen |von IV 


87 | 4419 | 4350 | 1530 |s52| 69 | 16] 42 | 60,9 
88 | 4321 | 4164 | 2395 |575| 157 | 86| 108 | 65,6 
89 | A588 | 4461 | 3578 |so2| 127 | 28| 66 | 52,0 
00 | 6127 | 6or6 | 3281 |54,0| 51 | 0808| 34 |66,7 
91 | 6359 | 6219 | 83149 |50,6| 140 | 2322| 82 | 586 
92 | 5352 | 4640 | 3474 174,9 | 7ı2 132 | 470 | 66,0 
98 | 5901 | 5778 | 2920 |505 | 123 | a31| 64 |52,0 
94 | 5330 | 5020 | 3469 |69,1| sıo | 5,8| 170 | 54,8 
95*)| 1621 | 1565 954 |61,0| 56 | 85| 42 | 750 
96*)| 575 567 548 | 96,7 Se A 3 | 87,5 


Se. | 44593 IE 25298 BE 1758 1076 | 61,4 


Jahr 


Schlussfolgerung. 
Von 1000 gefangenen Vögeln sind 961 sogenannte Krammets- 
vögel, von diesen aber 567 Singdrosseln gegen 394 andere Drosseln. 
1000 gefangene Vögel setzen sich also zusammen aus 
567 Singdrosseln 
394 anderen Drosseln 
24 Rotkehlchen 
15 anderen Vögel 


Summa 1000 Vögel. 
Von allen gefangenen Vögeln bilden somit die Sing- 
drosseln die bei weitem grössere Hälfte: 59,1 von Hundert. 
Im vergangenen Herbst wurde durch das Ministerium des Inneren 
im Deutschen Reich eine Umfrage bezüglich des Krammetsvogelfanges 


I) Summe von Spalte II und IV. 

2) Das sind Turdus musicus, merula, ihacus, pilaris, borgwalus, 
viscivorus. 

*) Von diesen Jahren liegt nur ein Teil des Resultats vor. 


4* 


52 Bericht über die Jahresversammlung. 


erlassen. Die diesbezüglichen Acten für das Königreich Preussen liegen 
mir im Original vor, es ist daraus folgendes bemerkenswert: 

Im Regierungsbezirk Siegmaringen ist der Krammetsvogelfang ver- 
boten, im Regierungsbezirk Cassel (und zwar schon seit 1853) der 
Dohnenstieg. In den 35 Regierungsbezirken werden 1159796 Krammets- 
vögel gefangen in einem Jahr Wieviel davon auf die einzelnen Drossel- 
arten kommen, ist nicht angegeben. Nach vorseitigen Aufzeichnungen 
sind über die Hälfte Singdrosseln. 

Die Frage: Ist eine Abnahme der Zahl der jährlich gefangenen 
Krammetsvögel zu beobachten? beantworten 6 Reg.-Bez. mit „nein“, 
2 mit „kaum“ 27 mit „ja‘“.t) 

In allen 36 Reg.-Bez. gehört der Krammetsvogel ganz oder teil- 
weise zu den „jagdbaren Vögeln“. 


Obgleich nun dieser Entwurf nebst Anlage, und zwar nicht 
nur in deutscher, sondern auch bereits in französischer, hier an- 
gefertigter Übersetzung rechtzeitig der Leitung des II. inter- 
nationalen Kongresses eingeschickt und von Herrn Professor 
Reichenow um vervielfältigenden Umdruck desselben gebeten 
worden war, war dieses doch nicht geschehen, ja die handschrift- 
liche Übersetzung anfänglich sogar verlegt, sodass dieselbe in 
der ersten Sitzung überhaupt nicht verwendet werden konnte. 


Dieser Umstand sowohl, als der überraschende Befehl, dass 
ich zum Vortrage des ganzen Entwurfs nur 1/, Stunde Zeit in 
Anspruch nehmen dürfe, wie drittens ein anderer das gleiche 
Thema, aber von einem ganz anderen Standpunkt aus behan- 
delnder Antrag des Herrn Präsidialrats Dr. Ohlsen zeitigten 
denn in der ersten Sitzung eine solche Verwirrung, dass an ein 
irgend wie befriedigendes Ergebnis scheinbar nicht zu denken war. 


Die endlich wieder gefundene französische Übersetzung des 
Entwurfes von Dienstag bis Freitag, also in 3 Tagen, zu drucken, 
wurde ausserdem in Paris für unausführbar erklärt. 

Wenn nun zuletzt doch noch ein — und wie wir nicht 
anders sagen können — befriedigendes Resultat folgte, so ist 
dieses allein nur 3 Persönlichkeiten zu danken. 


1. Der liebenswürdigen Madame Jean Bernard, die es 


übernahm, wenigstens das Gesetz ohne Bemerkungen bis zum 
Freitag drucken zu lassen. 


!) Nach meinen und anderen zuverlässigen Beobachtungen hat die 
Singdrossel in den letzten 30 Jahren sehr abgenommen. 


Bericht über die Jahresversammlung. 53 


2. Herrn Dr. Ohlsen, der sich im Interesse der guten Sache 
bestimmen liess, seinen Antrag ganz zurückzuziehen und energisch 
für den unserigen einzutreten und 

3. der umsichtigen und einsichtsvollen Leitung unseres 
Sektionspräsidenten, des Herrn Professor Fatio aus Genf. 

Ich werde alle weiteren Einzelheiten bei den ferneren Be- 
ratungen übergehen und gleich die endgültig angenommene Re- 
solution geben. Dieselbe lautet: 

„1. In wirksamer Weise alle Vögel während der 5 bis 6 Monate 

“ der Fortpflanzungszeit zu schützen, die nicht allgemein als 
unstreitig schädlich anerkannt sind, so lange es noch nicht 
gelungen ist, Listen von überall und immer nützlichen Vögeln 
aufzustellen. Ausnahmen können nur zu Gunsten der Wissen- 
schaft und im Fall der Notwehr gemacht werden, 

2. Gänzlich zu untersagen alle Arten von Massenfang, mögen 
sie dazu angethan sein, die Vögel in grosser Zahl auf ein 
Mal (Netze etc.) zu fangen, oder mögen es Schlingen oder 
Dohnen sein, die, in grosser Zahl aufgestellt, denselben Erfolg 
haben können. 

3. Ebenso zu untersagen den Handel und Versand, das Feil- 
bieten, den Kauf und Verkauf der geschützten Vögel, ihrer 
Eier und ihrer Jungen während der Schonzeit (das Wander- 
wild, insbesondere die Wachtel, müsste denselben Schutz 
geniessen). 

4. Jeden Staat zu bitten, auf seinem Gebiete gleichzeitig orni- 
thologische und entomologische Untersuchungen anstellen zu 
lassen, um die Ernährung der einzelnen Arten und dadurch 
den Grad ihres Nutzens festzustellen. 

5. Durch alle möglichen Mittel (Hecken, Nistplätze) die Ver- 
mehrung der nützlichen, besonders der insektenfressenden 
Vögel zu begünstigen. 

6. Unter die Jugend interessante und nützliche Schriften über 
das Leben der Vögel zu verteilen.‘ 


Sie werden mir zugeben, dass der Entwurf sehr allgemein 
und kurz gehalten ist, was beides als ein grosser Vorzug gegen 
alle früheren derartigen Beschlüsse angesehen werden muss, und 
dass er nichts enthält, was unserem Entwurf direkt entgegen 
wäre. Es ist unser Entwurf nur in anderer Form und noch 
ergänzt durch die ganz vorzüglichen SS 4, 5, 6. 


E} 


54 Bericht über die Jahresversammlung. 


Wenn allerdings darin von Aufstellung allgemeiner Listen 
überall nützlicher Vögel gesprochen wird, so können wir dieser 
Ansicht aus vorher dargelegten Gründen zwar nicht zustimmen, 
immerhin dürfen wir uns aber auch damit zufrieden geben, be- 
sonders da diese Resolution ja vorerst nur Wunsch, noch nicht 
Gesetz ist. Kurz, ich glaube, wir können recht zufrieden sein, 
durch unser Zuthun vorerst dieses Ergebnis erlangt zu haben. 
Es ist der erste derartige Beschluss, der wohl geeignet ist, auf 
ihm weiter zu bauen und der, wenn die Vertreter der einzelnen 
Staaten wieder zusammentreten, wohl als gute Grundlage dienen 
kann, das entgültige Gesetz zu formulieren. Diese allgemein 
gehaltene Pariser Resolution in klare Gesetzesform gebracht, 
wird dann einfach wieder den Wortlaut unseres Entwurfes er- 
geben, ergänzt durch die 8$ 4, 5, 6. 

Es soll nun demnächst von Professor Oustalet, dem Präsi- 
denten des internationalen Ornithologischen Kongresses, in jedem 
Staate ein Mitglied des internationalen ornithologischen Komites 
beauftragt werden, den Beschluss seiner Regierung zu unter- 
breiten, und ich halte diesen Wez — vorausgesetzt, dass überall 
die rechte Persönlichkeit getroffen wird — auch für den einzig 
richtigen. 

Als weiterer grosser Faktor und nicht zu unterschätzender 
Erfolg in der guten Sache muss vor allen Dingen aber auch 
noch der Umstand angeführt werden, dass dieser Beschluss, 
dank der fortgesetzten Bemühungen des Herrn Dr. Ohlsen, in 
ganz gleicher Fassung auch noch vom internationalen Tierschutz- 
und Ackerbaukongress angenommen worden ist, und ich glaube, 
dass gerade die Wünsche des letzteren Kongresses bei den ver- 
schiedenen Staaten am meisten Gehör finden werden. 

Soweit wäre also die Sache in gutem Fahrwasser, und wir 
können nur hoffen, dass aus diesen guten Wünschen — denn 
etwas anderes sind die gefassten Beschlüsse vorläufig nicht — 
nun auch wirklich bald ein internationales Gesetz entstehen 
möge, wie solches in dem vom unserer Gesellschaft ausgearbeiteten 
und nur noch durch die $$ 4, 5 und 6 des Pariser Beschlusses 
zu ergänzenden Entwurf jederzeit als fertige Arbeit vorgelegt 
werden kann. 


In der an den Vortrag sich anschliessenden Besprechung, 
an welcher sich die Herren R. Blasius, Reichenow, OÖ. Herman 


- 


Bericht über die Jahresversammlung. 55 


Freiherr von Berlepsch, Hartert und Hennicke beteiligen, 
empfiehlt Herr Reichenow ein selbständiges Vorgehen unserer 
. Gesellschaft bei der deutschen Reichsregierung unabhängig vom 
internationalen Komite. Es wird beschlossen, der Vorstand der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft solle geeignete Schritte 
thun, um die deutsche Reichsregierung zu veranlassen, auf Grund 
des von Hrn. Freiherrn von Berlepsch vorgelegten Entwurfes 
ein internationales Vogelschutzgesetz zu erzielen. 


Im Anschluss an den vorangegangenen Vortrag und die 
Besprechung des internationalen Vogelschutzgesetzes weist Hr. 
Prof. Reichenow auf die von Hrn. Oberlehrer Wetekamp ge- 
gebene Anregung des „Schutzes der Naturdenkmäler“ hin und 
empfiehlt ein Vorgehen der Gesellschaft in diesem Sinne zur 
Erlangung eines erfolgreichen Vogelschutzes in Deutschland. 
Redner führt aus, dass diese Bestrebungen auf drei Punkte sich 
richten müssen. 

1. Allgemeiner zweckgemässer Vogelschutz. 

Dieser Vogelschutz wäre durch die Forstbeamten aus- 
zuüben. 

Dazu wäre erforderlich, dass von den Forstbeamten 
und zwar sowohl von den höheren wie Subalternbeamten 
eine genaue Kenntnis der einheimischem Vogelwelt verlangt 
würde; denn nur wer die Vögel und deren Lebensweise 
kennt,wird Teilnahme für sie empfinden und bethätigen können. 

Zweitens müsste von der Staatsregierung angeordnet 
werden, dass jeder Forstbeamte in seinem Reviere eine 
Schutzstätte, Remise, anlegte, wo die Vögel nicht nur ge- 
eignete Niststätten, sondern auch Nahrung fänden, und wo 
geeigneten Falls auch Winterfütterung stattzufinden hätte. 
Wie solche Remisen, die einen Umfang von je etwa einem 
Morgen haben müssten, einzurichten sind, das lehrt die vor- 
zügliche, von Hrn. Hans Freiherrn von Berlepsch in 
Kassel verfasste Schrift: ‚Der gesamte Vogelschutz, seine 
Begründung und Ausführung. Gera-Untermhaus 1899," die 
allen Forstbeamten zur Kenntnisnahme und Beachtung em- 
pfohlen werden sollte. 

Für diejenigenForstbeamten,diesich um dieErhaltung eines 
reichen Vogellebens in hervorragendem Grade verdient machen, 
müssten Prämien ausgesetzt werden, 


56 Bericht über die Jahresversammlung. 


2. Verhinderung der gänzlichen, durch Nachstellung veranlassten 
Ausrottung gewisser Vogelarten, die stellenweise wirtschaftlich 
schädlich werden. 

Eisvogel und Wasserstar sind stellenweise in Deutsch- 
land jetzt durch unnachsichtige und ungerechtfertigte Ver- 
folgung ausgerottet, insbesondere durch das rücksichtslose 
Vorgehen des deutschen Fischereivereines, der für die Tötung 
dieser Vögel Prämien ausgesetzt hat. Es ist nicht zu 
leugnen, dass Eisvogel und Wasserstar in künstlichen Fisch- 
zuchtanstaltenSchaden anrichten können, und dementsprechend 
gerechtfertigt, dass sie in der Nähe solchen Anstalten ge- 
schossen und. gefangen werden. Ungerechtfertigt aber ist 
es, diese schönen und bereits so seltenen Vögel wegen des 
Schadens, dem sie stellenweise einem einzelnen Erwerbs- 
zweige zufügen, allenthalben auszurotten. Ausserhalb 
künstlicher Fischzuchtanstalten kommt der Schaden des Eis- 
vogels für die Fischerei nicht in Betracht, weil es sich um 
kleine, meistens ganz wertlose Fische handelt. 

Beim Wasserstar ist aber noch viel weniger von Schaden 
zu reden, weil er nur während der Wintermenate Fische 
zur Nahrnng nimmt und dann ebenfalls meistens wertlose 
Fischarten; denn die flinken jungen Forellen kann er nur 
schwer erhaschen. Während des grössten Teiles des Jahres 
aber nährt sich der Wasserstar von Insekten. 

Das Aussetzen von Prämien für die Tötung gewisser 
Vogelarten müsste also verboten werden oder dürfte wenigstens 
nur unter obrigkeitlicher Aufsicht und nach Einholung des 
Gutachtens erfahrener Vogelkenner erfolgen. 

3. Schutz für seltene, nur örtlich vorkommende oder auftretende 
Vogelarten. 

Sehr wünschenswert vom ethischen und wissenschaftlichen 
Standpunkte (also ganz besonders im Sinne der Wete- 
kamp’schen Anregung) ist die Erhaltung solcher Vogelarten, 
die, früher in Deutschland weiter verbreitet, jetzt auf wenige 
Örtlichkeiten beschränkt sind oder nur hin und wieder ver- 
einzelt auftreten, ferner die Einhürgerung solcher Arten, die 
von Süden nordwärts vordringend, hin und wieder an ein- 
zelnen Orten sich anzusiedeln versuchen, meistens aber, da 
weder Forst- noch Ortsbehörden sich ihrer annehmen, durch 
Nachstellungen bald wieder vertrieben werden. Für die 


Bericht über die Jahresversammlung. 57 


erste Gruppe sind zu nennen: Die Kaspische See- 
schwalbe, von der nur noch eine kleine Kolonie auf Sylt 
vorhanden ist, die Zwergmöwe, die zur Zeit noch in 
Littauen brütet, der auf einigen Seen in Hinterpommern 
und Westpreussen noch brütende Polartaucher, der 
Nachtreiher, eine seltene Erscheinung in Deutschland, 
der im vergangenem Jahre bei Kottwitz in Schlesien sich 
eingestellt und dort gebrütet hat. Rotfussfalk und 
Beutelmeise sind ferner zu beachten. Von den von 
Süden her vordringenden Vögeln sind zu nennen: Bienen- 
fresser, Steinsperling, Mauerläufer. 

Für die Erhaltung solcher seltenen, örtlich be- 
schränkten Arten oder Gäste können keine allgemeinen 
Bestimmungen erlassen werden. Sie sind in jedem Einzel- 
falle durch Forst- oder Ortspolizeibehörde zu schützen. 
Es müsste deshalb eine Behörde vorhanden sein, die, mit 
dem Gegenstande vertraut und über die Vorkommnisse 
unterrichtet, in der Lage wäre, der Staatsregierung für 
jeden einzelnen Fall geeignete Massnahmen vorzuschlagen. 


Nach kurzer Besprechung beschliesst die Versammlung, den 
bereits bestehenden, mit der Vorbereitung des Entwurfes eines 
internationalen Vogelschutzgesetzes betrauten Ausschuss zu be- 
auftragen, zunächst bei der preussischen Staatsregierung geeignete 
Schritte zur Erzielung eines zweckgemässen Vogelschutzes in der 
von Hrn. Reichenow besprochenen Richtung zu thun. 


Herr W. Blasius hält nunmehr seine angekündigten Vorträge: 


Die Vogelfauna 
in den diluvialen Ablagerungen der Rübeländer Höhlen. 


Von W. Blasius. 


Alfred Nehring hat in seinen zahlreichen Veröffentlichungen 
über diluviale Tierreste, von denen ich hier nur die Abhandlungen 
„Über den Character der Quartärfauna von Thiede bei Braun- 
schweig‘“ (Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläonto- 
logie, 1889, Bd. 1 8. 66-98) und „Über Tundren und Steppen 
der Jetzt- und Vorzeit, mit besonderer Berücksichtigung ihrer 
Fauna“ (Berlin, Ferd. Dümmler, 1890) anführen will, nachgewiesen, 
dass die Vogelarten, deren Reste in dem Diluvium Norddeutschlands 


58 Bericht über die Jahresversammlung. 


beobachtet sind, im wesentlichen mit denjenigen Arten zusammen- 
fallen, welche als charakteristische Bestandteile der Vogelfauna 
der arktischen und subarktischen russischen und asiatischen 
Steppen erscheinen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um 
einige Raubvogel-Arten, wie einen Geier, ähnlich dem grauen 
Geier (Vultur cinereus) und die Sumpfohreule (Otus brachyotus), 
_ einige Hühner, wie das Moor-Schneehuhn (Lagopus albus), das 

Gebirgs-Schneehuhn (Lagopus alpinus) und das Birkhuhn (Tetrao 
Zetrix), mehrere Schwimmvögel, wie die Stockente (Anas boschas), 
die Krickente (Anas crecca) und eine Gänse-Art (Anser sp.), einige 
Sumpfvögel, wie die grosse Trappe (Ofis tarda) und Bekassinen- 
Arten und endlich eine grössere Reihe von Singvögeln, unter 
denen besonders einige Alauda-, Fringilla-, Emberiza- und Hirundo- 
Formen sowie der Kolkrabe (Corvus corax) zu nennen sind. Auch 
die diluvialen Vogelreste, welche bisher in den Rübeländer Höhlen 
nachgewiesen sind, stimmen gut mit den bisherigen Funden in 
andern diluvialen Ablagerungen Norddeutschlands überein. Schon 
Hermann Grotrian, der die ersten Ausgrabungen in der am 
28. Juni 1866 entdeckten, nach ihm benannten Hermannshöhle 
bald nach der Entdeckung veranstaltet hat, konnte in einer zu 
Tage ausgehenden Felsritze grosse Mengen von Schneehuhn-Resten 
nachweisen (Schreiben an C. Struckmann in der Zeitschrift der 
Deutschen Geologischen Gesellschaft Bd. XXXII. 1880. S. 751). 
Später, seit dem Herbste 1887, wurden die Ausgrabungen in 
dieser Höhle von J. H. Kloos in grossartigem Mafsstabe fort- 
gesetzt, wobei erst die grossen oberen Räume der s. g. Bärenhöhle 
entdeckt wurden, die mit der s. g. Krystallkammer jetzt die 
Hauptsehenswürdigkeit der Hermannshöhle bilden. Die geologischen 
Ergebnisse dieser Untersuchungen hat Kloosin seiner Abhandlung: 
„Die Hermannshöhle und ihre Ausfüllungen“ (J. H. Kloos und 
Max Müller, Die Hermannshöhle bei Rübeland. Weimar, 
K. Schwier 1889 S. 1—52) niedergelegt. Bei diesen Arbeiten 
stiess man auch auf einen mächtigen Kegel von Gehänge-Schutt, 
welcher wahrscheinlich durch eine darüber gelegene, zu Tage 
gehende Spalte während der letzten Glacial-Periode eingeschwemmt 
ist und sich in seinen wesentlichen Teilen der ältereren, der 
letzten Interglacialzeit entsprechenden, hauptsächlich Höhlenbär- 
Reste enthaltenden Ablagerung aufgelagert hat. In diesem Schutt- 
kegel wurden wiederum neben zahlreichen Knochen von Glacial- 
tieren grosse Mengen von Resten des Moor-Schneehuhns (Lagopus 


E 


albus) und dabei auch einzelne Knochen des Birkhuhns (Tetrao 
tetrix) gefunden. Am 26. Februar 1892 begannen unter meiner 
Mitwirkung neue ausgedehnte Ausgrabungen an einer Stelle der 
oberen s. g. Bärenhöhle, welche wegen der grossen Mengen von 
Höhlenbärknochen, die hier angehäuft waren, den Namen „Bären- 
friedhof‘ erhalten hatte. Ausführlich habe ich über diese Arbeiten, 
welche hauptsächlich zur Begründung eines in Rübeland ein- 
zurichtenden Höhlen-Museums von dem Museums-Inspektor Fritz 
Grabowsky ausgeführt wurden und dabei zufällig den ersten 
sichern Beweis von der Existenz des Menschen zur Zeit der 
Rübeländer Diluvial - Ablagerungen erbrachten, in meiner Ab- 
handlung: „Spuren paläolithischer Menschen in den Diluvial- 
Ablagerungen der Rübeländer Höhlen“ (mit 3 Tafeln und 1 Text- 
figur) in den „Beiträgen zur Anthropologie Braunschweigs‘“. 
Festschrift zur 29. Versammlung der Deutschen Anthropologischen 
Gesellschaft. Braunschweig, Friedrich Vieweg & Sohn 1898, 

8.7 ff.) berichtet. Offenbar waren an dieser Stelle älteres und 
jüngeres Diluvium durch spätere Katastrophen zusammenge- 
schwemmt. Denn ausser den Resten vom Höhlenbär, Rhinoceros, 
Höhlenlöwen, Höhlenwolf, der Höhlenhyäne, vom Hirsch u. s. w. 
fanden sich zahlreiche Reste vom Rentier, Schneehasen, Hermelin, 
Zobel, der Alpen-Wühlmaus u. s. w. und an Vögeln das Moor- 
Schneehuhn (Zagopus albus), der Kolkrabe (Corvus corax), eine 
Ente (Anas sp.) und ein nordischer Seetaucher (Colymbus sp.) 
vertreten. 

Mehr noch, als die Ausgrabungen in der Hermannshöhle, 
haben mich in dem letzten Jahrzehnt die Forschungen in den 
am 28. Juni 1888 neu entdeckten Teilen der schon seit vielen 
Jahrhunderten bekannten Baumannshöhle beschäftigt. Die 
seit dem 10. April 1890 hier ausgeführten Arbeiten sind in 
meiner zuletzt erwähnten Arbeit: „Spuren paläolithischer Menschen 
etc.“ (S. 13—31) eingehend geschildert. Auch in der neuen 
Baumannshöhle fand sich, wie in der Hermannshöhle, gerade an 
der Verbindungsstelle zwischen den alten und den neuen Teilen, 
ein mächtiger Schuttkegel, der von oben her durch ehemals zu 
Tage tretende, später verstopfte Spalten zur Glacialzeit einge- 
schwemmt und hier im Gegensatz zu dem Kegel der Hermanns- 
höhle, an welchem die Ablagerungen sich nicht so scharf begrenzen 
lassen, mit scharfer Grenze den älteren Diluvialablagerungen 
aufgelagert ist. In diesem Schuttkegel waren haupsächlich Reste 


Bericht über die Jahresversammlung. 59 


60 Bericht über die Jahresversammlung. 


vom Rentier, Schneehasen, Polarfuchs, Vielfrass, Hermelin sowie 
von Lemmingen und Wühlmäusen vertreten, und zwar in den 
oberen Schichten in einer Mächtigkeit von etwa 1, m. Unter 
diesen Glacialtieren und über einem grösseren Neste von feinem 
Lösssand fand sich ein fast vollständiges Skelett des für die Steppen 
Russlands charakteristischen Pferdespringers (Alactaga jaculus). 
In der Nähe desselben lagen zahlreiche Knochen kleiner Vogel- 
Arten, deren Bestimmung noch nicht sicher zu bewerkstelligen 
war. Unter diesen waren die Knochen einer kleinen Corviden- 
Art nachzuweisen, die mit keiner einzigen von unseren ein- 
heimischen Formen übereinzustimmen scheint, wohl aber eine 
gewisse Ähnlichkeit in Form und Grösse mit dem Saxaul-Heher der 
asiatischen Steppen, u. zw. irgend einer der verschiedenen Podoces- 
Arten, darbieten. Mir fehlen bis jetzt Skelette von Podoces-Arten, 
die ich zur Vergleichung heranziehen könnte. Sollte sich eine 
Vergleichung ermöglichen lassen und dabei in der That das 
Vorkommen des Saxaul-Hehers in den Diluvialablagerungen der 
hübeländer Höhlen bestätigen, so würde dies eine neue will- 
kommene Bekräftigung der im Anfange dargelegten Anschauungen 
Alfred Nehring’s sein. Die übrigen Funde in den neuen Teilen 
der Baumannshöhle sind, soweit sie sich überhaupt auf Vogelreste 
beziehen, den geschilderten Funden in der Hermannshöhle ähnlich. 
Eine eingehende Bearbeitung des gesamten paläontologischen 
Materials, das die Rübeländer Höhlen geliefert haben und bei 
der Fortsetzung der Ausgrabungen noch zu liefern versprechen, 
ist für später ins Auge gefasst. 


Bemerkungen über neue Sendungen malayischer Vögel. 
Von W. Blasius. 


l. Vögel von Borneo, gesammelt von J. Waterstraat. 

In den letzten Jahren erhielt ich wiederholt durch Herrn 
Hermann Rolle in Berlin Sendungen von Vogelbälgen, welche 
von dem bekannten Sammler J. Waterstraat in den nördlichen 
Teilen Borneo’s, in dein Staate Brunei und in dern benachbarten 
Gebieten, zusammengebracht waren. Die einzelnen Vögel waren 
mit specielleren Fundort - Angaben und mit der Bezeichnung des 
Monats versehen, in welchem sie erlegt sind. Bei einigen Bälgen 
tehlten die Etiketten oder waren abgerissen und im losen Zu- 
stande nur in der Weise beigefügt, dass eine Verwechselung 


SE 


Bericht über die Jahresversammlung. 61 


nicht ausgeschlossen erschien. Diese lasse ich bei den folgenden 
Betrachtungen ausser Berücksichtigung. Da der Sammler nicht 
jedes einzelne Individuum selbst zu erlegen und zu präparieren 
pflegt, so können in Bezug auf Ort und Zeit kleine Ver- 
wechselungen untergelaufen sein. Trotzdem dürfte die folgende 
Zusammenstellung der gesammelten Arten einigen Wert bean- 
spruchen können, wobei ich mir ein genaues Eingehen auf ein- 
zelne interessante Formen für später vorbehalten möchte. Die 
verschiedenen Fundplätze sind der Lokutan-Fluss, der Mengalung- 
Fluss, der Punang-Fluss und der 829 m hohe Marabok-Bersg, 
welcher ganz im Norden nahe und zum Theil auf der Grenze 
von „Britisch Nord-Borneo‘ gelegen ist, in welchem Gebiete der 
mit dem Marabok-Berge beginnende Gebirgszug nordöstlich sich 
etwa 130 kilom. weit bis zu dem Kina-Balu-Gipfel fortsetzt und 
auf der Nordseite des Marabok-Berges von dem Padas-llusse 
durchbrochen wird. Auf die von dem Padas-Flusse und dem 
_Kina-Balu, sowie von der an der Brunei-Bucht der Küste von 
Borneo vorgelagerten Insel Labuan stammenden Vogelsendungen 
werde ich am Schlusse dieser Ausführungen eingehen. Zunächst 
mag eine tabellarische Übersicht (mit ungefährer Beibehaltung 
der Salvadori’schen Anordnung) folgen über die von J. Water- 
straat eingesandten 


1. Vögel von Brunei (Nord-Borneo): 

Microhierax fringillarius (Drap.), Lokutan-Fl. Mai 1899; Menga- 
lung-Fl. Juni 1899. 

Spilornis pallidus Wald., Mengalung-Fl. Juli 1899. 

Ninox scutulata (Raffl.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 

Palaeornis longicauda (Bodd.), Lokutan-Fl. Juni 1899; Menga- 
lung-Fl. Juni bis August 1899; Marabok-B. Dezember 1899. 

Psittinus incertus (Shaw), Lokutan-Fl. Mai 1899; Mengalung-Fl. 
Juni 1899. 

Loriculus galgulus (Linn.), Lokutan-Fl. Mai 1899; Mengalung-Fl. 
Mai bis August 1899. 

Chotorhea chrysopsis (Goffin.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 
r versicolor (Raffl.), Lokutan-Fl. Mai 1899; Mengalung-Fl. 
Juni 1899; Punang-Fl. Okt. u. Nov. 1897. 

Oyanops mystacophanes (Temm.), Mengalung-Fl. April bis Juni, 
Aug. 1899; Marabok-B. Jan. 1900. | 

Uyanops monticola Sharpe, Marabok-B. Jan. 1900. 


62 Bericht über die Jahresversammlung. 


Oyanops pulcherrima (Sharpe), Marabok-B. Jan. 1900. 
Xantholaema dwvauceli (Less.), Mengalung Fl. Juni, Juli 1899. 
Calorhamphus fuliginosus (Temm.), Marabok-B. Januar 1900. 
Iyngipicus aurantüiventris (Salvad.), Mengalung-F]. Juni, Juli 1899; 

Marabok-B. Jan. 1900. 

Iyngipieus auritus (Eyt.), Lokutan-Fl. April 1899. 

Xylolepes validus (Temm.), Mengalung-Fl. April u. Juni 1899. 
Hemicercus sordidus (Eyt.), Mengalung-Fl. April, Mai, August 1899. 
Lepocestes porphyromelas (Boie), Mengalung-Fl. Mai 1899. 
Gecinus puniceus (Horsf.), Mengalung-Fl. Mai, Juni 1899. 
COhrysophlegma malaccense (Lath.), Lokutan-Fl. Juni 1899; Men- 

galung-Fl. August 1899. 

Thriponax javensis (Horsf.), Mengalung-Fl. Juni, August 1899. 
Tiga javanensis (Ljungh.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Miglyptes grammithorax (Malh.), Mengalung-Fl. Mai bis August 

1899, Lokutan-Fl. Juni 1899; Marabok-B. Januar 1900. 
Miglyptes tristis (Horsf.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 

r tukki (Less.), Mengalung-Fl. Mai, Juni 1899; Punang- 

Fl. Novemb. 1897; Marabok-B. Jan. 1900. 

Micropternus badıosus (Temm.), Mengalung-Fl. April, Juni 1899. 
Sasia abnormis (Temm.), Mengalung-Fl. April - Juli 1899. 
Indicator archipelagicus Temm., Mengalung Fl.-Juli 1899. 
Surniculus lugubris (Horsf.), Mengalung-Fl. Mai 1899; Lokutan- 

Fl. Juli 1899. 

Rhinortha chlorophaea (Raffl.), Mengalung-Fl. April bis August 

1899; Punang-Fl. Oktob., Nov. 1897. 

Rhopodytes borneensis (Bp.), Mengaiung-Fl. Mai, Juni 1899. 

5 sumatranus (Raffl.), Mengalung-Fl. August 1899. 
Phoenicophaes borneensis (W. Blas. u. Nehrk.), Mengalung-!!l. 
| April bis August 1899; Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Zanclostomus javanicus (Horsf.), Mengalung-Fl. Mai 1899. 
Oentrococeyx eurycercus (Hay), Mengalung-Fl. August 1899; 

Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Anorrhinus galeritus (Temm.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 
Anthracoceros convexus (Temm.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 

B malayanus (Raffl.), Mengalung-Fl. Juli, August 1899. 
Rhytidoceros undulatus (Shaw), Mengalung-Fl. Juni, Juli 1899; 

Marabok-B. Dec. 1899, Januar 1900. 

Cranorrhinus corrugatus (Temm.), Mengalung-Fl. Juni, August 

1899; Marabok-B. Januar 1900. 


Bericht über die Jahresversammlung. 63 


Buceros rhinoceros Linn., Mengalung-Fl. Juli 1899; Marabok-B. 
Dec. 1899. 

Rhinoplax vigil (Forst.), Menzalung-Fl. Juli 1899. 

Nyctiornis amicta (Temm.), Mengalung-Fl. April, Juni, Juli 1899. 

Alcedo ispida bengalensis Gml., Mengalung-Fl. Juni 1899. 

„ menintingHorsf.,Lokutan-Fl.Mai 1899, Mengalung-Fl. April 1899. 
Pelargopsis leucocephala fraseri Sharpe, Mengalung-Fl. Mai 1899. 
Cey& euerythra Sharpe, Lokutan-Fl. Mai 1899. 

Halcyon pileatus (Bodd.), Mengalung-Fl. Juli 1899. 

Carcineutes melanops (Bp.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 
Eurystomus orientalis (Linn.), Lokutan-Fl. Mai, Juni 1899; Men- 
galung-Fl. Juni, August 1899; Marabok-B. Januar 1900. 
Calyptomena viridis Raffl., Mengalung-Fl. Mai 1899; Punang-Fl. 

Octob. 1897. 
Eurylaemus ochromelas Raftl., Mengalung-Fl. April bis August 1899. 
Oymborhynchus macrorhynchus (Gml.), Lokutan-Fl. Juni 1899; 
Mengalung-Fl. April bis August 1899; Marabok-B. Januar 1900. 
Caprimulgus macrurus Horsf, Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Collocalia linchi Horsf. u. Moore, Marabok-B. December 1899. 
Hirundo gutturalis Scop., Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897, 
Alseonax latirostris (Raftl.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 
Siphia elegans (Temm.), Mengalung-Fl. April, August 1899; Punang 
Fl. Novemb. 1897. 
Siphia beccariana (Salvad.), Mengalung-Fl. all Mai, August 1899. 
turcosa (Brüggem.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
banyumas (Horsf.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 

„  caeruleata (Bp.), Mengalung-Fl. April, Mai 1899. 
Poliomyias luteola (Pall.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Xanthopygia narcissina (Temm.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Hypothymis occipitalis (Vig.), Lokutan-Fl. August 1899. 
Terpsiphone affinis (Blyth ), Mengalung-Fi. April 1899. 
Philentoma pyrrhopterum (Temm.),Mengalung-Fl. April, August 1899. 
Rhinomyias pectoralis Salvad., Mengalung-Fl. Juni, Juli 1899. 
Artamus leucogaster (Valenc.), Mengalung-Fl. Juni, Juli 1899; 

Lokutan-Fl. Juni 1899; Punang-Fl Novemb. 1897. 
Lalage terat (Bodd.), Punang-Fl. Octob. 1897. 
Artamides sumatrensis (S. Müll.), Mengalung-Fl. Juli 1899. 
Irena crinigera Sharpe, Mengalung-Fl. Mai bis Jnli 1899; Lo- 
kutan-Fl. Mai bis Juli 1899. 
Dissemurus brachyphorus (Bp.), Mengalung-Fl. April bis August 1899. 


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„ 


64 Bericht über die Jahresversammlung. 


Hemipus obscurus (Horsf.), Lokutan-Fl. April 1899. 
Lanius lucionensis Linn., Mengalung-Fl. Juli 1899. 
Dendrophila frontalis (Horsf.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 
Prionochilus zanthopygius Salvad., Mengalung-Fl. Mai bis 
August 1899. 
Dicaeum trigonostigma (Scop.), Mengalung-Fl. Mai, Juni 1899. 
Oyrtostomus pectoralis (Horsf.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Aethopyga siparaja (Raffl.), Lokutan-Fl. Juni 1899; Mengalung-Fl. 
Juni, Aug.1899; Punang-Fl. Novemb.1897; Marabok-B. Jan.1900. 
Chalcostetha insignis (Jard.), Marabok-B. Januar 1900. 
Anthothreptes hypogrammica (S. Müll.), Mengalung-Fl. Mai 1899. 
simplex (S. Müll.), Mengalung-Fl. Juni 1899. 
malaccensis (Scop.),Mengalung-Fl. April bis Juli 1899; 
Marabok-B. Decemb. 1899, Jan. 1900. 
phoenicotis (Temm.), Mengalung-Fl. Mai bis Juli 1899. 
nenn longirostris (Lath.), Mengalung-Fl. April bis August 99. 
Jora viridis Bp., Punang-Fl. Novemb. 1897. 
„  viridissima Bp., Mengalung-Fl. Juni 1899. 
Chloropsis zosterops Vig., Mengalung-Fl. April 1899; Marabok-B. 
Jan. 1900. 
cyanopogon (Temm.), Mengalung-Fl, April, Juni, 
August 1899. 
Trachycomus ochrocephalus (Gml.), Lokutan-Fl. Juli 1899. 
Pycenonotus salvadorii Sharpe, Mengalung-Fl April. Juni 1899. 
simplex Less., Mengalung-Fl. April, Mai 1899; Lo- 
kutan-Fl. Juli 1899; Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 
plumosus Blyth, Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 
in analis (Horsf.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Rubigula paroticalis (Sharpe), Mengalung-Fl. April, Juni 1899. 
Micropus melanocephalus (Gml.), Mengalung-Fl. April bis August 
1899; Marabok-B. Decemb. 1899. 
Tricholestes criniger (Blyth), Mengalung-Fl. April bis Juni 1899; 
Lokutan-Fl. August 1899. 
Oriniger gutturalis (Bp.), Mengalung-Fl. Mai 1899. 
hr diardi Finsch, April bis Juli 1899. 
Jole olivacea Blyth, Punang-Fl. Octob. 1897. 
Stachyris maculata (Temm ), Mengalung-Fl. April, Mai 1899. 
Mixornis borneensis Bp., Mengalung-Fl. April bis August 1899. 
bicolor (Blyth), Mengalung-Fl. April bis August 1899; 
Lokutan-Fl. August 1899. 


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Macronus ptilosus Jard. u. Selb., Mengalung-Fl. Mai 1899; Lo- 
kutan-Fl. Juli 1899. 

Drymocataphus capistratoides (Temm.), Mengalung-Fl. April bis 
Juli 1899; Lokutan-Fl. Mai, Juni 1899. 

Anuropsis malaccensis (Hartl.), Mengalung-Fl. April, Mai 1899. 

Kenopia striata (Blyth), Mengalung-Fl. Mai 1899. 

Trichixos pyrrhopygos Less., Mengalung-Fl. April 1899. 

Malacopteron affine (Blyth), Mengalung-Fl. April bis August 1899. 

cinereum Eyton, Mengal.-Fl. April, Mai, August 1899. 

magnum Eyton, Mengalung-Fl. Mai 1899. 

SSR magnirostris Moore, Mengalung-Fl. August 1899. 
Hydrocichla ruficapilla (Temm.), Mengalung-Fl. Mai, Juni 1899. 
Erythrocichla bicolor (Less.), Mengalung-Fl. April bis Juni 1899. 
Prilopyga rufiventris Salvad., Mengalung-Fl. April 1899. 
Trichostoma rostratum Blyth., Punang-Fl. Novemb. 1897; Menga- 

lung-Fl. Juli 1899. 
Aleippe cinerea Blyth., Mengalung-Fl. April bis Juli 1899. 
Pitta baudi Müll. u. Schleg., Mengalung-Fl. Juli 1899. 
ussheri Sharpe, Mengalung-Fl. Mai 1899. 
bertae Salvad., Punang-Fl. Novemb. 1897. 

„  eyanoptera Temm., Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 
Acrocephalus orientalis (Temm. u. Schleg.), Lokutan-Fl. April 1899. 
Kittocincla suavis (Sclat.), Lokutan-Fl. April, Mai 1899; Menga- 

lung-Fl. Mai 1899; Punang-Fl. Octob. 1897. 
5 stricklande (Mottl. u. Dillw.), Mengalung-Fl. April bis 
August 1899; Punang-Fl. Octob. 1897; Marabok-B. Decemb. 
1899." 
Merula obscura (Gmel.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 
Motaeilla flava Linn., Mengalung-Fl. Juli 1899. 
Calornis chalybaea Horsf., Mengalung-Fl. April 1899; Punang-Fl. 
Nov. 1897. 
Gracula javanensis (Osb.), Mengalung-Fl. Juli 1899; Punang-Fl. 
Octob., Novemb. 1897. 
Analcipus eruentus (Drap.), Marabok-B. Januar 1900. 
Platysmurus aterrimus (Temm.), Mengalung-Fl. August 1899. 
Corone enca tenwirostris (Moore), Lokutan-Fl. Juli 1899. 
Butreron capellei (Temm.), Mengalung-Fl. Mai, Juni 1899. 
Osmotreron vernans (Linn.), Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 
Treron olax (Temm.), Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 
Ptilopus jambu (Gml.), Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 
Journ. f, Orn. XLIX, Jahrg. Januar 1901. 5 


Bericht über die Jahresversammlung. 65 


bR] 


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” 


66 Bericht über die Jahresversammlung. 


Ohalcophaps indica (Linn.), Punang-Fl. Octob. 1897. 

Lobiophasis bulweri Sharpe, Mengalung-Fl. Juni 1899; Marabok- 
B. Decemb. 1899, Januar 1900. | 

Lophura nobilis (Selat.), Mengalung-Fl. Juni, Juli 1899; Marabok- 
B. December 1899, Januar 1900. 

Rollulus roulroul (Scop.), Punang-Fl. Octob., Novemb. 1897. 

Charadrius dominicus P. L. S. Müll., Punang-Fl. Novemb. 1897. 

Ochthodromus geoffroyi (Wagl.), Mengalung-Fl. Juli 1899; Punang- 
Fl. Octob. 1897. 

Tringoides hypoleucus (Linn.), Lokutan-Fl. Juli 1899. 

Butorides javanica (Horsf.), Mengalung-Fl. Juli 1899. 

Hypotaenidia striata (Linn.), Punang-Fl. Novemb. 1897. 

Amaurornis phoenicura (Forst.), Punang-Fl., Octob., Novemb. 1897. 


Diese Liste, in welche einige Timeliiden-Formen nach den 
gütigen Vergleichungen und Bestimmungen meines Freundes Dr. 
Otto Finsch in Leiden aufgenommen sind, enthält grösstenteils 
Arten, deren Vorkommen in dem Gebiete von Brunei schon 
früher bekannt war. Von besonderem Interesse aber dürfte es 
sein, dass auf dem Marabok-Berge auch einige Arten erbeutet sind, 
die man bisher nur von dem Kina-Balu kannte, wie Cyanops 
monticola Sharpe und pulcherrima Sharpe. Es ist ja nicht un- 
möglich, dass hier eine Verwechselung des Fundortes vorliegt; 
doch spricht der Umstand, dass sogar eine grössere Anzahl von 
Exemplaren dieser Arten mit der Bezeichnung: „Marabok-Berg‘“ 
versehen sind, und dass der Marabok-Berg selbst zu beträcht- 
licher Höhe ansteigt und im organischen Zusammenhange mit dem 
Kina-Balu steht, wohl für die Möglichkeit des Vorkommens. 
Ausserdem möchte ich noch auf einige Seltenheiten hinweisen, 
wie Indicator archipelagicus Temm., Rhinoplax vigil (Forst.), Ceyx 
euerythra Sharpe, Anthothreptes hypogrammica (S. Müll.) und 
simplex (S. Müll), Hydroeichla ruficapilla (Temm.) verschiedene 
Pitta-Arten, Kittocinela stricklandi (Mottl. u. Dillw.), Lobiophasis 
bulweri Sharpe etc. Von Kittocincla stricklandi und Lophura 
nobilis (Sclat.), lagen interessante Jugendkleider vor, deren 
genaue Beschreibung ich bei einer anderen Gelegenheit hoffe 
geben zu können. (Die betrefienden Bälge wurden zur Vorlage 
gebracht). 


Bericht über die Jahresversammlung. 67 


2. Vögel vom Padas-Flusse (Britisch Nord-Borneo): 
Dieselben sind sämtlich in den Monaten September bis 
December 1897 gesammelt, sodass ich dem Artnamen nur die 
Bezeichnung des Monats hinzuzufügen habe. 
Chotorhea chrysopsis (Goffin) October. 
> versicolor (Raffl.) October. 
Anthracoceros converus (Temm.) October, November. 
# malayanus (Raffl.) November. 
Rhytidoceros undulatus (Shaw.) November. 
Calyptomena viridis Raffl. October. 
Eurylaemus ochromelas Raffl. September, October. 
Caprimulgus macrurus Horsf. September. 
Poliomyias luteola (Pall.) December. 
Xanthopygia cyanomelaena (Temm.) October. 
Artamus leucogaster (Valeue.) October. 
Lalage terat (Bodd.) October. 
Cyrtostomus pectoralis (Horsf.) September. 
Aethopyga siparaja (Raffl.) September. 
lora viridis Bp. October. 
Pycnonotus analis (Horsf.) October. 
4 plumosus Blyth September. 
Trichostoma rostratum Blyth October. 
Kittocincla suavis (Selat.) October. 
Calornis chalybaea (Horsf.) October. 
Treron nipalensis (Hodgs.) September. 
_ Osmotreron vernans (Linn.) September. 
Treron olax (Temm.) September. 
Argusianus grayi (Elliot) October, November. 
Lophura nobilis (Sclat.) October, November. 
Hypotaenidia striata (Linn.) October. 
Amaurornis phoenicura (Forst.) October. 
Ein besonderes Interesse dürften die in einer grösseren 
Anzahl von Exemplaren gesammelten Bucerotiden und selteneren 
Phasianiden-Arten in Anspruch nehmen. 


3. Vögel von der Insel Labuan (bei Borneo): 
Dieselben sind sämmtlich im December 1897 gesammelt 
worden: 
Loriculus galgulus (Linn.). 
Jyngipicus auritus (Eyton). 
5* 


68 Bericht über die Jahresversammlung. 


Hemicercus concretus (Temm.). 

Hirundo gutturalis Scop. 

Poliomyias luteola (Pall.). 

Lalage terat (Bodd.). 

Dicaeum nigrimentum Salvad. 

Oyrtostomus pectoralis (Horsf.). 

Aethopyga siparaja (Rafll.). 

Anthothreptes rhodolaema Shelley. 

lora viridis Bp. 

Pycnonotus analis (Horsf.). 

Drymocataphus capistratoides (Temm.). 

Calornis chalybaea (Horsf.). 

Wie schon bekannt, entspricht die Vogelfauna von Labuan 

fast vollständig der Vogelfauna von Borneo. 


4. Vögel vom Kina-Balu (Britisch Nord-Borneo): 


In den letzten September-Tagen 1900 sah ich zuerst eine 
Sammlung von Vogelbälgen, die J. Waterstraat in den Monaten 
November 1899 bis Januar 1900 am Kina-Balu zusammengebracht 
hat. Es sind im Ganzen 275 Exemplare, die ungefähr 55 
verschiedenen Arten aus etwa 45 verschiedenen Gattungen ange- 
hören. Zum Teil sind dieselben in der Höhe von etwa 1000‘, 
zum grössten Teil aber in der Höhe von etwa 5000° gesammelt. 
Die wenigen Tage bis zur Jubiläumsversammlung in Leipzig 
reichten mir noch nicht hin, um sämtliche Arten genau zu 
bestimmen; doch kann ich schon jetzt anführen, dass viele für 
das Kina-Balu-Gebirge charakteristische Formen in den Reihen 
vertreten sind. Während die in der geringeren Höhe gesammelten 
Arten, zu denen z. B. Chotorhea chrysopsis (Goffin), COhryso- 
phlegma malaccense (Lath.), Phoenicophaes borneensis (W. Blas. u. 
Nehrk.), Eurylaemus ochromelas Raffl. etc., sämtlich vom Januar 
1900, gehören, im Allgemeinen noch mit den Formen benach- 
barter Gebiete N. Borneo’s übereinstimmen, zeigen sich unter 
den bei 5000° Höhe gesammelten Vögeln viele von den eigen- 
artigen Formen des Kina-Balu. Indem ich mir eine ausführliche 
Behandlung dieser Sammlungen für später vorbehalte, kann ich 
heute schon anführen, dass darunter beispielsweise folgende 
Arten vertreten sind: 

Accipiter rufotibialis Sharpe. 
Harpactes whiteheadi Sharpe. 


Bericht über die Jahresversammlung. 69 


Oyanops pulcherrima (Sharpe). 
s monticola Sharpe. 
Lepocestes porphyromelas (Boie.). 
Calyptomena whiteheadi Sharpe. 
Hemichelidon cinereiceps Sharpe. 

Rhinomyias gularis Sharpe. 
Dicaeum monticola Sharpe. 
Zosterops clara Sharpe. 
Criniger rufierissus Sharpe. 
Chlorocharis emiliae Sharpe. 
Oryptolopha montis Sharpe. 
Oissa minor Cab. 
Dendrocitta cinerascens Sharpe. 
etc. etc. 

Die eingesandten Exemplare von Chloropsis flavocincta und 
kinabaluensis Sharpe scheinen zu bestätigen, dass letztere Form 
nur das Weibchen der ersteren Art ist; ebenso dürften die 
vorhandenen Analeipus- Exemplare beweisen, dass A. vulneratus 
das Weibchen von A. consanguineus ist, u. Ss. w. — Aus den 
Sammlungen werden sich, wie ich hoffe, manche interessante 
Schlussfolgerungen ergeben. — 


II. Vögel von der Insel Nias, gesammelt von Hugo Raap. 

Durch Herrn Hermann Rolle in Berlin erhielt ich zur 
Durchsicht einen grossen Teil der Ausbeute von Vogelbälgen 
übersandt, welche Herr Hugo Raap auf der im ganzen noch 
wenig erforschten Insel Nias, vor der Westküste von Sumatra 
gelegen, gesammelt hatte. Hugo Raap ist in der zweiten Hälfte 
der 90er Jahre hauptsächlich durch seine für italienische Museen 
ausgeübte Sammelthätigkeit auf entomologischem Gebiete bekannt 
geworden. Er hat zuerst auf den Batu-Inseln, dann auf Java, 
dann bis in den Juni 1897 in Ajer Bangies auf Sumatra und 
schliesslich vom Juli bis December 1897 auf der Insel Nias zoo- 
logischen Forschungen obgelegen und dabei auch ethnographische 
Sammlungen gemacht und, seiner eigentlichen Berufsthätigkeit 
nach, der Pflanzenwelt ein reges Interesse entgegengebracht. 
Nach der Rückkehr aus den Tropen ist er nach Braunschweig 
- übergesiedelt, wo er Besitzer einer ziemlich umfangreichen Kunst- 
und Handelsgärtnerei (Salzdahlumer Strasse 62) geworden ist. 
Einen Teil seiner zoologischen Sammlungen, soweit sie noch in 


70 Bericht über die Jahresversammlung. 


seinen Händen geblieben waren, hat er im Laufe der letzten Jahre 
dem Herzoglichen Naturhistorischen Museum in Braunschweig 
geschenkweise überlassen. Auf diese Weise sind mir noch einige 
Vogelbälge direkt durch den Sammler zugekommen, und im 
persönlichen Verkehr habe ich von demselben noch manche inter- 
essante Angaben über die von ihm vorgenommene ornithologische 
Durchforschung von Nias, über die einzelnen Aufenthalts- und 
Sammelplätze u. s. w. erfahren, die an dieser Stelle kurz zu be- 
rühren ein allgemeines Interesse darbieten dürfte. Nach Abschluss 
seiner Sammelthätigkeit in Ajer Bangies landete der Reisende 
etwa Anfang Juli 1897 in dem im Nordosten gelegenen Hauptorte 
der Insel: Goenong Sitoli, der Hafenstadt, in welcher die aus 
der Ferne anlangenden und die mit den benachbarten Inseln die 
Verbindung aufrecht erhaltenden Schiffe anzulegen pflegen. Hier 
und in der näheren Umgebung sammelte er zunächst im Juli 1897 
etwa einen Monat lang. Von dort machte er im August einen 
etwa einen Monat dauernden Ausflug in das gebirgige Innere 
des Nordendes der Insel nach Hili Madjajan (oder Hili Madjeio), 
wo auch J. Z. Kan negieter gesammelt hatte. Für den September 
kehrte er wieder zur Hafenstadt Goenong Sitoli zurück und 
unternahm dann zu Schiff von dort eine dreimonatige Rundfahrt 
um die südlichen Teile der Insel, bei welcher der Oktober zu- 
meist in Goenong Limboe, der November in Talock-Dalanı und 
der Dezember in Lagoendi zugebracht wurde. Goenong Limboe 
und Umgebung zeigte sich als eine besonders geeignete Sammel- 
stelle für Sumpfvögel. Ebenso Talock-Dalam, der Hafenplatz, 
in welchem später bei Gelegenheit der grossen deutschen Tiefsee- 
Expedition Karl Chun mit seiner „Valdivia“ einen kurzen Auf- 
enthalt nahm. Lagoendi liegt an der äussersten Südspitze der 
Insel, woraus sich die Mischung interessanter Land- und Wasser- 
vögel dort erklären dürfte. — Bevor ich die Raap’schen Vogel- 
sammlungen durchmustern konnte, hatte ein grosser Teil derselben 
bereits meinem Kollegen und Freunde Ernst Hartert in Tring 
(England) vorgelegen, der darüber eine kleine Abhandlung: 
„Einiges über Vögel von der Insel Nias“ (Ornithologische Monats- 
berichte VI. Jahrg. Juni 1898 No. 6 3. 89—94) veröffentlicht 
hat. Da auch schon eine grössere Anzahl von Exemplaren aus- 
gewählt war, sind mir manche Arten nicht mehr vor Augen 
gekommen. Ich kann daher über, die an den einzelnen Sammel- 
stellen gesammelten Arten keine vollständigen Listen geben. 


E 


Bericht über die Jahresversammlung. 71 


Es möge genügen, wenn ich anführe, dass z. B. bei Hili Madjajan, 
im Innern von Nord-Nias, m August 1897 gesammelt sind: Gecinus 
puniceus observandus Hart, , Lyncornis temmincki Gould., Ceyx dill- 
wynni Sharpe, 'Terpsiphone aeg Salvad., > Dicaeum ne 
Scop., ’Malacopterum magnum Eyt., eisfıcola cisticola (Temm.), 
+ Burnesia superciliaris (Salvad.)Pilopus jambu (Gml.),  Rallina 
fasciata (Raftl.) ete. —"Burnesia superciliaris ist auch bei Goenong 
Sitoli in einem etwas abweichenden Kleide gesammelt, das auf 
die Berechtigung der specifischen Absonderung zu prüfen sein 
würde, da mir der Sammler mündlich mitteilte, dass er nach der 
verschiedenen Lebensweise und den von ihm gemachten bio- 
logischen Beobachtungen die Formen für verschieden ansusehen 
geneigt sei. Bei Goenong Limboe sind im Oktober 1897 z. B. 
erlegt :*Miglyptes tukki (Less.), "Ploceus maculatus (L. S. Müll.), 
” Oalornis altirostris Salvad. und an Sumpfvögeln:i Oharadrius 
dominicus P. L. S. Müll. Ochthodromus geoffroyi (Wagl.), Arenaria 
Linterpres (L.)," Totanus calidris (L.),i Glottis nebularius (Gunn.), 
F Tringa ruficollis (Pall.), “Aneylochilus subarquatus (Güld.) und 
L Limosa lapponica navaezealandiae Gray. — Von Talock-Dalam 
stammen z. B. folgende im November 1897 gesammelte Sumpf- 
vogel-Arten: *Totanus calidris (L.)," Glottis nebularius (Gunn.), 
* Numenius phaeopus variegatus (Scop.) und Orthorhampus magni- 
rostris (Vieill.). Die letztere Art mit verhältnismässig sehr 
dickem Schnabel heisst nach Angabe des Sammlers bei den Ein- 
geborenen „Bebek laut“, was soviel als „See-‘“ oder „Meerente“ 
bedeutet. — In und bei Lagoendi sind im Dezember 1897 z. B. 
= erlegt/. Macroptery& longipennis (Rafin.),'Centropus eurycercus Hay, 
+Chalcostetha insignis (Jard.), /Motacilla melanope Pall.,"Numenius 
arquatus lineatus Cuv., {Ardea sumatrana Raftl. und’Hydrochelidon 
hybrida (Pall.).. — Den Riesen-Reiher (Ardea sumatrana Raftl.) 
hat Hugo Raap zahlreich bei Lagoendi beobachtet und erlegt. 
Er erzählte mir, dass er dieselbe Art auch auf den Batu-Inseln 
erbeutet habe; auch J. Z. Kannegieter, dessen Sammlungen 
J. Büttikofer bearbeitet hat (Notes from the Leyden Museum 
Vol. XVIII S. 161—198. 1896/97), habe die Art gesammelt. 
Trotzdem fehlte die Art in der von Büttikofer gegebenen Liste, 
und E. Hartert führte dieselbe erst nach Raap’s Sammlungen 
im Juni 1898 in die Liste der Nias-Vögel ein, allerdings unter 
dem mir unberechtigt scheinenden Namen: „Ardea goliath“, der 
doch wohl der afrikanischen Form reserviert bleiben muss. — 


> 


ET 


72 Bericht über die Jahresversammlung. 


Durch die Sammelthätigkeit Hugo Raap’s sind der von Bütti- 
kofer gegebenen, 128 Nummern umfassenden Liste der Nias-Vögel 
17 Arten hinzugefügt. Von diesen hat Hartert 10, nämlich ausser 
dem bereits erwähnten Riesen-Reiher schon in seiner angeführten 
Abhandlung genannt: Lyncornis temmincki, Chalcostetha insignis, 
Arachnothera chrysogenys, Ptilopus jambu, Kallina fasciata, 
Orthorhamphus magnirostris, Numenius arquatus lineutus, Nume- 
nius phaeopus variegatus und Arenaria interpres. Irrtümlich 
führt Hartert noch Totanus hypoleucos als neu aufgefunden an, 
da schon Büttikofer diese Art als Tringoides hypoleucos aufzählt 
unter Hinzufügung vieler Gewährsmänner für das dortige Vor- 
kommen. — In einem 1898 erschienenen Preisverzeichnisse über 
exotische Vogelbälge hat Hermann Rolle (Naturhistorisches In- 
stitut, Berlin N. Elsasser Strasse 47—48) auf Seite 1 und 2 nach 
Hugo Raap’s Sammlungen eine leider viele Druckfehler ent- 
haltende Liste der von ihm angebotenen Nias-Vögel gegeben, in 
welcher 5 weitere neuaufgefundene Arten z. T. mit anderer 
Nomenclatur und mit Andeutung von Varietätbildung genannt 
sind, und zwar (mit Verbesserung einiger Druckfehler) 1. Macro- 
pteryx longipennis, 2. Cisticola cisticola (mit Hinzufügung „var.“), 
3. Limosa lapponica novaezealandiae (als „Lim. lapp. baueri [novae- 
zeal.|“), 4. Totanus calidris (als „Z. c. niasensis“) und 5. Glottis 
nebularius (als „Totanus [calidris] glottis var.“). — Jetzt kann ich 
nun der Liste noch 2 weitere Arten hinzufügen, nämlich, bei 
Goenong-Limboe im Oktober 1897 gesammelt: 6. Tringa ruficollis 
(Pall.) und 7. Ancylochilus subarquwatus (Güld.). Der Sammler hat 
mir mündlich mitgeteilt, dass er die ersterwähnte Art dort in 
grossen Mengen beobachtet habe, während die letztere nur einzeln 
vorgekommen sei. — Im ganzen lässt sich die Vogelfauna von 
Nias, soweit sie uns bis jetzt bekannt geworden ist, so charakte- 
risieren, dass in derselben offenbar sehr nahe Beziehungen zu 
der Vogelfauna von Sumatra zu erkennen sind. 


In der sich anschliessenden Besprechung des Vortrages 
macht Herr Matschie auf die Beziehungen zwischen der Fauna 
von Nias und derjenigen von Hinterindien, dem Mergui-Archipel 
oder den Andamanen und Nikobaren aufmerksam. Unter den 
Säugetieren von Nias finden sich einige, die nähere Beziehungen 
zu hinterindischen und nikobaritischen Arten haben als zu den 
sumatranischen. 


Bericht über die Jahresversammlung. 73 


Herr Graf von Berlepsch hebt hervor, dass nach seinen 
Untersuchungen die Ornis von Nias sehr grosse Übereinstimmung 
mit Sumatra zeige. Allerdings gebe es aber einige Arten, wie 
eine Carpophaga und eine Cittocincla aus Nias, die ihre nächsten 
Verwandten auf den Andamanen hätten. 

Herr Hartert macht darauf aufmerksam, dass zwei der von 
Herrn Blasius für Brunei erwähnten Cyanops bisher nur vom Hoch- 
sebirge bekannt sei, dass der Sammler Waterstraat dort nicht 
selbst gesammelt habe und vielleicht eine Fundortsverwechslung 
nicht ausgeschlossen sei. 

Hierauf erhält Her J. Thienemann das Wort. 


Über Zwecke und Ziele einer ornithologisehen Beobachtungs- 
station in Rossitten auf der Kurischen Nehrung. 


Von J. Thienemann. 


Meine verehrten Herren! Gestatten Sie, dass ich an den 
Vortrag Naumanns über den Vogelzug anknüpfe, den er im 
Jahre 1845 auf der ersten Ornithologen-Versammlung in Köthen 
gehalten hat und den ich Ihnen nachher im Manuskripte vorzu- 
legen die Ehre haben werde. Der Verfasser weist darin auf die 
srossen Rätsel hin, die uns der Vogelzug aufgiebt, und will ganz 
davon absehen, an die Lösung und Erklärung derselben heran- 
zutreten, da noch viel zu wenig Beobachtungsmaterial vorläge. 
Mein Grossonkel, Dr. Ludwig Thienemann, giebt zu diesem 
später in der „Rhea‘ abgedruckten Vortrage eine Nachschrift, 
worin er’hervorhebt, dass erst dann mehr Licht in das Dunkel 
des Vogelzuges gebracht werden könnte, wenn an den verschie- 
densten Punkten Europas zuverlässige ornithologische Beobachter 
stationiert wären, die ihr gesammeltes Material zu vereinigen 
hätten. Also schon damals findet sich ein Hinweis auf die 
Wichtigkeit von ornithologischen Beobachtungsstationen, vielleicht 
der erste. Wenn nun auch seit jener Zeit viel in der Erforschung 
der Biologie der Vögel gethan ist: wenn Gätke fünfzig Jahre lang 
mit wunderbaren Erfolgen auf Helgoland beobachtet hat, wenn 
das permanente internationale ornithologische Comite seine Thä- 
tigkeit entfaltet hat, wenn die rührige Ungarische ornithologische 
Centrale uns ihre imposanten Zugdatenreihen vorlegen kann, 
wenn die deutsche ornithol. Gesellschaft, z. B. in den 70er Jahren, 
durch Aufrufe an die Beobachter Deutschlands anregend gewirkt 


74 Bericht über die Jahresversammlung. 


hat u. s. w., so wird gewiss keiner von uns behaupten, dass be- 
reits genug geschehen sei, dass wir über die Zugerscheinungen 
und andere biologische Momente in der Vogelkunde genügend 
aufgeklärt wären und jetzt die Hände müssig in den Schoss 
legen dürften; — nein ich meine, dass gerade durch die Erfolge, 
die man bis jetzt in obiger Hinsicht erzielt hat, die grossen noch 
auszufüllenden Lücken aufgedeckt worden sind. Und gerade in 
neuester Zeit wird ja die biologische Seite in der ornithologischen 
Wissenschaft besonders der Berücksichtigung empfohlen. Diesen 
Eindruck bekommt man vor allem, wenn man die Verhandlungen 
der vorjährigen Ornithologen-Versammlung in Sarajewo durch- 
studiert. Von allen Seiten wurde da die Gründung ornitholo- 
gischer Beobachtungsstationen gefordert und — das möchte ich 
besonders hervorheben — die Mithilfe des Staates dazu angerufen. 

In Deutschland sind es nun bis jetzt zwei Punkte, die durch 
ihre Lage besonders geeignet erscheinen, Beobachtungen über 
den Vogelzug und andere Erscheinungen anzustellen: das ist 
erstens das vielgenannte Helgoland und zweitens die Kurische 
Nehrung, besonders der Ort Rossitten. Seit vier Jahren verkehre 
ich in diesem Nehrungsdorfe, habe in den Jahren 1896, 97 und 
98 ornithologischer Studien halber meine Ferien dort zugebracht 
und mich dann zusammenhängend ein Jahr lang, ich möchte 
sagen, probeweise daselbst aufgehalten, um zu sehen, ob der 
dortige Aufenthalt in ornithologischer Beziehung lohnend sei, oder 
nicht. Nun, ich muss sagen m. H., dass es für einen Ornithologen 
dort viel zu schaffen giebt. So ist denn in mir der Plan auf- 
getaucht, auf der Nehrung eine dauernde ornithologische Station 
zu gründen, und liebe und verehrte Freunde und Gönner haben 
mich in meinen Bestrebungen aufs wärmste unterstützt, wofür 
ich ihnen von ganzem Herzen dankbar bin. 

Es kann nun nicht meine Aufgabe sein, Ihnen hier bei der 
Kürze der Zeit etwa die dortigen Örtlichkeiten genau zu beschreiben 
und andererseits die ganze Organisation einer solchen Station, 
die sich meist aus der Praxis erst ergeben wird, klarzulegen; 
nein, nur einige Punkte möchte ich aus der Fülle des Stoffes 
herausgreifen, aus denen Sie einerseits die für unsere Zwecke 
günstige Lage Rossittens und andererseits die Zwecke und Ziele 
der geplanten ornithologischen Station selbst im Grossen und 
Ganzen erkennen können. Ganz kurz muss ich zunächst auf die 
Lage Rossittens eingehen. 


Bericht über die Jahresversammlung. 75 


Die Kurische Nehrung ist der schmale Streifen Land, der 
sich in einer Länge von 97 km. vom Samland, speziell vom Ost- 
seebad Cranz aus bis nach Memel zwischen der Ostsee und dem 
Kurischen Haff hinzieht. Mehr als die Länge interessiert uns 
vielleicht die Breite dieser eigentümlichen Landzunge. Die grösste 
Breite, welche rund gerechnet /, Stunde Wegs beträgt, erreicht 
die Nehrung bei Rossitten, wo sich deshalb, nebenbei bemerkt, 
zur Brunstzeit sämtliches Elchwild der Nehrung zusammenfindet. 
Es giebt aber auch Stellen, die nur 1/, km. breit sind, wo man 
also bequem in 5 Minuten von der See nach dem Haff wandern 
kann. Ich habe in einem früheren Vortrage die Nehrung ein- 
mal als ein Land voll von Gegensätzen bezeichnet. Man merkt 
das schon, wenn man nur einen flüchtigen Blick auf die Special- 
karte wirft, die ich Ihnen hier mitgebracht habe. Da bemerken 
Sie zunächst von Süden her meilenweit Wald, den Üranzer, 
Grenzer und Sarkauer Wald. Dann folgt ganz unvermittelt Wüste, 
die reine Wüste, wo das Auge nichts als gelben Sand erblickt, 
zu ebener Erde, auf der sogenannten Pallwe, zuweilen noch not- 
dürftig mit einzelnen Grashalmen bewachsen, auf den Wander- 
dünen dagegen, die hier ihren Anfang nehmen, jedes Pflanzen- 
wuchses entbehrend. Dann folgt wie eine Oase in der Wüste 
Rossitten, von Wald, Wasser, Wiesen, Sumpf und Feld umgeben. 
Ja, meine Herren, Sie können dort ebenso wie hier zu Lande 
durch wogende Weizenfelder wandern und vermögen dabei ganz 
zu vergessen, dass Sie in kurzer Zeit auf einem Gebiete sein 
können, wo der Boden nicht die Kraft hat, auch nur ein einziges 
Grashälmchen zu erzeugen. 

So unvermittelt abwechselnd zwischen Wald, Wüste, Wasser 
und Sumpf zieht sich dann die Nehrung weiter bis zu ihrem 
nördlichsten Ende, der sogenannten Süderspitze, Memel gegenüber. 

Auch bei unsern Nehrungsexkursionen treten uns Gegensätze 
in der Natur mannigfach entgegen. Da sind wir eben noch auf 
festem Boden und beim nächsten Schritte sinken wir bis über 
die Knie, oder sind wir zu Pferde, bis an den Bauch des Tieres 
ein. Wir sind in den tückischen Triebsand geraten und werden 
von der nassen, zähen Sandmasse wie von unterirdischen Ge- 
walten festgehalten. Auch die Menschen zeigen mancherlei Ge- 
gensätze. Im allgemeinen herrscht unter der Bevölkerung ein 
relisiöser Sinn, der sich aber vielfach in ungesunder Weise ent- 
wickelt hat, so dass das Sektenwesen, Frömmelei und auch noch 


76 Bericht über die Jahresversammlung. 


krasser Aberglaube an der Tagesordnung sind. Da kommt es 
nun zuweilen vor, dass so ein biederer Familienvater am Sonntage 
bis gegen Abend mit seinen Hausgenossen betet, dann sich nach 
allen Regeln der Kunst bezecht und die Frau durchprügelt. 
Da haben Sie denn einen, wenn auch wenig erfreulichen Gegen- 
satz von der Kurischen Nehrung. 

Dass die Nehrung bei der oben geschilderten Mannigfaltigkeit 
des Geländes den verschiedenartigsten Vögeln Existenzbedingungen 
bietet, liegt klar auf der Hand, und so werden sich zur Brutzeit, 
wo noch kein Ornithologe dauernd dort gewesen ist, noch manche 
interessante neue Beobachtungen machen lassen, vor allem wenn 
man die am entgegengesetzten litauischen Haffufer gelegenen, 
riesigen Rohrwälder und Sümpfe mit in Betracht zieht, wo man, 
ohne dieselben Orte wieder zu besuchen, halbe Tage lang per 
Kahn herumfahren kann, und in denen man sich einfach verirren 
würde, wenn man nicht einen kundigen Botsführer bei sich hätte. 

Diesen wunderbaren Landstrich, die Nehrung, aber weiter 
noch als eine Vogelzugstrasse ersten Ranges entdeckt zu haben, 
dies Verdienst gebührt meinem lieben Freunde, dem Pastor Dr. 
Fr. Lindner in Osterwieck a. Harz, der Ende der 80. Jahre die 
Nehrung zuerst aus ornithologischem Interesse bereist hat, und 
so hätte denn eine ornithologische Station in Rossitten neben 
der Beobachtung der Brutvögel ihr Hauptaugenmerk zu- 
nächst auf die Erforschung des Vogelzuges zu richten. 

Trotz der lückenhaften Beobachtungen, die ich bisher in 
Rossitten anstellen konnte, habe ich doch schon ganz hübsche 
Resultate erzielt, die ich demnächst zusammenstellen und ver- 
öffentlichen werde. Hier kann ich nur weniges erwähnen. Am 
meisten frappiert einen oft die Regelmässigkeit und Pünktlich- 
keit, mit der die Zugvögel eintreffen. Ich könnte Ihnen schon 
jetzt den Verlauf des Herbstzuges, natürlich nur im Grossen und 
Ganzen, herzählen: In der zweiten Hälfte des Juli treffen die 
Brachvögel ein, Numenius arcuatus und phaeopus, auch tenui- 
rostris ist hier schon erlegt. Dann folgen die Tringen, und zwar 
erlegt man zuerst fast lauter Tringa alpina schinzi, die von 
den typischen Alpenstrandläufern getrennt ziehen. Im August 
folgen die Totaniden und Limosen, im September die Haupt- 
schwärme der Tringen, Tringa alpina, deren schwarze Unter- 
seite jetzt schon teilweise im Verschwinden begriffen ist, minuta 
iemmincki, canutus, letztere teilweise mit noch roter Unterseite, ferner 


Bericht über die Jahresversammlung. 77 


die Charadrien. Im Oktober dann die Gänse und Enten. Zwischen- 
ein finden Züge von Kleinvögeln statt. Schon im Juli bemerkt 
man sehr viel Finken, Fringilla coelebs, und zwar fast nur 
Junge, an manchen Tagen sind zahlreiche Laubvögel zu be- 
merken, Ende August und Anfang September Steinschmätzer, im 
Oktober Drosseln, Dompfaffen und viel Rotkehlchen. Es folgen 
dann die nordischen Gäste: Seidenschwänze, Schneeammern, 
Hakengimpel, Alpenlerchen u. a., an grossen Vögeln die nordischen 
Enten. Im September finden regelmässig Raubvögelzüge statt. 
Bemerkenswert ist besonders der fast in jedem Herbste zu be- 
obachtende Zug von Falco rufipes, fast nur Jugendkleider. Das 
frappanteste Beispiel für das pünktliche Eintreffen einer Vogel- 
art konnte ich in den Jahren 1897 und 98 beobachten. Am 19. 
Juli 97 erlegte ich auf der sogenannten Vogelwiese bei Rossitten 
5 Stück Limicola platyrhyncha und am 21. Juli des folgenden 
Jahres 6 Stück genau an derselben Stelle der kleinen Lache. 
Überhaupt ist es mir aufgefallen, dass manche Zugvögel für eine 
bestimmte Örtlichkeit eine ganz besondere Vorliebe zeigen; so 
beobachtete ich an zwei aufeinanderfolgenden Jahren die Alpen- 
lerchenflüge auf denselben Ackerstücken, die sich in keiner Hin- 
sicht von den umliegenden Feldern auszeichneten. — Ich meine 
nun, wenn man alles das Jahre hindurch genau aufzeichnete und 
die meteorologischen Verhältnisse stets dabei berücksichtigte, so 
könnte man später gewiss wichtige Schlüsse in Bezug auf den 
Vogelzug ziehen, und so manches, was einem jetzt als Zufällig- 
keit erscheint, würde sich dann aufklären. Natürlich dürfte sich 
die Station nicht nur auf Rossitten beschränken und nach aussen 
hin abschliessen, nein, sie müsste nach Norden und Süden und 
Osten und Westen hin andere zuverlässige Beobachter suchen 
und weiteres Material einholen. Bemerken will ich noch, dass 
sich in dem Nehrungdorfe Nidden und ferner auf dem Festlande, 
der Süderspitze gegenüber, zwei grosse Leuchttürme befinden, an 
denen während der Zugzeit viel Vögel anfliegen, die bisher von 
der Wissenschaft fast ganz unberücksichtigt geblieben sind. 
Wir alle haben gewiss schon öfter mit Verwunderung, viel- 
leicht auch mit stillem Neide gelesen, wie Gätke auf Helgoland 
von seinem Fenster aus, oder in seiner Gartenhecke, die seltensten 
Laubvögel und anderes geschossen hat. Ähnliches kann einem 
in Rossitten auch passieren. Wenn ich z. B. vom Kaffeetische 
aus, der im Freien serviert war, meine erste Steppenweihe er- 


78 Bericht über die Jahresversammlung. 


legt habe, so ist das gewiss ein Erlebnis, das einem anderwärts 
nicht so leicht vorkommt. Ohne Gewehr und Fernglas darf der 
Ornithologe in Rossitten überhaupt nicht ausgehen, selbst meine 
Besuche habe ich in diesem etwas ungewöhnlichen Aufzuge ge- 
macht. Hier in Leipzig braucht man das nicht. Übrigens ist 
es aber nicht immer so leicht, seltene Vögel zu bekommen und 
interessante Beobachtungen zu machen. Oft heisst es, anstrengende 
Ausflüge zu Fuss oder zu Pferde in dem losen Sande unter- 
nehmen! 

Bis jetzt habe ich über den Vogelzug im Allgemeinen ge- 
sprochen, nun noch ein kurzes Wort über seine einzelnen 
Momente: Höhe, Schnelligkeit u. s. w. Auch diese genauer zu 
beobachten und zu studieren, bietet die Nehrung ein günstiges 
Feld, vor allem, weil es seiner geringen Breite wegen leicht zu 
übersehen ist. Die Vögel können, wenn ich mich so ausdrücken 
darf, dem Beobachter nicht ausweichen. Ausserdem zeigt aber 
die Nehrung noch eine Erscheinung, die so recht geeignet ist, 
exakte Beobachtungen über die oben erwähnten schwierigen und 
dunklen Fragen anzustellen — ich meine die ausgeprägten, 
regelmässigen Krähenzüge. Jetzt, während wir hier tagen, setzt 
in Rossitten der Herbstkrähenzug ein. Da sieht man, so weit das 
Auge reicht, die ganze Nehrung entlang nichts als eine lange 
Kette dieser dunkeln Vögel, meist C. cornix untermischt mit C. 
frugilegus, und wie merkwürdig! Heute eilen sie in unabseh- 
barer Höhe ohne Aufenthalt dahin und kümmern sich um nichts, 
was auf der Erde vorgeht, und morgen streichen sie ganz niedrig 
über den Erdboden weg, fallen an jeder Fanghütte bei den an- 
gepflöckten Lockkrähen und den ausgestreuten Köderfischen ein 
und werden eine willkommene Beute der Nehrunger, die sie 
sich für den Winter einpökeln. Dann wieder fliegen sie frei über 
die Baumwipfel dahin, und ein andermal suchen sie fast ängstlich 
Schutz hinter der Vordüne. Sollten sich nicht, so frage ich 
wiederum, bei fortgesetzter gewissenhafter Beobachtung unter 
Berücksichtigung der meteorologischen Verhältnisse und unter 
Heranziehung anderer, in bestimmter Entfernnng von hier wohnender 
Beobachter wichtige Aufschlüsse über die einzelnen Momente 
des Vogelzuges finden lassen ? 

Das Zweite, worauf die Station ihr Augenmerk zu richten 
hätte, wäre dieAnlegung einer Vogelsammlung. Ein kleiner 
Grundstock dazu ist in Rossitten schon vorhanden, und wenn 


-Bericht über die Jahresversammlung. 79 


man dann sieht, wie das hier zum Sommeraufenthalt weilende 
oder durchreisende Publikum vor dem kleinen Sammlungsschranke 
steht und sich mit regem Interesse über die Nehrungsornis zu 
informieren sucht, so bedauert man, nicht mehr bieten zu 
können. Aber nicht nur eine gewöhnliche Schausammlung, die 
für das grössere Publikum als wichtiges Bildungsmittel dienen 
könnte, vermöchte man hier zusammenzubringen, sondern eine 
Vogelkollektion, die für jeden Fachmann von grösstem Interesse 
wäre. Ich erinnere nur daran, dass man hier nach und nach 
die verschiedenen schwierigen Strandvögel- und Entenkleider 
zusammenstellen könnte. So würde diese Ostsee-Sammlung viel- 
leicht, bescheiden anfangend, ein Pendant zu der Nordsee-Sammlung 
Gätkes werden. 

Den dritten Punkt möchte ich nennen: „Beschaffung von 
Material.“ Wenn ich meine Reisen nach der Nehrung antrat, hatte 
ich jedesmal eine Anzahl Aufträge und Bestellungen von wissen- 
‚schaftlichen Instituten und Privatsammlern in der Tasche. Hier 
wollte man Bälge haben, dort Vögel im Fleisch, dort Vogelmägen 
für wissenschaftliche Untersuchungen, dort die Parasiten der 
Strandvögel und dergl. mehr. Man fühlte dann ordentlich das 
Bedürfnis einer Centralstelle, an die man sich bei Bedarf zu 
wenden hätte. Die Station müsste also nach dieser Richtung 
hin mit wissenschaftlichen Instituten und Privatsammlern in 
Verbindung treten, und die Erforschung der ostpreussischen 
Fauna, die für die Wissenschaft von grösstem Interesse ist, würde 
dadurch sehr gefördert werden. 

Schliesslich hätte die Station auch dem Vogelschutze 
ihr Interesse zuzuwenden. Es wären z. B. Untersuchungen über 
praktische Winterfütterung anzustellen. Vor allem böte sich 
unter anderem hier auf diesem abgeschlossenen, übersehbaren 
Gebiete die günstigste Gelegenheit, umfangreiche Versuche mit 
Berlepsch’en Nistkästen anzustellen. Hier sind bis jetzt wenig 
oder keine Höhlenbrüter vorhanden, da es an alten, hohlen 
Bäumen fehlt. Es würde sich darum handeln festzustellen, 
ob man durch Aufhängen von Nistkästen die oben genannten 
Vögel in eine solche Gegend hinziehen kann. Wäre das möglich, 
dann würde die Land- und Forstwirtschaft grossen Vorteil davon 
haben, und wer weiss, ob dann nicht die Schwammspinner- 
Epidemien, von denen jetzt öfter die hiesigen Wälder heimgesucht 
werden, nachlassen würden. 


80 Bericht über die Jahresversammlung. 


Das wären so einige Punkte, die in grossen Zügen die Auf- 
gaben der geplanten ornithologischen Station darlegen könnten. 
Sollte ich bei Ihnen ein wenig Interesse für unsere Pläne erregt 
haben, so wäre der Zweck meiner Worte erfüllt. Ich bin in 
diesen Tagen von manchem der anwesenden Ornithologen gefragt 
worden, ob man nicht auch einmal nach der Nehrung kommen 
könnte, um sich alles mit eigenen Augen anzusehen. Nun ich 
meine, dass recht zahlreicher Besuch von auswärtigen Ornitho- 
logen unsere Sache nur fördern kann, und so gestatte ich mir, 
Ihnen zum Schluss für den Fall, dass aus der geplanten Station 
etwas werden sollte, ein „auf Wiedersehen in Rossitten“ zuzurufen. 


Herr Reichenow tritt bei der Besprechung warm für die 
Errichtung einer Vogelwarte in Rossitten ein und giebt bekannt, 
dass der Vorstand der Gesellschaft sich bereits mit einer Ein- 
gabe an die Kgl. Preussische Staatsregierung gewandt habe, um 
die nötigen Mittel für den Zweck zu erhalten. Es sei begründete 
Aussicht auf Verwirklichung des Planes vorhanden. 


Herr Graf von Berlepsch weist darauf hin, dass auf 
Helgoland Tringa schinzi auch sehr frühzeitig erscheine, Ende 
Juli oder Anfang August, und dass Limicola in ihrem Benehmen 
sowohl an Tringa, als auch an Gallinago gallinula erinnere. 


Herr Hartert bittet, die Bestrebungen des Herrn Thiene- 
mann zu unterstützen. Noch viele wichtige Aufgaben seien auf 
der Kurischen Nehrung zu lösen. Er erinnere nur daran, dass 
Turdus iliacus als Brutvogel bei Memel festgestelltsei und möglicher- 
weise auch anderweitig in jenen Gegenden vorkommen könnte. 


Herr R. Blasius dankt Herrn Thienemann für seinen an- 
regenden Vortrag und macht ebenfalls auf die mannigfaltigen 
Aufgaben aufmerksam, die auf einer Vogelwarte in Rossitten zu 
lösen wären. 


Herr Grafvon Berlepsch hält hierauf seinen angekündigten 
Vortrag. 


Bericht über die Jahresversammlung. 8i 


Mitteilungen über die von den Gebrüdern 
6. und 0. Garlepp in Bolivia gesammelten Vögel 
und Beschreibungen neuer Arten. 


Von Hans Graf von Berlepsch. 


Verschiedene Umstände haben mich leider bisher verhindert, 
die von den Gebrüdern Gustav und Otto Garlepp in Bolivia für 
mich zusammengebrachten überaus reichen ornithologischen 
Kollektionen systematisch zu bearbeiten. Die Arbeit ist allerdings 
keine leicht zu bewältigende, denn es handelt sich um etwa 
4000 Vogelbälge, welche ungefähr 800 Arten repräsentieren. 

Wohl selten ist eine so vollständige und schöne Vogel- 
Sammlung in einem tropischen Faunengebiete angelegt worden. 
Alle Vogelbälge tragen wissenschaftliche Etiquetten mit Angaben 
über Geschlecht, Fundort und Datum und sind in ganz hervor- 
ragender Weise präpariert. 

Hoffentlich wird es mir in nicht: zu ferner Zeit möglich 
sein, die Resultate der Garlepp’schen Forschungen dem ornitho- 
logischen Publikum zugänglich zu machen. 

Von den in den Garlepp’schen Kollektionen vorgefundenen 
neuen Arten habe ich bereits einzelne nach und nach bekannt 
gegeben, nämlich: 

1. Upucerthia harterti Berl. Sitzungsber. Orn. Ges. 1392 p. 10. 

2. Orypturus garleppi Berl. ibid. p. 12. 

3. Nothoprocta moebiusi Berl. ibid. p. 13. 

4. Oompsospiza (nov. gen.) garleppv Berl. Ibis 1893 p. 207 
| Pl. VI. 
. Serphophaga munda Berl. Orn. Monatsb. 1893 p. 12. 

6. Merganetta garleppi Berl. Orn. Monatsber. 1894 p. 110. 

7. Mitrephanes olivaceus Berl. Stolzm. Ibis 1894 p. 391 

(Peru u. Bolivia). 
8. Chrysotis aestiva zanthopterye Berl. Orn. Monatsber. 
1896 p. 173. 
9. Metallura malagae Berl. Journ. f. Orn. 1897 p. 90. 

Ferner habe ich im Ibis 1898 p. 62 ff. über die Wieder- 
entdeckung des interessanten Idiopsar brachyurus Cass. durch 
Herrn Gustav Garlepp berichtet. 

Heute soll nun wiederum eine Serie von 20 durch die Herrn 
Gustav und Otto Garlepp entdeckten neuen Formen zur Be- 

Journ, f, Orn, XLIX, Jahrg. Januar 1901. 6 


ot 


82 Bericht über die Jahresversammlung. 


schreibung gelangen, womit aber die Zahl der in diesen Samm- 
lungen enthaltenen Novitäten noch keineswegs erschöpft ist: 


+1. Vireolanius bolivianus Berl. sp. nov. 


V. dorso alis et cauda extus olivaceis, pileo usque ad 
nucham capitisque lateribus cinereis, fronte nigro variegato, stria 
superciliari lata a naribus usque ad nuchae latera necnon macula 
suboculari et corpore subtus flavis, lateribus olivaceo indutis. 

Obs. V. leucotis dieto affınis, sed stria alba subauriculari 
destituto, pileo anteriore magis nigro vario, dorso obscuriore 
viridi, corpore subtus pallidiore flavo, nec non rostro graciliore 
distinguendus. 

habitat in Bolivia sept. or.: Quebrada onda (coll. Garlepp). 

typus in Mus. H. v. B. no. 1922. Quebrada onda. 

al. 691/,—681/,, caud. 601/,—541/,, culm. 18—17?/,, tars. 
211/,—20°/, mm. 

Weder in Peru noch in Bolivia war bisher eine Vereolanius- 
Art nachgewiesen worden. Diese neue von Herrn Gustav Garlepp 
entdeckte Art steht dem V. leucotis (Sws.) aus Ost-Ecuador am 
nächsten, unterscheidet sich aber leicht durch den vollständigen 
Mangel der weissen Binde, welche bei jener unter dem gelben 
Fleck unter dem Auge beginnt und sich bis zum hinteren Rand 
der Ohrdecken fortsetzt, ferner durch mehr schwärzlich gefleckten 
aschgrauen Vorderscheitel, düsterer grünen Rücken, matteres 
grünlicheres Gelb der Unterseite, schlankern Schnabel, längern 
Schwanz und kürzere Flügel. 

Drei Exemplare dieses Vireolanius wurden von Herrn Gustav 
Garlepp am nordöstlichen Abhang der bolivianischen Anden bei 
Quebrada onda im Juli 1892 erbeutet. 


4-2. Conirostrum lugens Berl. sp. nov. 


C. $ mari 0. atrocyaneum Lafr. dicto similis, sed dorso alis 
caudaque extus necnon corpore subtus reliquo unicoloribus 
fumoso-nigris, pileo humerisque solummodo cyaneis abdomine 
olivaceo leviter tincto (in ©. atrocyaneum dieto pileo uropygio, 
tectrieibus alarum superioribus brevibus cyaneis, dorso medio 
remigibus retricibusque extus et abdomine obscure cyaneo lavatis). 

9 a foemina ©. atrocyaneum Lafr. dictae abdomine sordidius 
flavo viridi et colore griseo juguli minus ad pectus producto vix 
distinguenda. 


Bericht über die Jahresversammlung. 83 


Lt. 93 128—120, al. 71—691/),, caud. 58—55t/,, culm. 
111/,—103/,, tars. 15%, —151/), mm. 99 al. 62'/,, caud. 52, culm. 
BE stars. 152/., mm. 

habitat in Yungas Boliviae orientalis: Cocapata, Quebrada 
onda (coll. G. Garlepp). 

typus in Mus. H. v. B.: 3 Cocapata 6. IV. 1892 G. Garlepp 
no. 1488. 2 Cocapata 5. IV. 1892 G. Garlepp no. 1483. 

Der Vertreter des C©. atrocyaneum Lafr. in den östlichen 
Yungas in Bolivia unterscheidet sich leicht im männlichen Kleide 
vom typischen Ecuador -Vogel durch fast einförmig matt rauch- 
schwarze Färbung des Gefieders. Nur der Scheitel und die 
kleinsten oberen Flügeldeckfedern (Schultern) erscheinen bei 
diesen Vögeln, welche ich unter dem Namen (©. lugens trenne, 
blau gefärbt, nicht aber der Mittel- und Unterrücken und die 
Scapularfedern. Die Flügel- und Schwanzfedern entbehren eben- 
falls der blauen Säume und abdomen und Unterschwanzdeckfedern 
zeigen statt des bläulichen einen düster olivengrünlichen Anflug. 
Die Weibchen des (©. lugens sind kaum von denen des Ü. atro- 
cyaneum zu unterscheiden, nur scheint bei ihnen das abdomen 
constant grünlicher gelb, weniger lebhaft gelb gefärbt und das 
Blaugrau der Brust und Gurgel scheint sich nie so weit über 
die Oberbrust hinaus auszudehnen. 

Vögel aus Nord-Peru (Tamiapampa) stimmen vollständig 
mit Ecuador-Vögeln überein, dagegen dürften die Vögel aus 
Central-Peru (cf. Berl. et Tacz., P. Z. S. 1896, p. 335) und 
solche von den westlichen Yungas von Bolivia (S. Antonio coll. 
Garlepp) zu einer Zwischenform gehören, welche jedoch dem 
©. otrocyameum (Lafr.) näher steht als dem C. lugens und sich 
von ersterer im männlichen Kleide nur durch matter schwärz- 
liche Körperfärbung, schwächern bläulichen Anflug am Unter- 
rücken und den Scapularfedern wie auch am Bauch und den 
Unterschwanzdeckfedern unterscheidet. Ich nenne diese Zwischen- 
form: CO. atrocyaneum sordidum und lege die Vögel von S. 
Antonio, W. Bolivia als Typen zu Grunde. 


13. Calliste sophiae Berl. sp. nov. | 
©. dorso superiore nigro splendide viridescenti-Havo striato, 
capite supra usque ad nucham, colli lateribus humerisque splen- 
dissime aureo-flavis, oculorum eireuitu striaque infra aures pal- 
lidius flavis; linea frontali, macula ad basin rostri cum mento, 
6* 


34 Bericht über die Jahresversammlung. 


ciliis oculorum et plaga magna auriculari nigris; gula, jugulo 
pectoreque superiore splendide castaneo-aureis, hoc colore sensim 
in colorem abdominis sordidius aureo-flavum vergente; remigibus 
rectrieibusque nigris, tertiariis et tectricibus alarum majoribus 
aureo-viridi marginatis; subalaribus remigumque marginibus in- 
ternis albis. 

©. ©. pulchra Tsch. dietae affinis differt colore gulae cas- 
taneo obscuriore usque ad pectus producto; colore capitis pure 
aureo-flavo nec aurantiaco, necnon plaga auriculari nigra multo 
magis extensa, coloribus dorsi abdominisque obscurioribus, rostro 
etiam breviore. 

Long tot. 150, 135, al. 74, 72, eand. 53,. 50, culm.. 102, 
ll stars. 17 2, 2mm. 

habitat in Yungas Boliviae oceidentalis: Songo (coll. Otto 
Garlepp). 

typus in Mus. H. v. B.: -,.g Songv 4. V 1896. O. Garlepp 
no. 2217. 

Herr Otto Garlepp sammelte zwei Exemplare dieser 
neuen, leicht von ©. pulchra Tsch. zu unterscheidenden Art. 

Die kastanienbraune Färbung von Kehle, Gurgel und Ober- 
brust erscheint matter als bei ©. pulchra und erinnert. fast an 
diejenige von C. arthusi. Am auffallendsten unterscheidet sich 
0. sophiae von O. pulchra durch die Färbung des Oberkopfes 
und Seitenhalses welche Partieen bei ihr prächtig goldgelb er- 
scheinen mit etwas grünlicher Beimischung und verloschenen 
schwärzlichen Fleckchen aın Hinterkopfe, während bei ©. pulchra 
der Oberkopf rein feurig orangegoldgelb erscheint. Die Gegend 
ums und unter dem Auge erscheint heller gelb, fast schwefelgelb 
statt goldgelb. Die Säume der Rückenfedern sind grünlich gold- 
gelb statt rein goldgelb gefärbt, auch die Färbung des Unter- 
rückens und des Abdomen ist eine mattere und schmutzigere. 
Der schwarze Oberfleck erscheint viel grösser, fast doppelt so 
breit. Der Schnabel ist kürzer. 

Auf Wunsch der beiden Gebrüder Garlepp verwende ich 
den Vornamen ihrer Mutter für diese prächtige Art, indem ich 
ihnen hierdurch gern die Gelegenheit gebe, das Gefühl kindlicher 
Pietät zum Ausdruck zu bringen. 

Das im Catalog des Britischen Museum vol. XI p. 110 unter 
C. pulchra mit i aufgeführte Exemplar aus Bolivia (Buckley) 
dürfte zu ©. sophiae gehören. 


Bericht über die Jahresversammlung. 85 


+4. Malacothraupis gustavi Berl. sp. nov. 


M. corpere supra obscure cinereo, corpore inferiore clari- 
ore, abdominis medii plumis subtiliter albescente fasciatis, pileo 
usque ad nucham rufo-castaneo, postea et ad colli latera nigro 
marginato; fronte anguste nigro; loris nigrescentibus; regione 
malari maculis albescentibus vario; maxilla pedibusque corneis, 
mandibula pallida. 

Long. tot. 150, al. 721/,, caud. 69, culm. 15, tars. 191/, mm. 

Obs. M. M. dentata Scl. et Salv. dietae forma similis, dif- 
fert pileo pulchre rufo-castaneo nec cinereo-nigro, superciliis et 
abdomine medio cinereis minime albis, corpore inferiore reliquo 
cum capitis lateribus cinereis minime rufis. 

habitat: in Yungas Boliviae oceidentalis: Chaco (coll. G. 
Garlepp). 

typus in Mus. H. v. B. „g“ Chaco 4. VII 1894 (G. Garlepp 

legit no. 670. 

E Bei der Beschreibung dieser neuen Art hege ich einige 
Zweifel ob es sich nicht vielmehr um ein bisher unbekanntes 
Kleid (vielleicht das 3 ad.) der M. dentata Sel. et Salv. handelt. 
Jedenfalls wäre eine so grosse Differenz in der Färbung der 
Geschlechter der M. dentata sehr auffallend und der leider zu 
früh verstorbene Mr. Osbert Salvin, dem ich den oben beschrie- 
benen Vogel vorlegte, gab sein Urteil dahin, ab, dass es sich um 
eine zweifellos neue Malacothraupis-Art handele. 


Die Veranlassung zu meinen Zweifeln bietet mir ein eigen- 
tümlicher, Vogel, welchen Herr Gustav Garlepp bei Quebrada 
onda in den östlichen Yungas von Bolivia gesammelt hat (no. 
1852 $ s. Quebrada onda 24. VI 1892), und welcher gewisse 
Färbungscharaktere der M. dentata mit denen der oben be- 
schriebenen M. gustavi verbindet. 

Dieser Vogel hat den Rücken nebst Flügel und Schwanz 
wie bei M. gustavi gefärbt nur etwas intensiver. Der Scheitel 
erscheint vorwiegend schwarzbraun nach der Stirn zu mehr asch- 
graulich (wohl wie bei M. dentata), aber überall mit kastanien- 
braunen Federn vermischt, namentlich im Nacken. Der Vogel 
besitzt wie M. dentata lange weisse Superciliarstreifen, welche 
jedoch teilweise schwärzliche und rotfarbene Mischung zeigen. 
Die oberen Kopfseiten erscheinen aschgrau, die unteren aber 
sind stark rotbraun überlaufen. Die Unterseite erscheint auf 


86 Bericht über die Jahresversammlung. 


weisslichem Grunde verloschen aschgraulich gebändert, Kehle 
und Brust sind blass rostfarben überlaufen. Die Unterflügel- 
deckfedern sind aschgrau und weisslich gemischt. Der Unter- 
schnabel ist wie bei M. gustave gefärbt, aber der ganze Schnabel 
ist merklich kleiner. 

Ob nun dieser Vogel das Jugendkleid (3 juv.) von M. den- 
Zata repräsentiert, ob dann vielleicht der von Sclater et Salvin 
als M. dentata beschriebene Vogel das © ad. und der oben als 
M. gustavi charakterisierte Vogel das $ ad. derselben Spezies 
darstellt, oder ob es sich um zwei ganz verschiedene Malacothrau- 
pis-Arten handelt muss durch weitere Forschungen erwiesen 
werden. 

Jedenfalls erhoffe ich von dieser zu Ehren des unermüd- 
lichen Forschers Gustav Garlepp benannten Art dass sie sich 
als eine sogenannte „gute“ bewähren wird. 


+ + 5. Ohlorospingus fulvigularis Berl. sp. nov. 

Chl. corpore supra flavescenti-olivaceo-viridi, pileo capitisque 
lateribus terreno-brunneis, macula post-et supraoculari alba, gula 
isabellino-fulva, inconspicue nigro punctulata, pectore flavo lavato, 
abdomine medio pure albo, lateribus tectricibusque subcaudalibus 
flavo-olivaceis. 

Long. al. 67—63!/,, caud. 59—54, culm. 11—103/,, tars. 
21—201/, mm. 

Obs. Ohl. Chl. albitemporalis Lafr. dieto e Bolivia septen- 
trionali-oceidentali affınis, differt gula isabellino-fulva nec sor- 
dide alba, pectore flavo magis fulvo induto, necnon pileo terreno- 
brunneo nec brunneo-nigro. 

habitat: in Bolivia orientali: Samaipata, S. Jacinto. 

typus in Mus. H. v. B.: Samaipata 29. VIII 1890 (G. 
Garlepp no. 779). 

Es handelt sich hier um eine östliche Form des bekannten 
Ohlorospingus albitemporalis Lafr., welche sich leicht durch die 
isabellrostgelbe Kehle, orangerostgelben Anflug an der Brust 
und hellbraunen statt schwarzbraunen Scheitel unterscheidet. 
Auch erscheint der Rücken gelblicher olivengrün. 

Am nördlichen Abhang der bolivianischen Anden scheint 
schon der echte Chl. albitemporalis Lafr. vorzukommen; denn ich 
vermag einen bei S. Cristobal (Yungas) von G. Garlepp gesam- 
melten Vogel (no. 1705), nicht von typischen Bogota-Vögeln zu 


Bericht über die Jahresversammlung. 87 


D) 


unterscheiden. Garlepp sammelte 5 Exemplare bei Samaipata 
am 29. Juli 1890 nnd bei S. Jacinto am 19. Dezember 1890 und 
5. Januar 1891. 


#+-6. Hemitriccus flammulatus Berl. sp. n. 


H. supra oleagineo-olivaceus, pileo vix obscuriore, alis 
caudaque extus dorsi colore marginatis, corpore subtus e fundo 
albo, gulae plumis brunneo-griseo longitudinaliter maculatis 
pectore superiore brunneo griseo fere unicolore parum albo 
mixto, corporis lateribus et subcaudalibus olivaceo lavatis, sub- 
alaribus et flexura alae flavis; maxilla pedibusque corneis, mandi- 
bula alba. 

Long. tot. 119-—110, al. 571%, — 55, caud. 49 —46, culm. 
13 —12, tars. 181/,—17!/, mm. 

Observatio: H. H. diops (T’emm.) dieto affınis differt 
gula juguloque albis brunnescente-griseo flfammulatis nec brunneis 
unicoloribus, pectore brunneo griseo albo mixto nec unicolore, 
corpore supra obscuriore potius brunnescente-viridi, stria lorali 
brunneo-grisea nec flavescente, nec non rostro multo latiore et 
erassiore. 

habitat: in Yungas, Boliviae septentrionalis: San Mateo. 

typus: in Mus. H v. B. 3 s. San Mateo 20. VII. 1891 
(G. Garlepp legit no. 1119). 

Fünf männliche Exemplare dieser neuen Hemitriccus- Art 
sammelte Herr Gustav Garlepp im Juli 1891 in der Umgegend 
des bereits im heissen Tiefland der Yungas-Region gelegenen S. Mateo. 

Die neue Art unterscheidet sich leicht von der einzigen 
bisher bekannten H. diops (Tem.) durch die auf weissem Grunde 
graubraun geflammte Kehle und die heller, graubraune, auch etwas 
weiss gemischte Brust, während bei H. diops Kehle, Gurgel und 
Brust einfarbig dunkel graubraun gefärbt sind. Der Oberkopf 
und Rücken erscheinen dunkler bräunlicher olivengrün. Der 
Zügelstreif ist graubraun statt gelblich gefärbt. Endlich hat 
H. flammulatus einen bedeutend breiteren, stärkeren Schnabel, 
der in der Form mehr an den Schnabel einiger Todirostrum- 
Arten erinnert. 


77. Euscarthmus spodiops Berl. sp. nov. 
E. corpore supra obscure viridi, pileo obscuriore uropygio 
laetiore viridi, pilei anterioris plumis obscure nigro maculatis, capitis 


88 Bericht über die Jahresversam mlung. 


lateribus obscure brunneo viridibus, macula anteoculari sordide 
alba; gula pectoreque cinerascente viridi lavatis et striis inde- 
finitis flavescentibus flammulatis; abdomine medio albo, laterali 
eineraceo-viridi lavato; subcaudalibus flavescentibus, subalaribus 
pallide flavis; remigibus rectricibusque nigro-brunneis pogonio 
externo olivaceo, tertiariis late flavescenti-olivaceo vel albescente 
marginatis; tectricibus alarum superioribus nigro-brunneis, majo- 
ribus mediisque apice flavescente-viridi marginatis (itaque alis 
bifasciatis); rostro nigro brunneo, mandibula basi alba; pedibus 
plumbeo-nigris. 

Long. tot. 96%,, al. 51Y/,, caud. 38, culm. 10%/,, tars. 153/, mm. 


Obs. E. E. zosterops Pelz. dieto ut videtur affınis, sed 
gula brunnescente-griseo lavato, pectore minus striato, dorso 
laetiore viridi, oculorum eircuitu minus albescente, nec non 
rostro breviore et angustiore magis acuminato distinguendus. 

habitat:in Yungas, Boliviae oceidentalis: Songo (O. Garlepp). 

typus: in Mus. H. v. B. Songo. ©. Garlepp legit no. 2228. 


Dieser zweifellos neue Kuscarthmus steht wohl dem E. 
zosterops Pelz. am nächsten, unterscheidet sich aber leicht von 
dem Exemplar dieser Art aus Borba (Madeira Fluss) im Brit. 
Museum, mit dem ich ihn verglichen habe, durch die viel dunklere 
mehr aschgrauliche wenig grünlich überlaufene Kehle und Ober- 
brust mit nicht so deutlichen gelbweissen Streifen. Der Rücken 
erscheint lebhafter und gelblicher grün. Die Bauchmitte ist 
weiss statt blassgelb gefärbt. Der weissliche Ring ums Auge 
fehlt. Endlich hat E. spodiops einen merklich kürzeren und 
schmäleren, viel spitzer zulaufenden Schnabel. 


+8. Öaenotriceus simplex Berl. sp. nov. 


©. corpore supra obscure olivaceo-viridi, corpore subtus 
clariore; gula abdomineque medio viridescenti griseo; fronte et 
regione oculari obscure rufescenti-brunneis; alis caudaque extus 
brunneo-olivaceis; rostro corneo, pedibus corneis vel brunneis. 

Long. tot. 106—103 al. 54—52 caud. 44—39 culm. 10 tars. 
181/, —17!/, mm. 

Observatio: ©. ©. ruficeps (Lafr.) dieto affınis ut videtur, 
sed capite dorso fere concolore, fronte solummodo et regione 
ante- et circum-oculari obscure rufescenti-brunneo; gula griseo- 
olivaceo nec laete rufo, dorso brunnescentiore, remigibus rectri- 


VER 


Bericht über die Jahresversammlung. 89 


eibusque olivaceo-brunneo nee castaneo marginatis, necnon rostro 
breviore et latiore ante apicem dilatato distinguendus. 

habitat: in Yungas Boliviae oceidentalibus et orientalibus: 
Sandillani (Yungas oce.) et S. Jacinto (Yungas or.). 

typus in Mus. H. v. B: Sandillani 2500 metr. 6. VII. 1896 
(G. Garlepp legit no. 1535). 


Ich stelle diese neue Species in das genus Caenotriccus, ob- 
gleich sie in der Schnabelform etwas abweicht. Der Schnabel 
ist merklich breiter und erweitert sich namentlich etwas vor der 
Spitze, was bei ©. ruficeps nicht der Fall ist. Übrigens stimmt 
der allgemeine Färbungstypus des Ü©. simplex mit dem von 
C. ruficeps überein: das abdomen zeigt fast die gleiche Färbung 
wie bei jener Art, aber Kopf und Kehle sind grün statt rostrot 
gefärbt. Nur die Stirn und die Gegend vor und ums Auge er- 
scheinen schmutzig rostbräunlich. Flügel und Schwanz zeigen 


olivenbraune statt lebhafte kastanienbraune Färbung. 


+9. Pogonotriccus ottonis Berl. sp. nov. 


P. eorpore supra olivaceo, pileo ardesiaco, linea frontali 
albescente; regione superciliari, imprimis post oculos, albo nigroque 
varia; tectricibus auricularibus parte anteriore sordide albis, 
posteriore (macula semilunari) nigro; remigibus rectrieibusque 
brunneo-nigris extus laete olivaceo marginatis; tertiariis Pogonio 
externo ad apicem et tectricibus alarum mediis et longissimis 
flavescenti albo marginatis (unde alis bifasciatis); corpore subtus 
sordide griseo albo, hypochondriis flavescente lavatis; tectricibus 
subalaribus et subcaudalibus pallide flavescentibus;- maxilla nigra, 
mandibula albescente. 


Long. tot. 114, al. 55, caud. 51!/,, culm. 91/,, tars. 13°/, mm. 

Observatio: P. ophthalmicus Tacz. dieto affınis sed cor- 
pore subtus griseo-albo nec laete flavo primo visu distinguendus. 

habitat: in Yungas Boliviae occ.: Songo (1000 metr.). 

typus: in Mus.H.v.B. © s. Songo, 1000 m. 28. IV. 1896. 
Schnabel schwärzlich, unten grau, Beine grau. Long. tot. 120, 
[Otto Garlepp legit no. 2188]. 


Steht in der Form dem P. ophthalmicus Tacz. von O. Ecuador 
und Nord-Peru am nächsten, unterscheidet sich aber leicht durch 
einfarbig weissgraue statt lebhaft grünlichgelbe Unterseite. Das 
Grün des Rückens erscheint dunkler mit mehr graugrünem statt 


90 Bericht über die Jahresversammlung. 


grüngelben Tone. Die Flügelbinden sind weisslicher gelb gefärbt. 
Der Schnabel erscheint breiter und kürzer. 

P. eximius (Tem.) hat wie P. ophthalmicus lebhaft gelbe Unter- 
seite, jedoch keine Spur von gelben Flügelbinden. Auch zeigt jene 
Art einen gelbgrünen Fleck im Scheitel und viel kleineren 
Schnabel. Herr Otto Garlepp sammelte leider nur ein Exemplar 
dieser neuen Art, die ich ihm zu Ehren P. ottonis nenne. | 


+10. Phyllomyias sclateri Berl. sp. nov. 


Ph. copore supra sordide olivaceo, pileo anteriore griseo 
lavato seu maculato; plumis nasalibus, striaque brevi superciliari 
albis; regione suboculari tectricibusque auricularibus albo mixtis, 
corpore subtus fere albo, gula pure alba, pectore lateribusque 
corporis pallide flavo flammulatis vel lavatis; hypochondriis et 
tectricibus subalaribus et subcaudalibus pallide Havis; remigibus 
tectricibusque alarum superioribus nigro-brunneis, remigibus pri- 
mariis et secundariis auguste flavescente, tertiariis flavescenti- 
albo late marginatis, tectricibus vero apice flavescenti-albo late 
terminatis (unde alis bifasciatis), rostro brunneo-nigro, mandibula 
dimidio basali albo. 

Long. al. 59--65°/,, caud. 631/,-—-55, culm. 81/. —73/,, tars. 
17!/,—153/, mm. 

Observatio: Ph. Ph. burmeisteri Cab. & Heine dictae affınis 
differt gula abdomineque albis, pectore lateribusque flavo indutis 
(nec subtus unicolore flava), necnon pileo anteriore griseo mixto, 
superciliis albis nec flavis, rostro multo longiore et latiore. 

habitat: in Bolivia orientali et septentrionali: Bueyes 
prope Sta. Cruz de la Sierra et San Mateo (Yungas). 

typus: in Mus. H. v. B.: Bueyes (Sta. Cruz) 21. IV. 1890 
(G. Garlepp legit no. 414). 

Diese zweifellos neue Phyllomyias-Art, die ich zu Ehren 
meines lieben Freundes Dr. Ph. L. Sclater benenne, dürfte der 
Ph. burmeisteri Cab. & Heine von Brasilien am nächsten stehn, 
unterscheidet sich aber leicht von ihr durch die weisse Kehle 
sowie weisse Brust- und Bauchmitte, ferner durch reinweissen 
statt gelblichen Superciliarstreifen und weisse statt gelbliche 
Mischung unter dem Auge, endlich durch aschgrau überlaufene 
oder gefleckte Stirn und viel stärkeren, längeren und breiteren, 
auch deutlicher gebogenen Schnabel. 


Bericht über die Jahresversammlung. 91 


Herr Gustav Garlepp sammelte eine schöne Suite von 
Exemplaren dieser Art sowohl im Osten bei Bueyes (nächst Santa 
Cruz de la Sierra), als auch im Norden bei San Mateo, welches 
im heissen Flachlande am Ausläufer der Yungas von Cocha- 
bamba gelegen ist. 


+11. Schizoeaca harterti Berl. sp. nov. 

Sch. corpore supra olivaceo-brunneo, pileo capitisque late- 
ribus magis rufescente tinctis; stria superciliari et altera malari 
(vix conspieuis), eiliis oculorum et maculis parvis ante- et supra- 
ocularibus striisque ad maxillae et mandibulae basin mentoque 
albis; macula magna gulae nigra plumis plus minusve albescente 
terminatis; corpore inferiore reliquo sordide griseo, lateribus cum 
cerisso olivaceo-brunneo lavatis; alis extus rectrieibusque dorso 
cuncoloribus. 

gg Long. tot. 178—165, al. 55—54, caud. 1011, —90!/,, 
culm. 14 —13!/,, tars. 241/,--221/, mm. 

Ozloncz tot. 168, al. 52,, caud. 904, culm.2 12277, :tars. 
231/, mm. 

Observatio: Sch. Sch. coryi Berl. ex Merida forsan maxime 
affınis differt gula nigra, pileo dorso et alis extus pallidioribus 
rufescentioribus, stria superciliari inconspicua nec castaneo-rufa, 
necnon rectrieibus olivaceo-brunneis nec castaneo-brunneis. 

habitat: in Bolivia alta oceidentali (Cillutincara, Unduavi 
3500 m.) et septentrionali (Malaga). 

typus: in Mus. H. v. B.: „Sg“ Unduavi, 3500 meter, 7. VI. 
1896 (G. Garlepp legit no. 1754). 

Diese scharf charakterisierte neue Schizoeaca, welche ich 
nach meinem lieben Freund Ernst Haıtert benenne, unterscheidet 
sich leicht von allen bisher bekannten Arten dieses genus durch 
den grossen schwarzen Kehlfleck. Sch. fuliginosa (Lafr.) von 
Colombia und Sch. coryi Berl. von Merida in Venezuela zeigen 
keine Spur eines schwarzen Kehifleckens, während 9. palpebralis 
Cab. von C. Peru einen scharf ausgeprägten rostroten Kinnfleck 
besitzt. Die mir unbekannte Sch. griseomurina von W. Ecuador 
scheint dagegen einen weissen Kinnfleck zu besitzen. 

Im Übrigen steht Sch. harterti wohl der Sch. coryi Berl. 
am nächsten, unterscheidet sich aber von ihr ausser durch das 
Vorhandensein des schwarzen Kehlfleckens durch schmalen oliven- 
röstlichen statt breiten lebhaft rostbrauuen Superciliarstreifen 


92 Bericht über die Jahresversammlung. 


und desgleichen Halsseiten, ferner durch weisse statt rötliche 
Federchen am Auge, weisslichen Zügelstreif, weisses oberes Kinn, 
olivenröstlichen statt schwärzlichbraunen Scheitel, hellere mehr 
olivenrostbräunliche statt dunkelbraune Rückenfärbung, sowie oli- 
venbraune statt rostbraune Flügeloberseite und Schwanzfedern u. s. 
w. Der für 8. palpebralis so charakteristische weisse Augenring ist 
nur durch kleine weisse Federchen an den Augenlidern schwach 
angedeutet. Herr Gustav Garlepp hat 6 Exemplare dieses in- 
teressanten Vogels eingesandt. 


12. Siptornis maculicauda Berl. sp. nov. 


S. corpore supra nigro-brunneo, rufo-brunneo variegato, 
plumis omnibus stria mediana longa aequali rufescenti-alba in- 
structis; fronte laete brunneo-rufo, corpore subtus sordide albo, 
in speciminibus nonnulis fulvo tincto, gula absque macula rufe- 
scente, plumis in pectore et in lateribus marginibus fuscis 
rufescente mixtis in pectore fere evanescentibus, in lateribus 
latioribus et magis conspicuis; stria superciliari et oculorum ceiliis 
sordide fulvo-albis, auricularibus e nigro et fulvo albo mixtis; 
remigibus nigrescentibus olivaceo-brunneo marginatis, dimidio 
basali rufo-brunneis margine externo nigro maculatis; tertiariis 
tectrieibusque alarum superioribus extus griseo-fulvo marginatis; 
rectricibus omnibus olivaceo- sive rufescente-brunneis, maculis 
striisque irregularibus nigris signatis, externis basi plus minusve 
nigris brunneo rufo variegatis; tectricibus subalaribus laete rufis, 
remigibus intus rubescenti-brunneo marginatis; maxilla nigra, 
mandibula pallida apice nigro. 

Long. al. 62— 58, caud. 90— 68, culm.123/,—113/,,tars.221/,mm. 

Observatio: 8. 8. flammulata Jard. dictae affınis sed absque 
macula in gula fulva et pietura caudae etc. insignis. 

habitat: in Bolivia alta oceidentali: Iquico (4000 m). 

typus: in Mus. H. v. B. „g“ Iquico 18. 1. 1895. (G. Garlepp 
no. 975.) 

Diese characteristische neue Siptornis unterscheidet sich 
leicht von S. flammulata (Jard.) von Ecuador durch den voll- 
ständigen Mangel des rostgelben Kehlfleckes, ferner durch die 
eigentümliche unregelmässig schwarzfleckige Zeichnung des 
Schwanzes, durch die lebhafter rostrote Stirnfärbung und die 
bräunlicher weisse Unterseite mit viel undeutlicherer Streifen- 
Zeichnung an Brust und Körperseiten. 


Bericht über die Jahresversammlung. 93 


 . Siptornis taczanowskii Berl. et Stolzm. von C. Peru ist von 
S. maculicauda noch mehr verschieden als von 8. flammulata, 
denn bei ihr erstreckt sich der rostgelbe Kehlfleck über die 
Gurgel bis zur Brust, und die Bauchmitte erscheint bei ihr ein- 
farbig weiss. Die Brust zeigt keine schwärzlichen Striche 
und die Striche auf Rücken und Scheitel erscheinen viel feiner. 


713. Siptornis heterura Berl. n. sp. 


S. 8. pudibunda Scl. et S. sordida (Less.) dietis affınis, sed 
corpore subtus fulvescente nec griseo albo, a S. pudibunda etiam 
rectrieibus omnibus acuminatis et quatuor mediis solummodo 
pogonio interno nigro-brunneis, caeteris fere unicoloribus rufis 
(nec pogonio interno-tribus externis exceptis-nigris), a 8. sordida 
colore dorsi et pilei multo obscuriore magis rufescenti-brunneo, 
colore subtus magis fulvescente necnon picetura caudae distinguenda. 

Long. tot. 161, al. 59, caud. 821/,, tars. 21 ınm. 

habitat: in Bolivia alta occidentali: Iquico (4000 m). 

typus: in Mus. H. v. B.: Iquico Febr. 1895 Gustav Garlepp 
lesit no. 1122. 

Das einzige eingesandte Exemplar erinnert in der Färbung 
der Oberseite an 8. pudibunda Scl. (zwei Exemplare von Coracora, 
W. Peru in Mus. Branicki), nur ist die Färbung noch etwas 
dunkler bräunlich. Dagegen ist die Färbung der Unterseite ganz 
verschieden, nämlich fahl braungelblich statt hellgraulich. Die 
Form der Schwanzfedern ist eine ganz verschiedene, denn alle 
sind am Ende stark zugespitzt, der Schaft in eine Nadel aus- 
laufend, statt breit auslaufend weich und abgerundet. Die Färbung 
der Schwanzfedern erscheint grösstenteils schmutzig bräunlich 
rostrot, nur die beiden mittleren Paare haben eine schwärzlich 
braune Innenfahne, während bei S. pudibunda das 2., 3. und 
4. Paar von der Mitte an gerechnet grösstenteils dunkel schwarz- 
braune Innenfahne zeigen. Bei S. heierura haben die Schwanz- 
federn vom 4. Paar von aussen beginnend nur schwachen 
schwärzlichbraunen Anflug im Basisdrittel der Innenfahne. Die 
Körperseiten erscheinen lebhaft rostbräunlich überlaufen statt 
graubräunlich. Der Kehlfleck erscheint blass rostgelbweiss, aber 
etwas glänzend. Augenstreif und Kopfseiten sind rostgelblich 
überlaufen statt grauweisslich wie bei 8. pudibunda. Die Ober- 
seite des Flügels erscheint etwas matter rostfarben. Die Unter- 
schwanzdeckfedern sind intensiv rostgelb statt graugelblich. 


94 Bericht über die Jahresversammlung. 


Von 8. sordida unterscheidet sich 8. heterura leicht durch 
die viel dunkiere, düster röstlichbraune statt sandbraune Färbung 
der Oberseite, durch die fahlbraungelbliche statt schmutzig 
bräunlich grauweissliche Unterseite, sowie auch durch die Form 
und Zeichnung der Schwanzfedern, welche bei 8. sordida viel 
mehr schwarze Färbung aufweisen. 


+14. Siptornis modesta sajamae Berl. subsp. nov. 


S. 8. modesta Eyton dietae simillima differt corpore supra 
clariore arenaceo-brunneo, corpore subtus etiam pallidiore albes- 
centiore, tectricibus alarum superioribus magis rufescentibus, 
macula gulae rufa magis extensa et laetius tincta, necnon alis 
caudaque multo longioribus. 

gg al. 70—69, caud. 76—75, culm. 15— 14, tars. 231/,—23 mm. 

So naazl, lade oe 

habitat in Bolivia alta occidentali: Esperanza u. Sajama 
4000 m (G. u. O. Garlepp). 

typus in Mus. H. v. B. Esperanza J 7. X. 1896 G. Garlepp 
legit no. 1674, @ 12. X. 1892 G. Garlepp legit no. 1689. 

Diese bolivianische Form der 8. modesta Eyton unterscheidet 
sich leicht von der typischen chilenischen durch die hell fahl 
sandbraune, statt dunkel erdbraune Färbung der Oberseite, wie 
auch durch hellere, mehr weissliche Unterseite, grösseren und 
lebhafter rostgelben Kehlfleck, mehr röstlich überlaufene Ober- 
flügeldeckfedern und merklich längere Flügel und Schwanz. Die 
Gebrüder Garlepp sammelten eine Reihe von Exemplaren bei 
Esperanza im Oktober und bei Sajama im Mai. 

Das Weibchen unterscheidet sich wie bei $. sordida vom 
Männchen durch weissen statt rostgelben Kehlfleck. 


+15. Siptornis modesta rostrata Berl. 


S. S. modesta (Eyton) dictae simillima differt rostro longiore, 
macula mentali castaneo-rufa (nec fulva), jugulo distinctius albo et 
fusco striato, necnon alis longioribus. 

al. 67, caud. 681/,, culm. 151/,, tars. 221/, mm. 

habitat: in Bolıvia alta orientali: Vacas. 

typus: in Mus. H. v. B.: Vacas 8. Septbr. 1890. G. Garlepp 
legit I no. 822. 

In den östlichen Hoch-Anden Bolivia’s scheint eine 2. Form 
der $. modesia vorzukommen, welche sich von der typischen nur 


Bericht über die Jahresversammlung. 95 


durch längeren Schnabel, dunkler kastanienbraunen statt rost- 
gelben Kinnfleck, deutlicher weisslich und schwärzlich gestreiften 
Unterhals und längere Flügel unterscheidet. Die Rückenfärbung 
ist bei ihr keineswegs heller als bei Chile-Vögeln, erscheint also 
dunkler als bei 5. m. sajamae. Der Flügel ist so lang wie bei 
letzterer, während sie in der Schwanzlänge wiederum mit Chile- 
Vögeln übereinstimmt. 


+16. Siptornis marayniocensis robusta Berl. subsp. nov. 
S. humilis Scl. (nec Cab.) Cat. birds Brit. Mus. XV p. 67 
(Bolivia). 
9. 8. marayniocensis Berl. et Stolzm. dietae simillima sed 
major, alis et cauda imprimis longioribus, gulae macula castaneo- 
rufa majore et pallidiore, nec non jugulo distinctius fusco striato. 


al. caud. culm. tars. 
g Ulimani-H. de Potosi 76 13 161/,;, 25 
g Iquico 76 70 lol 2545 
9 Iquico a ne 151), 251), 
3 C. Peru 8. marayniocensis 701), 67 15298204, 
SS ,„ 691,681), 681/674, 151/, 251), mm. 


habitat: in Bolivia alta oceidentali: Iquico. 

-typus: in Mus. H. v. B. Z Iquico 24.1.1895 (Garlepp no. 1007). 

Die oben beschriebenen Bolivia-Vögel unterscheiden sich 
von der typischen S. marayniocensis Berl. et Stolzm. (P. Z. 8. 
1896 p. 373) durch grössere Dimensionen, namentlich längere 
Flügel und Schwanz, ferner durch etwas grösseren blasser ge- 
färbten Kehlfleck und kräftiger schwärzlich gestreifte bezw. ge- 
fleckte Gurgel- und Kehlseiten. 


+17. Margarornis stictonota Berl. sp. n. 


M. corpore supra rufo-brunneo, pileo magis olivascenti- 
brunneo, dorso superiore striis vel maculis elongatis lacrymifor- 
mibus fulvis signato, gula striaque superciliari fulvo-rufescentibus, 
plumis apice subtiliter nigro marginatis, capitis lateribus fusco 
et fulvo variis, pectore, abdomine collique lateribus fulvis, plumis 
undique nigro marginatis, itaque guttatis, rectricibus nigrescentibus, 
remigibus nigro-brunneis, colore dorsi marginatis, maxilla nigra, 
mandibula pallida, pedibus brunneis. 

Long. tot. 135—130, al. 621/,—581/,, caud. 63—57, culm. 
14°/,—131/,, tars. 191/,—181/, mm. 


96 Bericht über die Jahresversammlung. 


Observatio: M. M. brunnescens Sel. dietae affınis differt 
plumis dorsi superioris striis vel maculis fulvis instructis, necnon 
abdomine in fundo pallidiore brunneo maculis latioribus et 2 
tioribus fulvis guttato. 


habitat: in Yungas Boliviae oceidentalis (Chaco) et orien- 
talis (Locotal). 

byop:us:ın Muss yoBe: 3 Chaco 12. VII. 1894 (G. Gar- 
lepp legit no. 707). 


Diese bolivianische Form der M. brunnescens Sel. unter- 
scheidet sich leicht von der typischen Form durch deutlich rost- 
gelb längsgefleckten Oberrücken während bei M. brunnescens der 
Öberrücken entweder völlig ungefleckt oder nur mit feinen un- 
deutlichen hellen Schaftstrichen gezeichnet erscheint. Ferner 
sind bei der neuen Form Brust und Bauch auf heller oliven- 
braunem Grunde viel stärker rostgelb gefleckt. Die Tropfenflecke 
sind hier viel grösser und lebhafter rostgelb gefärbt, auch nicht 
so dunkel umrandet. Die ganze Unterseite des Körpers erscheint 
in Folge dessen viel heller. 


7-18. Myrmotherula boliviana Berl. n. sp. 


M. 3 corpore supra griseo, inferiore clariore, gula jugu- 
loque nigris (plaga magna subtus rotundata); mento griseo vel 
nigro griseo mixto ; rectricibus ardesiaco-griseis, externis apice 
anguste albo marginatis; remigibus tertiariis dorso concoloribus, 
caeteris nigrescentibus extus colore dorsi marginatis; tectricibus 
alarum superioribus minimis mediisque nigris apice pure albo 
marginatis, maximis griseis apice albo marginatis et macula an- 
teapicali nigra praeditis; rostro pedibusque plumbeo nigris. 

9 corpore supra griseo, capite colloque fulvescenti lavatis, 
corpore subtus striaque lorali cum ciliis oculorum fulvescentibus, 
pectore magis rufescente lavato. 

Long. tot. 95—92, al. 54-53, caud. 291/,—28!/,, culm. 
14!/,, tars. 151/, mm. 

Observatio M. 5 mari M. cinereiventris Sel. et Salv. dietae 
affınis differt gula juguloque nigris nec griseis, rectricibus minime 
macula anteapicali nigrainstructisneenon rostro longioreet crassiore. 

habitat: in Bolivia septentrionali: San Mateo. 

typus: in Mus. H v. B. 3 San Mateo 8. VIII. 1891. 
(G. Garlepp no. 1250). ee ee} 


Bericht über die Jahresversammlung. 97 


Diese neue Art steht der M. cinereiventris Scl. et Salv. am 
nächsten, von der sie sich im männlichen Kleide leicht durch 
den grossen bis über die Gurgel hinaus ausgedehnten und dort 
abgerundeten schwarzen Kehlfleck unterscheidet. Ferner fehlen 
ihr die schwarzen Subapicalflecken an den äusseren Schwanz- 
federn und der Schnabel ist merklich länger und stärker. 


Das 9 von M. boliwiana ist nicht etwa mit dem g von 
Myrmotherula atrogularis Tacz. zu verwechseln, welchem es auf 
den ersten Blick ähnlich sieht, von dem es sich aber leicht durch 
die grauen, vor den weissen Spitzen schwarz gefleckten, statt 
ganz schwarzen, weiss gespitzten Oberflügeldeckfedern, die heller 
aschgraue Rückenfärbung und den viel längern schmaleren Schnabel 
unterscheidet. Die Weibchen der beiden Arten sind total ver- 
schieden, und M. atrogularıs gehört überhaupt zu einer andern 
Gruppe (der M. ornata-Gruppe). 


| Herr Gustav Garlepp sammelte zwei $g und drei @8 dieser 
neuen Art bei S. Mateo im Flachlande am Fusse der Anden. 


19. Terenura sharpei Berl. sp. n. 


T. dorso superiore tectricibusque caudae superioribus viri- 
dibus, pileo nigro, stria dorsi medii lateraliter late nigro mar- 
ginata et uropygio sulfureo-flavis, gula pectoreque griseo-albis, 
gula albescentiore; capitis lateribus striaque superciliari griseis, 
linea post- et anteoculari nigra; remigibus rectrieibusque nigro 
brunneis extus olivaceo marginatis; humeris laete aureo-favis, 
tectricibus alarum majoribus et mediis nigris maculis magnis 
pallide flavis terminatis (unde alis bifasciatis); ventre et lateribus 
pectoris tectricibusque subcaudalibus olivaceo - flavescentibus, 
subalaribus laete flavis; rectricibus intus pallide flavo margina- 
tis; rectrieibus externis remigibusque tertiariis apice subtiliter 
albescente marginatis; maxilla nigra, mandibula plumbescenti- 
alba, pedibus plumbeo-nigris. 

Long. tot. 106, al. 54, caud. 45, tars. 141/, mm. 


observatio: T. T. callinota Sel. dietae affinis, sed uro- 
pygio cum linea dorsi medii sulfureo-flavis nec castaneis primo 
visu distinguenda. 


habitat in Yungas Boliviae orientalis: Quebrada onda. 
typus in Mus. H. v. B.: Quebrada onda 9. VII 1892 (G. 


Garlepp legit no. 1947). 
Journ, f. Orn. XLIX, Jahrg. Januar 1901. 7 


98 Bericht über die Jahresversammlung. 


Alle bisher bekannten Terenura-Arten (ausser der fernstehen- 
den T. maculata) haben rostroten Unterrücken, während sich Z. 
sharpei auf den ersten Blick durch schwefelgelben Unterrücken 
und ebensolche Mittellinie des Rückens unterscheidet. T. sharpei 
stimmt mit T.callinota in der goldgelben Schulterfärbung überein, 
während T. humeralis die Schultern wie den Unterrücken rostrot 
gefärbt zeigt. 

Diese ausgezeichnete neue Art widme ich meinem lieben 
Freunde Dr. R. B. Sharpe in London. 


+20. Pithys salvini Berl. n. sp. 

P. corpore toto schistaceo, subtus clariore; gula cum regi- 
one suboculari pure alba; stria superciliari a naribus inceptis 
usque ad oculi angulum posteriorem sordide alba, pileo anteri- 
ore, loris et oculorum ciliis fere nigris, hoc colore in parte pos- 
teriore pilei in colorem ardesiacum vergente; rectricibus nigris 
extus ardesiaco marginatis, omnibus pogonio interno, externis 
etiam in dimidio basali pogonii externi fasciis regularibus (in 
pogonio interno septem) albis instructis, apiceque albo margi- 
natis; remigibus tertiariis apice macula alba signatis; subcauda- 
libus griseis albescente variegatis; plumis uropygialibus valde 
amplis et laxis; rostro et pedibus nigris. 

Long. tot. 133, al. 73, caud. 48, culm. 17?/,, tars. 251/, mm. 

observatio: Species colore corporis schistaceo, gula alba 
et rectricibus albo fasciatis insignis. | 

habitat: in Bolivia septentrionali: San Mateo. 

typus: in Mus. H. v. B.: 3 s. San Mateo 23. VIII 1891 
(Gustav Garlepp legit no. 1314). 

Von dieser sehr charakteristischen neuen Art liegt leider 
nur ein einziges von Herrn G. Garlepp bei San Mateo in der 
heissen Region am Fusse der Anden gesammeltes männliches 
Exemplar vor. Möglicherweise handelt es sich hier um das bis- 
her unbekannte $ des von Sclater u. Salvin von Sarayacu, Ost- 
Ecuador, als P. lunulata beschriebenen Vogels. Letzterer er- 
innert namentlich in der Schwanzzeichnung an den oben be- 
schriebenen Vogel, jedoch hat P. lunulata braune Oberseite mit 
schwarzen Subterminalbinden und rostgelben Rändern und zeigt 
einen kleinen weissen verborgenen Fleck am Rücken, wovon P£. 
salvini keine Spur aufweist. Ehe das noch unbekannte $ von 
P. lunulata vorliegt, ist die Frage, ob der Bolivia-Vogel zu 


Bericht über die Jahresversammlung. 99 


lunulata oder einer verschiedenen Art gehört, nicht mit Sicher- 
heit zu beantworten und möchte ich eher annehmen, dass das 
letztere der Fall sei. Mein unvergesslicher Freund, Mr. O. Salvin, 
dem ich meinen Vogel im Jahre vor seinem Tode zeigte, hielt 
ihn für eine unbedingt neue Art und riet mir, ihn als solche 
zu beschreiben. Ich möchte diese Spezies daher seinem teuern 
Andenken widmen. 


Der Vorsitzende hebt das Verdienst hervor, das sich Herr 
G. Garlepp durch seine ausserordentlich sorgfältigen und umfang- 
reichen Sammlungen um die Wissenschaft erworben hat. 

Aldann tritt eine Pause ein, die zum Besuche des Zoo- 
logischen Museums der Universität und zur Besichtigung der 
Sammlung von Kukukseiern des Herrn Dr. Rey benutzt wird. 
Im Museum übernahm Herr Professor Dr. Uhun, unterstützt von 
Herrn Kustos Dr. Schmidtlein die Führung. Allseitig erregt 
die schöne Sammlung der deutschen Tiefsee-Expedition die Auf- 
merksamkeit der Anwesenden. Unter den ausgestellten Vögeln 
fielen besonders zahlreiche, zum Teil seltene Arten von Sturm- 
vögelu auf. Herr Emil Weiske hatte eine von ihm in Nord- 
queensland und im südöstlichen Neuguinea zusammengebrachte 
Sammlung von Vögeln ausgestellt, die viele Seltenheiten und 
manche auffallende neue Art enthielt. Auch die berühmte Samm- 
lung von Kukukseiern des Herrn Dr. Rey fesselte die Versam- 
melten ausserordentlich. 


Nach .Rückkehr zum Gasthof Stadt Nürnberg wurde dort 
das Mittagessen eingenommen, das unter lebhafter Unterhaltung 
verlief. Bald drängte der Vorsitzende zur Wiederaufnahme der 
wissenschaftlichen Sitzung, an der sich jetzt auch eine Anzahl 
der anwesenden Damen beteiligte. 


Herr König eröffnete die zweite Reihe der Vorträge und 
sprach über seltene Arten aus dem mediterranen Gebiete, 
die von ihm selbst erbeutet wurden. 

Zunächst über Sitta whiteheadi Sharpe, P. Z. S. 1884 
pag. 233. Corsicanische Spechtmeise. 

Diese selbständige, gute Art ist von Whitehead im Jahre 
1883 auf Corsica entdeckt worden. Soweit ich unterrichtet bin, 
ist dieselbe nur noch von mir zum zweiten Male aufgefunden 
worden und zwar im Frühjahr 1896. Ihretwegen bin ich nach 

z* 


100 Bericht über die Jahresversammlung. 


Corsica gegangen und habe keine Mühe gescheut, um die nied- 
liche Spechtmeise ausfindig zu machen und sie zu schiessen. 
Allerdings hält das recht schwer. Den Ausführungen Whitehead’s 
folgend, suchte ich diese Spechtmeise auf den Höhen Corsicas 
nahe der Schneegrenze. Wenn man von Ajaceio mit der Bahn 
nach Bastia fährt, führt einen der Zug zunächst durch eine Ebene, 
die die Basis der sich von dort erhebenden Berge bildet und die 
dem grössten derselben den Namen entlehnt hat, welche der 
Corsicaner Campo do l’Or nennt. Dann aber bringt die Bahn 
den Reisenden in die Höhe, welche zunächst sanft ansteigend 
sehr bald merken lässt, dass man sich in einer stark aufsteigenden 
Linie befindet. Wir passieren da die Maquisvegetation mit ihren 
immergrünen Sträuchern und Büschen, als da sind Pistacia len- 
tiscus, Cistus monspeliensis und albidus, Phillyrea angustifolia, 
Erica und Buxus — beide fast baumartig zu nennen, Kork- und ' 
Steineiche, welche ihrerseits wieder umkränzt werden von Rosmarin 
und Thymian. Hier und da erheben sich einzeln oder in losen 
Beständen aneinandergereiht die herrlichen Mittelmeerkiefern 
(Pinus maritima). In der Höhenlage von ca. 800—1000 m setzt 
die essbare Kastanie ein, welche sich hier noch in gewaltigen 
Beständen erhalten hat und ringförmig die Berge umgürtet. Da- 
rüber hinaus weht den Reisenden schon die kalte Höhenluft an, 
die Bahn passiert einen Riesentunnel, worauf sich der Fremde 
verwundert umschaut, da ihn plötzlich eine ganz veränderte 
Landschaft umgiebt. In einer tiefen Thaleinsenkung, die gebildet 
wird von den bier steil bis zu ihren Gipfeln aufsteigenden Hängen 
der drei Bergriesen, dem Monte d’Oro, Monte Rinoso und Monte 
Rotondo, stehen unvergleichlich schöne Pinien mit glatten Stämmen, 
deren Kronen hoch gen Himmel streben. Das ist die prächtige 
Pinus laricio, var.: corsicana, die wir in dieser seltenen Schönheit 
nur auf Oorsica finden. An den Stämmen hämmert lustig der 
grosse Buntspecht, während Kohl- und Tannenmeisen in ihrer 
geschäftigen Weise die Borkenrinde nach Insekten und deren 
Larven absuchen. Während wir den Tönen nachgehen, fallen 
wir oft bis über die Hüften in losen Schnee, aus dem wir uns 
mit Mühe wieder herausarbeiten müssen. Gespannt achten wir 
auf die uns bekannten Laute, aus denen wir plötzlich auch den 
einer Spechtmeise vernehmen. Aber damit haben wir den Vogel 
selbst noch lange nicht. Man muss scharf zusehen, um die eifrig 
herumkletternde Spechtmeise zwischen den Knorren, den Wedeln 


Bericht über die Jahresversammlung. 101 


| und auf den Borken der hohen Lariciokiefer zu entdecken. Ich 
: habe in der kurzen Zeit meiner Anwesenheit auf Corsica, welche 
etwa 10 Tage dauerte, im Ganzen 5 Stück dieser Spechtmeise 


in Vizzavona erbeutet und darf mit diesem Resultate zufrieden 
sein, da ich nochmals ausdrücklich betonen muss, dass die Er- 
beutung dieser Art grossen Schwierigkeiten unterworfen ist, und 
es wohl kaum einem anderen, als einem praktisch veranlagten 


-Ornithologen beschieden sein dürfte, die kleine Spechtmeise zu 


schiessen. — Von den 5 Exemplaren ging eins in den Besitz 
des Museums von W. v. Rothschild über, für welches mir im 
Tausche ein Gelege dieser kostbaren Art, von Whitehead auf 
Corsica gesammelt, zuging. 

Während das 39 eine schöne tiefschwarze Kopfplatte zeigt, 
ist das @ grau auf dem Kopfe. Diese seltene westlich paläark- 
tische Art neigt einerseits der sSilta camadensis aus Nord- 
Amerika, andererseits der Silta villosa zu, welch letztere Nord- 
China und die östliche Mongolei bewohnt. — 


Nach stattgefundener Demonstration eines Balges von Siti«a 
whiteheadi zeigte Redner die von ihm zur nova species creirte 
Form des Corsicanischen Zitronenfinken (Citrinella corsicana) in 
einem männlichen und einem weiblichen Stücke vor. Diese dem 
Mittelmeergebiete angehörige Form unterscheidet sich auf den 
ersten Blick vom Alpen-Zitronenfinken durch den braunen Rücken. 
Hr. Hartert betonte, dass er diese Art auch von der Riviera und 
von Süd-Italien gesehen und begutachtet habe. — 

Als ein nicht minder wichtiger und interessanter Vogel ist 
der Corsicanische Wasserstar anzusehen, von dem der Vor- 
tragende 2 männliche Exemplare vorlegte, welche er ebenfalls 
im Frühjahre 1896 auf.Corsica erlegte. Sie zeichnen sich durch 
die fast einfarbig schwarze Bauchfärbung aus und erinnern in 
sofern sehr an den nordischen Wasserstar (Cinclus melanogaster, 
Brehm). Überhaupt scheint Corsica manche modificierte Formen 
zu besitzen, weshalb sich eine eingehende und längere Durch- 
forschung Corsicas nach der avifaunistischen Seite sehr verlohnen 
dürfte. — 

Schliesslich legte Redner noch den Balg eines seltenen 
Steinschmätzers vor, nämlich 

Sazxicola xanthoprymna, Ehrbg. 1829. 

Sazicola erythropygia, Taylor, Ibis 1857, pag. 61. 


102 Bericht über die Jahresversammlung. 


Dieser seitenste aller Steinschmätzer ist von mir im Jahre 
1899 am 6. Februar am Fusse des Djebel el Täer (d. h. Vogel- 
berg) erlegt worden. Ich habe diese Art weder vorher noch 
nachher jemals zu Gesicht bekommen und schliesse daraus, dass 
sie wohl überaus selten sein mag. Das erlegte Stück ist ein & 
im Prachtkleide mit tiefschwarzer Kehle und rostrotem Bürzel. 
Der Typus befindet sich im Berliner Museum. 


Ausser diesem sind nur ganz wenige Stücke bekannt, von’ 
denen sich eins in der Tristram’schen Sammlung befunden hat, 
von John Keast Lord in Nubien auf dem Hor Tamanib ge- 
sammelt. Das Museum Cavendish Taylor muss deren zwei oder 
drei haben, ein @ oder ein jüngeres g, sowie ein altes $, das 
er kürzlich an den Pyramiden von Ghizeh erbeutet hat. 

Im Anschluss an diesen Steinschmätzer sprach der Vor- 
tragende noch einige Worte über die von Dixon auf dem Djebel 
Mähmel in Algerien im Jahre 1882 entdeckte Art Sazwicola see- 
bohmi und stellte sie neben Sazxicola oenanthe als glaciale resp. 
Hochgebirgsformen den ihnen entsprechenden mediterranen Arten 
Sazxicola stapazina und aurita gegenüber. Die Verbreitungsgrenze 
des echten Nonnensteinschmätzers (Saxicola monacha, Temm.) 
besprach Redner ebenfalls und suchte sie hauptsächlich in Belut- 
schistan und Sind, während dieser Steinschmätzer in Nubien, 
Ägypten und auf der Sinaihalbinsel als eine im Ganzen seltene 
Erscheinung zu betrachten sei. — 


An der dem Vortrage folgenden Besprechung beteiligen 
sich die Herren Hartert, Matschie, Nehrkorn, Reichenow, 
Schalow und Freiherr von Berlepsch mit einigen Bemerkungen. 


Nunmehr zeigen die Herren Schlegel und Thienemann 
ihre angekündigten Vorlagen. 


Herr Schlegel legte verschiedene Reihen von Raubvögeln 
vor, von den Turmfalken erregte besonders ein hahnenfedriges 
Weibchen mit grauem, aber weibchenartig gebändertem Stosse 
die Aufmerksamkeit der Versammelten. Ein $ ad. zeigte die 
seltene Auffälligkeit, dass im Stosse jede Spur von Querbänderung 
geschwunden war, wie dies wohl nur im hohen Alter aufzutreten 
pflest. Von 2 ausgefallenen, aber fast zur normalen Grösse 
nachgewachsenen Stossfedern eines g juv. zeigte die eine das 


Bericht über die Jahresversammlung. 103 


normale Grau des alten Tieres, während die andere, mittlere 
Feder eine Übergangsfärbung erkennen liess. Die ausgestellte, 
reichhaltige Sperberreihe zeigte alle nur erdenklichen Fär- 
bungs- und Zeichnungsverhältnisse, besonders in männlichen 
Kleidern. Besonderes Interesse erregten u. a. ein lehmrotes $ 
juv. und ein @ ad. mit auffällig weisser Unterseite und feiner 
Querbänderung. Die Mäusebussarde zeigten, dass auch in 
der Leipziger Gegend, namentlich zur Zugzeit, alle Färbungs- 
phasen aufzutreten pflegen. Von Pernis apivorus nehmen be- 
sonders ein Jugendkleid, ein einfarbig kaffeebraunes Exemplar 
und ein Stück mit reinweisser Unterseite die Aufmerksamkeit der 
Anwesenden in Anspruch. 

Referent legte ferner 2 stark hahnenfedrige Birkhuhn- 
weibchen vor. Er wies auf die Beschreibung hin, die er von 
dem einen Stücke in Nr. 1, Jahrg. 1899 der ornithologischen 
Monatsschrift zum Schutze der Vogelwelt gab und erwähnt, dass 
die verunglückte Tafel gar kein Bild von der Schönheit und 
Eigenartigkeit des Stückes gebe. Anknüpfend an die 1898er 
Dresdner Verhandlungen zeigte Herr Schlegel ferner 2 3 juv. 
von Tetrao mlokosiewiezi, die doch die Vermutung aufkommen 
lassen, dass das Alterskleid dieses Tetraoniden durch Umfärbung 
angelegt werde. Obwohl im Prinzipe Gegner der Auffassung der 
Umfärbung in diesem Sinne, wollte der Referent doch nicht 
unterlassen, dies den Anwesenden nochmals zur Erwägung und 
Untersuchung anheimzustellen. Der Stoss jedoch zeigte deutlich, 
dass die neuen Federn desselben durch Mauser angelegt waren. 
Nach Ansicht des Referenten ist es physiologisch unmöglich, dass 
die nekrotische Cutispapille einer ausgebildeten Feder nochmals 
aufleben und zu erneutem Wachstum und zur Umformung einer 
Feder Anlass geben könne. 


Herr Thienemann legte vor: 


Die Protokolle und Prüfunglisten der drei ersten Ornitho- 
logen-Versammlungen in Cöthen 1845, in Dresden 1846 und in 
Halle 1847, ferner Manuskripte von J. F. Naumann, E. v. 
Homeyer u. a. Als Kuriosum auch den polizeilichen Erlaubnis- 
schein zur Abhaltung der Versammlung in Halle 1847. 

Das Material ist ihm aus dem Nachlasse seines Grossonkels 
Dr. L. Thienemann zugegangen. 


104 Bericht über die Jahresversammlung. 


Herr Helm sprach über die Beweise Gätke’s für die 
Höhe des Wanderfluges der Vögel. 

An den Vortrag, der inzwischen bereits im Oktoberhefte 
1900 des Journal für Ornithologie erschienen ist, schliesst sich 
eine lange, lebhafte Besprechung. 

Herr Reichenow weist nach, dass die von Gätke ange- 
nommenen Geschwindigkeiten des Vogelfluges unmöglich seien. 
Nach Gätke solle das Blaukehlchen in einer Frühlingsnacht 
von Ägypten bis Helgoland fliegen und in etwa neunstündigem 
andauernden Zuge stündlich je 45 Meilen zurücklegen. Das 
mache in der Sekunde 90 Meter. Für Sumpfvögel berechne 
Gätke die Fluggeschwindigkeit auf 117 Meter in der Sekunde. 
Nun betrage aber die Fluggeschwindigkeit der Brieftauben, die 
einzige Flugbewegung, die bis jetzt mit einiger Sicherheit be- 
rechnet sei, 30 Meter in der Sekunde. Wenn man nun auch 
annehmen wolle, dass ein Blaukehlchen ebenso schnell fliege wie 
eine Brieftaube, was nicht der Fall sei, und wenn man annehme, 
dass die Luftgeschwindigkeit 20 Meter betrage (Geschwindigkeit 
eines Sturmes), so ergebe das erst 50 Meter in der Sekunde, 
also nur die Hälfte der von Gätke angenommenen Flugbewegung. 

Herr König will die ungeheure Schnelligkeit des Fluges 
mancher Vogelarten auf gewaltige Strömungen in den oberen 
Luftschichten zurückführen. 

An den Erörterungen beteiligen sich ferner die Herren 
Nehrkorn, Graf Berlepsch, Helm, Hartert, Freiherr von 
Berlepsch, Lindner, Helm, Matschie und R. Blasius. 
Aus allen diesen Reden und Gegenreden ergiebt sich, dass es 
zur Zeit noch an genauen Beobachtungen über die Schnelligkeit 
des Vogellluges mangelt und dass alle Hypothesen über die Ge- 
schwindigkeit des Wanderfluges auf unsicheren Voraussetzungen 
beruhen. 


Herr Reichenow erhält das Wort zu seinem Vortrage über 
die Beziehungen der Vogelfauna Afrikas zu denen anderer 
Tiergebiete. 

Der Vortragende weist auf die Fortschritte hin, die während 
der letzten drei Jahrzehnte in der Ornithologie Afrikas gemacht 
worden sind. In den siebziger Jahren kannte man aus Afrika 
etwa 1600 Arten, heut lässt sich die Zahl auf gegen 2500 schätzen. 
An Artenzahl steht Afrika nur Südamerika nach. Redner geht 


Bericht über die Jahresversammlung. 105 


sodann auf die Beziehungen der afrikanischen Vogelwelt zu den 
anderen Tiergebieten näher ein. Die meiste Übereinstimmung hat 
die Vogelfauna Afrikas mit der des indischen Gebietes. Enge 
Beziehungen bestehen aber auch zwischen der afrikanischen und 
europäisch-sibirischen Vogelfauna, was aus der Entstehung der 
Vogelwelt in den nördlichgemässigten Breiten sich erklärt, denn 
unsere Vögel sind zum grossen Teil nach der Eiszeit von Süden 
her und hauptsächlich von Afrika in ihre jetzigen Wohngebiete 
eingewandert. 

Am Schlusse seines Vortrages legt Hr. Reichenow den 
ersten Teil seines Werkes „Die Vögel Afrikas‘ der Versammlung vor. 


Hierauf erhält Herr Kollibay das Wort zum Berichte 
über die Kassenprüfung. Es wird Entlastung erteilt und der 
Vorsitzende spricht unter dem Beifall der Versammlung dem 
Kassenführer, Herrn Deditius, den Dank der Gesellschaft für 
seine ausgezeichnete Verwaltung aus. 


Als nächster Vortragende ergreift Hr. Schalow das Wort. 


Über die Herausgabe 
einer ornithoiogischen Bibliographie Deutschlands. 


Von Herman Schalow. 


In dem ersten Bande der Birds of the Colorado Valley, 
welchen Elliott Coues im Jahre 1878 veröffentlichte, findet sich 
am Schluss desselben ein Bibliographical Appendix !), welcher, mit 
dem Jahre 1612 beginnend, eine Liste der faunistischen Ver- 
öffentlichungen über die nordamerikanische Vogelfauna enthält. 
Derselbe ist im Sinne des Herausgebers als „the first instalment“ 
einer umfangreichen Universal Bibliographie der gesamten Orni- 
thologie zu betrachten. 

In dem darauf folgenden Jahre, 1879, erschien eine zweite 
Arbeit?) desselben Autors, welche die faunistischen Publicationen 
über die Vögel des nicht nearktischen Gebietes von Amerika zu- 
sammenstellt. 


1) Birds of the Colorado Valley, a repository of scientific and po- 
pular information eoncerning North American Ornithology by Elliott Coues. 
Pt. 1. Washington 1878. Bibliographical Appendix p. 567— 784. 

2) Second Instalment of American Ornithological Bibliography 
(Bull. U. St. Geolog. and Geogr. Surv. of the Territories. vol. 5. No. 2. 
8. Sept. 1879. 


106 Bericht über die Jahresversammlung. 


Der dritte!) den Gegenstand behandelnde Aufsatz Elliott 
Coues’ giebt die Titel aller derjenigen Veröffentlichungen, welche 
sich in systematischer Hinsichtmitden Vögeln Amerikas beschäftigen. 

In den einleitenden Worten des ersten Teils dieser biblio- 
graphisch-ornithologischen Arbeiten sind von dem berühmten 
amerikanischen Vogelkundigen eingehend die Grundzüge erläutert 
worden, welche ihn bei der Bearbeitung der Materie leiteten. 
Die hier niedergelegten Grundzüge sind als bindende und aus- 
schliesslich massgebende für Veröffentlichungen dieser Art zu 
bezeichnen. Nicht nur für heute und morgen, sondern unbe- 
stritten für alle Zeit. Diese Arbeiten des der Wissenschaft zu 
früh entrissenen amerikanischen Forschers sind mustergültig und 
werden es auch immer bleiben. 

In seinen bibliographischen Veröffentlichungen werden von 
Coues die Titel der einzelnen Arbeiten in chronologischer Reihen- 
folge gegeben. Zum schnelleren Auffinden des Gesuchten sind 
dann dem Hauptteil der Arbeit zwei alphabetisch geordnete 
Indices beigefügt, von denen der eine ein Verzeichnis der geo- 
graphischen Gebiete, der zweite ein solches der einzelnen Autoren 
giebt. So ist einerseits dem practischen Bedürfnis Rechnung 
getragen und andererseits zugleich durch die chronologische An- 
ordnung des Stoffes ein Überblick über die historische Entwickelung 
der Materie gegeben, welcher bei einer Aufzählung der einzelnen 
Arbeiten nach alphabetischer Anordnung der Autoren, wie sie 
bei uns in Deutschland meist beliebt wird, vollständig verloren 
geht. Den grössten Wert bei derartigen Arbeiten hat Coues auf 
bibliographische Genauigkeit gelegt. „The title is a thing,“ 
sagterin den einleitenden Worten seiner ersten Übersicht „no more 
to be mutilated than a man’s name; and the compiler must take 
the utmost pains to secure transcription of titles verbatim, 
literatim et punctuatim. It may be added, that excepting 
in certain specified cases, no title in this Bibliography has 
been taken at second-hand.“ Das sind Grunsätze, die bei jeder 
wissenschaftlichen Bibliographie eingehalten werden sollten. 


Die vorgenannten Arbeiten Elliott Coues fanden die unge- 
teilteste Anerkennung aller Fachgenossen. Die Sichtung des un- 


!) Third Instalment of America Ornithological Bibliography (Bull. 
U. 8. Geolog. and Geogr. Survey of the Territories. vol. 5. No. 4, 1879. 
p. 521—1066 [erschienen Sept. 1880), 


Bericht über die Jahresversammlung. 107 


geheuren und zerstreuten Materials war hier bei kritischer 
Auslese in geradezu mustergültiger Weise geschehen. Die „Nature“ 
berichtete s. Z., dass Dr. Coues eine von Flower, Huxley, Darwin, 
Mivart, Wallace, Gould, Sclater, Günther, Newton u. a. gezeichnete 
Denkschrift erhalten hätte, welche ihn zu der Herausgabe seiner 
biblographischen Arbeiten beglückwünschte und dabei die ganz 
besondere Befähigung des amerikanischen Forschers für derartige 
Untersuchungen betonte. Dabei wurde auf die Wichtigkeit, um 
nicht zu sagen Notwendigkeit der Herausgabe einer Bibliographie 
der gesamten Ornithologie hingewiesen und zugleich der Wunsch 
ausgesprochen, dass bald eine den amerikanischen Übersichten 
ähnliche Arbeit über die britischen Inseln erscheinen möge. 

Im Jahre 1880 erfüllte Elliott Coues diesen letzteren 
Wunsch. Es erschien der vierte!) Teil seiner bibliographischen 
Untersuchungen, welcher die englische Fauna behandelt. Leider 
fanden die ornithologischen Veröffentlichungen dieser Art Elliott 
‚Coues’ damit ihren Abschluss. 

Die Wichtigkeit und Bedeutung bibliographischer Arbeiten 
sind längst anerkannt, sodass sie nicht an dieser Stelle besonderer 
Darlegung bedürfen. Sie sind eine Notwendigtkeit für jeden, 
der wissenschaftiich arbeiten will. Sie allein gewähren eine 
schnelle Orientierung über die Literatur eines Gebietes. Auch 
in Deutschland hat man dies lange empfunden und das Fehlen 
einer solchen Arbeit schmerzlich bedauert. Vor zwanzig Jahren 
hatten Anton Reichenow und der Verfasser dieser Zeilen damit 
begonnen, das zerstreute Material für eine bibliographisch-ornitho- 
logische Arbeit zu sammeln. Doch die Schwierigkeiten, die sich 
solchem Versuch entgegenstellten, wurden anfangs unterschätzt 
und führten später zum Aufgeben der Arbeit. Aber es dürfte 
sich als notwendig erweisen, die Arbeit auf's neue, und zwar 
auf breiterer Grundlage in Angriff zu nehmen. Nur wenige 
brauchbare Veröffentlichungen über einzelne deutsche Gebiete 
giebt es, die als Vorarbeiten herangezogen und benutzt werden 
könnten. So die ganz vortreffliche Übersicht über die Vogelfauna 
von Braunschweig?) und der angrenzenden Gebiete, welche von 


1) Fourth Instalment of Ornithological Bibliography: being a list 
of faunal publications relating to British Birds. (Proc. United St. Nat. 
Mus. vol. 1I, May 1880, p. 359-—475.) 

2) Wilh. Blasius, Die faunistische Literatur Brauschweigs und der 
Nachbargebiete mit Einschluss des Harzes. Braunschweig 1891. gr. 80. 2398. 


108 Bericht über die Jahresversammlung. 


unserem verehrten Geheimrat Wilhelm Blasius verfasst worden 
ist, und die auch in der Einleitung beherzenswerte Winke enthält; 
so ferner auch verschiedene bibliographische Zusammenstellungen, 
welche einzelnen faunistischen Arbeiten, die im Journal für Orni- 
thologie und in anderen Zeitschriften erschienen sind, beigegeben 
wurden. Durchaus unzulänglich und vom Standpunkt ornitho- 
logisch-bibliographischer Arbeiten meist lückenhaft ist das in 
den verschiedenen „Mitteilungen zur deutschen Landeskunde“ 
enthaltene Material. Auch die grossen ornithologischen bezw. 
allgemein zoologischen Repertorien von Giebel, Carus, Taschen- 
berg u. a. lassen den Suchenden oft im Stich. Das in vielen 
kleinen localen Zeitschriften verzettelte und zerstreute Material 
findet sich in den oben genannten Veröffentlichungen nur aus- 
nahmsweise benutzt. Ich möchte hier z. B. an die Zeitschriften, 
Veröffentlichungen, Jahres- und Sitzungsberichte der naturwissen- 
schaftlichen Vereine, Gesellschaften und Societäten von Landshut, 
Ulm, Elberfeld, Schleswig, Cassel, Frankfurt a. O., Luxemburg, 
Posen, Chemnitz, Nürnberg, Osnabrück, Magdeburg, Danzig, 
Bistritz, Erlangen erinnern, auf die Schriften des Vereins für 
Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Landesteile in 
Donaueschingen, auf die Jahreshefte des naturw. Vereins für das 
Fürstentum Lüneburg, u. s. w. hinweisen, alles Veröffentlichungen, 
in denen sich mannigfache kleine Notizen, die meist übersehen 
werden, befinden. 

Ich denke mir eine bibliographische Bearbeitung der ornitho- 
logischen Literatur Deutschlands wie folgt: Deutschland ist 
aus Zweckmässigkeitsgründen für eine derartige Arbeit als 
politisches Gebiet aufzufassen und demgemäss die Übersicht 
der einzelnen Veröffentlichungen zu begrenzen. Würde man das 
deutsche Sprachgebiet der Arbeit zu Grunde legen, so müsste 
eine Anzahl heterogener Gebiete Aufnahme finden. Hierin liegt 
eine gewisse Schwierigkeit. Elliot Coues war bei seinen Arbeiten 
in der glücklichen Lage, geographisch abgegrenzte Gebiete be- 
handeln zu können. Die Bearbeitung des deutschen Materials 
müsste durchaus nach den von dem vorgenannten Ornithologen 
festgelegten Grundsätzen stattfinden. Sie würde für Deutschland 
alles das umfassen, was Coues in seinen drei Beiträgen für 
Amerika gegeben hat. Es würden also alle localen faunistischen 
Arbeiten zu berücksichtigen sein, ferner alle biologischen Be- 
obachtungen soweit dieselben nicht genereller Natur sind, und alle 


Bericht über die Jahresversammlung. 109 


systematischen Arbeiten, die im Titel oder im Text erkennbar 
deutsche Vögel behandeln. Doch all diese Einzelheiten sind 
curae posteriores und bleiben späterer Aufstellung eines gemein- 
samen Arbeitsmodus vorbehalten. 

Ich möchte die wenigen vorstehenden Worte über diesen 
Gegenstaud dahin zusammenfassen, dass ich bei der heutigen 
fünfzigsten Jahresversammlung unserer deutschen ornithologischen 
Gesellschaft, unter Betonung der ausserordentlichen Bedeutung 
dieser Arbeiten, den Antrag stelle: 

geneigtest beschliessen zu wollen, dass Seitens unserer 

Gesellschaft eine Ornithologische Bibliographie Deutschlands 

bearbeitet werde, und dass eine hierfür zu wählende Commission 

den Plan der Arbeit und der Arbeitsteilung der Geseilschaft 
vorlegen solle; 

und dass ich mit diesem Antrage die Bitte verknüpfe: 
den Referenten in die betreffende Commission wählen zu wollen. 


Die Versammlung beschliesst nach dem Antrage des Redners 
die Herstellung einer ornithologischen Bibliographie Deutschlands 
in die Hand zu nehmen und beauftragt Herrn Schalow mit der 
Übernahme der Vorarbeiten. 


Bemerkungen 
zur Zoogeographie des westlichen Mikronesiens. 


Von Paul Matschie. 


Mit dem Namen Mikronesien umfasst man diejenigen Inseln 
des Grossen Oceans, welche von 130° östl. Länge nach Westen bis 
180° im wesentlichen zwischen dem Wendekreise des Krebses 
und dem Äquator liegen. 

Es sind die Palau-Inseln, Yap, die Marianen, Karolinen, 
Marshall- und Gilbert-Inseln. Über die Vogelwelt der letzten 
beiden Gruppen wissen wir noch sehr wenig; da sie nur aus 
Koralleninseln bestehen, so werden sie wahrscheinlich solche 
Formen nicht mehr besitzen, welche ihnen allein eigentümlich sind. 

Über die Ornis der Palau-Inseln, von Yap, den Karolinen 
und Marianen sind wir durch die Forschungen von Kubary, 
Finsch, Owston, Quoy, Gaimard, Hombron, Jacquinot, 
Kittlitz, Marche, Freycinet, Tetens und anderen besser 
unterrichtet, wiewohl auch hier noch sehr viel zu thun übrig bleibt. 


110 Bericht über die Jahresversammlung. 


Lionel W. Wiglesworth hat in den Abhandlungen und 
Berichten des Kgl. Zoologischen und Anthropologisch- Ethnogra- 
phischen Museums zu Dresden, 1890/91 Nr. 6, unter dem Titel 
Aves Polynesiae einen Catalog der Vögel Polynesiens heraus- 
gegeben, welcher auch Zusammenstellungen der in den hier zu 
behandelnden Gebieten vorkommenden Arten enthält. In dieser 
schönen Arbeit findet man ferner unter der Synonymie bei jeder 
Art die wichtigen Hinweise auf die Literatur. 

Von späteren Veröffentlichungen über Mikronesien erwähne ich: 


0. Finsch. Systematische Übersicht der Ergebnisse 
seiner Reisen und schriftstellerischen Thätig- 
keit, 1859—1899. Berlin 1899. 

L. W. Wiglesworth. KRemarks on the Birds of the 
Gilbert Islands. Ibis 1893. p. 210-215. 

W. von Rothschild. A New Species of Rail. Novi- 
tates Zoolog. II. 1895. p. 481. [.Rallus 
owstoni von Guam]. 


= 


. ÖOustalet. Les Mammiferes et les Oiseaux des 
Iles Mariannes. Nouv. Arch. Mus. Hist. Nat. 
Paris VII, 1895. p. 181—228. VIII, 1896. 
p- 25 —74. 

‘. Hartert. On tbe Birds of the Marianne Islands. 

Nov. Zool. 1898. p. 51—69. 


E. Hartert. Tephras ruki Bull. Brit. Ornith. Club 
XLVII, Okt. 1897. 


E. Hartert. The Birds of Ruk in .the Central Caro- 
lines. Nov. Zool. 1900. p. 1-11. 

Die in Mikronesien vertretenen Gattungen sind in der Mehr- 
zahl auch auf Neu-Guinea vorhanden. Mit den Schwimmvögeln 
sowie den Strand- und Sumpfvögeln will ich mich hier nicht 
weiter beschäftigen: sie sind zum grössten Teil weit verbreitet. 
Nur eine Ente auf den Marianen (Anas oustaleti), eine Ralle auf 
Kuschai (Aphanolimnas monasa) und das Purpurhuhn erwecken 
grösseres zoogeographisches Interesse. 


es 


Ferner dürfen wir von unserer Betrachtung auch alle die- 
jenigen Arten ausschliessen, welche aus Asien nur zu bestimmten 
Jahreszeiten erscheinen. 

Somit beschränken wir uns auf die Brutvögel. 


Bericht über die Jahresversammlung. 111 


Aus der Literatur habe ich folgende Übersicht zusammer- 
gestellt, welche die Verteilung der einzelnen Vogelformen in 
Mikronesien erläutert. (s. Übersicht I. auf $. 112 und 113). 

Hiernach leben folgende Gattungen nur auf je einer Insel- 
gruppe: 

[die mit * bezeichneten sind von keinem anderem Fundorte bekannt] 

Palau-Inseln: Scops, Caprimulgus, Artamus, Pinarolestes, 
* Psammathia, Caloenas, Porphyrio. 

Yap: *Pomarea, Edolvisoma. 

Marianen: Corvus, Anas, *Oleptornis. 

Karolinen: Chalcopsitta, Oalornis, Erythrura, *Metabolus, *Aplo- 
nis pelzelni, *Aphanolimnas. 

Alle oben genannten Formen müssen vielleicht für die be- 
treffenden Inseln als charakteristisch angesprochen werden; die 
Möglichkeit ist aber vorläufig noch nicht ausgeschlossen, dass sie 
auch noch an einer andern Stelle mit denselben Arten resp. 
Abarten vertreten sind. Deshalb würde es unvorsichtig sein, auf ihr 
Vorkommen hin Betrachtungen über die zoogeographischen Be- 
ziehungen der einzelnen mikronesischen Inselgruppen anzustellen. 

Wesentlich günstigere Verhältnisse bieten uns diejenigen Gat- 
tungen dar, welche auf mehreren oder allen von uns zu betrachtenden 
Inseln vertreten sind. Allerdings müssen wir von vornherein Collo- 
calia, Myzomela, Aplonis kittlitzi und Carpophaga ausschliessen, 
weil sie nur in je einer einzigen Form in Mikronesien auftreten. 

Es bleiben noch die in der Übersicht I. (s. $. 113) zusam- 
mengestellten Gattungen übrig, über die folgendes zu bemerken ist: 

Myiayra pluto ist sehr verschieden von M. oceanica und 
ebenso Tephras ruki und ponapensis; ich halte es sehr wohl für 
möglich, dass M. pluto neben M. oceanica und T. ruki neben T. 
ponapensis lebt. Zosterops, Acrocephalus, Phlegoenas und Piik- 
nopus sind auf Ruck und Ponape durch dieselbe Abart vertreten; 
auch die Erythrura sieht auf beiden Inseln gleich aus. 

Es scheint also, dass Ponape und Ruck eine gleich- 
artige Vogelwelt besitzen. 

Ualan ist noch sehr wenig bekannt; der kleine graue Zosterops 
von dort (T. cinereus) gehört, aber nicht zu derselben Form, 
welche Ponape bewohnt, sondern zu einer sehr ähnlichen, aber 
doch verschiedenen und die Ptilinopus-Taube von Ualan unter- 
scheidet sich ebenfalls von der Ponape-Taube durch bestimmte 
Merkmale. 


Bericht über die Jahresversammlung. 


112 


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BUTAIOI BUTAAOI STULOIEN 
TZyyıN 

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sIsuaon.ı snjoqeIoN 
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113 


Bericht über die Jahresversammlung. 


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114 Bericht über die Jahresversammlung. 


Dagegen wird für Ualan dieselbe Form von Acrocephalus 
angegeben, wie für Ruck und Ponape. 

Da auf Ruck auch der fliegende Hund, Pieropus, in einer 
andern Abart auftritt als auf Ualan, so glaube ich, dass diese 
Insel gewisse, nur ihr eigentümliche Tierformen besitzt, welche auf 
den mittleren Karolinen durch verwandte Abarten ersetzt werden. 

Ualan wird also wahrscheinlich in einem andern 
zoogeographischen Gebiete liegen als Ruck und Po- 
nape. 

Auf Yap sind die Gattungen Khipidura, Zosterops, Thephras 
und Phlegoenas durch Formen vertreten, welche nur von dort 
bekannt, aber auf den Palau-Inseln und den Marianen durch 
sehr nahe verwandte Abarten ersetzt sind. 

Yap muss also zoogeographisch sowohl von den 
Palau-Inseln als auch von den Marianen getrennt 
werden. Diese beiden letzteren unterscheiden sich ebenfalls 
voneinander in hohem Grade, die Gattungen Halcyon, Rhipidura, 
Myiagra, Zosterops, Phlegoenas, Ptilinopus und Megapodius sind 
durch eigentümliche, aber verwandte Formen vertreten. Beide 
unterscheiden sich aber in ihren faunistischen Verhältnissen auch 
von den Karolinen; denn die vorher genannten Gattungen leben 
auf diesen in andern Abarten als auf den Palau-Inseln und Ma- 
yjanen. Guam und Saipan scheinen zoogeographisch fast voll- 
ständig übereinzustimmen; wir finden aufihnen dieselben Vertreter 
der Gattungen Acrocephalus, Phlegoenas, Ftilinopus und Mega- 
podius. Der Zosterops von Saipan scheint allerdings nach Hartert 
etwas anders auszusehen als derjenige von Guam; Hartert hat 
auch die Rhipidura, welche Saipan bewohnt, von der Guam- Rhi- 
pidura getrennt. 

Haleyon albicilla von Saipan ist mit HA. cinnamomina von 
Guam so wenig verwandt, dass beide auch nebeneinander vor- 
kommen könnten. 

Vorläufig lässt es sich noch nicht entscheiden, ob 
die nördlichen Marianen von den südlichen zoogeo- 
graphisch verschieden sind. 

Wir haben also 5 kleine Faunengebiete zu unterscheiden, 
deren jedes einige nur ihm eigentümliche Vogelformen enthält: die 
Palau-Inseln, Yap, die Marianen, die westlichen Karo- 
linen mit Ruck und Ponape, die östlichen Karolinen mit 
Ualan. 


Bericht über die Jahresversammlung. 115 


Über Merops saladorii A. B. M. 
Von Dr. J. v. Madaräsz. 
(Hierzu Tafel I). 


Das ungarische National Museum besitzt zwei alte männ- 
liche Exemplare dieser Art, und zwar aus Deutsch Neu-Guinea. Dr. 
A. Reichenow bezeichnet in seinem trefflichen Werke: „Die 
Vögel der Bismarckinseln‘“ (Mitth. aus d. Zool. Samm. d. Mus. f. 
Naturk. I. H. 3. p. 77. 1899.) diese Art als den Bismarckinseln 
eigentümlich, und behauptet, dass nur ein einziges junges Exemplar 
des Meyer’schen Typus bekannt sei. Wie es scheint, hat Dr. 
Reichenow meinen Aufsatz „Samml. Fenichels Ornith. Ergebnisse 
aus dem Finisterre Gebirge in Neu Guinea (1892—93)“ (Aquila, 
p- 72—106, 1894) bezw. den diesbezüglichen Passus desselben 
(p- 97) nicht zu Gesicht bekommen. Ich habe damals unsere 
Exemplare auf Grund Studiums und der Meinung von R. B. 
Sharpe und Count T. Salvadori zu Merops salvadorii gezogen. 
Sharpe hat unsere Exemplare mit folgender Bemerkung versehen: 
„Ihey cannot be referred to M. philippinus, and they belong, 
in all probability to the bird from New Britain, which Dr. Meyer 
named Merops salvadorü. Unfortunately the specimen described 
by Dr. Meyer was immature, and we do not find all his diffe- 
rences borne out by the adult bird from the Finisterre Mountains. 
The golden olive tint at the upper surface and the more golden green 
shade which overspreads the lower surface, the lighter blue of 
the upper tail-coverts, and the slightly greener tail, all characters 
selected by Dr. Meyer for bis M. salvadori, are present in the 
Finisterre specimens In addition to these well-marked differences 
from M. philippinus there is also the narrower moustachial streak, 
which is white or pale blue in M. salvadorii, not brillant blue; and 
the frontal and superciliary streak, which is blue in M. philippinus, 
is yellowish with scarcely any tint of blue in M. salwadoriüi.“ 

Unsere betreffenden Exemplare aus Deutsch Neu-Guinea 
können nichts anderes als zwei alte, entwickelte Exemplare von 
M. salvadorii sein. Diese Vögel unterscheiden sich schon auf 
den ersten Blick durch ihre lebhaft goldolive Färbung von M. 
philippinus. Ausser diesem Hauptmerkmale unterscheiden sich 
dieselbenauch dadurch, dassderschmale Stirnrand gelblich weiss statt 
blau ist, ferner dass der seitlich der kastanienbraunen Kehlfärbung 
befindliche lichte Teil bei dem einen Exemplar rein gelblich- 
weiss ist, bei dem andern aber ins Blassblaue übergeht, nicht aber 
lebhaft lichtblau ist, wie bei M. philippinus. Die zwei mittleren 
Schwanzfedern sind bei beiden Exemplaren sehr lang, die übrigen 
Schwanzfedern bei einem 74, beim andern um 85 mm. überragend. 

Länge circa 31—32, Flügel 12,8—13,3, Schwanz 10—10,5 
(Mittelschwänzfeder 17,5—18), Culm. 4,1—4,3, Tarsus 1,1 cm. 

Fenichel hat diese Vögel in Deutsch-Neu-Guinea in der 
Umgebung des Dorfes Bongu, am 26. u. 27. August 1892 erlegt. 


gr 


116 Bericht über die Jahresversammlung. 


Hiernach ergreift der Vorsitzende das Wort: 


Reiseskizzen aus dem Nordwesten Frankreichs, 


‚mit besonderer Berücksichtigung der 
naturhistorischen Sammlungen. 


Von Professor Dr. R. Blasius. 


Das Gebiet, das ich heute im Geiste mit Ihnen durch- 
wandern möchte, umfasst den Nordwesten unseres westlichen 
Nachbarlandes, begrenzt im Osten vom Flusslauf der Seine, im 
Norden vom Kanal, im Westen vom atlantischen Ocean, im Süden 
von der Loire, entsprechend den bis 1790 geltenden Gouverne- 
ments: Normandie, Bretagne, Anjou, Touraine und Orleanais. Seit 
der französischen ersten Revolution sind officiell die alten Namen 
den neuen Departements-Bezeichnungen gewichen und entspricht 
ungefähr jetzt die Normandie den Departements: Seine-Infe- 
rieure, Eure, Calvados, Orne, Manche, die Bretagne: Ille et 
Villaine, Cötes du Nord, Finistere, Morbihan, Loire-Inferieure, 
Anjou: Maine et Loire, Touraine: Indre et Loire und 
Orleanais: Loiret, Eure et Loir, Loir et Cher. — Abgesehen 
von den beiden grossen Becken der Seine und Loire, bietet das 
Gebiet namentlich im Norden und äussersten Westen eine Reihe 
von kleineren Flussbecken, deren Ausmündungen sich direct in 
das atlantische Meer und den Kanal ergiessen. Von der Loire- 
bis zur Seinemündung gerechnet, sind es: Vilaine, Blavet, Aune, 
Rance, Orne, wenn man von den kleineren Flüsschen absehen will. 

Grosse, hohe Gebirge finden sich im Gebiete nicht, die 
Normandie bietet den Charakter eines anmutigen Hügellandes; 
die Bretagne, ein grosses Granitplateau, zeigt 3 kleinere Erhe- 
bungen, die Montagnes d’Arree, die sich vom Meere von der 
Rade de Brest östlich bis zum Le Men& südlich vom St. Brieuc 
fortsetzen, nördlich am rechten Ufer der Aune, die Montagnes 
noires, südlich am linken Ufer der Aune, und die Landes de 
Lanvaux nördlich von der Vilaine; Anjou, Touraine und Orleanais 
sind flache Gezenden. 

Die Wälder sind seit der ersten französischen Revolution 
sehr verkleinert, von 12 Millionen Hektar auf 8 Millionen 400000 
herabgesetzt, in der Bretagne finden sich noch viele, grosse, 
zusammenhängende Forsten, ebenso in der Normandie. Der 
Hauptbaum ist die Eiche. 

Wenn man Frankreich nach der Hauptproduktion in 5 
Zonen teilt, von Südosten nach Nordwesten gerechnet, die Zone 
der Orangen, der Olbäume, des Mais, der Weintraube und des 
Apfelbaumes, so gehört unser Gebiet hauptsächlich der Zone des 
Apfelbaumes, nach Süden begrenzt durch eine Linie, vom Golf 
von Morbihan nach den Ardennen, und ragt nur an den Ufern 
der Loire in das Nordgebiet der Zone des Weines. Frankreich ist 
ausserordentlich fruchtbar, fast95Prozent desLandes sind ceultiviert,in 


Bericht über die Jahresversammlung. 117 


unserem Gebiete wird namentlich viel Getreide (Roggen, Weizen 
und Hafer), und Kartoffeln gebaut, der Obstbau (Apfel und Erd- 
beeren) getrieben und sehr viel Wiesenkultur für Viehzucht 
ausgeübt. Odland findet sich namentlich in der Bretagne, wo 
Ginstern und DUlex europaeus oft meilenweit die Hochflächen 
des Granitplateaus bedecken. Nichts destoweniger ist im Ganzen 
das Land sehr reich, man rechnet im Ganzen auf einen Hektar 
ce 53 fres. jährliches Einkommen, und Land, Gebäude, Inhalt 
der Wohnungen zusammengezählt, durchschnittlich auf jeden 
Einwohner Frankreichs 8400 fres. 

Dementsprechend hat das Land schon lange die Früchte 
einer solchen Wohlhabenheit genossen, die Hauptstädte der 
früheren Gouvernements, früherer Herzogtümer und Königreiche, 
die Hauptstädte der jetzigen Departements zeigen alte pracht- 
volle, öffentliche Gebäude und Kirchen. Die Städte wetteifern 
darin, eigene Museen, sowohl auf dem künstlerischen, wie auf 
dem naturwissenschaftlichen Gebiete zu besitzen und häufig haben 
serade die einzelnen Gemeindeverwaltungen hierin mehr noch 
geleistet als der Staat. 

Land und Leute, Kunst und Wissenschaft zu studieren, 
war der Zweck meiner diesjährigen Erholungsreise nach dem 
Nordwesten Frankreichs. 

Nach einem flüchtigen Besuche von Aachen betraten wir 
französischen Boden nach einer kurzen Fahrt durch das industrien- 
reiche malerische Belgien am 23. Mai und trafen noch an dem- 
selben Abend ein in 

Amiens, der alten Hauptstadt der Picardie, jetzt Haupt- 
stadt des Departements der Somme, schon seit der Römerzeit 
bestehend, damals „Samarobriva“ genannt, als Hauptstadt der 
Ambianer, von Julius Cäsar erobert. Ausser der prachtvollen, 
von 1220 — 1288 erbauten gothischen Kathedrale, einer der 
schönsten Frankreichs, besitzt die Stadt ein prächtiges Museum 
mit Kunstsammlungen (Catalogue descriptif des tableaux et 
seulptures du Musee de Picardie von 1899) und interessanten 
Altertümern und im botanischen Garten ein Kabinet mit einer 
kleinen naturhistorischen Sammlung. Nordwestlich von 
der Stadt, am rechten Ufer der Somme, die die Stadt durchfliesst, 
ist eine ausserordentlich intensive Gartenwirtschaft (Hortillonages) 
entwickelt. Das Land (,„Santerre‘“ genannt) erscheint sehr frucht- 
bar, schwarze Ackererde darbietend, ist überall von kleinen 
Kanälen durchzogen, auf denen die Gärtner in ihren kleinen, 
einrudrigen Booten hin und herfahren, um die Gemüse zu 
pflanzen, zu begiessen und zu ernten und auf denen sie dann die 
Gemüse und Früchte offenbar direct in die Stadt hinein befördern 
können. — In der Nähe des Museums befindet sich die städtische 
öffentliche Bibliothek mit mehr als 80000 Büchern und 572 
Manuskripten. — Die Lage der Stadt ist überaus anmutig, die 
alten Festungswerke sind zu Promenaden und Parkanlagen um- 


118 Bericht über die Jahresversammlung. 


gestaltet, die zahlreichen, nahen Arme der Somme bieten für die 
Singvögel grosse Anziehungspunkte, in unserem Hötel-Garten 
lauschten wir dem prachtvollsten Gesange der Nachtigall (Lusei- 
 nia luscinia). 

Durch ein reizendes Hügelland, mit abwechselndem Walde, 
im vollsten Apfelbaumblütenschnucke stehenden Obstgärten, 
grünenden Kornfeldern, gelangt man in 31/, Stunden nach 

Rouen, äusserst malerisch im Seine-T'hal gelegen, der alten 
Hauptstadt der Normandie, jetzt Hauptstadt des Departements 
„Seine inferieure‘, mit 113219 Einwohnern, der wichtigsten 
Stadt Frankreichs für mittelalterliche Baudenkmäler. Die Stadt 
bestand unter dem Namen „Rotomagus“ schon zur Zeit der 
Römer und wurde 841 von den Normanen bei ihrem ersten Ein- 
falle nach Frankreich erobert. Abgesehen von dem prachtvollen, 
Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts erbauten Justiz- 
palast, der vom 13. bis 16. Jahrhundert errichteten Cathedrale 
Notre Dame, der Kirche St. Maclou aus dem 15 Jahrhundert, 
der Kirche St. Ouen aus dem 14. Jahrhundert, dem architectonisch 
hochinteressanten Hötel du Bouretheroulde aus dem 15 und 
16. Jahrhundert und einer 132000 Bände, 3500 Manuskripte und 
2000 normannische Portraits umfassenden Bibliothek besitzt 
die Stadt 3 Museen, ein Musde des beaux arts mit Sculp- 
turen, Bildern (Catalogue des ouvrages de peinture, dessin, 
sculpture et architecture par Edmond Lebel) von 1890 und einer 
grossartigen Fayence-Sammlung von Rouen, ein Museed’anti- 
quitds mit entzückenden alten Holzmöbeln und ein Muse&e 
d’Histoire naturelle. Dasselbe enthält eine allgemeine 
sehr interessante Vogelsammlung mit schön aufgestellten Exem- 
plaren. Vor allem fielen mir einige malerische Gruppen von 
Seevögeln auf, die in der Art des Museum Booth in Brighton 
mit entsprechender Staffage, z. B. die Möven uud Alken an 
steilen Felswänden nistend, aufgestellt waren, dann hatte man 
eine sehr lehrreiche natürliche Nestersammlung zusammengebracht 
und in einzelnen Fällen, z. B. bei den Uferschwalben und Eis- 
vögeln die Nistweise künstlich dargestellt, höchst instructive 
Schaustücke für das besuchende Laienpublikum. Sehr interessant 
ist auch ein in plastischen Formen dargestellter normannischer 
Geflügelhof, in dem die in der Normandie gezüchteten Racen von 
Hühnern, Tauben, Enten u. s. w. in sehr niedlichen natürlichen 
Gruppierungen vorgeführt werden. Offenbar hatte man auch an- 
gefangen, eine normannische Localsammlung anzulegen, die 
Hauptsache ist aber die reichhaltige allgemeine Vogelsammlung. 
— Von Säugetieren sind nur einige gut ausgestopft, z. B. 
ein in der Nähe geschossener Edelhirsch (Cervuus elaphus). — 
Abends unternahmen wir mit einer electrischen Bahn einen Aus- 
flug nach der Eglise Bonsecours, einer 3 Kilometer strom- 
aufwärts auf einem 150 m hohen vorspringenden Hügel des 
rechten Seine-Ufers gelegenen Wallfahrtskirche mit prächtiger 


Bericht über die Jahresversammlung. 119 


Aussicht auf das malerische Flussthal und die meilenweit sich im 
Westen und Norden ausdehnenden Waldungen. Daneben ist ein 
Denkmal der Jungfrau von Orleans errichtet, die in 
Rouen auf dem Place du Vieux-Marche verbrannt wurde, wie an 
der Stelle auf dem Platze in einer Inschrift bemerkt wird. Es 
siebt wenige Punkte in der Normandie, die eine so schöne und 
zugleich characteristische Aussicht bieten, die zahlreichen breiten 
Bogenlinien der Seine erinnern mit den bewaldeten Inseln an den 
Rhein, die waldigen Hügel an Thüringens Berge, dazwischen 
dann die tausende und abertausende von blühenden Apfelbäumen, 
die die Landschaft so entzückend verschönern. 

Am andern Morgen besuchte ich die Privatsammlung 
von Herrn 

Gadeau de Kerville in der Vorstadt St. Severe, Rue 
Dupont, No 7. Der gelehrte Verfasser der Faune de la Nor- 
mandie (in 4 Abteilungen erschienen im Bulletin de la Soeciete 
des Amis des Sciences naturelles de Rouen, die Vögel speciell, 
Fasc. II, im 1. Semester 1889 mit einem Nachtrage im 2. Se- 
mester 1896), der sich mit der gesamten Zoologie, auch mit 
den niederen Tieren: Mollusken, Krebsen u. s. w. befasst und 
bereits eine grosse Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten, zuletzt 
auch aus dem Gebiete der Botanik, geliefert hat, wohnt bei 
seinen Eltern, besitzt eine reiche Privatbibliothek (speciell auch 
auf ornithologischen Gebiete sind die hauptsächlichsten Local- 
faunen der verschiedenen Departements vertreten), ist kein Feld- 
Ornitholog. Die meisten Angaben in seinen Vögeln der Normandie 
stammen aus Sammlungen, Büchern und von Angaben Anderer. Die 
Vogelsammlung ist klein, enthält sehr viele Ausländer, namentlich 
solche, die draussen in der prachtvollen Voliere von Gadeau’s Mutter 
eingegangen sind. In der Voliere selbst flogen noch viele Pa- 
pageien, Tauben, Fasanen u. s. w. umher, auf den Teichen tum- 
melten sich sehr schöne Prachtenten (Anas sponsa, perspicillata 
u. Ss. w.) und entzückende Jagdhunde gaben dem Besucher 
ihr Geleit. Dazu kam dann noch ein sehr schön eingerichtetes 
Laboratorium mit Mikroskopen. Kurzum Alles heimelte den Be- 
sucher an, wenn er unter der Führung des liebenswürdigen Be- 
sitzers diese Schätze in Augenschein nehmen durfte. 

Eine reizende abwechslungsreiche Fahrt führte uns durch 
gebirgiges bewaldetes Terrain am Nachmittage nach 

Elboeuf, einem kleinen modernen Städtchen mit 20542 
Einwohnern, das seit dem 18. Jahrhundert berühmt ist durch 
seine Tuch-Fabriken und offenbar viel Reichtum in sich birgt. 
In einem grossen modernen Stadthause befindet sich im Erd- 
geschoss das „Mus&e scientifique“. Ein alter Krieger von Seba- 
stopol, der offenbar entzückt ist, wenn er Gelegenheit hat, Fremde 
umherzuführen, setzt in ächt französischer lebhafter Weise mit 
den entsprechenden Körperbewegungen die Vorzüge der Samm- 
lungen aus einander. Der Grundstock der ornithologischen- 


120 Bericht über die Jahresversammlung. 


Sammlung stammt von dem Konservator M. Noury her, der 
Alles, was er an Naturalien, namentlich Vögelbälgen und Eiern 
zusammengebracht hat, für 30000 fres. an die Stadt verkaufte. 
Vor 6 Jahren starb er und ging die Leitung des Museums in 
die Hände des jetzigen Konservators L. Coulon über, Professor 
am dortigen Gymnasium. Noury hat offenbar mit Verständnis 
gesammelt, sehr schöne Exemplare zusammengebracht und selbst 
sehr gut ausgestopft, aber leider sonst niemals Fundort und Zeit 
angegeben. Der jetzige Director Coulon beschäftiet sich haupt- 
sächlich mit Geologie und Paläontologie, hat aber das Bestreben, 
das, was jetzt noch angeschafft wird, richtig zu etikettieren, und 
konnte, wenn er auch nicht speciell Ornitholog ist, über die 
einzelnen interessanten Vögel sehr gute Auskunft geben. Von 
den Vögeln fielen mir besonders folgende auf: 

Wiesenweihe (Üörcus cineraceus), 3 sehr schöne Melanismen; 

Goldfasan, eine sehr schöne hahnenfedrige Henne; 
Ibis (Ibix falcinellus), 1 Ex. 1890 in Crefaux (Eure) erlegt; 


Dougall’s Seeschwalbe, (Sterna Dougaili), altes g, Juli’ 


1898 auf Belle-Isle geschossen; 

Zwerg-Sumpfhuhn, (ARallus pusillus, Bechst.) aus Nizza, 

vom April 1879; A 

Habicht (Astur palumbarius), sehr schöne Ubergangskleider; 
Triel (Oedienemus crepitans), schöne Exemplare dabei die 

Gewölle, ganz denen der Eulen gleichend. 

Was ich sah an Vögeln, war richtig bestimmt. 

Die Eiersammlung war in einer ganz eigenartigen 
Weise aufgestellt. Unter den Glasplatten einer grossen 4 seitigen 
Pyramide waren die Eier auf Querleisten, jede Art zu einem 
Haufen vereinigt, auf Watte gelegt und hatten natürlich durch 
Licht und Sonne (verdeckende Hüllen waren nicht vorhanden!) 
sehr in der Farbe gelitten. 

Der Katalog der Vögel ist vollendet, der der Schmetterlinge 
in Arbeit, es sind darin aber nur die allgemeinen Angaben über 
Vorkommen (z. B. Frankreich, Europa u. s. w.) vermerkt mit der 
in Frankreich üblichen Synonymie nach Degland und Gerbe. 

Nachdem wir noch einen Blick auf den reizenden Garten 
hinter der Mairie nach der Seine zu geworfen, traten wir die 
Rückfahrt durch das reich mit Villen und Schlössern besetzte 
Seine-Thal an und passierten einen grossen Wald. Am Abend 
ging es weiter nach 

Hävre, dem wichtigsten Handelshafen Frankreichs am at- 
lantischen Meere. Die ganz moderne Stadt zählt 119470 Ein- 
wohner, ist erst 1509 von Ludwig XII gegründet und durch 
Franz I mit einem befestigten Handelshafen versehen, den die 
Engländer 1694 und 1790 vergeblich bombardierten, wie es in 
zahlreichen Bildern in dem sonst nicht sehr reichhaltigen 1845 
erbauten Museum dargestellt ist. Die Bibliothek enthält 
50000 Bände, viele Medaillen und zahlreiche alte Manuskripte 


N 


Bericht über die Jahresversammlung. 121 


und gehört, wie das in demselben Gebäude befindliche Museum, 
der Stadt. — Im alten Justizpalaste befindet sich das auch der 
Stadt gehörige grosse naturhistorische Museum. Im Erd- 
geschosse sind reiche mineralogische und geologische Sammlungen, 
im ersten Stockwerk ausser einigen ethnographischen Gegenständen 
die verschiedenen jetzt noch lebenden Tierklassen vertreten, 
namentlich Säugetiere, Fische, Amphibien, Reptilien, Weich- 
tiere, Insekten und Vögel. Die letztere Sammlung ist von dem 
Vater des jetzigen Director Lennier (Gustav) zusammengebracht 
und an die Stadt verkauft. Die Exemplare, die die Vogelwelt 
der ganzen Erde vertreten und nicht zu einer Localsammlung 
gruppiert sind, entstammen einer Zeit, in der man auf natur- 
wahre Wiedergabe der Körperformen wenig Wert legte, sind 
mit Angaben von Ort und Zeit nicht versehen, sondern nur mit 
dem Degland und Gerbe’schen Etiketten-Namen bezeichnet. Die 
Eier waren neben den betreffenden Arten aufgestellt in der 
Weise, dass sie mit dem breiten Pole nach unten auf in Holz- 
klötze eingetriebene Nadeln aufgespiesst waren. Häufig waren 
die Klötze umgefallen! Alles war dem Lichte und der Sonne aus- 
gesetzt und daher sehr verblichen. 

Die Schönheit Hävre’s liegt in dem prachtvollen Hafen und 
der schönen Lage. Wir unternal'men eine entzückende Wagen- 
fahrt am Meeresstrande hin nach der Vorstadt St. Addresse, vorbei 
an der auf hohem Meeresufer gelegenen Ohapelle de Notre-Dame 
des flots (die ähnlich wie bei Marseille die Chapelle de Notre- 
Dame de la Garde ein Hauptwallfahrts-Ort der Schiffer ist, die 
dort für glückliche Rückkehr von ihrer Seereise beten) nach dem 
Cap de la H&ve mit seinem Leuchtturm. Der Wächter versicherte 
nir, dass nur sehr selten ein Anflug von Vögeln in der Nacht 
beobachtet würde. Nach anmutiger Rückfahrt durchs Land 
kehrten wir durch die Felix-Faure-Strasse (die Wittwe des ver- 
storbenen Präsidenten wohnt noch in dem Hause) zum Hafen 
zurück und fuhren mit einem kleinen Vergnügungsdampfer über 
die weite Seine-Mündung hinüber nach dem beliebten Seebade 
Trouville und dann südlich hinein in die Normandie, im Thale 
der Touques hinauf. Kaum kann man sich eine schönere Land- 
schaft denken, als diese am 26. Mai in voller Pracht der Apfel- 
blüte rosig angehauchten normannischen Farmen in grünenden 
Wiesen an den Bergabhängen gelegen. Die normanischen Farmen 
zeigen ein ganz characteristisches Aussehen. Jede ist mit einem 
meist kreisförmigen Erdwall umgeben, der dicht mit hohen Bäumen, 
meistens Eichen, besetzt ist, das Wohngebäude für den Besitzer, 
bez. Mieter, liegt dem Hauseingange in dem Erdwalle gegenüber 
und rechts und links davon die Ställe für das Vieh, getrennt 
für jede einzelne Art. Um dieselben herum gruppieren sich die 
„Jardins bergers‘, Wiesengärten mit Obstbäumen und Felder. 
Ungezählte Mengen von Hühnern treiben sich auf den Wiesen 
umher, zahlreiche Viehherden weiden im Freien — ein Bild 


122 Bericht über die Jahresversammlung. 


des behaglichsten Landlebens. Über Lisieux trafen wir noch in 
der Nacht in 

Caen ein. Die Stadt, jetzt mit blühendem Handel und 
45 380 Einwohnern, Hauptstadt des Departements Calvados, wurde 
im 11. Jahrhundert von Wilhelm dem Bastard, Herzog der Nor- 
mandie, gegründet, später namentlich von Wilhelm dem Eroberer 
vergrössert. Sie diente lange Zeit als Hauptstadt der unteren 
Normandie und hatte viel unter Kämpfen mit den Engländern 
und Bürger- — und Religionskriegen, zuletzt noch unter der 
grossen fränzösischen Revolution zu leiden. Nächst Rouen ent- 
hält sie die interessantesten Baudenkmäler der Normandie. 
Wilhelm der Eroberer und seine Gemahlin Königin Mathilde 
erbauten zur Sühne für ihre Heirat, der nach kanonischem 
Rechte eine zu nahe Blutsverwandtschaft entgegenstand, jeder 
eine Kirche, sie La Trinite oder l’Eglise de l’Abbaye-aux-Dames 
und er St. Etieme oder l’eglise de ’Abbaye-aux-Hommes, beide 
gegründet 1066. Ausser den Kirchen St. Pierre, gebaut vom 
13. bis 16. Jahrhundert und St. Sauveur, aus dem 14., 15. und 
16. Jahrhundert existiert von älteren Gebäuden noch das alte 
Schloss, jetzt Kaserne, aus der Zeit Wilhelm des Eroberers. Die 
Stadt ist Sitz einer Universität mit 3 Facultäten: Lettres, Sciences 
und Droit. Im Stadthause befindet sich die öffentliche Bibliothek 
mit 90000 Bänden und 623 Manuscripten und das Kunstmuseum, 
dessen Beginn aus der grossen französischen Revolution stammt. 
Es enthält über 300, zum Teil vortreffliche alte Bilder (darunter 
die berühmte Sposalizio von Perugino, dem Lehrer Rafaels) und 
sehr gute Repräsentanten unserer neueren Schulen, und spricht 
für den guten, wohl mit durch die Kunst-Professoren der Uni- 
versität beeinflussten, Geschmack der Museumsdirektion. (Ein 
sehr guter Katalog der Bilder ist von dem verstorbenen Konser- 
vator der Bibliothek, M. G. Mancel verfasst und von den nach- 
folgenden Konservatoren des Museums fortgesetzt, zuletzt als 
„Catalogue des tableaux ... . du Musee de Caen, mit historischer 
Einleitung 1899 in Caen, Imprimerie E. Adeline, erschienen). — 
Im Universitätsgebäude findet sich im ersten Stockwerk das 
Musee d’Histoire naturelle. Dasselbe enthält die inter- 
essante ethnographische Sammlung von Dumont d’Urville und 
eine zoologische Demonstrations-Sammlung zu Vorlesungszwecken. 
Besonders gut vertreten ist unter den Säugetieren die Familie 
der Affen, leider aber häufig in minderwertig ausgestopften 
Exemplaren. Die Vogelsammlung ist sehr reich, historisch 
interessant namentlich die Kolibris, gesammelt von Bourcier, in 
Prachtexemplaren. Die allgemeine ornithologische Sammlung 
erstreckte sich auf alle Vögel der Erde, die meisten Exemplare 
waren leidlich gut präpariert und einige wenige auch gut etikettiert, 
viele gesammelt von Eugene Deslongehamps und Lesau- 
vage. Ausserdem war unten auf dem Korridor noch ein kleiner 


Schrank mit Vögeln aus der Normandie aufgestellt, bezeichnet 


Bericht über die Jahresversammlung. 123 


Collection Delangle, offenbar ganz neuerdings dem Museum 
geschenkt, leider die einzelnen Exemplare ohne Angabe der Zeit 
und des Ortes des Fundes, aber gut ausgestopft. 

Durch Oustalet und Gadeau de Kerville aufmerksam 
gemacht, fuhr ich Nachmittags nach 

Lisieux, einer kleinen Handelsstadt von 16349 Einwohnern, 
früheren Hauptstadt der Lexovier, mit einer alten Kathedrale 
aus dem 12. und 13. Jahrhundert und interessanten alten Holz- 
häusern, an der Touques gelegen. Hier befindet sich Rue de 
Paris, 3, das Museum Fmile Anfrie. Der 72jährige alte 
Herr empfing mich ausserordentlich liebenswürdig, stellte mich 
seiner etwas jüngeren rüstigen Frau vor und begab sich dann 
mit mir in die im 2. Stockwerke gelegene Sammlung. Der Be- 
sitzer hat dieselbe ganz allein zusammengebracht, jedes Stück 
selbst aufgestellt, die ersten am 1. September 1847, eine Turtel- 
taube und einen Puter. Er ist vollständig Autodidact, arbeitete 
nur nach Büchern und Zeichnungen und der Beobachtung in 
der freien Natur, fing in der Umgegend von Lisieux an zu 
sammeln, später in Tunis, den Pyrenaeen, Südfrankreich u. S. W., 
bezog aber in den letzten Jahren die meisten Exemplare von 
Schlüter und Tancr& in Deutschland, indem er sich überhaupt 
fast nur auf Europa und Nordafrika beschränkte. Bei sehr wenigen 
Exemplaren ist Zeit und Ort des Fundes genau bemerkt, die 
Notizen waren aber sehr gewissenhaft in einem Notizbuche auf- 
geschrieben und versprach mir Herr Anfrie, dieselben möglichst 
bald an den Vögeln selbst auf Etiketten anzubringen. — Anfangs 
sammelte Anfrie wenig, erst von 1881 an konnte er, durch äussere 
Verhältnisse begünstigt, mehr Mittel der Sammlung zuwenden. 
Zur Zeit enthält dieselbe: 

an wilden Vögeln 455 Arten in 1353 Exemplaren. 

„ domesticierten 


u. exotischen 55 Te; oo e 
Summa 540 Arten in 1510 Exemplaren. 
an Säugetieren Re 1 2) en 
„ Reptilien u. 
Amphibien DDR, re 61 2 


Bälge sind nicht vorhanden. Die Vögel waren sämtlich 
ausserordentiich naturwahr und vorzüglich ausgestopft. 

Unter den vielen interressanten Exemplaren fielen mir be- 
sonders auf 2 rotbäuchige Wasserschwätzer (Cinclus cinclus) 
aus der Umgegend von Lisieux und 1 schwarzbäuchiger (Cinclus 
einclus melanogaster Br.) aus der Haute-Marne; — dann 3 Tan- 
nenheher, darunter 2 deutliche Schlankschnäbel (Nucifraga 
caryocatactes leptorhynchus) aus der Umgegend und 1 Dick- 
schnabel (N. c. pachyrhynchus) aus der Dauphine; — namentlich 
aber 3 wahre Prachtexemplare vom Lämmergeier (Gypaetos 
barbatus), auf: 


124 Bericht über die Jahresversammlung. 


1) ein sehr altes 9, erlegt in den französischen Alpen, in 
der Nähe des Chalet de l’Alp de Cervieres, in einer Höhe von 
2232 m., 5 Stunden südöstlich von Briancon (Departement Hautes- 
Alpes), am 20. Februar 1895, im frischen Zustande 6 Kilo 150 gr, 
wiegend und eine Totallänge von 1 m 19 cm zeigend. 

2) ein junges g, c. 2. Jahre, gefangen in den französischen 
Pyrenäen am Eingange des Cirque de Gavarnie (Departement 
Hautes Pyrenees) am 23. December 1892, von einer Totallänge 
von 1m ]3 cm. 

3) ein sehr altes $, aus Nord-Afrika, erlegt am 24. Februar 
1895 bei Sidi-Meecid (Algerie). von einer Totallänge von Im8cm. — 
Eine Reihe kleiner ornithologischer Arbeiten, die vortrefflich ge- 
schrieben sind und den scharfen praktischen Beobachter kenn- 
zeichen, hat Emile Anfrie in dem Blatte: La Feuille des jeunes 
naturalistes, Revue mensuelle d’Histoire naturelle, fondee & Mul- 
house 1870, veröffentlicht, z. B. in den Jahren 1896 bis 1899: 
Observations sur quelques Gypaetes barbus, La Chouette 
laponne (Strix lapponica, Retzius, worin z. B. die Beschrei- 
bung Degland und Gerbe’s (die übrigens hier, wie überhaupt 
bei fast allen mir bekannt gewordenen französischen Ornithologen 
und Museums-Directoren oder Konservatoren als unbedingte Auto- 
rität angesehen wurde!) „la queue moyenne et arrondie“ als 
falsch bezeichnet wird, da der Schwanz „longue et &tagee‘ ist), 
Observations sur les oiseaux communs dans le Calvados sur l’Aigle 
tachet& (Aguila naevia Briss.) et ’Aigle criard (Agwila clanga Pall.) 
etc. — Von anderen Tiergruppen waren namentlich die Schlangen 
und Eidechsen tadellos ausgestopft, unter den Säugetieren war 
mir besonders interessant ein dort in der Gegend erlegten Nörz 
(Mustecla lutreola). 

Rasch war im anregendsten Gespräche die Zeit vergangen, 
bei einer sehr guten Flasche altem Bordeaux nehmen wir Abschied, 
in der Hoffnung, uns wieder zu sehen und vorläufig wenigstens 
im brieflichem Verkehre zu bleiben. 

Wer in diese Gegend kommt, darf nicht versäumen, die 
kleine, jetzt c. 8000 Einwohner zählende Stadt Bayeux zu 
besuchen, die schon zur Römerzeit als Hauptort der Bajocassen 
blühte. Sie besitzt eine der schönsten Kathedralen Frankreichs, 
Notre-Dame de Bayeux, aus dem 12. bis 15. Jahrhundert, 
hochinteressante alte Holzhäuser und ein kleines Museum, mit 
der berühmten Tapisserie de Bayeux, einer Stickerei aus dem 
11. Jahrhundert, angeblich von der Königin Mathilde für ihren 
Gemahl, Wilhelm den Eroberer gearbeitet, die Geschichte der 
Sendung Harold’s durch Eduard an Wilhelm den Eroberer dar- 
stellend. Dieselbe ist e. 70 m lang und 1/, m breit. Zur Zeit 
der französischen Revolution wurde sie aus dem Museum heraus- 
gerissen und von den Soldaten 1793 als Wagendecke benutzt, 
nur dem patriotischen Eingreifen einiger energischer Bürger 
Bayeux’s gelang es, das unersetzliche Kunstwerk zu retten. 


Bericht über die Jahresversammlung. 125 


Eine anmutige Eisenbahnfahrt bringt uns weiter nach Vire, 
einer uralten Stadt mit den Ruinen eines angeblich von Karl 
dem Grossen gegen die Normannen errichteten Schlosses, dann 
weiter im schön mit Buchenwäldern besetzten Thale hinab nach 
Granville an der Meeresküste, von wo uns ein Sehr guter, 
englischer Dampfer in 31/, Stunde nach der Insel 

Jersey führet. Das Meer war ruhig, aber sehr vogelarm, 
ausser 3 schönen, alten Silbermöven (Larus argentatus) wurde 
nichts beobachtet. Jersey ist die grösste der Kanal-Inseln 
(franz.: „Iles anglo-normandes,‘ engl.: „Channel Islands‘), die 
sich an der Westküste der nach Norden vorspringenden Halb- 
insel Cotentin aus dem Meere erheben und in englischem Besitze 
sind. Ausser einigen, kleinen, unbewohnten Felsenriffen sind es 
ausser Jersey noch Guernsey, Aurigny (engl.: „Alderney‘), Sercq 
und Herm, sämtlich aus Granit bestehend, meistens mit steilen, 
pitoresten Abhängen nach dem Meere hin, namentlich nach Norden 
zu, mit wundervollem, milden, durch den Golfstrom begünstigten 
Klima. Mit einem französischen Kutscher, Hubert, unternahmen 
wir eine Fahrt durch die Insel, von der Hauptstadt St. Helier 
‚aus, an der Südküste, mit sehr gutem Hafen, gelegen. Zunächst 
ging es westlich an der Küste entlang an einem sogen. „Druiden- 
denkmal‘ (Dolmen mit Steinkreis) vorbei bis Matthews, dann in 
einem Hohlwege, unter prachtvollen, überhängenden, immergrünen 
Eichen, hinauf auf das Plateau der Insel. Alles prangte im 
üppigsten Blüten- und Blattschmuck, die einzelnen, reizend aus- 
sehenden Landhäuser, waren umgeben von grossen Araucarien, 
Arbutum-Bäumen, Lorbeeren, blühenden Glyeinen, auf Goldregen, 
oder Rhododendron-Bäumen sich in die Höhe schlingend, da- 
zwischen saftige, grüne Rasenplätze. Namentlich die Südhänge 
der kleinen, hügelartigen Erhebungen dienen zur Kartoffel-Kultur. 
In colossalen Massen werden diese von Bretonen gezüchtet, die, 
ähnlich wie bei uns in Mitteldeutschland die Polen und Russen 
aus dem Osten, hier von der Bretagne herüberkommen, um im 
Sommer die intensiveste Landwirtschaft zu betreiben. Es war 
anı 29. Mai, als die erste Kartoffelernte gemacht wurde, dann 
werden Futterrüben gebaut und im Herbste auf demselben 
Feldeeine zweiteKartoffelernte eingesammelt.SämtlicheKartoffeln 
sehen nach England, in eigens dafür eingerichteten kleinen 
Transportschiffen. Die einzelnen Felder sind durch c. 3/,—1 m. 
hohe, !/), m. breite Erdwälle abgeteilt, auf denen Weissdornen 
und Dlex europaeus gepflanzt waren, die jetzt in üppigster Blüte 
standen. Manche Felder mit schlechterem Boden waren ganz 
mit Ulex europaeus bewachsen, der hier offenbar als Streu- oder 
Brennmaterial abgeerntet wird. An vielen Stellen waren kleine 
Gruppen von Eichen und Buchen angepflanzt, sodass für unsere 
kleinen Sänger wirklich ideale Brutplätze vorhanden waren. 
Ich beobachtete unten auf den Ginstern sehr zahlreich den 
schwarzkehligen Wiesenschmätzer (Pratincola rubicola), 


126 Bericht über die Jahresversammlung. 


der schon ausgeflogene Junge fütterte, hoch oben in den 
Bäumen. prachtvoll sein Liedchen schmetternd, die Sperber- 
grasmücke, (Sylvia nisoria), massenweise auf den Spitzen der 
Blütendolden von Ulex die Provenze-Grasmücke (Sylvia 
provincialis), überall an den Hohlwegen im Gewurzel der Büsche 
unseren unermüdlichen Sänger, den Zaunkönig (Troglodytes 
parvulus), zahlreich waren Gartengrasmücken (Sylvia horten- 
sis) und Plattmönche (Sylvia atricapilla) vorhauden und 
hunderte von Rauchschwalben (Hirundo rustica), und Mauer- 
seglern (Oypselus apus) schwirrten durch die Luft. So gelangten 
wir durch ein wirkliches ornithologisches Paradies nach der 
wilden Nordseite. Oben auf der Höhe mitten in der Heide steigt 
man aus dem Wagen und klettert nun hinunter zum ,„Trou de 
diable,‘‘ wo die wilde Meeresbrandung tosend an die steilen 
Granitküsten anschlägt. Ein ganz anderes ornithologisches Bild 
bietet sich uns dar. An dem steilen, unzugänglichen, schwärz- 
lichen Felswänden sitzen die Silbermöven (bLarus argentatus), 
offenbar auf ihren Eier brütend, einzelne Kormorane (Carbo 
cormoranus) Niegen, Nahrung suchend, dem Meere zu, einige 
Kolkraben (Corvus corax) ziehen, laut kreischend, über unse- 
ren Köpfen hin, und einsam und bedächtig spaziert der Felsen- 
pieper (Anthus rupestris), am Strande oder auf der kahlen 
Grasfläche am Felsrande vor uns her. — Nun geht es weiter 
westlich durch die Allee, in der seiner Zeit König Karl II. 
gefangen genommen wurde, nach der Greve de Lecqg und dem 
äussersten, nordwestlichen Punkte dem Point de Plemont, mit 
ähnlicher Tierwelt wie am Trou de diable, und darauf zurück, 
durch St. Peter Valley, besetzt mit zahlreichen Kaninchen, nach 
St. Helier. Auf der ganzen Insel sieht man sehr viel Rindvieh, 
eine ganz eigene Rasse, dem Anscheiue nach nicht unähnlich 
den Allgäuer Tieren, die vollkommen rein erhalten wird, da es 
mit strengsten Strafen verboten ist, irgend eine andere Rasse 
lebend einzuführen. Gute Exemplare sollen sehr gesucht sein, 
wie unser Kutscher erzählte, hatte ein Amerikaner für einen 
jungen Zuchtstier 15000 fres. bezahlt. Die Rinder selbst 
werden draussen auf den Wiesen und Feldern an in die Erde 
eingeschlagene Pfähle gebunden und weiden so mit der Zeit 
Gras, Luzerne, Klee u. s. w., das sie erreichen können, ab. 
Abends war noch Zeit genug, das kleine Museum zu 
besuchen, das die Societe Jerseaise gegründet hat. Es befand 
sich dort ein kleine, locale Vogelsammlung;, aber leider kaum 
ein Exemplar nach Ort und Zeit des Fundortes genau etikettiert. 
Ausserdem existiert eineöffentliche Bibliothek dort, in der ich u. a. 
auch Gätke’s Vogelwarte in der englischen Übersetzung fand. Im 
Museum befindet sich noch eine verkleinerte Nachbildung einer 
prähistorischen Druidenbegräbnisstätte, die 1785 beim Bau eines 
Forts, in der Nähe von St. Helier oben auf der die Stadt beherr- 
schenden Anhöhe fortgenommen und nach England geschafft wurde. 


Bericht über die Jahresversammlung. 127 


In früher Morgenstunde am 30. Mai kehrten wir nach 
Granville zurück und fuhren mit kräftigem Einspänner an der 
Küste der Bai von St. Michel entlang über verschiedene kleine 
Seebäder St. Pair, Julonville, Carolle, dann mit prachtvoller Aus- 
sicht auf das Meer hinunter nach St. Jean le Thomas, ebenfalls 
einem kleinen Seebade, durch prachtvollen Eichenwald nach 
Genets an der breiten Mündung der Selune. Hier verliessen 
wir unseren modernen Einspänner und wurden samt unsern 
Gepäck in einen etwas vorsündflutlichen Kippkarren verladen. 
Die Zeit des Beschirrens der beiden vor einander zu spannenden 
Hengste: „le pere et le jeune“, wie unser Kutscher sagte, be- 
nutzten wir, um den nationalen Absynth zu trinken und die 
einfache Bauernstube anzusehen. Alles war in einem Raume 
vereint, im Kamin wurde auf offenen Feuer gekocht und gebacken, 
das grosse Bett für das Ehepaar und die kleinen Bettchen für 
die Kinder standen daneben, die Küchengerätschaften hingen an 
den duıch den Rauch gebräunten Holztäfelungen der Wände, die 
ausser mit einigen Heiligenbildern mit einem rosenkranzartigen 
Ringe von auf Zwiın aufgezogenen Eiern von Elstern (Prca 
pica) und Schwarzkehlchen (Pratincola rubicola) verziert 
waren. In wenigen Minuten hatten wir den Strand erreicht und 
nun ging es unter Führung eines mit einem Dreizack bewaff- 
neten Kundigen des Meeresbodens durch die Greve hinüber nach 
dem stolz aus den Wasserfluten aufsteigenden. Mont St. Michel. 
Die Fahrt machte uns sehr viel Vergnügen, war aber, wie wir 
erst nachher hörten, eigentlich sehr gefährlich wegen des Trieb- 
sandes. Nur bei vollster Ebbe ist die Strecke zu passieren, der 
Führer erkundet mit seinem Dreizack die festeren Sandpartien. 
Wehe wenn man in dem zu durchfahrenden Strome der Selune 
in weichen Sand kommt, oder wenn man stecken bleibt und von 
der Flut überrascht wird !! Zuweilen ging es sehr flott auf hartem 
Boden, dann wieder auf weichem Sande sehr langsam bei furcht- 
barster Anstrengung der Pferde. 2 Flüsse hatten wir zu passieren, 
unser Führer hatte ein Kleidungsstück nach dem andern abgelegt 
und zeigte sich zuletzt als mit Badehose bekleideter Neptun, einmal 
wurden wir weit von den Fluten des Stromes nach dem Meere zu 
fortgerissen. Endlich hatten wir festen Boden, lustig galoppierten 
die Pferde — plötzlich stürzte das Wagenpferd „le jeune“ und wir 
standen still, es wurde losgeschirrt, der Wagen kippte hinten 
über mit der Deichsel in die Luft und wir wurden zum allge- 
meinen Jubel unter unsern Kofiern verschüttet. Das Unglück 
war aber bald gehoben und in wenigen Minuten hielten wir vor 
dem Thore von 

Mont St. Michel. Ein Einfahren ist nicht möglich. Man 
geht zu Fuss, begleitet von zahlreichen Gepäckträgern hinauf in 
eins der am Fusse des Felsens angebauten Hötels, wir in die 
„Poulard jeune“. Der Mont St. Michel ist einer der isolierten 
Granitfelsen, auf dem der Abt St. Aubert, Bischof von Avranches 


128 Bericht über die Jahresversammlung. 


im Jahre 709 eine Abtei gründete, die bald gegen die Normannen 
befestigt werden musste. Später eroberten siedas Kloster, gründeten 
eine Benedictiner-Abtei, die vielfach durch Feuer und Belagerungen 
zerstört wurde. 1790 wurde die Abtei aufgehoben und in ein 
Staatsgefängnis verwandelt. 1863 ging sie als Kunstwerk in die 
Hände des Staates über und wird jetzt als eine der Hauptinerk- 
würdigkeiten Frankreichs conserviert und restauriert und jährlich 
von über 50000 Fremden besucht. Bis vor wenigen Jahren lag 
der Berg bei Flut ganz im Wasser, so dass man nur mit Booten 
oder während der Ebbe mit Kippkarren sich nahen konnte, jetzt 
führt von Pontorsson aus ein hoher Damm mit schöner Chaussee 
durch die Greve von Süden heran. Grossartig sind die in den 
Felsen eingehauenen und oben auf demselben angebrachten 
Bauten der verschiedensten Jahrhunderte, (Eine vortreffliche 
Darstellung derselben in Bild und Schrift findet sich in dem 
Prachtwerke, Le Mont St. Michel par l’Abbe A. Bouillet, Hävre, 
Lemale & Cie, Imprimeurs, Editeurs, 1896), in denen man von 
sachverständigen Kustoden umhergeführt wird; schauerlich inter- 
essantist das kleineM useum, worin die Qualen der Gefangenen und 
die Todesangst der in der Greve im Triebsande durch die Fluten 
überraschten Pilger in lebensgrossen Gruppen dargestellt sind ; im- 
posant ist eine Bootfahrt um die Insel mit den verschiedenen 
Ansichten der stolz aus dem Granit aufsteigenden Bauten und der 
steil zum Meere abfallenden Felsen; aber am eigenartigsten ist 
der Blick oben von den Befestigungswellen auf die meilenweit 
mit mächtiger Gewalt und Geschwindigkeit (gleich der eines 
galloppierenden Pferdes) anströmenden Flut, vor der die Fischer 
mit ihrem Krabhen-, Fisch- und Muschelfange, Männlein und 
Weiblein in zahlreicher Schar, im Geschwindschritt der Insel 
zu flüchten. 

An’s Land zurückgekehrt, passierten wir die Felder, wo die 
Polder-Gesellschaft ihre Thätigkeit entfaltet hat und durch Um- 
ziehen von Dämmen ein Stück Land nach dem anderen dem Meere 
abgewinnt. Elend sehen die Bauernhütten aus, aus Steinen mit 
Strohdach, selten erblickt man Schiefer als deckende Hülle. 
Durch flaches Dünenland gelangt man von der nächsten Eisen- 
bahnstation Pontorsson nach 

Dol, nachdem man den Couesnon, die Grenze der Normandie 
und Bretagne überschritten hat. Die kleine ca. 5000 Einwohner 
zählende Stadt, die in 8 Jahrhunderten 14 Belagerungen oder 
Schlachten, namentlich gegen dieNormannen durchzumachen hatte, 
bietet jetzt sehr wenig. In der Nähe hat man auf dem Mont Dol, 
einem einsam liegenden Granitfelsen, der früher wohl auch rings 
vom Meere umspült war, einen grossartigen Rückblick auf die 
Bai St. Michel, und besucht dann den sogenannten Champ- 
Dolent, südlich der Stadt, einen einzelnen, ca. 10 m über die 
Erde hervorragenden Menhir, der noch ebenso tief in dem Boden 
sitzen soll und offenbar nur dadurch aus der alten Druiden-Zeit 


Bericht über die Jahresversammlung. 129 


her erhalten wurde, dass man in der christlichen Zeit auf der 
Spitze ein Krucifix errichtete. — Durch flache, bisweilen mit 
Wäldern bedeckte Strandgegend ging’s weiter nach 

St. Malo, einer auf schroffen Granitfelsen ausserordentlich 
malerisch gelegenen befestigten Hafenstadt von 11476 Einwohnern, 
am Meere und dem rechten Ufer der Rance, Hauptstadt des Ar- 
rondissements Ille-et- Vilaine des gleichnamigen Departements. 
Der Ort ist sehr alt und verdankt seinen Namen dem Heiligen 
Maclou, dem ersten Bischof des Landes im 6. Jahrhundert. 
Viele berühmte Männer hat die Stadt hervorgebracht, vor allen 
anderen Chateaubriand, der auf einer steil aus dem Meere 
hervorragenden Felseninsel, der Grand Bey, beerdigt ist. In der 
Mairie finden sich im ersten Stocke im „Salle des Mariages‘“ und 
den grossen Festsälen eine Reihe interessanter Portraits von 
hervorragenden Männern aus St. Malo, so namentlich Chateau- 
briand und berühmte Seeleute wie Duguay-Trouin und Surcouf, 
ferner im II. Stock ein naturhistorisches und ethnogra- 
phisches Museum. Vieles haben die Seefahrer aus fernen 
Landen offenbar ihrer Vaterstadt mitgebracht, das hier zu einer 
schönen ethnographischen Sammlung vereinigt ist, dann erblickt 
man zahlreiche Versteinerungen und Gesteinsarten und Tiere 
aus allen Ordnungen, z. B. schöne Seesterne, Seeigel, Seefische. 
Von Säugetieren fiel mir ein schönes Exemplar unseres Bibers 
auf. Die Vögel sind recht gut vertreten, allerdings sämtlich 
mittelmässig ausgestopft und durch das reichlich ungehindert 
auffallende Licht stark verblasst — aber, so weit ich es control- 
lieren konnte, richtig bestimmt und meistens mit Herkunfts-Eti- 
kette versehen, wenigstens den Departements nach. Die Mehrzahl 
stammte aus dem Departement Ille et Vilaine, so dass man sich 
aus den 1500— 2000 Exemplaren doch ein Bild der dortigen Ornis 
machen konnte. — 

Von-dem Turme der Kathedrale hat man einen sehr schönen 
Blick auf die dicht neben einander gelegenen Städte St. Malo 
und St. Servan und die verschiedenen Hafenanlagen, ebenso auf 
das Thal der Rance und die auf dem linken Ufer derselben 
liegenden Seebäder Dinard, St. Enogat und St. Lunaire. Nach 
dem Meere zu wird der Horizont begrenzt durch eine Anzahl 
kleiner schroffer Felseninseln, die mit zahlreichen Leuchttürmen 
besetzt ein ausserordentlich abwechselungsvolles Bild darbieten. 

Stürmisches schlechtes Regenwetter verhinderte uns, am 
anderen Morgen die benachbarten reizend gelegenen Seebäder zu 
besuchen; auch eine Schiffahrt auf der Rance aufwärts war nicht 
möglich, so wandten wir uns landeinwärts wieder mit der Eisen- 
bahn nach Dol und weiter nach 

Dinan, einer sehr alten und malerischen Stadt von 10620 
Einwohnern, Hauptstadt des Arrondissements Cötes-du-Nord des 
gleichnamigen Departements, einst der Wohnsitz von Anna von 
Bretagne, der letzten Herzogin der Bretagne, die sich erst mit 

Journ, f, Orn, XLIX, Jahrg. Januar 1901 9 


130 Bericht über die Jahresversamm lung. 


Karl VIII, dann mit Ludwig XII. verheiratete und dadurch die 
Vereinigung der Bretagne mit Frankreich herbeiführte. In dem 
alten Schlosse, von dem jetzt nur der Donjon dem Publikum 
zugänglich ist, sieht man noch jetzt ihre Wohnräume, die übrigen 
Teile des mächtigen Bauwerkes dienen zu Gefängniszwecken. 
In der modernen Mairie befindet sich ein kleines Museum, im 
ersten Stocke einige Bilder, im Erdgeschoss das Mögliche und 
Unmögliche von Funden zusammengestellt, römische Altertümer 
aus der Umgegend, Urnenscherben, Steinbeile, Grabsteine aus 
der Abtei des nahegelegenen Lehon’s, Ritter aus dem 13. u. 14. 
Jahrhundert, roh aus Granit gehauen, die Krieger mit einem 
Löwen, die übrigen mit Hunden zu den Füssen, meistens das 
Schwert vom Leibe ab zwischen den Beinen herabhängend, 
endlich auch einige Vögel, ohne eine Spur von Etikette und 
fabelhaft ausgestopft. An den Wänden und unter der Decke 
thronten viele Albatrosse, offenbar von den einheimischen Schiffern 
(Dinan hat Ebbe und Flut durch die Rance und einen kleinen 
Hafen, auch für Seeschiffe) von ihren Seefahrten aus fremden 
Ländern und Oceanen mitgebracht. Der Katalog des Museums, 
in dem übrigens genaue Beschreibungen, namentlich der Funde 
aus der Römerzeit sich finden, stammt aus dem Jahre 1850 und 
soll beim demnächsten Umzuge des Museums in das alte Schloss 
erneuert werden. 

Die Umgebung Dinan’s ist sehr malerisch, wir besuchten 
eine Eisenquelle, in einem dicht bewaldetem, kleinen Seitenthale 
der Rance, zahllose Ringeltauben (Columba palumbus) gurr- 
ten dort, Rotkehlchen (Erythacus rubecula), Plattmönche 
(Sylvia atricapilla), Schwarzdrosseln (Turdus merula) sangen 
und zwitscherten in den Büschen, ein ideal schöner Brutplatz. 
Wunderschön gelegen ist auch Chäteau Coninais, die Ruinen des 
Schlosses Garey (jetzt zu Landwirtschaftszwecken benutzt, mit 
einer Ciderpresse in Granit) und die alte Abtei Lehon mit den 
roh aus Granit gehauenen Grabsteinen der Familie Beaumanoire, 
aus dem 12. und 13. Jahrhundert. 

Am Sonnabend vor Pfingsten (2. Juni) ging es weiter! Wie bei 
uns, trat die Mehrzahl der Kavallerie-Garnison den Pfingsturlaub 
an, der Gemeine und Unteroffizier meistens in 1I. Klasse. Trotz 
beträchtlicher Verspätung, trafen wir, nachdem wir Lamballe mit 
seiner prachtvoll oben am Berge gelegenen, mit Schielsscharten 
versehenen und offenbar zu Verteidigungszwecken eingerichteten 
Kirche passiert hatten, Abends noch in 

St. Brieuc ein, der Hauptstadt des Departements Cötes du 
Nord, Sitz eines Erzbischofs, mit 21665 Einwohnern, entstanden 
um ein im 5. Jahrhundert von dem Heiligen St. Brieuc gegründetes 
Kloster. Es war hochinteressant, diesen Hauptsitz der durch- 
schnittlich royalistisch gesinnten und streng orthodox-katholischen 
Bretagne gerade am Pfingstsonntage zu sehen. Die Kirchen 
waren derartig von Gläubigen überfüllt, dass es uns z. B. trotz 


pls 


Bericht über die Jahresversammlung. 131 


dreimaligem Versuche, Morgens, Mittags und Abends nicht möglich 
war, in die Kathedrale zu kommen, fast immer fanden Gottes- 
dienste statt und Platz an Platz, so dass kein Apfel zur Erde 
fallen Konnte, standen die Gläubigen. . Das Weibliche überwog! 
Die ganz gleichmässig schwarz gekleideten Frauen mit ihren 
breiten, weissen Hauben, machten einen ganz eigentümlichen Ein- 
druck, wie wir ihn später überall in der Bretagne, dieser Hoch- 
burg des Katholieismus wiederfanden. Zu gleicher Zeit war 
die erste Kommunion gewesen, die kleinen Mädchen in Weiss, 
die Knaben in Schwarz, mit weisser Armbinde links und einigen 
Kreuzen oder Medaillen auf der Brust, wurden von ihren Eltern 
und Verwandten in Empfang genommen und in feierlichem Zuge 
aus der Kirche geleitet. — 

Um mich etwas über das naturhistorisch Interessante der 
Umgegend zu orientieren, besuchte ich einen dortigen, älteren 
Arzt Dr. Guibert, der sich speciell mit Anthropologie beschäf- 
tigt hat und mir von den dort in der Gegend noch vielfach vor- 
kommenden Dolichocephalen (Langköpfen) erzählte, die sich 
namentlich auf das Gebirge beschränken und wahrscheinlich aus 
‘der Römerzeit stammen. Ein dortiger Militärarzt hat die von 
Guibert an Schädeln ausgeführten Messungen jetzt bei den Aus- 
hebungen an lebenden Menschen fortgesetzt und noch zahlreiche 
Dolichocephalen in den Gebirgsorten gefunden. Die Arbeiten sind 
im französischen Bulletin und Archiv für Anthropologie veröffent- 
licht, die Schädel sind im anthropologischen Museum in Paris. 

Das Museum befindet sich im Hötel de Ville Ausser 
einigen recht guten Bildern sind namentlich Mineralien, Versteine- 
rungen, Steinwaffen, Bronzesachen, römische Urnenüberreste, 
Muschelmosaik ganz eigener Art vorhanden. Eine Treppe hinauf 
führt in einen kleinen Saal, in dem sich ausser anderen Naturalien 
auch c. 200—300 ausgestopfte Vögel befinden, meistens Europäer, 
vielleicht’auch aus dortiger Gegend stammend, aber alle ungenau 
etikettiert, d. h. es war nur angegeben: „Famille . ‚ Genre. 
und französischer Trivialname, Ort und Zeit fehlte "regelmässig. 
Am meisten fiel mir auf, dass einige Vögel, deren Etiketten ich 
durch die Glasscheiben deutlich erkennen konnte, falsch bestimmt 
waren, zZ. B.: 

ein hellerMäusebussard( Duteovulgaris)als,Milan royal,“ 

ein sehr heller Wespenbussard (Pernis apivorus) als 
„Gyrfaut du Nord,“ 

ein Seeadler (Hahaetus albieilla) als „Aigle criard.“ 

Etwas derartiges, dürfte bei einem öffentlichem Museum, 
das zum Unterricht und zur Bildung des Volkes dienen soll, 
nicht vorkommen! 

Die folgenden Tage wurden Touren in die Umgegend von 
Guingamp mit 9272 Einwohnern und Lannion mit 6120 Ein- 
wohnern gewidmet, Arrondissements-Hauptorten des Departements 
Cötesdu Nord. Überall war derselbe Landschafts-Charakter, welliges 


9* 


132 Bericht über die Jahresversammlung. 


Terrain, flache Hügel, bedeckt mit einzelnen von dicken Erdwällen 
umzogenen Grundstücken, auf den Wällen Eichbäume oder Ulex eu- 
ropaeus u. Sarothamnus vulgaris, dazwischen Felder mit blühenden 
Apfelbäumen, die mit den gelben Ginsterblüten ein farbenprächtiges 
Bild darboten. Hier und da erblickt man ein stattliches Schloss, 
entweder bewohnt und mit strahlenförmig herrschaftlich von ihm 
ausgehenden alten Eichenalleen versehen, oder malerisch in 
Trümmern liegend, prachtvolle Brutplätze für Dohlen (Corvus 
monedu«la) und die massenweise vorhandenen Mauerschwalben 
(Oypselus apus) bietend. Jedes Dorf, jedes Städtchen, hat seinen 
besonderen Heiligen; Namen, die uns noch niemals in Kirchen 
des katholischen Ritus vorgekommen, findet man hier wie z. B. 
St. Ives, den Heiligen der Notare und viele andere. 

Ein ganz anderes Bild hat man, wenu man sich an das 
offene Meer begiebt. So fuhren wir am 5. Juni von Lannion 
nördlich nach Tregastel und Perros-Guirec. Auf der Höhe bei 
Tregastel hat man ein modernes Calvaire errichtet. Auf mächtigem 
Granitfelsen geht ein schneckenförmiger Rundgang hinauf, wohl 
20 m hoch, auf der Spitze gekrönt mit einer Statue des heiligen 
Erovan. Die Inschriften sind in 2 Sprachen angebracht, fran- 
zösisch und bretonisch. Für den Fremden, der glaubt, wie 
wir es auch thaten, dass Frankreich das Land sei, das möglichst 
sleichmässig in allen seinen Provinzen in Sprache, Bildung und 
Religion assimiliert sei, ist dies besonders interessant, hier in der 
Bretagne eine Sprache zu finden, die, wie wir uns überzeugten, 
zuweilen noch als einzigste Sprache von der älteren Landbe- 
völkerung gesprochen und verstanden wird. Das Bretonische 
gehört zu den Keltischen Sprachen. Von keltischen Stämmen 
war einst von dem grossen, romanischen Sprachgebiete besessen 
Öberitalien, der grösste Teil des heutigen Frankreich und grosse 
Teile von Spanien und Portugal. Abgesehen von einer kleineren 
Zahl altgallischer Inschriften, vielen Namen und einzelnen Wörtern, 
die bei griechischen und lateinischen Schriftstellern überliefert 
sind, haben nach Gröber, Grundriss der romanischen Philologie, 
Bd. I, S. 283, die keltischen Sprachen dieser Länder, keine sprach- 
lichen Denkmäler hinterlassen, wohl aber haben sich die keltischen 
Sprachen Brittanniens und Irlands bis auf den heutigen Tag 
erhalten. Sie zerfallen in den gälischen und brittischen Zweig. 
Der gälische Zweig umfasst: 

1) Das Irische oder das Gälische von Irland, 

2) Das Gälische von Schottland oder das Ersische, 

3) Das Manx oder das Gälische der Insel Manx. 
Der brittische Zweig umfasst: 

1) Das Cymrische oder Welsh in Wales, 

2) Das Cornische, bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts 
in Cornwall lebendig, 

3) Das Bretonische oder Armorische, die Sprache der Bre- 
tonen, deren Vorfahren vom 5. bis 7. Jahrh. nach Christus, 


Bericht über die Jahresversammlung. 133 


von Cornwall aus in die Bretagne (vergleiche J. Loth. L’emi- 

gration bretonne en Armorique, Paris, 1883) eingewandert sind. 

Von diesem bretonischen Calvaire aus hat man eine unver- 
gleichliche Rundsicht. Bäume sind wenig zu erblicken, dafür 
eine Unzahl von Granitfelsen, die sich in den wunderlichsten 
Gruppierungen finden, häufig den Dolmen ähnlich, dazwischen 
die verwitterte Graniterde, hier und da mit Haide und grossen 
Feldern von blühenden Gebüschen von Ulex europaeus und 
Sarothamnus vulgaris besetzt, selten einmal ein Getreidefeld an 
geschützter Stelle hinter dem Felsen, in der Ferne das Meer, 
tief in die Granitküste sich einnagend, die Felsen des Strandes 
zu mächtigen, festungsartigen Gebilden durch die Macht der 
Brandung zusammenwürfelnd, im Meere eine unzählige Menge 
von schwärzlichen Felsenriffen, die aus dem Wasser hervor- 
ragenden Granitspitzen des ganz flach sich hinziehenden Strandes. 
— Die Tierwelt ist im Lande ausserordentlich einförmig, zahl- 
reiche Höhlen deuten auf Überfluss an Kanninchen, massenweise 
beobachtet man den schwarzkehligen Wiesenschmätzer 
(Pratincola rubicola) und den Felsenpieper (Anthus rupestris) 
‚und den Kuckuck (Cuculus canorus). 2 Vertreter dieser Art, 
offenbar sehr eifersüchtige Männchen, hatten jeder auf der Spitze 
eines Steinhügels Platz genommen und überboten sich auf ca. 
400 m Entfernung im lauten Kuckucksrufe. Unmittelbar am Meere 
ist der Kormoran (Carbo cormoranus) und die Silbermöve 
(Larus argentatus) zu Hause und die einsamen Felsenriffe im 
Meere bieten ihnen sichere Brutplätze. Felsen, die nur bei Flut 
umspült und bei Ebbe noch zu Fusse zugänglich sind, hat der 
Mensch sogar zu kirchlichen Bauten benutzt. So findet sich bei 
Ploumanach eine kleine, dem heiligen Guirec geweihte Kapelle, 
die dazu benutzt wird, dass die Mädchen, die sich verheiraten 
wollen, in die Statue desselben eine Stecknadel einsenken. 

Die.-Eisenbahn führte uns am folgenden Tage nach Plouarnel 
zurück und dann nordwärts, um der zoologischen Station von 

Roscoff einen Besuch abzustatten. Diese kleine, 4732 
Einwohner zäblende Stadt, die, begünstigt durch den warmen, 
die Küste berührenden Golfstrom, hauptsächlich vom Gemüse- 
handel (namentlich Artischokkenbau) lebt, hat eins der beiden, 
an der französischen Nordküste liegenden „Laboratoires de 
Zoologie“, eingerichtet für 14 Eleven, z. Z. unter der Leitung 
des berühmten Professors Dr. Dacaze-Thuriot, der 1872 die 
„Archives de Zoologie experimentale‘“ gründete und bis jetzt 
fortführte und dessen 80 jährigen Geburtstag wir Ende Juni, 
während des internationalen Ornithologen- Kongresses zu Paris, 
feierten. Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört ein ca. 
200 Jahre alter Feigenbaum, an der Wurzel eingemauert, um ihn 
nicht auseinanderfallen zu lassen, mit zahlreichen Stützen der 
Zweige versehen, aber sonst in voller Gesundheit, mit tausenden 
von Früchten, im Freien wachsend. 


134 Bericht über die Jahresversammlung. 


Über St. Pol-de-L&on, mit seiner interessanten Kathedrale 
und der Chapelle de Creizker, langten wir am Nachmittage in 

Morlaix, der malerisch gelegenen Arrondissements-Haupt- 
stadt des westlichsten französischen Departements Finistere, an, 
mit dem Meere verbunden durch einen kleinen Fluss, so dass 
die Seeschiffe mit der Flut bis hierher gelangen können. Ausser 
einigen hochinteressanten Holzhäusern, namentlich dem der „Reine 
Anne,“ besitzt die Stadt in der alten früheren Kirche der Jaco- 
biner ein Museum und eine Bibliothek. Im Kriege 1870/71 
diente die Kirche Remontezwecken. Als nachher das Depöt nach 
Guingamp verlegt wurde, brachte die Stadt ihre Bibliothek 1873 
dort unter. Dann verlegte die „Societe d’Etudes scientifigues du 
Finistere“ ihre Sammlungen hinein. Comte Ange de Guernisac 
schenkte der Stadt 6000 fres. (davon wurden Bilder gekauft und 
Museumseinrichtungen getroffen) und überdies seine reiche 
Schmetterlingssammlung. Dr. Le Hir schenkte seine geologische 
Sammlung, eine ähnliche Collection stiftete Herr Miciol. Aus 
Staatsmitteln und Gaben von Dr. J. E. Chenantais und Graf de 
Lauzanne wurden eine Vogelsammlung gebildet. Die paar 
hundert Vögel liessen zu wünschen übrig, nach Ort und Zeit 
war nichts etikettiert, meistens nur die französischen Namen ange- 


geben, so weit ich controllieren konnte, in der Regel richtig. _ 


Eier und Nester waren auch einige vorhanden. Angenehm fielen 
die zahlreichen, dort gefundenen Stein- und Bronzesachen auf 
und die vortrefflich etikettierten Versteinerungen. Das ganze 
Museum war sehr ordentlich gehalten, der Katalog, verfasst von 
Edmond Puyo, von 1896. 

Je weiter wir nach Westen kamen, desto einförmiger wird 
das Land, auf ganz flachem Granitboden sieht man, die Wälder 
von Montagnes d’Arrde in der Ferne links liegen lassend, kaum 
etwas anderes als grosse ebene Flächen, bedeckt mit Ulex euro- 
paeus und Sarothamnus vulgaris, und ab und an einige Getreide- 
und Kartoffelfelder. Von der Station St. Thegonnec aus besuchten 
wir zu Fuss den berühmten dortigen Calvaire, eine Gruppe von ca. 
550 Personen, die Leidensgeschichte Christi darstellend, in Granit 
gehauen, und dann in einem flotten zweirädlrigen Kippkarren einen 
ähnlichen, mit noch mehr Personen ausgestatteten Calvaire bei 
Gimillau. Die Landbevölkerung erscheint immer mehr in der 
charakteristischen Nationaltracht, hier auch die Männer mit 
kurzen mit blanken Knöpfen besetzten schwarzen Röcken, fest 
gestärktem breitem weissen Vorhemde mit weissem Stehkragen, 
meist ohne Halstuch und namentlich niedrigem breitkrämpigen 
schwarzen Filzhute mit einem in 2 Enden (mit weisser Schnalle 
zusammengehalten) herabhängendem schwarzen Sammetbande. 
Bäume in grösseren Gruppen sind an der Bahnstrecke kaum zu 
sehen, so sind z. B. die Turteltauben (Columba turtur) ge- 
zwungen, in den Bahnhofsgärten zu brüten, wie bei T'hegonnec, 
wo ich ausserdem noch Flüevögel (Accentor modularis) beob- 


Bericht über die Jahresversammlung. 135 


achtete. — Weiter westlich nach dem Meere zu wird die Land- 
schaft wieder abwechslungsreicher, ab und zu fährt man auf 
Viaducten über ein tief eingeschnittenes Thal, in dem sich üppiger 
Baumwuchs zeigt, Wälder treten wieder auf, bei La Roche 
leuchten malerische weisse Klippen (wie es mir schien, aus Feld- 
spat bestehend) aus dem Blattgrün hervor, hinter Landerneau 
durchkreuzt man einen grossen Wald, der an unsere norddeutschen 
Forsten erinnert, dann beginnen die Villen der Vorstädte von 
Brest mit ihren schönen Parkanlagen, durch die man die weiten 
Wasserflächen der „Rade de Brest“ hindurch schimmern sieht, 
endlich passiert man eine Anzahl von Wällen und Festungsgräben 
und ist in 

Brest, dem grössten Kriegshafen Frankreichs, einer Festung 
ersten Ranges. Brest mit 74538 Einwohnern ist ebenfalls Ar- 
rondissements-Hauptstadt des Departements Finistere, hat blü- 
henden Handel, entzückende Lage und durch den für die grössten 
Kriegsschiffe zugänglichen von Norden her zwischen steilen 
Bergabhängen einmündenden Fluss Penfeld einen geradezu un- 
vergleichlich schönen Kriegshafen. — Das Museum befindet 
sich in einer alten Halle und enthält hauptsächlich Bilder und 
wenige prähistorische und ethnographische Gegenstände. Die 
Vögel sind vertreten durch eine kleine c. 150 ausgestopfte 
Exemplare enthaltene Sammlung in 2 unten an der Erde be- 
findlichen Schränken, meistens Europäer, sehr mangelhaft aufge- 
stellt und nicht einmal mit fransözischen Namen etikettiert. Eine 
50000 Bände starke Bibliothek befindet sich ebenfalls im 
Gebäude. — 

Nachdem wir auf den Spaziergängen an den Bastionen, so 
weit sie zugänglich waren, die entzückenden Aussichten auf das 
- Meer der „Rade de Brest‘‘ genossen und uns über die sich zahlreich 
selbst mitten in der Stadt tummelnden Möven gefreut, wandten 
wir uns südlich. Zunächst ging die Bahn wieder bis Landerneau, 
dann schwenken wir rechts südlich ab und passieren die eine der 
die Bretague durchziehenden höheren Granitketten, die Montagnes 
d’Arree, mit Blick auf das Meer, da man oben an den Bergen 
hinfährt. Die Landschaft ist gegen den Norden der Bretagne 
sehr verändert, viel mehr Wälder treten auf, namentlich Eichen 
werden sehr zahlreich cultiviert, offenbar, wie bei uns am Rhein 
und in der Eifel, zur Gewinnung der Rinde Zwecks Gerberei. 
Die Waldbäume sind ausser den Eichen die Buche und Edeltanne 
und ab und an schon die Strandkiefer. Nach den auf den Bahn- 
höfen verladenen Sachen zu schliessen, müssen hier unendlich 
viel Erdbeeren cultiviert werden, in den Hötels, auf den Märkten 
‚überall sah man Erdbeeren zu wahren Spottpreisen. — Allmählich 
nähert man sich dem zweiten höheren Granitgebirgszuge, den 
Montagnes Noires, überschreitet den Aulne, der von Ost nach 
West zwischen beiden Gebirgszügen hinfliesst und erreicht Cha- 
teaulin in entzückender Lage. In der Gegend wird ein sehr 


136 Bericht über die Jahresversammlung. 


guter Schiefer gebrochen. Dies hat einen vorzüglichen Einfluss 
auf die Bauart der Häuser gehabt, die Strohdächer verschwinden 
allmählich bei den Bauerhäusern, weisse schmuck aussehende Ge- 
bäude mit leuchtenden schwarzen Schieferdächern erscheinen. Cha- 
teaulin mit einer alten mit Gras bewachsenen Burg und dem 
schlanken Kirchturme mit den Seitentürmchen auf den 4 Ecken, 
wie man ihn hier in der westlichen Bretagne so häufig findet, 
liegt reizend. Nun passiert man (die westlichen Ausläufer der 
Montagnes Noires, die noch mehr Wald haben als die Montagnes 
d’Arree, und gelangt in abwechlungsreicher Fahrt nach 

Quimper, der Hauptstadt des Departements Finistere, mit 
18557 Einwohnern, Sitz eines Bischofs, Geburtsort des berühmten 
Mediciners Laennec, in entzückender Lage, mit hervorragen- 
der Porcellanfabrikation. Ausser der sehr schönen Kathedrale 
St.-Correntin aus dem 13. bis 15. Jahrhundert besitzt die Stadt 
ein sehr reichhaltiges Museum, dass sofort zeigt, dass wir 
es hier mit einer historisch sehr interessanten Stadt zu thun 
haben. Quimper, bretonisch „Kemper“ d. h. Zusammenfluss ge- 
nannt, da hier 2 Flüsschen, der Odet und der Steir, zusammen- 
kommen, hat sich lange Zeit Quimper-Correntin genannt, nach 
seinem ersten Bischofe St. Correntin, der es gründete. Im Be- 
ginn des Mittelalters war es unter einem „Roi Grallon“ Haupt- 
stadt der Cornouaille, wurde dann im 11. Jahrhundert von den 
Herzögen der Bretagne erobert. — Im Museum ist die erste 
Etage mit zum Teil sehr schönen älteren und neueren Bildern 
angefüllt und im Erdgeschoss finden sich die archäologischen 
Sammlungen, sehr interessante prähistorische und romanische 
Altertümer, alte Möbeln, ganze Facaden von alten Holzhäusern, 
die abgerissen wurden, namentlich aber eine prachtvolle Sammlung 
alter bretonischer Kostüme, sämtliche Figuren in Lebensgrösse. — 
Dem vortrefflichen, patriarchalisch gemütlich eingerichteten Hötel 
de l’Epee gegenüber befindet sich, nur durch den Fluss getrennt, die 
Präfeetur, hinter dieser Anlagen und dann am Bergabhange an- 
steigend ein prächtiger Buchenwald, der an die schönsten deutschen 
Wälder erinnert. 

Der Sonnabend, 7. Juni, wurde zu einer Excursion nach der 
Pointe du Raz benutzt. 

Zwischen der Bai von Douarnenez und Audierne erstreckt 
sich eine weit in den atlantischen Ocean hinausragende Halbinsel, 
deren äusserste westlichste Spitze die Pointe du Raz genannt wird. 
Von Quimper aus lässt sich der Ausflug bequem in einem Tage 
machen, zunächst fährt man durch anmutiges welliges, zum Teil 
schön bewaldetes Hügelland nach der nördlich gelegenen kleinen 
Hafenstadt Douarnenez an der gleichnamigen Bai und durch- 
quert dann die Halbinsel, um an der südlich gelegenen gleich- 
namigen Bucht in Audierne, einem kleinen Fischerstädtchen, 
wieder das Meer zu erreichen. Es war gerade Markttag und 
hatten wir Gelegenheit, die Bauern und Seeleute der Umgegend 


Bericht über die Jahresversammlung. 137 


in ihren malerischen Nationaltrachten zu beobachten. Haupt- 
sächlich Fische waren es, die ausser den üblichen auf allen Jahr- 
märkten angebotenen Gebrauchsartikeln in grossen Mengen ver- 
kauft wurden. Besonders interessierte uns ein colossaler Hai- 
fisch, von fast 2 m Länge und 500-600 Pfund Gewicht, der 
gerade gelandet wurde, aber, wie die Fischer sagten, zum 
Genusse für Menschen unbrauchbar sei. Audierne ist berühmt 
durch feine Sardinen, wir fragten ein Mädchen am Eingange der 
grössten Sardinen-Fabrik um die Erlaubnis, das Etablissement 
zu besichtigen. Sie führte uns zu der Besitzerin, einer bretonischen 
Dame, die sich aber in ihrer Kleidung kaum von dem Dienst- 
mädchen unterschied; die characteristische weisse Haube, das 
schwarze Kleid und die dunkele Schürze trug sie ebenso, wie 
die Hausmädchen und zeigte uns die verschiedenen Apparate, 
die zur Herstellung der bei uns so beliebten ‚„Sardines & l’huile‘“ 
dienten, von den frisch gefangenen Fischen an bis zu der zum 
Export fertigen Büchse. In der Zwischenzeit war unser Einspänner 
fertig angespannt, der Frühstückskorb im Hötel de France gepackt 
und fort ging es zunächst bergauf zum Kamm der Halbinsel 
und dann im lustigen Trabe auf der kahlen Hochfläche an einigen 
armseligen aus Granitsteinen erbauten Fischerdörfern vorbei 
in c. 5/, Stunden nach dem Leuchtturme auf der äussersten 
Landspitze. Hier muss man ausspannen und darf dann zu der 
äussersten Felsspitze zu Fuss gehen. Von 2 Führern und 
3:Jungens, die schon einige Kilometer hin neben unserem Wagen 
gelaufen waren, um sich zur Führung anzubieten, (ähnlich wie 
am Aschenkegel des Vesuvs. wenn man von Pompeji her kommt) 
nahmen wir einen Führer und suchten uns zunächst ein schönes, 
vor dem Winde geschütztes Plätzchen, um uns leiblich auf die 
uns bevorstehende Kletterpartie zu stärken. Köstliche Aussicht 
nach Norden bis zu der die Bai von Douarnenez nordwärts um- 
ziehenden Halbinsel von Crozon mit dem weit nach Süden vor- 
“springenden Cap de la Chevre, im äussersten Norden die Pointe 
St. Mathieu, an der „Rade de Brest“ den Horizont begrenzend! 
Zunächst wird man nördlich hinabgeführt zum sogenannten 
„Enfer de Plogoff“‘, weil die Alten hierher den Eingang zur Unter- 
welt verleeten. Ein enger langer Felstunnel führt dicht über dem 
Meeresspiegel hinüber zur Südseite, bei Ebbe kann man hindurch 
sehen, bei Flut strömt das Meer von der einen zur andern 
Seite. Bei Sturm muss es schauerlich hier sein, wir hatten 
verhältnismässig ruhiges Meer und trotzdem donnerten die Wellen 
in imposanter Weise in den Felsspalt hinein. Der Fübrer er- 
zählte uns, dass die grosse französische Schauspielerin Sarah 
Bernhard tausend Franken Belohnung geboten habe für den, 
der sie durch das „Enfer‘ führte, aber keiner habe sich gefunden. 
— Grossartiser noch war die äusserste westlichste Felsenspitze, 
kaum 4 Menschen haben neben einander Platz, 80 m steht man 
über der tosenden Brandung, das Meer zwängt sich mit einem 


133 Bericht über die Jahresversammlung. ° 


kräftigen Strudel von Norden nach Süden durch die unzähligen 
kleinen dicht unter der Meeresfläche lagernden ausgezackten 
Granitblöcke. In der Verlängerung der Spitze liegt etwa 9 Kilo- 
meter entfernt im Meere die kleine Insel Sein, das Sena der Alten, 
wo ein altes Druidenheiligtum lag mit 9 Druidenpriesterinnen, 
deren letzte, Velleda, der grosse Chateaubriand in unserem 
Zeitalter besang. Weiter hinaus folgt der unermessliche atlan- 
tische Ocean, bis Amerika hin nicht durch festes Land unter- 
brochen. Der Anblick war unbeschreiblich grossartig, gar nicht 
trennen konnten wir uns, besonders da tief zu unseren Füssen 
gerade in dem Strudel 4—5 Haifische jagten und die immer 
wiederkehrenden, aber immer schönen Wogen der Brandung 
belebten. Nach einem Rundgange an der Südseite mit dem weiten 
Blicke südlich bis zur Pointe de Penmarch wandten wir uns 
nochmals nordöstlich zur „‚Baie des Trepassees“. In für Menschen 
ganz unzugänglichen tiefen Felsspalten brüteten Dreizehen- 
Möven (Larus tridactylus), vier oder fünf Nester konnten wir 
deutlich mit dem Opernglase beobachten, die Jungen waren 
c. 14 Tage alt, dazu flogen Kormorane (Carbo cormoranus) aus 
und ein und lautkrächzend verschwanden 2 Kolkraben (Corvus 
corax) hinter der nächsten Felsenspitze. Überall war der be- 
dächtige Felsenpieper (Anthus rupestris) zu beobachten und 
einige Mauersegler (Oypselus apus) schwirrten in den Lüften. 
— Auf demselben Wege kehrten wir Abends noch bei Zeiten 
nach Quimper zurück, um am andern Morgen dem schönen Buchen- 
wald auf der andern Seite des Flusses einen Besuch abzustatten 
und dann mittags weiter zu fahren über Rosporden. Quimperle, 
Lorient (der ersten Stadt in dem so einförmigen und ärmlich 
aussehenden Departement Morbihan, das durch seine prä- 
historischen Altertümer mit zu den interessantesten ganz Frank- 
reichs gehört), Hennebout (berühmt durch Johanne von Flandern, 
die Gemahlin Johann IV von Montfort, die hier 3 Jahre lang 
von 1342 — 1345 dem Karl von Blois Widerstand leistete und 
ihn zuletzt mit Hilfe der Engländer besiegte), Auray (bekannt 
jetzt durch die grossen Austernkulturen und von früher her durch 
die Schlacht von 1364, die die Nachfolge Johann V in der Herr- 
schaft der Bretagne gegen die Herzöge von Blois sicherte) nach 
der Halbinsel 

Quiberon. Schon von der Eisenbahn aus sieht man sich 
in einem Lande, das unseren friesischen Haide- und Moorland- 
schaften gleicht. Weite sandige Strecken, viel Haide, ab und an 
ein Wäldchen von Strandkiefern, die jetzigen menschlichen Be- 
wohner unseren „Moorpustern“ eleichend. Wir verliessen den 
Eisenbahnzug in Plouharnel-Carnac, um von hier aus die schmale 
weit nach Süden in der Art unserer Ostsee-Hatfl’s vorspringende, 
die Bai von Quiberon nach Westen begrenzende Halbinsel 
kennen zu lernen. Wir befinden uns auf einem der interessan- 
testen prähistorischen Terrains, das überhaupt auf der ganzen 


Bericht über die Jahresversammlung. 139 


Erde existiert, inmitten der megalithischen, keltischen oder 
Druidendenkmäler, die hier vor tausenden von Jahren er- 
richtet wurden. Fast alle Formen und Gruppierungen, die über- 
haupt bekannt sind, können wir hier beobachten: 

1) Menhir (bretonischer Name), Men-pierre, Hir-longue, 
Peulven (französische Namen). Riesensteine; rohe unbehauene 
Steine vertikal aufgestellt, von sehr verschiedener Grösse. In 
der Regel erreichen sie nur eine oder mehrere Manneshöhen, 
bisweilen sind sie aber von enormer Grösse, so liegt der König 
aller Menhirs, der Manear-Groach, in 4 Stücke geborsten bei 
Lochmariaquer, mit einem Umfang von 7 m, einer Länge von 
11'/;, m und einem auf 200000 Kilo berechnetem Gewicht. 

2) Alienements. Dies sind Gruppen von reihenweise 
aufgestellten Menhirs. Solche Felder von 5—4 Kilometer Aus- 
dehnung giebt es jetzt noch bei Carnac mit mehr als 600 Steinen. 
Nach glaubwürdisen Berichten des 16. Jahrhunderts, als man 
noch nicht mit Menschenhand diese prähistorischen Bauwerke 
zerstörte und zu Häuser-, Kirchen- und Strassenbauten benutzte, 
sollen an 15000 in dortiger Gegend gewesen sein. 

3) Lech. Menhirs, die behauen sind und an den Seiten 
meistens Kreuze zeigen, z. B. dicht am Dorfe Plouharnel. 

4) Cromlech (bretonischer Name), Crom-cercle, Lech-lieu 
Cameilloux (französische Namen), eine Gruppe von Menhirs oder 
einfachen Felsblöcken, wie sie sich in der Haide finden, in Form 
eines Kreises oder Vierecks, wie z. B der Crom-lech von Menee, 
oder der Quadrilatere von Crucuno. 

5) Dolmen (bretonischer Name), Dol-table, Men-Pierre, 
Grottes-aux-Fees (französische Namen), Tafelsteine, Grabkammern 
eyclopischen Gepräges, Steinplatten, die auf 2 Reihen von Stütz- 
pfeilern ruhen, wie z. B der Dolmen von Corcoro bei Plouharnel 
oder der in der Nähe gelegene von Kerinoz u. S. w. 

6) Allee-couverte, zwei Reihen von Menhirs, die mit 
Platten bedeckt sind. Häufig bilden sie den Zugang zu den Dolmen. 

7) Cist-ven (bretonischer Name), Cist-tombe, Ven-pierres 
(französische Namen), Stone-kist (englischer Name), Steinkiste, 
bestehend aus flachen Steinen, die eine Grabkammer darstellen, 
kleiner als in den Dolmen. 

8) Galgal, Zusammenhäufung von kleinen Roll-Steinen, 
die einen Hügel bilden. 

9) Tumulus, Zusammenhäufung von grossen Steinen, mit 
Erde überdeckt, in der Mitte eine Grabkammer, wie z. B. der 
Tumulus von St. Michel bei Carnac und der von Kercado. 

Mitten zwischen diesen grossen Überresten einer Epoche, 
die vor unserer geschichtlichen Zeit liegt, wohnt man im „Hötel 
des voyageurs“ in Carnac in einfacher aber vortrefflicher Weise. 
Wunderbar berührt es, zwischen diesen Riesensteinen einherzu- 
wandern, die zum Teil in wunderlichen, gespenstischen Formen, 
namentlich wenn es dunkelt, sich darbieten. Der Ort gruppiert 


140 Bericht über die Jahresversammlung. 


sich um eine Kirche aus dem 17. Jahrhundert, die an der vor- 
deren Facade ein Bild des Heilgen Cornely zeigt, der die heran- 
kommenden Rinder segnet. Er ist der Heilige der Haustiere, 
Mitte September strömt die Bevölkerung der Umgegend herbei, 
mit ihren Viehherden, um diese von dem Heiligen segnen zu 
lassen. Am östlichen Ausgange befindet sich das Musee Miln, 
gegründet von dem 1881 verstorbenen Archäologen Miln. Dieses 
kleine von dem Kustoden Zacharias le Rouzig geleitete 
Museum ist ausserordentlich interessant durch die Menge von 
prähistorischen Funden aus der Umgegend und sehr instructive 
Modelle der verschiedenen prähistorischen Denkmäler. Ausser- 
dem findet sich eine kleine oruithologische Sammlung von 
recht gut ausgestopften in der dortigen Gegend erlegten Vögeln, 
bei denen der Tag der Erlegung meistens angegeben war, die 
Bestimmung aber vielfach fehlte, So weit meine Zeit reichte, 
suchte ich die Bestimmung zu ergänzen. Nach den Angaben 
Rouzig’s kommt die Schneekrähe (Corvus cornix) dort im 
Oktober an und zieht im März ab, die Haidelerche (LZullula 
arborea), die wir massenweise auf den Steinfeldern beobachteten, 
brütet sehr häufig, das feuerköpfige Goldhähnchen (Regulus 
ignicapillus) nistet viel in den Wäldern ‘der Seestrandkiefern, 
die Uferschwalben (Cotyle riparia) brüten in der Dünen, die 
Mantelmöve (Larus marinus) nistet auf der Insel Houat im 
Süden der Bucht von Quiberon, der Eisvogel (Alcedo ispida) 
ist allgemeiner Brutvogel, der Löffelreiher (Platalea leucero- 
dia) ist in einem sehr schönen dort erlegten Exemplare vertreten, 
von Drosseln ist Schwarzdrossel (Turdus merula), Sing- 
drossel (Turdus musicus), Weindrossel (Turdus tliacus), 
Wachholderdrossel (Turdus pilaris) und Misteldrossel 
(Turdus viscivorus) dort vorgekommen und in der Sammlung 
zu sehen. — Die meisten Angaben des Kustoden waren so sicher 
und treu vorgetragen, dass sie mir glaubwürdig erschienen. Nur 
in einem Falle wurde ich sehr skeptisch, ich muss denselben 
hier erwähnen, da Herr Rouzig denselben vielleicht auch anderen 
Besuchern von Carnac vorträgt, und überlasse es den franzö- 
sischen Ornithologen, denselben aufzuklären, da er, wenn wahr, 
hoch interessant wäre. In der Sammlung ist ein Seidenschwanz 
(bombyecilla garrula) vorhanden. Rouzig versicherte mir mehrere 
Male mit absoluter Sicherheit seinerseits, dass derselbe dort 
ausgebrütet sei, er habe im Juni 1879 das Nest mit 5 Jungen 
in der Zeit des Frohnleichnamsfestes bei Kerkado mitgenommen, 
die Jungen aufgefüttert und einen davon, dieses im Museum be- 
findliche Exemplar, ausgestopft. 

Schwer war es für uns, diesen interessanten Fleck Erde zu 
verlassen, namentlich da noch eine Commission gelehrter Herren 
aus Vannes eintraf, um Ausgrabungen vorzunehmen, — aber die 
Zeit drängte und so ging es auf demselben Wege zurück, über 
Auray, nach 


Bericht über die Jahresversammlung. 141 


Vannes, einer ruhigen Stadt, von 22189 Einwohnern, der 
alten Hauptstadt der Veneter, der schlimmsten Feinde der Römer 
in der Provinz Armorica, jetzt Hauptstadt des Departements 
Morbihan. Ausser der, aus dem 13. —14. Jahrhundert stammenden, 
den verschiedensten Bauepochen angehörenden, Kathedrale und 
einem, wie Bädecker sagt: „Embryo“ von Kunstmuseum enthält 
die Stadt von Sehenswürdigkeiten eigentlich nur das archäo- 
logische und naturhistorische Museum. Dasselbe gehört 
der „Societe polymathique du Morbihan“ und findet sich am Place 
des Lices in einem alten Gebäude. Die Gesellschaft ist am 
29. Mai 1826 gegründet, zum Zweck des Studiums der natür- 
lichen Productionen des Landes, seiner Geschichte und seiner 
Altertümer. Sie hält jeden Monat eine regelmässige Sitzung ab, 
und veröffentlicht den Bericht über dieselbe. Alle 6 Monate 
giebt sie ein Bulletin heraus, in dem die der Veröffentlichung 
würdig erklärten Arbeiten abgedruckt werden. Seit 1826 existieren 
die Sitzungsberichte im Drucke oder als Manuskript, von 1833 
bis 1856 sind keine Memoiren gedruckt. Die naturwissenschaft- 
liche Bibliothek hat ca. 1000 Bände, von Temminck z. B. Les 
. Oiseaux d’Europe. Der Conservator des naturhistorischen Muse- 
ums, A. Leguillon-Guyot, beschäftigt sich mit Vorliebe mit 
Lebensbeobachtungen der Vögel, speciell den Wanderungen und 
der Nistweise. — 

Die Anordnung der Museumsräume ist die, dass sich auf 
der einen Seite eines Mittelkorridors 4 Säle mit prähistorischen 
Objecten und auf der anderen Seite die naturhistorischen Samm- 
lungen befinden. — Ausser zahlreichen ausgestopften Vögeln aus 
verschiedenen Ländern der Erde ist eine sehr interessante 
Sammlung der Vögel des Morbihan vorhanden, mit franzö- 
sischer und wissenschaftlicher Etikettierung, meist auch das Jahr des 
Fundortes und die Jahreszeit (Frühling, Herbst u. s. w.) angegeben. 
Von einzelnen Arten fielen mir besonders auf: Kleiner Schrei- 
adler (Aguila naevia), im vorigen Winter bei St. Gilda erlegt, 
Eiderente (Somateria mollisima), schönes altes &, Schlangen- 
adler (Circaetos gallicus), vortreffliches Exemplar, Mauerläufer 
(Tichodroma muraria), 1896 an der Mauer der Kathedrale 
geschossen, Kolkrabe (Corvus corax), Standvogel, schlank- 
schnäbliger sibirischer Tannenhäher (Nucifraga caryo- 
catactes leptorhynchus), 1 Exemplar, Wiedehopf (Upupa epops), 
viel dort brütend, Alpenkrähe (Pyrrhocoraz graculus), Brutvogel 
auf Belle-Isle, Trappe (Ots tarda) sehr selten in schweren 
Wintern, Brautente (Anas sponsa), sehr schönes @, im October 
1899 am Etang von Pargo geschossen (vermutlich einer Voliere 
entflogen! Bl.), weiskehliges Blaukehlchen (Lusciola leuco- 
eyanea), Durchzugsvogel im Frühjahre, Provence- Sänger 
(Melizophilus provineialis), Standvogel, Dompfaff, kleinschnäb- 
lige Foım, (Pyrrhula vulgaris), 2 Exemplare, schwarzer Storch 
(Oieonia nigra), 1 Exemplar, Purpurreiher (Ardea purpurea), 


142 _ Bericht über die Jahresversammlung. 


selten, 1 sehr schönes Exemplar, Löffelreiher (Platalea leuce- 
rodia), sehr selten, 1 Exemplar, Nachtreiher (Ardea nyeticorax), 
selten, Papageitaucher (Fratercula arctica), Standvogel auf 
Belle-Isle, grosse Raubmöve (Stercorarius parasitieus), 1877 
erlegt, Basstölpel (Sula bassana), viele alte und junge Exem- 
plare, Mornell-Regenpfeifer (Eudromias morinellus) aus dem 
Frühjahr, Kranich (Grus cinerea), I Exemplar, vom Regen- 
brachvogel (Numenius phaeopus) und dünnschnäbligen 
Brachvogel (N. tenuirostris), je 1 Exemplar, grosse Rohr- 
dommel (Dotaurus stellaris), 1 Exemplar, Tordalk (Alca torda), 
ı Exemplar. Überhaupt war namentlich die Sammlung von 
Enten, Sägetauchern, See- und Krontauchern hervor- 
ragend schön. 

Die Eier der betreffenden Vögel waren in manchen Fällen, 
ausgeblasen, auf einen Faden gezogen, an den Füssen der 
betreffenden Art befestigt. Ausserdem war eine ganze Samm- 
lung von Eiern, unter 2 Glaskasten, auf Fäden gezogen, auf der 
Hinterwand aufgehängt, meistens bestimmt, mit richtigen, fran- 
zösischen Namen. 

Von Säugetieren waren auch viele aufgestellt, darunter 
ein prachtvoller Wolf, vor 20 Jahren dort erlegt. 

DieSchmetterlinge hatten sehr unter Mottenfrass gelitten. 

Conchylien, der Jetztzeit und versteinert, waren sehr 
schön vertreten. 

Die Mineraliensammlung schien sehr reichhaltig zu sein. 

Eine Treppe höher war die Bibliothek der Gesellschaft 
aufgestellt, Bücher aus allen möglichen Wissenschaften, Geschichte, 
Geographie, Naturwissenschaften u. s. w. und eine grosse Zahl 
von Bulletins anderer französischen gelehrten Gesellschaften. 

Bei der Weiterfahrt nach Nantes hat man anfangs bis Redon 
die Landes de Lanveaux nördlich neben sich mit Ginstern und 
Haide bedeckte ziemlich öde Landschaften, dann wendet man 
sich südlich nach der Loire zu, passiert weite Wiesenflächen, dann 
einige grössere Wälder und erreicht bei 

Nantes den breiten, mächtigen Loire-Strom. Nantes, die 
siebentgrösste Stadt Frankreichs, am rechten Ufer der Loire 
gelegen, Hauptstadt des Departements Loire inferieure, mit 
123902 Einwohnern, mit blühender Industrie und reichem Handel, 
jetzt eine Pflegstätte für Kunst und Wissenschaft, hat eine inter- 
essante Geschichte, die bis auf die Römerzeit zurückführt. Nach 
langwierigen, heftigen Kämpfen für die Selbständigkeit der Stadt 
und der Bretagne, fand dort 1491, in dem alten, aus dem 15. 
Jahrhundert stammenden, Schlosse die Hochzeit von Anna von 
Bretagne mit Karl VIII. statt, wodurch die Bretagne mit Frank- 
reich vereinigt wurde. 

Ausser dem genannten Schlosse, das jetzt zu Militärzwecken 
benutzt wird, und der Kathedrale. St. Pierre mit dem schönen 
Grabdenkmale Franz II., des letzten Herzogs der Bretagne, 


Bericht über die Jahresversammlung. 143 


besitzt Nantes an Instituten der Kunst und Wissenschaft: 1. das 
Musde de peinture, nach den Plänen von C. Josso 1893 
begonnen und 1897 vollendet, ein grossartiges Gebäude, mit ca. 
1000, zum Teil sehr schönen Bildern, 2. das Mus&e Dobree, 
von dem Bürger gleichen Namens der Stadt 1894 geschenkt, auf- 
gebaut im Stile des i3. Jahrhunderts, um gleichsam als Oluny- 
Museum zu dienen und prähistorische, römische, merovingische 
Funde, alte Möbel u. s. w. aufzunehmen, 3. den botanischen 
Garten, sehr schön und instruktiv eingerichtet, z. B. an den 
Bäumen «arosse Porzellanetiketten, mit einer, das ursprüngliche 
Vorkommen bezeichnenden, Landkarte und kurzer Angabe, wozu 
- die Pflanze dient, mit prächtigen Warm- und Kalthäusern, Teichen 
mit Wasservögeln, Volieren mit Landvögeln u. Ss. w. 4. das 
Muse&e d’Histoirenaturelle und 5. die Privatsammlung 
Bonjour. 

Ernest Bonjour, jetzt 72 Jahr alt, ein ausserordentlich 
liebenswürdiger prächtiger Herr, sammelt Vögel seit 1857, viele 
hat er in seinem früheren Wohnorte, Amiens in der Picardie, ferner 
später im Gebiete der Vendee und Loire inferieure erbeutet, 
‚sämtlich selbst ausgestopft und ganz genau wissenschaftlich mit 
Geschlechts-, Zeit- und Ortsangaben etikettiert. In der Privat- 
Wohnung, Passage St. Jves, No. 23, sind die Vögel, vortrefflich 
gestopft, in einem grossen Saale mit Oberlicht in 2 Schränken, 
frei in der Mitte stehend, und rings an den Wänden angebrachten 
Glasschränken aufgestellt. In neuerer Zeit sind viele schöne 
Exemplare von Möschler, Rey und Schlüter in Deutschland 
bezogen. Wundervolle Suiten von verschiedenen Kleidern, Alters- 
stufen und Geschlechtern namentlich von Sabine’s Möve (Larus 
Sabinei), Dougall’s Seeschwalbe (Sierna Dougalk) und 
Papageitaucher (Mormon fratercula) fallen besonders in die 
Augen. Einige Übergangs-Mauser-Kleider waren vortrefflich und 
sehr selten sonst zu finden. Die Larus Sabinei sind sämtlich im 
August und September an der Westküste der Bretagne und weiter 
Loire aufwärts bis Nantes hin erlegt. Der Purpurreiher (Ardea 
purpurea) nistet auf den Inseln der unteren Loire. Von Tan- 
nenheher (Nucifraga caryocatactes) waren schlank- und dick- 
schnäblige vorhanden, ferner sehr schöne Steppenhühner 
(Syrrhaptes paradozus) aus dortiger Gegend von 1888 und eins 
von 1863. Von Wiesenweih (Circus cineraceus), der wie der 
Rohrweih (C. aeruginosus) dort sehr gemein ist, bemerkte ich 
2 sehr schöne Melanismen. Der Steppenweih (Circus pallidus) 
ist nach Bonjour’s Angaben dort noch nicht vorgekommen. Der 
Nachtigallrohrsänger (Locustella luscinioides) nistet bei 
Nantes. Vom Waldkauze (Syrnium aluco) sind nach Bonjour’s 
Untersuchungen die @ meistens die braunen, die g die grauen. 
Anthus Richardi (Richard’s Spornpieper) wurde mehrfach 
- dort in älteren Exemplaren geschossen, einmal auch ein junger 
im ersten Jahre stehender Vogel erleg. Ein Wanderfalke 


144 Bericht über die Jahresversammlung. 


(Falco peregrinus) stand in Wuchs und Zeichnung dem Würg- 
falken (Falco lanarius) sehr nahe, erwies sich aber nach Ver- 
gleichung mit den Exemplaren des Braunschweiger Museums als 
echter Wanderfalk. — Der Sohn, SamuelBonjour, ist prak- 
tischer Arzt, c. 40 Jahr alt, eifriger Musiker, grosser Verehrer 
von Beethoven (Abends erfreute er uns in dem gastlichen Hause 
seiner Eltern durch sein köstliches Violinspiel!), beschäftigt sich 
auch mit Ornithologie, sammelt aber hauptsächlich Schmetterlinge; 
ausser medicinischen Arbeiten, z. B. über Myelome, hat er u. a. im 
Bulletin de la Societe zoologique de France eine kleine Arbeit über 
Farben-Variationen einiger Vogelkleider (Tom. XIII, S. 193, Jahr- 
sang 1888) veröffentlicht, namentlich aber eine Schmetterlings- 
fauna der Loire-inferieure herausgegeben (Bulletin de la Societe 
des sciences naturelles de l’Ouest de la France, 1894, IV, 
p. 164 u. I). == 

Das Muse&e d’Histoirenaturelle steht zur Zeit unter 
der Leitung von Dr. Louis Bureau, Professor an der Ecole 
de Medeeine zu Nantes. Es findet sich in der Ecole des Sciences 
zwischen Rue Voltaire und Place de la Monnaie in einem 1821 
in klassischem Style errichteten Gebäude, das zuerst als Münze, 
dann als Justizpalast diente. Die Tiere, sämtliche Tierklassen 
vertreten, sind in grossen Sälen in 2 Etagen über einander mit 
Seiten- und OÖberlicht und je einer höheren Gallerie an den 
Wänden vortrefflich aufgestellt und ausgezeichnet conserviert. 
Die Säugetiere, Reptilien, Amphibien, Fische und niederen Tiere 
sind in schönen Exemplaren vertreten, der Hauptwert der Sammlung 


liegt aber in den Vögeln. Wenige Gegenden Frankreichs sind’ 


vom ornithologischen Standpunkte aus so genau studiert, wie die 
untere Loire, Bretagne und Vendee und das grosse Verdienst L. 
Burau’s ist es, dass er die Belegs-Exemplare möglichst im Museum 
zu Nantes zu vereinigen suchte. Das grundlegende Werk für die 
dortige Ornis ist Blandin, Catalogue des Oiseaux dans le 
Departement de la Loire inferieure, veröffentlicht 1863 in den 
Ann. Soc. acad., p. 504—584 und 2 kleinere Arbeiten desselben 
Autors, ein Appendix zu dem Katalog, eodem loco, 1874, p. 438 
u. 444 und eine Schrift: Oiseaux migrat. q. visit. la Bret. et causes 
de leurs migrat., erschienen St. Brieuc, Congr. sc. de Fr. 1872. 

Die Sammlung Blandin wurde durch dessen Schwiegersohn, 
Jules Levesque, 1876 dem Museum geschenkt, Ernest Bonjour 
gab viele seiner interessanten Exemplare ab und die Sammlung 
Jules Quiquandon, der auch seit 1857 Vögel aus der Umgegend 
sammelte, ging ebenfalls 1895 in den Besitz des Museums über. 
Seit 1863 ist Louis Bureau mit seinem Bruder Etienne bemüht 
gewesen, namentlich in der Fortpflanzungszeit die grossen Wälder 
des Departements, die Küsten und Inseln der Bretagne und Vendee 
zu erforschen und die gesammelte Beute dem Museum zu über- 
weisen. Seit 1882 ist Bureau Director des Museums und bemüht 
sich durch selbst erlegte Exemplare die Sammlung zu bereichern, 


Bericht über die Jahresversammlung. 145 


er ist nicht nur Arbeiter im Museum, zwischen den Bälgen und 
ausgestopften Bälgen, nein er ist im besten Sinne des Wortes 
„Field Ornitholog‘“, mehrere Monate des Sommers bringt er auf 
seinem Familiengute in der Provinz zu, prachtvoll gelegen für 
Naturbeobachtungen, vom Fenster der Villa aus mit dem Blicke 
auf ein Fischreiher-Colonie. — So ist es denn gekommen, dass die 
ornithologische Local-Sammlung des Museum zu Nantes mit zu den 
vortrefflichsten ihrer Art gehört, die man überhaupt sehen kann. 

Beim Durchgehen zeigte es sich immer mehr, dass Bureau 
ein ganz vortrefflicher Beobachter in der freien Natur ist. So 
erklärt er, ganz sicher beobachtet zu haben, dass die weissen 
hellen Bussarde niemals dort brüteten, sondern nur auf dem Zuge 
vorkämen, Brutvögel seien dort nur die dunklen, auch bei diesen 
konnte er die stärker dunklen sicher als die Alten von den we- 
niger dunklen, den Jungen, unterscheiden. — Offenbar hat B. 
auch das Bestreben, die einzelnen Arten nach localen geogra- 
phischen Verschiedenheiten zu sammeln, so waren z. B. bei den 
Tannenhehern die dickschnäbligen, pachyrhynchus, von den 
- schlankschnäbligen, leptorhynchus, getrennt. Die grossen grauen 
Raubwürger (Lanius excubitor) wurden genauer durchgesehen 
und nur zweispiegelige echte excubitor, kein einziger ein- 
spiegeliger major gefunden. Offenbar scheint letzterer hier nicht 
mehr vorzukommen. Lanius senator, der rotköpfige Würger, 
ist offenbar viel häufiger als bei uns. — Von Sabine’s Möve 
(Larus Sabinei) und Dougall’s Seesch walbe (Sterna Dougallı), 
die ziemlich jedes Jahr auf Belle-Isle brütet, waren prachtvolle 
Suiten da. — Mormon fratercula, der Papageitaucher, ist 
klassisch vertreten in allen Formen der Mauser des Schnabels, 
wie sie B. nach mehrmaligen Excursionen nach den Brutplätzen 
in seiner schönen mit höchst instructiven Tafeln versehenen Arbeit 
in Bulletin de la Societe zoologique de France 1878 „De la Mue 
du Bec et_ des Ornements palpebraux du Macreux arctique (Fra- 
lercula arctica (Lin.) Steph. apres la saison des amours“ be- 
schrieben hat. Auch er brütet auf Belle-Isle. — Eine Menge 
interessanter Exemplare anderer Vögel finden sich, z. B. Nach- 
tigallrohrsänger (Locusiella luscinioides), von Blandin zuerst 
dort nachgewiesen, Rothalsgans (Anser ruficollis) 1848 im 
Winter erlegt, Kolbenente (Branta rufina) vom Februar 1848, 
Blaudrossel (Peirocincla eyanea) Schneespornammer (Plec- 
trophanes nivalıs) im Hochzeitskleide am 21./4. 1896 erlegt, 
Halsbandgimpel (Glareola pratincola) im April 1859 geschossen, 
Weissbärtige Seeschwalbe (Hydrochelidon hybrida) im Mai 
1860 erbeutet, Lerchenspornammer (Plectrophanes lapponieus) 
vom 6./11, 1869, Eismöve (Larus glaucus) von Mitte Dezember 
1892, Kaspische Seeschwalbe (Sterna caspia) aus dem Früh- 
jahr 1855, Grosser Schreiadler (Agwila clanga Pall.) vom 
1./11. 1886, Rauhfussbussard (Archibuteo lagopus) vom 2./11. 
1891, Rosenstar (Pastor roseus) vom 28./7. 1885, Alpen- 

Journ, f, Orn, XLIX, Jahrg. Januar 1901. 10 


146 Bericht über die Jahresversammlung. 


mauerläufer (Tichodroma muraria) in 2 Exemplaren vom 
26./10. 1890 und 6./11. 1892, Steppenhuhn (Syrrhaptes para- 
doxzus vom 11./5. und 23./7. 1888, Europäischer Rennvogel 
(Oursorius gallicus) vom 28./7. 1888, Grauer Tauchersturm- 
vogel (Puffinus cinereus) vam 26./8. 1890, Ruderente (Eris- 
matura leucocephalu) vom 23./12. 1893 und 7./12. 1897 u. s. w. 

Auch die Eiersammlung war sehr gut; nach Gelegen 
waren die einzelnen Arten gesammelt, und genau bezeichnet, 
jede Art in einen kleinen Pappkasten mit Glasdeckel auf Watte 
aufbewahrt, meistens auf der Seite mit einem Loche ausgeblasen, 
viele aber auch mit 2 Löchern an beiden Polen. Die meisten 
waren in Schubladen aufbewahrt, so dass sie nicht verbleichen 
konnten, diejenigen, die frei für das Publikum auslagen, waren 
mit Tüchern bedeckt. 

Die Privatsammlung Bureau’s findet sich in dessen 
Hause Die europäischen Vögel stehen ausgestopft in grossen. 
Glasschränken an den Wänden, sehr schöne Exemplare; ausser- 
dem sind viele Bälge in Blechkisten mit Einsätzen sehr sinnreich 
verpackt, Erinnerungen an die Reisen, die B. nach Spanien, Tunis 
und Klein-Asien machte. 

In Louis Bureau besitzt Frankreich einen Mann, der 
voll und ganz im Stande wäre, eine Ornithologie Frankreichs, 
den jetzigen Anforderungen der Wissenschaft entsprechend, zu 
schreiben, er kennt nicht bloss seine jetzige Heimat, sondern 
auch die übrigen Departements sehr gut und besitzt eine Masse 
von Einzel-Notizen, die nur der Durchsicht und Verarbeitung 
harren. Leider ist er zur Zeit zu sehr mit anderen Arbeiten 
überhäuft, so dass wir wohl auf eine Ornis Frankreichs, die nach 
der 2. Auflage von Degland & Gerbe’s Ornithologie europeenne von 
1867 sehr erwünscht wäre, noch etwas warten müssen. 

Schweren Herzen’s trennten wir uns von dem interessanten 
Nantes und seinen liebenswürdigen Bewohnern, um nun der 
Bretagne Lebewohl zu sagen. Wohl verlohnt es sich, auf dieses 
interessante Land, in dem wir fast 14 Tage zugebracht hatten, 
einen Rückblick zu werfen. | 

In geologischer Beziehung wohl der älteste Landstrich 
Frankreichs, ist die Bretagne auch seit dem Bestande unseres 
Continentes von Veränderungen am wenigsten berührt. Sie 
besteht aus Granit und verwandten krystallinischen Gesteinen und 
gehört geologisch zu Westengland, von dem sie geographisch nur 
oberflächlich durch den Kanal getrennt ist. Ähnlich wie mit der 
Geologie, ist es auch mit der Bevölkerung und der Tier- und 
Pflanzenwelt der Bretagne, es hat sich auch hierin im Laufe der 
Jahrhunderte wenig verändert. Während, wie L. Rütimeyer, 
von deutsch redenden und schreibenden Forschern der Wissen- 
schaft wohl der beste Kenner der Bretagne, in seiner Arbeit: 
„Bretagne, Schilderungen aus Natur und Volk“ (abgedruckt in 
L. Rütimeyer, Gesammelte kleine Schriften allgemeinen Inhalts 


Bericht über die Jahresversammlung. 147 


aus dem Gebiete der Naturwissenschaft, Bd. II, S. 259 und £f.) 
‚1879, 1880 und 1881 schreibt: „allerorts, wo nicht grössere 
Unterbrechungen von Menschengeschichte zeitweise stattfanden 


— die älteren Spuren von Geschichte, von späteren, wie mit 
neuen Wachstumsringen, wie mit neuer Vegetation bedeckt werden, 
während allerorts die Völker ihre Physiognomie wechseln, oder 
bis in’s Unkenntliche verändern, während die Monumente, die sie 
zurücklassen, unterirdisch werden, und zwar um so mehr, je 
zahlreichere Schichten späteren Bauwerkes sich darüber lagern, 
— ist in der Bretagne nichts ausgelöscht, Druidensteine, römische 
Tempel, Kirchen und Abteien aus den ersten Anfängen des 
Christentums, Türme und Schlösser der Feudalzeit stehen eben- 
bürtig nebeneinander. Das häufigste Bauwerk, die aus Granit 
und Lehm zusammengesetzte Hütte des Bauern, vertritt sogar, 
da sie sich seit der Bewohnung des Landes augenscheinlich nie 
verändert hat, alle diese Epochen der Geschichte insgesamt; 
und der Landmann selbst trägt nicht weniger als seine Wohnung 
in Physiognomie und Sprache, in Kleid und Geräten, in Sitte und 
Religion, im Handeln und Fühlen noch Merkmale an sich, die in 
verflossenen Jahrhunderten und Jahrtausenden wurzeln. Aus der 
Druidenzeit, deren Denkmäler das Land viel reichlicher bedecken, 
als Städte und Dörfer, und deren Kultur in Sage und Glauben 
bald düsterer, bald fröhlicher Art, noch jetzt nicht verblichen ist, 
hat er seine Mystik und manche Züge ächt heidnischer Wildheit 
beibehalten. Noch werden an den Totenfesten, am Tage nach 
Allerheiligen, wenn sich die Familie um Mitternacht von dem 
gemeinsamen Mahle zurückzieht, Speisen auf den Tisch gestellt 
für die Abgeschiedenen, die jetzt aus den Gräbern aufsteigen 
und unter dem Dache, wo sie geboren wurden, ihr jährliches 
Mahl in Empfang nehmen. Wenige Jahrzehnte sind verflossen, 
seit noch auf offener See, zwischen Guilvinec und Penmarch, der 
christliche Priester, von der in ihren Barken knieenden Menge 
umgeben, die Sacramente darbrachte über der Stelle, wo vor 
alten Zeiten das Meer die noch heute in der Tiefe sichtbaren 
Dolmen unter seinen Fluten begraben hatte. Noch steht in der 
Nähe von Treguier die Kapelle Notre Dame de la Haine, wo man 
vor dem Bilde der Mutter Gottes Ave Maria’s für den Tod 
seiner Feinde betete. 

Aus der Römerzeit, deren Strassen von Vannes aus, der 
Hauptstadt des alten Armorica, das Land reichlicher durchziehen, 
als Eisenbahnen, und deren Villen an der Bucht von Quiberon 
und auf den Inseln des Morbihan häufiger sind, als die modernen 
Chälets und Badeplätze, hat der Mann die Tapferkeit und Tüch- 
tigkeit zur See bewahrt, die sich schon in dem Widerstande der 
Veneter gegen den Angriff Cäsars und in den Siegen ihrer 
späteren Nachkommen über den Admiral Ruyter erprobte. Die 
Menge von Kirchen und die zahllosen Kreuze an allen Wegen 
weisen nicht minder, als der Sinn tiefer Devotion, der zu 


10*% 


148 Bericht über die Jahresversammlung. 


den hervorragendsten Zügen der Landbevölkerung gehört, auf die 
starken Wurzeln hin, welche das aus Gross-Brittannien schon in 
der Römerzeit nach Klein-Brittannien hinübergebrachte Christen- 
tum in der angeborenen Mystik des Volkes fand. Die Kreuze, 
die auf den Druidensteinen aufgerichtet wurden, scheinen zu 
sagen, dass es sich eher um eine Umkleidung eines alten in 
einen neuen Kultus handelte, als um eine Reformation im vollem 
Sinne des Wortes. Die ungewöhnlich grosse Zahl von Heiligen, 
welche die Bretagne verehrt und von deren Namen die übrige 
katholisehe Welt keine Kenntnis hat, erinnert eher an die Poesie 
des Altertums, welche jedem Hügel und jedem Stein, jedem 
Baum und jedem Quell, sowie jeglicher Verrichtung des täglichen 
Lebens einen besonderen Schutzgeist widmete. Nicht der Kultus, 
sondern nur die Namen wurden geändert. Die Gesänge der 
keltischen Barden haben sich erhalten in den seltsamen Liedern 
und Reimen, die ohne schriftliche Tradition zu Tausenden im 
Munde des Volkes leben, und die Romanzen der Tafelrunde, 
welche ja hier ihren Hof hielt, sind nur halb verdrängt durch 
die religiösen Dramen, welche den wichtigsten Teil der unter 
den Schutz der Kirche gestellten Festlichkeiten bilden. 

Diese Unveränderlichkeit und Altertümlichkeit des Volkes 
findet in der Beschaffenheit seines Wohnplatzes ein solches Gegen- 
stück, dass es geradezu gewaltsam schiene, an einem intensiven 
Einfluss der Landschaft auf die psychische Gestaltung ihrer 
Einwohner zu zweifeln.“ 

Dieser innige, durch die tausendjährige Entwicklung be- 
gründete, Zusammenhang zwischen Land und Volk ist es, der 
Jedem, der mit offenen Augen reist, gerade in der Bretagne auf 
Schritt und Tritt auffällt und der die ablegene, so selten von 
Fremden besuchte Bretagne so ausserordentlich interessant macht. 

Westwärts am rechten Ufer der Loire führt die Bahn in 
dem einförmigen, flachen Thale aufwärts, schöne Blicke bietend 
auf die grossen Wasserflächen des Flusses oder auf alte und neue 
Schlösser, die in zahlreicher Menge vorhanden sind. Mit dem 
„Rapide“ erreicht man 

Angers in ca. 11/, Stnnden. Angers, das alte Andegovia 
der Römer, ist eine sehr alte Stadt, jetzt mit 77164 Einwohnern, 
Hauptstadt des Departements Maine et Loire, frühere Hauptstadt 
des Herzogtums Anjou, malerisch gelegen an dem schiffbaren 
Flusse Maine, 8 Kilometer oberhalb dessen Einmündung in die 
Loire. Ausser einigen interessanten Kirchen, St. Maurice aus 
dem 12. und 13. Jahrhundert, St. Serge aus dem 15. Jahrhundert, 
St. Laud, in dem letzten Jahrhundert restauriert, aber noch mit 
Hufeisenbögen, die wohl noch aus alter Zeit der Anjou’s in Sizilien 
stammen, den malerischen, an die Klosterüberreste in Walken- 
ried i. H. erinnernden Ruinen der Eglise Toussaint und dem wohl 
imposantesten Schlosse aus dem 13. Jahrhundert, in Pentagon- 
Form, mit 17 mächtigen Festungtürmen, auf einem Felsen am 


Bericht über die Jahresversammlung. 149 


Westufer der Maine erbaut, einst Sitz des Königs Rene von 
-Anjou, besitzt die Stadt 4 Museen: 1. Mus&de palaeontologique 
im alten Justizpalast, 2. Musee St. Jean, in dem alten Hospice 
St. Jean 3. Hötel de Pince& oder d’Anjou, eins der schön- 
sten Privathäuser aus der Renaissancezeit, c. 1530 erbaut, 
und jetzt zu einer kleinen, Öffentlichen Antiquitätensammlung 
eingerichtet und 4. MusdeetBibliotheque in dem aus dem 
15. Jahrhundert stammenden Logis Barrault untergebracht. 

| Das Musee St. Jean ist von der Stadt und einer dort 
sesshaften archaeologischen Gesellschaft eingerichtet. In einem, 
aus einem früheren Kloster stammenden, grossen, dreischiffigen, 
gothischen Saale (1174—1230 erbaut) und einem anschliessenden 
Kreuzgange und gothischer, verfallener Kapelle, sind wohl an 
4000 Nummern zählende Gegenstände der verschiedensten Epochen 
und der mannigfachsten Art aufgestellt, prähistorische, gallo- 
romanische, mittelalterliche Sachen, wundervolle Holzmöbel, Reste 
und ganze Facaden von abgerissenen Holzhäusern, Siegel, Siegel- 
stempel, Skelette, Bilder von Dolmen, die in der Provinz gefunden 
waren, ältere und neuere Bilder, Skulpturen u. s. w., kurz, so 
ungefähr Alles, was man jetzt auch bei uns in Deutschland in 
städtischen Museen, z. B. in Braunschweig, zu sammeln pflegt, 
aber nicht bloss aus der Provinz und Frankreich waren Objecte 
da, ich sah z. B. einen Gypsabguss des bekannten Medaillons, 
das unseren jetzigen deutschen Kaiser mit der Kaiserin als 
Brautleute darstellt. 

- Das Muse&e mit der städtischen Bibliothek, enthält im 
Erdgeschoss Skulpturen, namentlich Werke von David, wohl 
einem der fruchtbarsten Bildhauer Frankreichs. Seine Vaterstadt 
ist bemüht gewesen, seine Werke entweder im Original, oder in 
Nachbildungen hier zu vereinigen, wohl an 800 verschiedene 
Arbeiten sind zu sehen, darunter auch schöne Statuen und Büsten 
von Chevreuil, ebenfalls aus Angers gebürtig, jenem berühmten 
Chemiker, der Ehrenmitglied vieler deutschen, gelehrten Gesell- 
schaften, u. a. auch des Vereins für Naturwissenschaft zu Braun- 
schweig war. 

Im 2. Stockwerke sind die Bilder aufgestellt, waren aber 
nicht zu sehen, da durch ein Hagelwetter in der Nacht vom 12. 
zum 13. Februar des Jahres 1900 die ganzen Öberlichter zer- 
trümmert waren und man jetzt mit der Restauration sich be- 
schäftigte. 

Im 1. Stockwerke befindet sich das naturhistorische 
Museum, z. Z. unter der Leitung von Georges Bouvet, der 
zu gleicher Zeit Direktor des botanischen Gartens ist, und 
in der Stadt eine Apotheke leitet. Im Bulletin de la Societe 
d’Etudes scientifiques d’Angers, XV, N. S. 1885, S. 145 hat 
Bouvet einen Überblick über die Geschichte und den Inhalt des 
Museums gegeben und Vorschläge zur Reorganisation, besseren 
Aufstellung u. s. w. gemacht. Von Säugetieren waren vorhanden: 


150 Bericht über die Jahresversammilung. 


300 Stück, von Vögeln 500 europäische Arten in 1813 Exem- 


plaren, Dunenjunge 20 Arten in 100 Exemplaren, exotische Arten 
200 in 356 Exemplaren, Eier europäischer Vögel 350 Arten, 
Nester europäischer Vögel 175 Exemplare; von Amphibien und 


Reptilien 117 Exemplare, von Fischen 100 Arten und 5 Skelette 
— ausserdem sehr viele Insekten, z. B. 4 Käfersammlungen, 
einige Krustaceen und Mollusken. Eine sehr reichhaltige mine- 
ralogische Sammlung, geologische und paläontologische Gegen- 


stände und ein sehr grosses Herbarium, hauptsächlich her- | 


stammend von Professor Boreau, mit den Typen seiner „Flore 


du Centre de la France“, vertreten die übrigen Naturreiche — 


Die Vögel Europas waren für sich aufgestellt und, so weit 
ich sehen konnte, immer richtig bestimmt, aber leider wieder 
ohne Angabe von Ort und Zeit des Fundes, zum Teil in sehr 


schönen Exemplaren und guten Suiten einer Art. Meistens 


waren sie in der auch in älteren deutschen Museen üblichen 
Art, gerade aufgerichtet wie die Grenadiere in der Front, einer 
wie der andere, dargestellt. Eine Ausnahme machten nur die 
Klettervögel, die entweder an der Rinde von Baumstämmen, oder 
auf glattpolierten senkrecht stehenden weissen Holzklötzchen 
angebracht waren. — Die Eier lagen in Pappkästen auf Senf- 
körnern, hoben sich sehr gut gegen den dunklen Hintergrund ab 
und rüttelten nicht. Mehrere Pappkästen waren dann unter einer 
mit Glas bedeckten Holzschublade vereinigt. Gelege waren 
nicht bezeichnet. Einige seltene Eier, z. B. von Nucifraga ca- 
ryocatactes, fielen mir besonders auf, namentlich aber ein Ei von 
Alca impennis, das wenigstens an den beiden oberen Dritteln 
nach der Spitze zu echt ist, während der breite Dopp künstlich 
ersetzt ist. (Früher besass das Museum, wie mir der Direktor 
sagte, mehrere Exemplare — leider sind dieselben verkauft). 
— Die Nester-Sammlung ist sehr schön, meistens natürliche 
Exemplare, aber einige künstlich nachgemacht, darin die Eier 
angebracht und ein ausgestopftes brütendes Weibchen aufgesetzt. 
Besonders fielen mir auf: 3 sehr schöne Nester vom Wasser- 
star (Cinclus aquaticus), 2 vom Tannenhäher (Nucifraga cary- 
ocatactes), schöne Beutelmeisen- (Parus pendulinus) und 
Schwanzmeisen (Orites caudatus)-Nester, dann 2 sehr schöne 
Nester vom Alpenmauerläufer (Tichodroma muraria), solche 
vom Goldhähnchen (Regulus eristatus), Zaunkönig (Zrog- 
lodytes parvulus), Rohrsängern (Calamoherpe turdoides, arun- 
dinacea etc.) und Cistensänger, (isticola cursitans). Manche 
Eier trugen die Handschrift von Möschler in Herrnhut, die 
meisten Nester und Eier waren aber ohne Angabe von Ort und 
Zeit. — Sehr niedliche Gruppen vom Steinhuhn (Perdix 
graeca) die Jungen aus den Eiern kriechend, Kiebitz (Vanel- 
lus eristatus) und Wachtelkönig (Orex pratensis) die Jungen 
auf dem Rücken der Mutter, fielen besonders in die Augen. 
Früher war eine noch reichhaltigere Sammlung von 88 Dunen- 


Bericht über die Jahresversammlung. 151 


jungen vorhanden, die aber von einem Herrn Deloche, als 
Privatbesitz, beim Abgange vom Museum mit fortgenommen wurde. 

Ich hatte das Glück, nachher den Direktor des Museums 
persönlich kennen zu lernen, und fand bei ihm ein volles Ver- 
ständnis für die Schwächen der Sammlung und der Aufstellung 
derselben. Vieles hat derselbe ja, seit das Museum unter seiner 
Leitung steht, schon erreicht, z. B., dass eine Localsammlung 
eingerichtet ist, es muss aber noch bessere Beleuchtung ver- 
schafft werden, (manche Säle und Schränke sind so dunkel auf- 
gestellt, dass man mit dem besten Willen die Tiere nicht 
deutlich sehen kann!), dann muss eine grössere Bibliothek mit 
Specialwerken angelegt und vor allen Dingen eine genaue Eti- 
kettierung der einzelnen Exemplare durchgeführt werden. — Das 
Museum gehört ganz der Stadt, die Leitung desselben scheint ganz 
Ehrenamt zu sein, leider ist aber offenbar zu Neuanschaffungen 
wenig Geld vorhanden. 

Der Botanische Garten ist prächtig angelegt, mit kleinem 
Palmenhaus, vielen Wasservögeln auf den Teichen, schönen Spazier- 
gängen, aber ohne Etiketten an den Bäumen. 

Immer am rechten Ufer der Loire geht es weiter westlich 
in dem breiten Flussthale, ab und zu in seiner Einförmigkeit 
unterbrochen durch malerische Schlösser über Saumur, früher 
vor der Zurücknahme des Edict von Nantes Sitz einer protes- 
tantischen Universität, jetzt der berühmten französichen Cavallerie- 
Schule, in 2 Stunden nach 

Tours, blühender Handelsstadt an der Loire, alter Haupt- 
stadt der Touraine, jetzt Hauptstadt des Departements Indre 
et-Loire mit 63267 Einwohnern. 

Ausser der von 1170 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts 
erbauten Kathedrale St. Galien mit dem entzückenden marmornen 
Grabdenkmal der Kinder Karl VIII. hat die Stadt eigentlich nur 
das prachtvoll am rechten Flussufer gelegene Museum als 
Hauptsehenswürdigkeit. Im Erdgeschoss und 1. Stockwerke sind 
hauptsächlich Bilder, im 2. Stockwerke eine archaeologische 
und eine kleine naturhistorische Sammlung aufgestellt. 
Von allen möglichen Tiergruppen ist etwas vorhanden, Säuge- 
tiere, Vögel, Fische, Amphibien, Insekten, Korallen u. s. w., 
ausserdem Mineralien, Versteinerungen, anthropologische und 
ethnographische Sachen aus allen möglichen Ländern der Erde. 
— Die Vögel waren etikettiert, aber ohne Angabe von Zeit 
und Ort des Fundes, systematisch, aber sehr eng aufgestellt. 
Eine Localsammlung war nicht vorhanden. Das ganze Museum 
war viel zu klein für die Unmasse von zum Teil sehr schönen 
Sachen, man konnte sich zwischen den Schränken kaum um- 
drehen. — Die Eier waren bisweilen in den betreffenden Nestern 
vorgeführt, die meisten aber ohne eine Spur von Etikettierung 
auf Papptafeln aufgeklebt und in den, den Arten nach zuge- 
hörigen, Schränken unter Glas aufgestellt. Der Konservator, 


152 Bericht über die Jahresversammlung. 


Landais, ein alter, liebenswürdiger Herr, bedauerte den viel 
zu geringen Platz und die mangelhafte Etikettierung am meisten. 
— In dem modernen Villen-Viertel schien eine grosse Vorliebe 
für Papageien und Kakadu’s zu herrschen, überall hörte 
man dieselben, zum Teil in grossen Volieren oder-frei in den 
Parks und Gärten umherfliegend, ihre schrillen Töne erschallen 
lassen, offenbar befanden sie sich bei der am 15. Juni herrschenden 
tropischen Hitze sehr wohl. 

Nach Besichtigung des romantischen Schlosses Loches. 
mit dem Grabdenkmal von Agnes Sorel, der Geliebten Karl VII, 
im Thale des Indre, kehrten wir nach der Loire zurück, um die 
Schlösser Amboise, berüchtigt durch die Ermordung von 1200 
Calvinisten im Jahre 1560 unter Franz IL, und Chennonzeau 
zu besuchen, wo Heinrich II seine Geliebte Diana von Poitiers 
und später Katharina von Medici wohnen liess, entzückend über 
dem Cher liegend, und in Blois wieder Station zu machen. 

Blois, mit 23542 Einwohnern, Hauptstadt des Departements 
Loir-et-Cher, auf 2 Hügeln, einem mit der Kathedrale, dem 
anderen mit dem entzückendsten Renaissance-Schlosses Frankreichs 
gekrönt, am rechten Ufer der Loire gelegen, hat einen Haupt- 
anteil an der Geschichte Frankreichs unter Franz I. und Lud- 
wig XII. Eine Fülle der interessantesten Ereignisse, der Ge- 
fangenschaft Maria Medici’s, der Ermordung der Herzogs von 
Guise u. s. w. hat sich in dem jetzt stilvoll restaurierten Räumen 
des Schlosses abgespielt. Das Ganze ist jetzt Staatseigentum 
und ein offizieller Führer übernimmt es, den Fremden die Ge- 
schichte und den Kunstwert der einzelnen Gemälde zu erklären. 
In der Gallerie Ludwig XII. ist ein kleines Museum eingerichtet, 
Muse&e de la ville, mit Bildern und einer kleinen natur- 
historischen Sammlung. Die Vögel, (einheimische und 
exotische durcheinander) waren nach Ordnungen aufgestellt, aber 
sonst ohne alle Etiketten; Eier habe ich nicht bemerkt. 

Am Südufer der Loire, landeinwärts in flacher Gegend liegt 
mitten in einem über 5000 Hektar grossen mit einer 31640 m 
langen Mauer umzogen eins der grossartigsten Renaissance-Schlösser 
Frankreichs, Chateau Chambord erbaut für Franz I, später 
für Ludwig XIV. und den Marschall von Sachsen eingerichtet, 
aber immer noch nicht ganz fertig in der Unzahl der inneren 
Zimmer, Säle und Gallerien. In dem waldähnlichen Schloss- 
parke schienen zahlreiche Fasanen (Phasianus colchicus) sich 
aufzuhalten. Die jetzigen Besitzer, der Herzog von Parma und 
der Graf von Bardi, wohnen zeitweise im Erdgeschoss in einem 
niedrigen Seitengebäude des Hauptschlosses. 

Auf dem rechten Loire-Ufer führt die Bahn durch frucht- 
bare aber einförmige Gegend nach 

Orleans der früheren Hauptstadt des Orl&anais, jetzigen 
Hauptstadt des Departements Loiret, an Stelle der alten gal- 
lischen Stadt Cenabum, die von Caesar zerstört wurde, vom 


Bericht über die Jahresversammlung. 153 


Kaiser Aurelian wieder aufgebaut und daher Aurelianum genannt, 
mit jetzt 66699 Einwohnern. In den Kriegen und der Geschichte 
Frankreichs hat es immer eine grosse Rolle gespielt. Der Bischof 
St. Aignan rettete es 451 vor einer Belagerung der von Attila 
geführten Hunnen, Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orleans, vor 
dem Ansturme der Engländer 1528—1529, im Kriege 1870—71 
wurden zwischen Deutschen und Franzosen harte Kämpfe um 
die Stadt geführt. — Die ziemlich stille, offenbar sehr ruhige 
seschäftslose Stadt enthält ausser der spätgotischen Kathedrale 
St. Croix, dem jetzigen 1570 begonnenen Stadthause, frü- 
herem königlichen Schlosse, in dem Franz II starb, dem Musce 
historique in dem im 16. Jahrhundert erbauten sogenannten 
„Hötel de Diane de Poitiers“ mit einer von A. Desnoyers (der 
alte jetzt 94 jährige, noch immer rüstige Abbe an der Kathe- 
drale hat das Museum aus aller Herren Länder zusammenge- 
bracht und der Stadt geschenkt mit der Bedingung, dass er es 
so lange behält und leitet, als er lebt) zusammengebrachten An- 
tiquitäten-Sammlung, dem Mus6&e Jeanne d’Arc in dem Hause 
Rue Tabour, 37, wo angeblich die Jungfrau von Orleans während 
der Belagerung der Stadt wohnte, jetzt angefüllt mit zahlreichen 
Erinnerungen an die Heldenjungfrau, und mehrere Statuen der 
Jungfrau von Orleans auf den öffentlichen Plätzen der Stadt, 
im alten Hötel de Ville ein Muscde de peintures et 
sceulptures mit Bildern, Sculpturen und Kupferstichen und ein 
Musee d’Histoire naturelle, das, wenn es auch in kleinen 
alten Räumen untergebracht ist, doch ziemlich viel bietet und 
sehr gut in Stand gehalten wird. Der jetzige Konservator, A. 
Sainjeon, den ich leider nicht traf, da er zur Ausstellung nach 
Paris gefahren war, hat einen kleinen Führer geschrieben, der sehr 
gut orientiert. Meistens ist für die verschiedenen Tierklassen eine all- 
gemeine und eine specielle Departements-Sammlung angelegt. Alles 
ist sehr gut etikettiert. —DieVo gelsammlung des Departements war 
sehr schön geordnet, mir fielen besonders auf 1 diekschnäb- 
liger Tannenheher (Nucifraga caryocatactes pachyrhynchus), 
ein Sturmvogel (Thalassidroma Leachit), ein Nachtreiher 
(Ardea nycticorax), ein Ibis (Ibis falcinellus), eine Zwerg- 
trappe (Teirax tetrax), ein Rothuhn (Perdix rubra). eine 
Grosstrappe (Otis tarda) und verschiedene Exemplare des 
- sogenannton Perdrix de Damas oder Petite Perdrix gris 
(Perdrix damascena Briss.), geschossen im Departement Loiret 
24./11. zwischen Patey und Rouoray. Diese in der französischen 
Literatur (siehe Degland & Gerbe, Ornith. europ. 2. Auflage, II, 
S. 75 und Leon Olphe-Galliard, Faune ornith. de ’Europe ocecid. 
fasc. XXIX, S. 35) als constante Localrace unseres Rebhuhns 
aufgeführte Form, die in der Bretagne und Vendee ständig vor- 
kommt, und unregelmässig sich auch im Dep. Seine inferieure, 
Eure et Loire gezeigt hat, kommt also auch im Dep. Loiret vor. 
Die Exemplare gleichen im Gefieder vollkommen unseren central- 


154 Bericht über die Jahresversammlung. 


europäischen Rebhühnern, sind aber viel kleiner im Wuchs. — 
Die Eier waren auf weissem Sande in Uhrgläsern aufgelegt und 
diese auf weissangestrichenen Holzklötzen von quadratischem 
Durchschnitt aufgeklebt, genau, wie die zugehörigen Vögel, nach 
Ort und Zeit etikettiert. — Besonderer Wert war auf die Al- 
bino’s gelegt, die in sehr zahlreichen Schaustücken vertreten 
waren. — Auch hier in Orleans, wie in Tours, war der Raum für 
die zahlreichen Gegenstände viel zu klein und ist dem fleissigen 
tüchtigen Konservator wohl zu wünschen, dass er bald genügend 
grosse Räume für die naturwissenschaftlichen Sammlungen erhält. 


Durch die fruchtbaren, aber unendlich einförmigen Ebenen 
der „Beauce“ wenden wir uns von der Loire nun nördlich nach 


Chartres, eine der ältesten Städte Frankreichs, 600 vor 
Christus von den Carnuten erbaut, dann lange Zeit Sitz des 
Druiden-Kultus, früher Hauptstadt der „Beauee“, jetzt Hauptstadt 
des Departements Eure-et-Loir, mit 23182 Einwohnern, an der 
Eure gelegen. — Die berühmte Kathedrale Notre Dame ist im 
11., 12. und 15. Jahrhundert über einer alten Druiden-Capelle 
(die jetzt noch in der weiten Unterkirche erhalten ist) aufgebaut 
und gehört zu den schönsten Frankreichs. — Im Hötel de Ville 
ist ein städtisches Mus&e mit Bildern, Sculpturen, Stickereien, 
Gobelins, alten Rüstungen, Antiquitäten und einer kleinen natur- 
historischen Sammlung. Dieselbe war in einem Saale 
untergebracht und besteht aus Säugetieren, Vögeln, Fischen, 
Reptilien, Amphibien, Muscheln u. s. w. (Schmetterlinge und 
Käfer habe ich nicht bemerkt !). Sie ist 5 Kustoden unterstellt, 
für die Vögel einem Herrn Oury, der leider abwesend war. 
Der Guardien des Museums, ein gewisser Bourdon, führte mich 
und wusste offenbar sehr gut Bescheid. 


Von den 9 Glasschränken, die Vögel enthielten, sind 11/, 
für Ausländer, die übrigen 71/, für Vögel des Departements bez. 
Frankreichs. Sehr wenig ist bestimmt, selten ein Name, ein Ort, 
eine Zeit des Fundortes angegeben. Einige hatten Etiketten, 
darunter bemerkte ich einige falsch bestimmte, so stand an 
einem alten Habicht (Astur palumbarius) als Bestimmung 
„Zalco Buteo Linne, La Buse.“ Im Ganzen sollten c. 4000 Vögel 
da sein, sie waren aber viel zu eng gestellt, so dass der Beschauer 
sehr wenig und sehr schlecht sehen konnte. — Von Tannen- 
hehern war ein schlankschnäbliger (leptorhynchus) und 
ein dickschnäbliger (pachyrhynchus) vorhanden. Unter dem 
Klotze des letzteren, den ich mir herausholen liess, war eine 
Etikette aufgeklebt, aus der hervorging, dass der Vogel von einem 
Naturalienhändler Lef&brein Paris gekauft war, weitere Angaben 
enthielt der Zettel nicht. Die Eier hatte man in den untersten 
beiden Etagen eines Glasschrankes untergebracht und so dunkel, 
dass man kaum etwas von ihnen sehen konnte. Sie waren senk- 
recht auf einer Nadel auf einem kleinen Holzklotze aufgespiesst, 


Bericht über die Jahresversammlung. 155 


oben und unten mit einem Pfropf befestigt. Von Etiketten habe 
ich nicht eine einzige bemerkt. 

Die Zeit der Erholungsreise war abgelaufen, am 23. Juni 
ging es durch abwechslungsvolle Landschaft mit Hügeln, schönen 
Wäldern, reizenden Villen und Schlössern nach Versailles und 
Paris, um dort die Wunder der Weltausstellung, den friedlichen 
Wettkampf aller Völker der Erde, einem gründlichen Studium zu 
unterwerfen und an dem III. internationalen Ornithologen-Con- 
gresse Teil zu nehmen. 

Vier Wochen lang hatten wir den Nordwesten Frankreichs, 
Normandie, Bretagne, Anjou, Orleanais und Beauce, durchstreift 
und ausser dem Zentrum dieser Länderstriche mit Rennes, Laval 
und Le Mans eigentlich das Sehenswerteste mit den wichtigsten 
Städten besucht. Schwer wird es in Europa Sein, in so kurzer 
Zeit, in so angenehmer Weise, mit so bequemen Reisemitteln, 
mit so vortrefflichen Wirtshäusern, bei einer so freundlichen und 
entgegenkommenden Bevölkerung, ein geschichtlich, künstlerisch 
und naturhistorisch ähnlich interessantes und abwechslungsreiches 
Land zu finden. Ausserordentlich anzuerkennen ist, was besonders 


_ die Städte und in diesen wieder einzelne patriotische Männer für- 


die Herrichtung von Museen, diesen wichtigen, öffentlichen 
Bildungsstätten für das Volk, gethan haben. Sache der Regierung 
dürfte es sein, an manchen Orten durch Staatsunterstützung 
grössere, hellere, für Museen geeignetere Räume schaffen zu helfen 
und namentlich an den Stätten, wo sachverständige Kenner der 
Tiere fehlen und gar nicht, oder unter Umständen auch falsch 
bestimmte, naturhistorische Gegenstände sich in den Sammlungen 
finden, durch Entsendung von Specialgelehrten Abhilfe zu schaffen, 
denn nur richtig bestimmte und genau etikettierte zoo- 
logische Objecte haben für diejenigen, die in einem Museum 
Belehrung finden wollen, Wert. Bei der jetzigen Regierungsform 
unseres westlichen Nachbarlandes dürfte es den Abgeordneten 
der einzelnen Departements ein Leichtes sein, die Regierung für 
die Museen ihres engeren Heimatlandes zu interessieren und diese 
würde gewissermassen durch diese wissenschaftliche Decentrali- 
sation für die locale Weiterbildung der Bevölkerung der Provinzen 
sich grosse Verdienste erwerben können. Wenige Staaten giebt 
es wohl, die in ihren kleinen Provinzstädten, Dank der patrioti- 
schen Handlungsweise ihrer Bürger, solche Schätze in wissen- 
schaftlicher und künstlerischer Beziehung bieten, helfe man ihnen 
seitens der Regierung, dieselben als allgemeines Volksbildungs- 
mittel in ergiebigster Weise zu verwerten. 


Hiermit war die Reihe der Vorträge erledigt. Der Präsi- 
dent dankte allen Rednern für die von ihnen gehaltenen Vorträge 
und allen Teilnehmern für ihre Ausdauer und schloss unter dem 
wärmsten Danke an den Leipziger ornithologischen Verein für 


156 Bericht über die Jahresversammlung. 


die getroffenen Vorbereitungen, insbesondere an Herrn Professor 
Göring für die sinnige Ausstattung des Festsaales, die fünfzigste 
Festversammlung der Deutschen Orvpithologschen Gesellschaft. 

Dem Präsidenten aber brachte Herr Schalow im Namen 
der Anwesenden den Dank für seine liebenswürdige, umsichtige 
und sachkundige Leitung der Versammlung aus. 


Am Montag, den 8. Oktober, unternahm eine Anzahl der 
Congressmitglieder einen Ausflug nach dem süssen See bei Eis- 
leben und dem Bindersee, der vom herrlichsten Wetter begün- 
stigt wurde. 

Vom Bahnhofe Eisleben ging die Fahrt durch das Senkungs- 
gebiet. In Eisleben wurden Luthers Geburts- und Sterbehaus, 
die durch die Erdsenkungen stark beschädigte Andreaskirche, 
das Lutherdenkmal, das alte Haus der Mannsfelder Grafen am 
Markte besichtigt und darauf im Wiesenhause das Frühstück 
eingenommen. 

Weiter ging die Fahrt um den grossen, süssen See herum, 

auf dem zahlreiche Entenscharen sich tummelten. Hin und wieder 
wurde halt gemacht, um das Vogelleben auf dem See zu be- 
obachten und das Jagdglück zu versuchen, da der Besitzer des 
Sees, Herr Gutsbesitzer Rittmeister Wendenburg, seinen Jäger 
als Führer zur Verfügung gestellt hatte. Dann an dem malerisch 
gelegenen Schloss Seeburg vorbei und nach dem Bindersee, dem 
Rest des salzigen Sees bis Rollsdorf. Von hier aus wurde ein 
Abstecher nach Volkmaritz, dem Wohnorte des Herrn Pfarrer 
Kleinschmidt gemacht. 
Die Besichtigung der Kleinschmidt’schen Sammlung fesselte die 
Teilnehmer lange Zeit. In der Sammlung tritt besonders das 
Bestreben hervor, individuelle Schwankungen und geographische 
Abweichungen einzelner Arten zur Darstellung zu bringen. Es 
fielen namentlich die grossen Reihen von Wandertalken, Schleier- 
eulen, Bussarden, Raubwürgern, Kolkraben, Haubenlerchen, 
Meisen, Baumläufern auf. 

Ein Mittagessen im Wiesenhause in Eisleben beschloss 
dann diesen letzten Abschnitt der Jahresversammlung. 


Mitgliederverzeichnis 


der 


Denischen Ornithologisenen Gesellschaft 


1901. 


Vorstand: 
R. Blasius, Präsident. 
H. Schalow, Vice-Präsident. 
A. Reichenow, Generalsekretär. 
P. Matschie, Stellvertr. Sekretär. 
C. Deditius, Kassenführer. 


Ausschuss: 
J. Cabanis. M. Kuschel. 
A. v. Homeyer. A. Nehrkorn sen. 
W. Blasius. Graf v. Berlepsch. 
Freih. R. König-Warthausen. | J. Talsky. 
P. Kollibay. A. Koenig. 
Ehrenmitglieder; 


1870. Herr Möbius, Carl, Dr., Prof., Geh. Regierungsrat, Direktor 
des Königl. Museums für Naturkunde in Berlin. 
Ehrenpräsident der Gesellschaft. 


1868. - DBolle, Carl, Dr., Gutsbesitzer, Scharfenberg bei Tegel. 

1870. - Collett, Robert, Professor, Christiania. 

1900. - Herman, O., Chef der Ungarischen Ornithologischen 
Centrale, Budapest. 

1862. - Krüper, Theobald, Dr., Conservator am Universitäts- 
museum in Athen. 

1862. - Newton, Alfred, Dr., Professor, Cambridge, Magdalene 


College. 


158 


1900. 


1900. 
1900. 


1900. 


1874. 


1897. 
1887. 


1894. 
1898. 


1884. 


1891. 
1870. 


1893. 


1897. 
1862. 


1872. 


1880. 
1895. 


1879. 


Mitglieder-Verzeichnis. 


Herr Radde, Gustav, Dr., Kaiserl. russ. Geh. Staatsrat, 
Excellenz, Director des Kaukasischen Museums in 
Tiflis, Transkaukasien. 

Graf Salvadori, T., Professor, Vicedirektor des zoologi- 
schen Museums in Turin. 

Herr Sclater, P. L., Dr., Sekretär der Zoologischen 
Gesellschaft in London, W., 3 Hanover Square. 

- Sharpe,R.B., Dr., Assistant Keeper, British Museum, 
London SW., Cromwell Road. 


Mitglieder: 

Seine Königliche Hoheit Ferdinand Fürst von Bul- 
garien, Prinz von Sachsen-Coburg-Gotha, in 
Sofia. 

Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Therese von Bayern 
in München. 

Seine Durchlaucht Fürst von Salm-Salm in Anholt, 
Westfalen. 

Herr Arends, Dr. med., prakt. Arzt, Nordseebad Juist. 
Graf Arrigoni Degli Oddi, Ettore, Professor, Dozent 
der Zoologie an der Universität Padua (Italien). 

Herr von Bardeleben, Friedrich, Generalmajor z. D., 
Frankfurt a. M. 

Freih. von Berg, Kaiserl. Landforstmeister, Strassburg i. E. 

Graf von Berlepsch, Hans, Erbkämmerer in Kurhessen, 
Schloss Berlepsch bei Gertenbach. 

Freiherr von Berlepsch-Seebach, Hans, Kassel, Landau- 
strasse 2. 

Herr Biedermann, Rich., Dr., Eutin, Waldstrasse. 

- Blasius, Rud., Dr. med., Professor, Stabsarzt a. D., 
Braunschweig, Insel-Promenade 13. 

- Blasius, Wilhelm, Dr. med., Prof, Geh. Hofrat, 
Direktor des Herzogl. Naturhist. Museums u. Botan. 
Gartens, Braunschweig, Gauss-Strasse 17. 

- DBolau, H., Dr., Direktor des Zoolog. Gartens in Ham- 
burg. (Für die Zoolog. Gesellschaft in Hamburg). 

- Brehm, Horst, Dr. med., prakt. Arzt, Berlin N., 
Wörther-Strasse 48. 

- Brusina, S., Professor, Direktor des Zoologischen 
National-Museums in Agram, Kroatien. 


Mitglieder-Verzeichnis. 159 


1886. Herr Bünger, Herman, Bankvorsteher, Potsdam, Vie- 


1851. 


1894. 
1884. 


1854. 
1868. 
1880. 
1868. 
1890. 
1900. 


1832. 
1894. 


1893. 
1892. 


1890. 


1873. 
1868. 


1888. 
1894. 
1892. 
1899. 
1896. 


1872. 


1898. 


toriastr. 72. 

Cabanis, Jean, Dr., Professor, Friedrichshagen bei 
Berlin, Friedrich-Strasse 101. 

Chernel von Chernelhäza, Stef., Köszeg (Ungarn). 
von Dallwitz, Wolfgang, Dr. jur., Rittergutsbesitzer, 
Tornow bei Wusterhausen a. d. Dosse. 

Deditius, Carl, Ober-Postsekretär, Schöneberg b. 
Berlin, Merseburgerstr. 6 II. 

Dohrn, H., Dr., Stettin, Lindenstr. 22. 

W. von Douglas, Karlsruhe. 

Dresser, H. E., Topelyffie Grange. Farnborough R. 
S. OÖ. Kent, England. 

Dreyer, Otto, Buchdruckereibesitzer, Berlin W., 
Mauerstr. 53. 


Gräflich Dzieduszyckisches Museum (vertreten durch 


Herr 


Herrn Dr. P. J. Mazurek), Lemberg, Galizien. 
Ehmcke, Landgerichtsrat, Berlin W., Motzstr. 76. 


Freiherr von Erlanger, Carl, Nieder-Ingelheim, Rhein- 


Herr 


Hessen. 

Evans, A. H., Cambridge in England, 9 Harvey Road. 
Fischer, Leopold, Dr. med., prakt. Arzt, Karlsruhe, 
Westendstr. 49. 

Freese, Richard, Bureau-Assistent, Berlin NO., 
Bardeiebenstr. 1. 

Frick, C., Dr., Sanitätsrat, Burg, Rgbz. Magdeburg. 
Fritsch, Anton, Dr., Professor, Kustos d. National- 
Museums in Prag, Wenzelsplatz 66. 

Fürbringer, M., Dr., Geh. Hofrat, ord. Professor 
der Anatomie a. d. Universität Jena. 

Gaal de Gyula, Gaston, Gutsbesitzer, Budapest, 
Szentkirälyi n. 15. 

Gengler, J., Dr. med., Stabsarzt im bayr. 19. Infant. 


‚Regiment, Erlangen, Sieglitzhoferstr. 6 I. 


Geras, Assessor, Cottbus, Hubertstr. 

Gottschlag, H., Kaufm., BerlinW., Potsdamerstr. 86. 
Grunack, Albert, Kaiserl. Kanzleirat, Berlin SW., 
Blücherstr. 7. 

Haase, O., Adr. F. Sala & Co., Berlin NW., Mittel- 
strasse 51. 


160 


Mitglieder-Verzeichnis. 


1896. Herr Härms, M., Samhof b. Nustago, Livland. 


1871. 


1885. 


1889. 


1862. 


1895. 
1898. 


1901. 
1889. 


1898. 
1900. 
1891. 
1898. 
1881. 
1868. 
1858. 


1890. 


1892. 
1890. 


1901. 


1897. 


Hagenbeck, Carl, Handelsmenageriebesitzer, Ham- 
burg, St. Pauli. 

Hartert, Ernst, Direktor des Zoologischen Museums 
in Tring in England. 

Heck, L., Dr., Direktor des Zoolog. Gartens zu 
Berlin W. (Für den zoologischen Garten). 

Heine, F., Oberamtmann auf Kloster Hadmersleben, 
Rgbz. Magdeburg. 

Heine, F., Referendar, Hadmersleben. 

Heinroth, O. Dr. med., Berlin W., Kurfürsten- 
strasse 99, Gartenhaus. 

Hellmayr, Eduard, Wien VII. 1, Halbgasse 1, Thür 20. 
Helm, F., Dr., Lehrer an der Landwirtsch. Schule 
in Chemnitz, Schillerplatz 21, I. 

Hennicke, C. R.,, Dr. med., Spezielarzt f. Augen- 
und Ohrenleiden, Gera (Reuss), Adelheidstr. 12. 
Henrici, F., Dr., Referendar, Langfuhr b. Danzig, 
Brunshöferweg 13. 

von Heyden, Lucas, Major z. D., Dr. phil. h. c., 
Frankfurt a. M.-Bockenheim. 

Hilgert, C., Präparator, Nieder-Ingelheim, Rhein- 
Hessen. 

Hintz, Robert, Königl. Ober-Forstmeister, Kassel, 
Annastr. 6. 

Holtz, Ludw., Greifswald, Wilhelmstr. 6. 

von Homeyer, Alexander, Major a. D., Greifswald. 
Hülsmann, H. Fabrikbesitz.,, Altenbach b. Wurzen 
in Sachsen. 

Jacobi, A., Dr., Berlin NW., Klopstockstr. 19/20. 
Junghans, K., Professor an der Realschule I., Kassel, 
Grüner Weg 26. 

Klein, Eduard, Dr. med., praktischer Arzt in Sofia, 
Bulgarien. 

Kleinschmidt, O., Pfarrer, Volkmaritz bei Höhn- 
stedt, Prov. Sachsen. 


1851. Freiherr Richard König von und zu Warthausen, 


Dr., Königl. Kammerherr, Schloss Warthausen bei 
Biberach, Württemberg. 


1887. Herr König, A. Dr., Prof., Bonn a. Rh., Coblenzerstr. 164. 


Mitglieder-Verzeichnis. 161 


1888. Herr Kollibay, Rechtsanwalt u. Notar, Neisse, Ring 121. 


1901. 


1898. 


1899. 


1885. 


1898. 


1890. 
1898. 


1896 


1886 


1900. 


1881. 


1891. 


1895. 


1884. 


1898. 


1872. 


1894. 


1892. Graf 


1880. Herr 


Kormos, Th. Mitarbeiter der „Fövärosi Lapok“ 
Budapest, V. Lipöt Körüt 16. IV. 20. 
Kosegarten, M., Fabrikdirektor, Berlin SO., Köpe- 
nickerstr. 146 IL 

Kräpelin, Dr., Professor, Direktor des zoologischen 
Museums, Hamburg. 

Kuschel, Max, Polizeirat, Breslau, Salzstrasse 
a JU0E 

Lampert, Dr., Professor, Vorstand des Kgl. Natu- 
ralien Cabinets, Stuttgart. 

Lauener, Ch., Redakteur, Leipzig, Sophienstr. 49. 
Lauterbach, Dr., Stabelwitz b. Deutsch Lissa. 


. Leipziger Ornithologischer Verein (vertreten durch Herrn Dr. 


E. Proft, Leipzig, Hotel Stadt Nürnberg, Bayerischestr.) 


. Herr Leverkühn, Paul, Dr. med., Direktor der wissen- 


schaftlichen Institute und Bibliothek Sr. Kgl. Hoheit 
des Fürsten von Bulgarien, Sofia, Bulgarien. 

von Lucanus, F., Leutnant im 2. Garde-Ulanen 
Regiment, Berlin NW., Werftstr. 14. 

von Madaräsz, Julius, Dr. phil., Kustos am Un- 
garischen National-Museum in Budapest. 
Mannkopf, Oscar, Königl. Hof- und Garnison- 
Apotheker, Cöslin. 

Martin, Dr., Direktor des Grossherzoglichen Natur- 
histor. Museums in Oldenburg (Grhzgt.). 
Matschie, P., Kustos der zoolog. Sammlung des 
Kgl. Museums für Naturkunde in Berlin, N. 4, 
Invalidenstr. 43. 

Methner, O., Berlin NW., Pritzwalkerstr. 16. 
Meyer, A. B., Dr., Geh. Hofrat, Direktor d. Zoo- 
logischen, Anthropol. u. Ethnograph. Mus. in Dresden. 
v. Middendorff, E, Majoratsherr auf Hellenorm 
b. Elwa in Livland. 

von Mirbach-Geldern-Egmont, Alphons, auf 
Schloss Rogenburg in Schwaben, Kgl. Bayr. Kammer- 
herr, Kaiserl. Legationssecretär an der Deutschen 
Botschaft in Wien. 

Müller, August, Dr. phil., Inhaber des naturhistor. 
Instituts „Linnaea“, Berlin N. 4., Invalidenstr. 105. 


Joum. f. Orn. XLIX. Jahrg, Januar 1%1, “Mi 


162 Mitglieder-Verzeichnis. 


1897. Münchener Örnithologischer Verein. (Vertr. durch den 
Vorsitzenden Hrn. Dr. Parrot, München). 

1880. Königliche Forst-Academie in Hannöv.-Münden. 

1868. Herr Nehrkorn, A., Amtsrat, Braunschweig, Adolfstr. 1. 


1893. - Nehrkorn, Alex., Dr. med., Assistenzarzt am pathol. 
anat. Institut, Heidelberg. 

1901. - de Neufville, Robert, Sektionär der ornith. Samml. - 
d. Senckenbergischen Naturh. Mus. i. Frankfurt a. M. 

1896. - Neumann, O., Berlin W., Potsdamerstr. 10. 


1893. - Nitsche, Dr. Professor der Zoologie a. d. Königl. 
sächs. Forst-Akademie Tharandt. (Für die Academie). 

1895. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes, (vertreten 
durch Herrn Lehrer Schilling) Altenburg, Schmölln’ 
sche Chausee. 

1890. Herr Pabst, Wilhelm, Dr., Kustos der naturhistorischen 
Samml. d. Herzogl. Museums zu Gotha. (Für das 


Museum.) 
1897. - Paeske, Ernst, Berlin NW., Am Circus 6. 
1875. - Palmen, J.A., Dr., Professor, Helsingfors, Finland. 
18866. - Parrot, Carl, Dr. med., pract. Arzt, München, 
Thierschstr. 37 I. 
1888. - Pascal, Georg, Lehrer a. d. Luisenschule, Berlin N., 


“ Ziegelstr. 12. 


1885. - Pasch, Max, Königl. Hof-Lithograph und Hof-Buch- 
und Steindrucker, Verlagsbuchhändler, Berlin SW., 
Ritterstr. 50. 

1895. - Prazäk, J. P., Dr. phil. et iur., Doctor of Science, 
Getreidehändler, Prag, Kgl.Weinberge, Slesischestr. 38. 

1897. - vw. Quistorp-Crenzow, W., Dr. jur., Rittergutsbes., 
Mitgl. d. Hauses d. Abgeordneten, Crenzow b. Murchin. 

1892. - von Rabenau, H., Dr, Direktor d. Museums d. 


Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. (Für die 
Naturf. Gesellschaft). 

1868 - BReichenow, Anton, Dr., Prof., Kustos der Zoolog. - 
Sammlung des Königl. Museums für Naturkunde, in 
Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 

1885. - Reiser, Othmar, Kustos d. Naturwissenschaftlichen 
Abteilung des Bosnisch-Herzegowinischen Landes- 
museums in Sarajewo, Bosnien. 

1865. - Rey, E. Dr., Leipzig, Flossplatz 11. 


Mitglieder-Verzeichnis. 163 


1894. Herr Rörig, G., Dr., Prof., Regierungsrat, am Kaiserl. 
Gesundheitsamt, Berlin, Klopstockstr. 19/20. 

1876. - Rohweder, J., Gymnasial-Oberlehrer, Husum. 

1898. - Rolle, H., Naturalienhändler, Berlin N., Elsasser- 
strasse 47/48. 

1895. Graf von Rothenburg, Friedrich, Rittmeister und Ma- 
joratsherr, Polnisch Nettkow. 

1893. Baron von Rothschild, W., Dr., Tring in England. 


1876. Herr Samplebe, Tierarzt, Schöppenstedt. 


1888. - Schäff, Ernst, Dr., Direktor des Zool. Gartens in 
Hannover. 

1872. - Schalow, Herm., Kaufm., Berlin NW., Schleswiger 
Ufer 15 II. 

1901. - Schlegel, R., Leipzig, Täubchenweg 43,b. 

1870. - Schlüter, Wilhelm, Naturalienhändler, Halle a. S. 

1898. -  Schöpf, Direktor des zoologischen Gartens in Dresden. 

1896. - Schulz, A., Essen a. Ruhr, Huttropstr. 47 I. 

1891. - vonSchutzbar gen. Milchling, Rittmeister a. D., 
Hannöv.-Münden. 

1897. - Schwerdt,C.F.G. Richard, Millcourt Alton (Hants), 
England. 

1892. - Shelley, G. E., Captain, 39 Egerton Gardens, Lon- 
don SW. 

1901. - Sokolowsky, A. Dr. phil., Charlottenburg, Her- 
derstr. 14. 


1879. Sueiiner ÖOrnithologischer Verein (vertreten durch Herrn 
F. Koske, Stettin, Carlstr. 6 IV). 
1895. Herr Stoll, F., Conservator, Riga, Grosse Schlossstr. 9. 


1900. - Snsollen, P., Assistent am Kabinet für vergleich. 
Anatomie d. Kais. Universität Moskau. 

1878. - Talsky, Josef, Professor,. Olmütz, Mähren. 

1872. - Thiele, H., Baumeister, Köpenick. 

1874. - Thiele, Hch., Forstmeister, Braunschweig. Ausser- 
ordentliches Mitglied. 

1901. - Thieme, Alfred, Lehrer, Leipzig, Johannisallee 7 Il. 

1899. - Thienemann, J., Rossitten a. d. Kurischen Nehrung. 

1890. - von Treskow, Major a. D., Westend bei Berlin, 


Spandauerberg 5. 
1868. Ritter Victor von Tschusi-Schmidhoffen, Villa 
Tännenhof bei Hallein, Salzburg. 
11* 


164 


1886. 


1890. 
1901. 
1890. 
1896. 
1873. 


1898. 


1884. 
1892. 


Mitglieder-Verzeichnis. 


Herr Urban, L., Architekt u. Maurermeister, Berlin SW., 
Blücherstr. 19. 
Frau Vieweg, H., geb. Brockhaus, Braunschweig. 
Herr Voigt, Alwin, Dr. phil. Leipzig, Färberstr. 15 1. 
- Wendlandt, P., Kgl. Forstmeister, St. Goarhausen. 
- Wickmann, H., Dr., Münster i. W., Kathagen 11. 
Graf von Wilamowitz-Möllendorf, Majoratsherr auf 
Schloss Gadow bei Lanz, Reg.-Bez. Porsdam. 
Herr Wüstnei, C., Baurat, Schwerin i. Meckl., Mühlen- 
strasse 13. 
- Ziemer, E. Klein-Reichow b. Standemin, Pommern. 
- Zimmermann, Th., Apotheker, Danzig, Kaninchen- 
berg 11. 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 165 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology. Vol. XVII. N0.4.1900. 
Bulletin of the British Ornithologists’ Club. No. LXXV. Nov. 1900. 


Bulletin de la Societe Philomathique de Paris. IX. Serie, Tome 
II. No. 2. 1899 —1900. 


The Ibis. A Quarterly Journal ofOrnithology. (7.) VI. October 1900. 


Ornithologisches Jahrbuch. Organ für das palaearktische Faunen- 
gebiet. Herausgegeben von Victor Ritter von Tschusi zu 
Schmidhoffen. XI. Jahrgang. 1900. Heft 6. 


Ornithologische Monatsschrift des Deutschen Vereins zum Schutze 
der Vogelwelt. Jahrg. 1900. 


F. E. L. Beal, Food of the Bobolink, Blackbirds, and Grackles. 
(Bulletin No. 13 U. S. Dep. of Agriculture, Division of Bio- 
logical Survey, Washington 1900). 


W. Blasius, Vögel von Pontianak (West Borneo) und anderen 
Gegenden des indomolayischen Gebietes, gesammelt von 
Herrn Kapitän H. Storm für das Naturhistorische Museum 
zu Lübeck. (Abdruck aus: Mitt. Geogr. Ges. u. Naturh. 
Mus. Lübeck II. Reihe Heft X 1896). 


W. Blasius, Das Herzogliche Naturhistorische Museum zu 
Braunschweig. (Abdruck aus der zu Ehren der 69. Versamml. 
D. Naturforscher und Arzte herausgeg. Festschrift 1897 
S. 528). 

W. Blasius, Neuer Beitrag zur Kenntniss der Vogelfauna von 
Celebes. (Abdruck aus: Festschrift d. Herzogl. Technisch. 
Hochschule Carolo-Wilhelmina bei Gelegenheit der 69. Vers. 
D. Naturforscher u. Arzte 1897). 


W. Blasius, Der Riesen-Alk, Alca impennis L. oder Plautus 
impennis (L.) in der ornithologischen Litteratur der letzten 
fünfzehn Jahre. (Abdruck aus: Orn. Monatsschr. D. Ver. z. 
Schutze d. Vogelw. 1900. No. 11). 


R. Burckhardt, Der Nestling von Rhinochetus jubatus. Ein 
Beitrag zur Morphologie der Nestvögel und zur Systematik 
der Rhinochetiden. (Abdruck aus: Abh. Kais. Leop. Carol. 
Akad. Naturf. LXXVII. No. 3 1900). 


A. Dubois, Synopsis Avium. Nouveau Manuel d’Ornithologie. 
Fasc. IV. Bruxelles 1900. 


L. v. Führer, Beiträge zur Ornis Montenegro’s und des angren- 
zenden Gebietes von Nordalbanien. (Abdruck aus: Ornith. 
Jahrb. XV. Heft 4,5 1900. 


166 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


[dp] 


. Häcker, Der Gesang der Vögel, seine anatomischen und 


biologischen Grundlagen. Jena 1900. 


. Hartert, The Birds of Buru. Being a List of Collections 


made on that Island by Messrs. W. Doherty and Dumas. 
(Abdruck aus: Novit. Zool. VII. August 1900. T. IV). 


. Hartert, List of a Collection of Birds from the Lingga Island. 


(Abdruck aus: Novit. Zool. VII. Dec. 1900). 


. Hartert, On the Genus Scaeorhynchus Oates. (Abdruck 


aus: Novit. Zool. VII. Dec. 1900). 


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Novit. Zool. VII. Dec. 1900). 


. Hartert, Some Miscellaneous Notes on Palaearctic Birds. 


(Abdruck aus: Novit. Zool. VII. Dec. 1900). 


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. Hartert, Einige Worte der Wahrheit über den Vogelschutz. 


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. Hartlaub, Aus den Zentral-Karpathen. Aus „Bergauf und 


Bergab.“ (Abdruck aus: Jahrb. Ungar. Karpathenver. 1900). 


SE. Hellmayr, Bemerkungen über die neuweltliche Gattung 


FPolioptila nebst Beschreibung einer neuen Subspecies aus 
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.L. Hinde, On Birds observed near Machako’s Station, in 


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aus: The Ibis for October 1898). 


. J. Jackson, List ob Birds obtained in British East Africa. 


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The Ibis for October 1899). 


. Jacobi, Verbreitung und Herkunft der höheren Thierwelt 


Japans. (Abdruck aus: Zool. Jahrb. 5. Heft 1900). 


. Jacobi, Lage und Form biogeographischer Gebiete. (Abdruck 


aus: Zeitschr. Ges. f. Erdk. XXXV. 3. Heft 1900). 


. R. Lankester, Report on a Collection made by Messrs. F. 


V. MeConnell and J. J. Quelch at Mount Roraima in British 
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. Leverkühn und R. Blasius, Ornithologische Beobachtungen 


aus dem Herzogtum Braunschweig 1885—1894. (Abdruck 
aus: Ornis VIIl. Heft IV 1896). 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 167 


P. Leverkühn, Todesanzeigen X.— XII. (Link, Senoner, See- 
bohm, Gundlach, Bogdanow, Rütimeyer, Lilford. (Abdruck 
aus: Mntschr. D. Ver. Schutze d. Vogelw. 1896). 


P. Leverkühn, Eine Reise nach Finnland. (Sonderabdruck aus 
der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ No. 154 u. 155. 
München 1898). 


P. Leverkühn, Ornithologisches aus Lichtenbergs Briefen an 
Dieterich. (Abdruck aus: der Zool. Garten XLI. 1900 Hft. 5). 


F. Lindner, Grundstein zur Ornis des Fallsteingebietes (mit 
einer Kartenskizze und Index). Inauguraldissertation. Gera- 
Untermhaus 1900. 


J. v. Madaräsz, Beiträge zur Ornis von Deutsch Neuguinea. 
(Abdruck aus: Termesz. Füzetek XXI1V. 1901. 


G.H. Martens, Hamburger Magalhaenische Sammelreise. Vögel. 
Hamburg 1900, 


P. Matschie, Die Vogelwelt der neuesten deutschen Besitzungen 
in der Südsee (Abdruck aus: Westermann’s Illustr. D. 
Monatshefte 1900). 


J. A. Naumann, Der Philosophische Bauer, oder Anleitung, 
die Natur durch Beobachtung und Versuche zu erforschen. 
Neudruck nach der ersten Original-Ausgabe von 1791 besorgt 
und herausgegeben von Paul Leverkühn. Gera-Unterm- 
haus 1900. 


H. Nitsche, Bemerkungen über das Vorkommen des schwarz- 
bäuchigen Wasserschmätzers und einiger anderer seltener 
Vögel im Königreiche Sachsen. (Abdruck aus: Abhandl. 
naturw. Gesellsch. Isis in Dresden 1900 Heft 1). 


G. Rörig, Die Verbreitung der Saatkrähe in Deutschland. — 
Die Krähen Deutschlands in ihrer Bedeutung für Land- 
und Forstwirtschaft. (Arbeiten aus der Biol. Abt. f. Land- 
u. Forstwirtsch. am Kaiserl. Gesundheitsamte. Berlin 1900). 


W. v. Rothschild, A Monograph of the Genus Caswarius. With 
a Dissertation on the Morphologie and Phylogeny of the 
Palaeognathae and Neognathae by W. Pycraft. (Abdruck 
aus: Trans. Z. S. London XV. Part. V. Dec. 1900). 


T. Salvadori, Viaggio del Dr. A. Borelli nel Matto Grosso e 
nel Paraguay V. Uccelli. (Abdruck aus: Bollet. Mus. Zool. 
Anat. Torino No. 378 1900). 


T. Salvadori, Contribuzione all’a Avifauna dell’ America 
Australe (Abdruck aus: Ann. Mus. Civ. St. Nat. Genova 
XI, 1900). 


168 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


H. Schauinsland, Ein Besuch auf Molokai, der Insel der 
Aussätzigen. Bremen 1900. 


R. B. Sharpe, Monograph of Christmas Island. Aves. (Abdruck 
aus: Andrews, A Monograph of Christmas Island London 1900). 


R. B. Sharpe, On the Birds collected during the Mackinder 
Expedition to Mount Kenya. With Notes by H. J. Mackinder, 
E. Saunders, and C. Camburn. (Abdruck aus: Proc. Z. 8. 
London May 1900). 


R. B. Sharpe, On a Collection of Birds obtained by Mr. H. S. 
H. Cavendish in Mozambique. (Abdruck aus: The Ibis for 
January 1900). 


R. B. Sharpe, On a Collection of Birds made by Captain A. 
M. Farquhar in the New Hebrides. (Abdruck aus: The Ibis 
for April 1900). 


R. Snouckaert van Schauburg, Ornithologie van Neder- 
land. Waarnemingen van 1. mei 1899 tot en met 30. April 
1900 gedaan. (Abdruck aus: Tijdschr. Ned. Dierk. Vereen. 
1900). 


J. L. Sowerby, On a Collection of Birds from Fort Chiquaqua, 
Maschonaland. With Notes by R. B. Sharpe. (Abdruck 
aus: The Ibis for October 1898). 


V. v. Tschusi, Bemerkungen über einige Vögel Madeira’s. 
(Abruck aus: Ornith. Jahrbuch XI. Heft 5. 6. 1900). 


C. Weller, Catalogue of a Collection of Birds’ Eggs. Kopen- 
hagen 1900. 


Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. 


JOURNAL 


ORNITHOLOGIE 


Neunundvierzigster Jahrgang. 


No. 2. April 1901. 


Kritische Bemerkungen 
über die Paridae, Sittidae und Certhiidae. 
Von C. E. Hellmayr. 


Il. Paridae. 


In nachstehenden Zeilen erlaube ich mir, einige Gesichts- 
punkte zu erörtern, nach denen ich die Pariden im „Tierreich“ 
behandelt habe. Bezüglich der Abgrenzung und Anordnung der 
Genrera habe ich mich im wesentlichen an G. R. Gray und Gadow 
gehalten, abgesehen von einigen notwendigen Änderungen, da- 
gegen in Hinsicht auf die Ausdehnung der erstgenannten Familie 
einen ganz anderen Weg eingeschlagen, und dabei vorwiegend 
anatomische Momente zu Rate gezogen. Leider stand mir sehr 
wenig osteologisches Material zur Disposition und musste ich 
mich teilweise auf die Ergebnisse anderer Autoren stützen. Um 
zunächst die erste Familie zu besprechen, schicke ich die Bemerkung 
voraus, dass die Pariden meiner Ansicht nach in 4 ziemlich scharf 
begrenzte Unterfamilien zerfallen, welche allerdings durch ver- 
bindende Glieder mit einander in Beziehung stehen, es sind dies: 

A. Regulinae C. Parinae 
B. Polioptilinae D. Paradoxornithinae. 

Bezüglich der systematischen Stellung der erstgenannten 
Gruppe ist man heute wohl allgemein zu dem Schlusse gekommen, 
dass sie ihren Platz besser in der Nähe der Meisen als bei den 
Sylviidae findet. Besonders ihre Lebensweise schliesst sie eng 
an jene an, ebenso haben Nestbau und Eier mehr Ähnlichkeit 
mit den entsprechenden Verhältnissen der Meisen. Aber auch 
einige anatomische Cheraktere, auf die ich hier nicht näher ein- 
gehen will, sprechen für diese Verwandtschaft. Lepfopoecile ver- 
mittelt den Übergang zu den Sylviidae, steht aber nach ihrer 

Journ. £, Orn, XLIX, Jahrg. April 1901. 12 


170 C. E. Hellmayr: 


Lebensweise den Meisen bedeutend näher, während anderseits 
Sylviparus, den ich auf Grund der Beschaffenheit und allgemeinen 
Färbung des Gefieders hier an seinem besten Platze glaube, die 
Regulinae zu den eigentlichen Meisen hinüberführt. Diese, die 
Paridae der meisten Autoren, umfassen eine grosse Anzahl 
äusserlich ziemlich different, anatomisch aber übereinstimmend 
gebauter Arten. Gadow unterscheidet im Kataloge des brit. 
Museums 8 Genera, wozu nach neueren Forschungen noch“ 
Chamaea kommt. Auch Parisoma habe ich vorläufig (in Erman- 
gelung eines besseren Platzes im System) wegen ihrer allgemeinen 
Ähnlichkeit mit Aphelocephala (= Xerophila Gould) mit inbe- 
griffen. Aus dem Genus Parus musste ich nach sorgfältigen 
Untersuchungen ausser P. modestus noch P. sultaneus, semilar- 
vatus und luzoniensis ausscheiden. Dabei will ich bemerken, dass 
mir bei Abgrenzung der Gattungen und teilweise auch der Unter- 
gattungen lediglich morphologische Charaktere malsgebend waren. 

Während bei den typischen Parus-Arten die Nasenlöcher 
immer vollständig von kleinen Federn bedeckt sind, bleiben sie 
bei dem Genus Melanochlora zur Hälfte frei von jeder Bedeckung, 
liegen auch mehr dem Culmen zu gerückt. Ausserdem ist die 
hierher gehörige Art viel kräftiger gebaut und kennzeichnet sich 
durch einen auffallend spitzigen Schopf. 

P. semilarvatus und P. luzoniensis, welch letzteren ich dank 
der Liebenswürdigkeit des Herrn Amtsrat Nehrkorn untersuchen 
konnte, stimmen untereinander im Gesamthabitus völlig überein, 
entfernen sich aber nicht unwesentlich von den übrigen Parus- 
Arten. Während bei diesen die zusammengelegten Flügel gerade 
bis ans Ende der Schwanzdecken reichen, ragen sie bei den beiden 
genannten Arten über 2/, des Schwanzes, fallen auch durch ihre 
spitzere Form auf. Dann hat auch der Schnabel eine andere 
Gestalt, ist verhältnismässig länger, die obere Mandibel stärker 
gekrümmt und überragt die untere wesentlich. Deshalb bin 
ich geneigt, diese beiden Arten in einer besonderen Gattung zu 
vereinigen, für welche ich den Namen Penthornis vorschlage. 
(Typus: Melaniparus semilarvatus Salvad.) Das Genus Parus bildet 
nach dieser Elimination eine streng geschlossene natürliche Gruppe. 

Bei dem Formenreichtum dieser Gattung drängte sich mir 
das Bedürfnis nach einer zweckmässigen Untereinteilung auf, 
welche ich denn im Interesse der Übersichtlichkeit versucht habe, 
ohne aber behaupten zu können, dass sie mir völlig gelungen 


Kritische Bemerkungen. 171 


wäre. Als Fundament benützte ich das vorzügliche Essay de 
Selys-Longchamps im Bulletin de la Societe de France, ann. 1884, 
welches eine so klare Auffassung des Gegenstandes bekundet, 
dass ich mit meinen schwachen Kräften wohl kaum etwas Besseres 
zustande gebracht hätte. Natürlich musste den seitherigen 
Forschungsergebnissen Rechnung getragen und dementsprechende 
Modifikationen getroffen werden. Selys unterscheidet nach 
Färbungscharakteren 10 Subgenera, welche im wesentlichen bei- 
behalten wurden, wenn auch die Grenzen einzelner weiter oder 
enger gezogen. Der merkwürdige P. fringillinus Fschr. u. Rchw., 
den mir Herr Prof. Kraepelin freundlichst zur Untersuchung 
überliess, zeigt einen so aberranten Färbungscharakter, dass es 
notwendig war, für diese Art ein besonderes Subgenus zu be- 
gründen, das ich Aegithospiza nennen möchte. Hinsichtlich der 
Einzelheiten verweise ich auf meine Arbeit.!) 

Die dritte Unterfamilie umfasst die neuweltlichen Polioptili- 
nae,”) welche ebenfalls noch keine sichere Stellung im System gefun- 
den, sondern bald zu den Muscicapidae, Mniotiltidae und zuletzt zu 


den Sylviidae bezogen wurden. Nach ihrem osteologischen Ver- . 


halten gehören sie noch am ehesten in die Nähe der Begulinae, 
verbinden aber auch etliche Merkmale der Sylviidae Die Ver- 
wandtschaft der Paradoxornithinae mit den Meisen hat W. K. 
Parker betont, und auch äusserlich schliessen sie sich gut an 
dieselben an: Paradoxornis heudei zeigt nämlich in der Schnabel- 
bildung, Flügelform, Färbung etc. grosse Ähnlichkeit mit Panurus 
biarmicus, an welchen ich deshalb die Gruppe der Papageimeisen 
anfügen möchte. 

Nun gehe ich zur Erörterung einzelner Arten über. 

l. Penthornis luzoniensis (Gm.). 

W. Blasius beschrieb aus der Ausbeute Dr. Platens von 
Mindanao eine neue Vogelart als Micropus nehrkorni, welche 


1) Oates etablirt für Minla cinerea (Brit India v. 1. 1839) ein 
neues Genus „Siftiparus“; dieser Name ist schon 1884 für P. varius 
Temm. Schleg. von Selys verbraucht (Bull. Soc. zool. France, p. 58), ich 
möchte deshalb für die Zimalien-Gattung die Bezeichnung Semiparus 
in Vorschlag bringen. 

2) Zu meiner Polioptila-Arbeit (Nov. Zool. 1900, p. 535) ist nach- 
zutragen, dass ich seither auch P. caerulea aus Guatemala gesehen habe, 
‘welche mit Bonaparte’s Diagnose übereinstimmt und zur Form: mexıcana 
gezogen werden muss. 

12* 


172 C. E. Hellmayr: 


später als zu den Meisen gehörig erkannt wurde, macht aber die 


Bemerkung (J. Orn. 1890, p. 147), dass dieselbe vielleicht mit 


Gmelins Muscicapa luzoniensis ähnlich sei. Die Gmelin’sche Art 
basiert auf der Abbildung und Beschreibung des „Gobe mouche 


noir de Isle de Luzon“ in Sonnerats Voyage & la Nouvelle 
Guinde. In diesem Werke ist auf Tafel 27, f. 2, unser Mecropus 


(Melaniparus) nehrkorni sofort zu erkennen; die weisse Stirn, 


der charakterische Flügelspiegel, die Schnabelform, alles stimmt 
genau mit dem untersuchten Vogel überein, nur in der Diagnose 
wird die Färbung des Unterkörpers „gris-noirätre“ genannt, 
während bei dem in Rede stehenden Exemplar derselbe matt 
braunschwarz gefärbt ist. Trotzdem glaube ich, unterliegt es 
keinem Zweifel, dass der Sonnerat’sche Vogel mit unserem M. 


nehrkorni identisch ist, welcher demnach Penthornis luzoniensis 


(Gm.) heissen muss. 

2. Przewalski sonderte die in den Tannenwäldern von 
Kansu angetroffene Lophophanes-Form als besondere Art unter 
dem Namen Loph. dichroides, Gadow zog ihn aber als Synonym 
zu Parus dichrous des Himalaya, bis erst Pleske (Aves Przew. 
p. 166) die Verschiedenheit der beiden Arten betonte. Ein, wenn 
auch geringes Material beider Arten aus dem Wiener und Berliner 
Museum setzt mich in den Stand, die Angabe Pleskes zu prüfen, 
und es freut mich, derselben vollinhaltlich beistimmen zu können. 
Beide Formen sind so verschieden, wie P. affinis Przew. und P. 
songarus Sev., welche ich auch dem Wiener Museum danke. 
Bei ersterer ist die Kopfplatte, welche bis zur Mitte des Vorder- 
rückens reicht, kaffeebraun und die übrige Oberseite isabellfarben, 


bei letzterer hingegen jene mattschwarz und der Rücken lebhaft 


rostbraun. - 

3. Prazäkt) trennte im Orn. Jahrb. 1895, p. 81 die persischen, 
Trauermeisen als besondere Subspecies ab und benannte sie 
Poecile lugubris persica. Mir lag aus Persien leider nur ein 
einziges Jg ad. vor, dieses zeigt aber in der That die von Prazäk 
angegebenen Unterschiede. Der Rücken ist im Gegensatz zu 
westlichen Vögeln mehr grau, Spuren des bräunlicheu Anflugs 
zeigen sich bloss auf dem Unterrücken, die unteren Teile sind 
reiner weiss, die Seiten ganz unmerklich rostfarbig überhaucht, 


1) Bei dieser Gelegenheit möchte ich davor warnen, auf die Meisen- 
arbeiten dieses Autors viel Gewicht zu legen; dieselben enthalten eine 
Menge unrichtiger Angaben. 


Kritische Bemerkungen. 173 


auch ist die Kopfplatte mehr schwarz mit schwachem Glanz. 
Da auch Blanford (East. Persia v. 2, p. 229) und Gadow (Cat. 
B. Brit. Mus. v. 8, p. 48, Obs.) die Differenzen der östlichen 
Vögel hervorheben, scheinen dieselben ziemlich constant zu sein 
und wäre es vielleicht angezeigt, die Prazäak’sche Subspecies auf- 
recht zu halten. Die Gattung Parus bildet aber eine so natürlich 
geschlossene Gruppe, dass man von jeder generischen Spaltung 
absehen muss; der Prazäk’sche Name ist daher unverwendbar, 
weil persicus von Blanford bereits für die persische Blaumeise 
sebraucht wurde, und schlage ich deshalb vor, die östliche 
Trauermeise Parus lugubris dubius zu nennen. 

4. Über P. maior und P. caeruleus. 

Derselbe Autor hat auch die englischen und persischen 
Kohlmeisen als besondere Subspecies gesondert und giebt ein- 
gehende Unterscheidungsmerkmale für beide Formen an. Ich 
habe eine Reihe von über 100 Kohlmeisen aus den verschiedensten 
Gegenden Deutschlands und Österreichs, sowie aus England, 
Skandinavien, Spanien, Algier, Cypern, Griechenland, Persien, 
Kleinasien und Palästina daraufhin geprüft, muss aber bekennen, 
von den gewonnenen Ergebnissen nicht befriedigt zu sein. 

Erstens finden sich die von Prazäk angegebenen Kennzeichen 
der englischen Kohlmeise auch bei einzelnen Exemplaren des 
Kontinents, und andrerseits sind sie nicht einmal bei allen 
britischen Vögeln constant, so z. B. bildet die Flügelbinde absolut 
kein sicheres Criterium, weil man sehr häufig auch unter den 
continentalen Kohlmeisen welche findet, die entschieden eine 
unreinere und schmälere Querbinde besitzen als die englischen. 
Der Glanz der schwarzen Partieen des Kopfes ist ebenso bei fest- 
ländischen als insularen Individuen der Variation unterworfen; 
und was die Säume der Schwanzfedern anlangt, so kommen 
dunkelblaugraue auch bei continentalen Stücken vor. Das einzige 
constante Merkmal der englischen Kohlmeisen liegt in dem sehr 
starken, bisweilen auch höheren Schnabel, doch findet man diese 
Form auch bei norwegischen und tunesischen Stücken. 

Ebenso verhält es sich mit P. maior blanfordi. Wenn auch 
einzelne persische Exemplare auf der Unterseite eine hellgelbe 
Färbung aufweisen, so kann ich dies doch nicht für eine sub- 
specifische Trennung als genügend erachten; denn dann müsste 
man die Bewohner Cyperns, welche jene in dieser Beziehung 
noch übertreffen, da ihre Unterseite gelblichweiss gefärbt ist, 


174 C. E. Hellmayr: 


ebenfalls subspecifisch trennen, was aber kaum Zustimmung 
finden dürfte, wenn ich erwähne, dass auch unter spanischen 
Vögeln, die doch sonst intensiver gefärbt sind, sich einige dureh der- 
artige Färbung der Unterteile auszeichnen. Der mehr graue Ton 
des Rückens scheint wirklich für die östlichen Vögel bezeichnend 
zu Sein, doch will ich nicht unerwähnt lassen, dass sich derselbe 
auch bei zwei 38 aus Aguilas (Spanien) sehr ausgeprägt zeigt, 
womit der Wert dieser Kennzeichen bedeutend herabgesetzt wird. 

Ich bin daher der Ansicht, dass es sich empfehlen wird, 
nach wie vor die Kohlmeise als eine ungeteilte Art zu betrachten, 
wenn ich auch nicht leugnen will und kann, dass erhebliche 
Abweichungen von dem typischen Kleide vorkommen, die mir 
aber mehr individueller Natur zu sein scheinen.. | 

Die Blaumeisen bilden ein sehr interessantes Studienobject 
für die geographische Variation; dieser Gegenstand wurde vor 
einigen Jahren von Prazäk ausführlich behandelt, der bei dieser 
Gelegenheit für die englischen Blaumeisen subspecifischen Rang. 
in Anspruch nahm. Dieselben zeichnen sich ja in der Regel 
durch dunkleres Colorit aus, doch finden sich ebensolche Exem- 
plare auch in andern Gegenden Mitteleuropas, so 2. B. in Ungarn; 
deshalb bin ich auch hier der Ansicht, von einer subspecifischen 
Trennung absehen zu sollen. 

Im Westen gehen die typischen Blaumeisen allmählich in 
P. caeruleus ultramarinus über, und ein von Natterer im süd- 
lichen Spanien gesammeltes Exemplar des Wiener Museums 
würde ich unbedenklich zu der letzteren Form ziehen (so dunkel 
sind hier die blauen Partien des Kopfes), wenn der Rücken nicht 
olivengrünlich gefärbt wäre wie bei unsern Blaumeisen. 

5. Ich hatte Gelegenheit, eine schöne Serie von P. cyanus 
zu untersuchen und damit zwei Originalexemplare von Severtzows 
tianschanicus zu vergleichen; der grauliche Anflug der Kopfplatte, 
welcher für die letztgenannte Varietät charakteristisch sein soll, 
kommt auch bei russischen Exemplaren vor und Pleske hat ganz 
richtig betont, „dass die Severtzow’sche Form nicht einmal als 
Varietät haltbar ist.“ 

6. Prof. v. Menzbier erwähnt in der in russischer Sprache 
erschienenen „Ornithographie des europäischen Russlands“ eine 
Varietät von Parus pleskei, die sich durch den Mangel des 
schwarzen Kehlflecks, bläulichgrauen anstatt azurblauen Scheitel, 
breiteres, aber kürzeres Nackenband und mehr Weiss auf den 


| 


Kritische Bemerkungen. 175 


Flügeln auszeichnet. Bei der Durchsicht meiner kleinen, aber 
vollständigen Reihe der russischen Blaumeise finde ich ein zu 
dieser Form gehöriges Exemplar, das irrigerweise als juv. der 
typischen Art etiquettiert war. Beim Vergleich mit echten, jungen 
P. pleskei stellte es sich heraus, dass meine Determination richtig 
war. Das in Rede stehende Stück zeigt ausser den oben ange- 
führten Merkmalen noch eine sehr breite, weisse Flügelbinde, 
ferner erstreckt sich das Weiss auf den Armschwingen über das 
letzte Drittel der Federn und die Aussenfahne der vier äusseren 
Schwanzfedernpaare weist einen breiten, weissen Saum auf; der 
gelbe Fleck auf der Brust ist ganz blass, und die Färbung des 
Rückens zieht mehr ins Graue. Die beiden Formen lassen sich 
geographisch ja gewiss nicht trennen und ich möchte deshalb 
die von Menzbier entdeckte Abweichung bloss als Varietät be- 
zeichnen, für welche sich der Name pallescens vielleicht eignen 
dürfte. 

7. Parus cinereus und verwandte Arten. 

Diese Art ist ganz ausserordentlich der Variation unter- 
worfen und es wundert mich, dass sich noch niemand eingehend 
mit diesem Gegenstand beschäftigt hat. Ich hatte ein ziemlich 
ansehnliches Material unter den Händen, und es ist vielleicht 
nicht uninteressant, einige Worte über meine Ergebnisse zu 
veröffentlichen. 

Manche Autoren sind bekanntlich geneigt, den Javavogel 
(atriceps Horsf.) für verschieden zu halten von den indischen und 
chinesischen Vertretern (nipalensis Hodgs.=caesius Tick.) Ersterer 
soll sich dadurch kennzeichnen, dass der helle Nackenfleck von 
einem schwarzen Streifen ringsum eingefasst ist, während bei 
nipalensis bloss vorne und an den Seiten eine solche Begrenzung 
vorhanden wäre. Das Vorkommen einer solchen Verschiedenheit 
war ja a priori gar nicht unwahrscheinlich, aber meine sorgfältig 
angestellten Untersuchungen haben ergeben, dass dieser Charakter 
keineswegs constant ist. Wohl kommt bei Exemplaren von 
Lombok, Java und Sumba eine derartige Zeichnung vor, allein 
man findet sie auch bei Festlandsvögeln. So zeigt besonders ein 
Exemplar aus Mysore die Einfassung am hintern Rande des 
Nackenflecks so präcisiert wie es bei keinem typischen atriceps 
vorkommt. Ausserdem findet man alle möglichen Übergänge und 
Zwischenstadien, indem die immer schwarzgrau gefärbten, basalen 
Teile der Federn des Nackens diese Färbung weiter gegen 


176 C. E. Hellmayr: 


die Spitze ausdehnen, so dass es zur Andeutung eines schmalen, 
verwaschenen Bandes kommt. Am häufigsten übrigens ist der 
Nackenfleck weisslich, stuft sich nach hinten allmählich in Grau 
ab und geht in die Rückenfärbung über. Diese ist nun wiederum 
ungemein veränderlich und finden sich alle Stufen von hellasch- 
blau bis düster- oder schmutziggrau. Am hellsten ist ein © von 
Godavary des Wiener Museums, das sich in der Färbung von 
bokharensis Licht. kaum unterscheidet, auch durch bedeutend 
breitere, helle Flügelbinden sowie durch wahrhaft zwerghafte 
Dimensionen auffällt. Ich wollte zuerst diesen Vogel als Typus 
einer neuen Subspecies beschreiben, habe dies aber nach Ver- 
gleichung mit unterdes eingetroffenem, weiterem Material unter- 
lassen. 


Bei der Durchsicht einer grösseren Serie zeigte sich nämlich, 
dass die Grösse dieser Art sehr bedeutenden Schwankungen 
unterliegt und dass derartige Zwerge auch aus anderen Gegenden 
des weiten Verbreitungsgebietes vorliegen: z. B. zeigt ein von 
Hartert als „small subspecies ?“ vermerktes $ aus Hainan die- 
selben geringen Masse, nähert sich auch in der Rückenfarbe dem 
vorerwähnten des Wiener Museums, doch ist der Nackenfleck 
kleiner, die Flügelbinde schmäler, aber reiner weiss. Zumal diese 
Charaktere auch ausserordentlich varieren, wäre es zum mindesten 
voreilig, daraufhin eine neue Form zu begründen. Wie also aus 
den vorhergehenden Zeilen zu entnehmen ist, lässt sich die Trennung 
von cinereus Bodd. (= atriceps Horsf.) und nipalensis Hodgs. 
nicht aufrecht erhalten, doch will ich auf einige andere Punkte 
hinweisen. Als brauchbares Criterium könnte vielleicht die Aus- 
dehnung des Weiss auf den äusseren Schwanzfedern noch am 
ehesten verwendet werden, ist aber auch nicht in allen Fällen 
verlässlich, wie die nachfolgende Übersichtstabelle ergiebt. 


I. Vögel von Java, Lombok, Sumba. 


a) 65, 60, 19, 10 nm] 
b) 65, 55,219. 9119, daya 
c) 65, 60, 19, 11 | 
A263, 59,218, 2112 -Lombok 
e) 64, 59, 17,5,11 ,„ Lombok 
f) 65, 59, 18, 11 ,„ Sumba 
g) 67, 63, 18,8, 11 „, Java 

h) 64,62, 18,117 ‚Java. 


Dr 


Kritische Bemerkungen. 177 


Grösse also ziemlich constant. Der Nackenfleck klein, rein- 
weiss und gegen den Rücken hin scharf abgesetzt, bisweilen wie auch 
bei chinesischen Vögeln durch einen schwarzen Streifen hinten 
abgegrenzt. Äusserstes Schwanzfederpaar zum grossen Teile weiss, 
zweites mit weisser Spitze, manchmal auch noch das dritte Paar 
mit kleiner, weisser Spitze. Oberseite dunkelgraublau. 


II. China. 


a) 66, 59, 20, 12 mm . E u 
P. cinereus commizxtus Swinh. 

0466,57, 19, 1° mm 7 nl cha 

c) 67, 60, 20, 11 mm ? 

d) 63, 54, 17, 10,5 mm Hainan (small subsp.? Hart.). 


Die chinesischen Vögel stehen in der Grösse mitten zwischen 
denen von Java und denen vom indischen Hügellande Nacken- 
fleck klein, weiss, die hinteren Federn mit graulichen Spitzen, 
geht allmählich in die Rückenfärbung über, zuweilen durch einen 
blauschwarzen Streifen abgegrenzt. Äusserstes Schwanzfedern- 
paar zum grössten Teile weiss, auf dem Innenrande der Innen- 
fahne zieht sich ein grauschwarzer Streifen bis nahe gegen die 
Spitze, bei dem Vogel aus Hainan ganz weiss; zweites Paar mit 
weisser Spitze, bei dem letztgenannten Exemplar auch die 
Aussenfahne weiss. 


Ill. Gebirgsform des Himalaya. 


a) 70, — 19, 11 mm Kashmir (Sindevalley) 
b) 75, 69, 21, 11,7 mm Kashmir 

c) 72, 68, 20,8, 11,2 mm Kashmir 

d) 72, 70, 20, 12 mm Kashmir 

e) 75, 72, 21, =11,5 mm Gilgit. 


Die Vögel sind bedeutend grösser, besonders der Schwanz 
länger. Nackenfleck gross und schmutziggrau verwaschen, ebenso 
die Zeichnungen der Flügel. Das Weiss der Schwanzfedern 
mehr entwickelt, das äusserste ganz weiss, das nächste weiss bis 
auf einen schmalen, dunklen Saum längs der Innenseite der 
Innenfahne, die folgenden oft mit weisser Spitze. 

Ein Stück von Dr. Stoliezka aus Westtibet misst: 76, 62, 
19, 12 mm, nähert sich also in der Grösse mehr den chinesischen 
Vögeln, stimmt aber in der Färbung ganz mit denen aus dem 
Himalaya überein. 


178 C. E. Hellmayr: 


IV. Vorderindien und Ceylon. 


a) 68, —, 20,11 mm f) 72, 65, 19,6 11,2 mm Nilghiris 
b) 66, 57,20,11 mm 8) 69, 60,18, 11 mm Myore 
6) 71,64,19,11 mm g Ceylon 1)70,58, 18, 11,5 mm Coonor 
d) 68, 59, 18, 11,3 mm i) 63, 53, 17, 10,5 mm Godavery 


e) 68,62,18,5,11,7mm S.Panschab k)65, 59, 17, 11 mm Gorakhpur 

Etwas grösser als die Vögel von Java. Nackenfleck weiss, 
nicht sehr ausgedehnt, hinten in Graulich übergehend. Oberseite 
hellaschblau, bei einzelnen Individuen nahe P. bokharensis. 
Äusseres Schwanzfedernpaar zum grossen Teile weiss, das zweite 
mit weisser Aussen- und Spitze der Innenfahne, das dritte mit 
weisser Spitze. Das @ von Godavary fällt allen gegenüber durch 
ausserordentlich kurzen Schwanz auf. 

Bei Betrachtung der obigen Zusammenstellungen ergiebt 
sich, dass das Weiss seine grösste Ausdehnung bei den Vögeln 
des Himalaya erreicht, während das Minimum bei den chinesischen 
Vertretern auftritt. Diese hat Swinho& bekanntlich als eine 
besondere Art, P. commixtus angesehen, welche aber unter diesem 
Begriffe nicht haltbar ist. Die drei mir vorliegenden Vögel aus. 
Südchina zeigen den olivengrünlichen Anflug auf dem Rücken 
sehr deutlich und ausserdem, was sie meines Erachtens besser 
von der typischen Form unterscheidet, an der Aussenfahne der 
grossen Flügeldecken einen feinen, rostgelblichen Rand. Solange 
mich nicht reicheres Material von der Unhaltbarkeit der Form 
überzeugt, möchte ich P. commixtus als Subspecies von P. cine- 
reus aufrecht erhalten. 

Hand in Hand mit der grösseren Ausdehnung des Weiss 
auf dem Schwanze geht auch die Entwicklung des Nackenflecks, 
der bei den Himalaya-Bewohnern am grössten, bei P. cinereus 
commiztus am kleinsten ist. Je weiter man im südlichen Indien 
vorschreitet, desto mehr wird dasWeiss auf dem Schwanze reduziert 
und erreicht schliesslich bei den Bewohnern von Java und 
Lombok ungefähr dieselbe Ausdehnung wie bei den Chinesen. 
Selbstverständlich ist dieses Merkmal nicht ganz ohne Ausnahme, 
doch möchte ich behaupten, dass bei den Gebirgsvögeln, wollen 
wir sagen, eine albinistische Tendenz sich geltend macht. Dass 
dieselben die grössten Masse aufweisen, ist nicht auffällig; 
bemerkenswert aber die bedeutende Länge des Schwanzes, woran 
man diese Exemplare sofort erkennen kann. Die Flügelmasse 
hingegen sind sehr variabel und bilden deshalb kein verlässliches 


| 


Kritische Bemerkungen. 179 


Kennzeichen. Ferner notierte ich folgende Beobachtung: Bei 
den Himalayabewohnern ist der Nackenfleck gross, trübe und 
seht sichtlich in die Rückenfärbung über, bei den indischen 
Stücken nur mehr im hinteren Teile graulich, während die Federn 
der vorderen Partie sehr zur weissen Färbung neigen, bei den 
Sundavögeln endlich reinweiss und scharf gegen den Rücken 
abgesetzt. P. cin. commixtus stimmt hierin mit den Indiern 
überein. Ebenso scheinen die Säume der Armschwingen und die 
Binde der Flügeldecken trübgrau bei den Himalayavögeln, 
während sie bei den Bewohnern des niedriger belegenen Indiens 
reiner weiss werden und am hellsten wieder bei denen aus dem 
südlichen Vorderindien, Ceylon und den Sundainseln auftreten, 
bei welch letzteren ihre Färbung reinweiss erscheint. Auch der 
Ton der Unterseite wechselt je nach der Verbreitung. Die 
Gebirgsvögel sind am dunkelsten, schmutziggrau und der Längs- 
streifen ziemlich undeutlich; in Indien wird die Unterseite 
heller, an den Seiten graulich rahmfarbig, in der Mitte zu 
beiden Seiten des sehr stark entwickelten schwarzen Bauchstreifen 
weisslich. Am hellsten ist sie wieder bei den Javanern, die 
reinste Färbung weist aber der Vogel aus Hainan auf, der ja 
in mancher Beziehung von dem Normaltypus abweicht. 


Fassen wir das Gesagte zusammen, so erhalten wir folgen- 
des Ergebnis: 


Die Gebirgsvögel zeigen die unreinsten Farben; je weiter 
nach Süden und Osten, desto reiner werden dieselben und er- 
langen das Extrem auf den Sundainseln. Vielleicht kommen 
ähnlich wie bei den europäischen Graumeisen auch hier immer 
zwei verschiedene Schläge von Individuen vor, grössere und 
kleinere, wie die Exemplare von Godavary und Hainan möglich 
erscheinen lassen. Zur Beurteilung dieser Frage ist aber ein 
bedeutend reicheres Material erforderlich, als mir zu Gebote steht. 


Am Schlusse noch ein kurzes Resume: 


1. Himalaya: a. 70—75, c. 68—72 mm. Nackenfleck gross, 
schmutziggrau und in die Rückenfarbe übergehend, Unter- 
seite schmutziggrau, Bauchstreifen schwach entwickelt, Arm- 
schwingen und Flügeldeckenbinde sehr breit, graulich gesäumt; 
äusseres Schwanzfedernpaar weiss, das nächste bis auf einen 
schmalen Rand an der Innenfahne, die beiden folgenden nur 
an der Spitze weiss. 


180 C. E. Hellmayr: 


2. Indien und Ceylon: a. 66—72, c. 57—65. Nackenfleck 
weiss, hinten graulich überwaschen und in die Rückenfarbe 
übergehend. Unterseite heller, Seiten trübe rahmfarbig. 
Mitte weisslich, Bauchstreifen stärker entwickelt. Helle 
Flügelzeichnungen reiner, Flügeldeckenbinde aber schmäler, 
Äusserstes Schwanzfedernpaar zum grossen Teile, nächstes 
Paar auf Aussenfahne und Spitze, folgendes bloss an der 
Spitze weiss. 

Anhang. Godavary: a. 63, c. 53. Schwanz sehr kurz, 
Färbung wie bei 2), aber zweitäusserstes Schwanzfedernpaar 
mehr weiss, Nackenfleck grösser. 

3. Sundainseln: a. 63—67, c. 55—63. Nackenfleck reinweiss, 
scharf abgegrenzt gegen den Rücken. Unterseite am hellsten, 
schwarzer Bauchstreifen sehr breit und bis zu den unteren 
Schwanzdecken reichend. Flügelzeichnungen weisslich. 
Äusserstes Steuerfedernpaar mit Ausnahme des dunkeln, 
basalen Drittels oder eines schmalen Innenrandes weiss, 
das 2. (und 3.) mit weisser Spitze. 

4. Hainan: a. 63, c. 55. Wie 5, aber Schwanz mit mehr Weiss, 
Rücken einfarbig hellaschblau, Flügel ohne rostgelbliche Säume. 

5. Süd-China: (P. cinereus commistus): a. 66—67, c. 57—60. 
Nackenfleck klein, vorn weiss, hinten in Graulich übergehend. 
Rücken olivengrünlich verwaschen. Helle Flügeldeckensäume 
von einem rostgelblichen Rande eingefasst. Äusseres Schwanz- 
federnpaar mit Ausnahme eines schwarzen Innenrandes 
weiss, das nächste mit weisser Spitze. 

Es fragt sich, inwieweit sich die angegebenen Charaktere 
als constant erweisen, wozu aber mein Material nicht ausreicht. 
Vielleicht gelang es mir, durch vorstehende Bemerkungen zu 
gründlichen Untersuchungen anzuregen; vorläufig lasse ich es 
unentschieden, ob die oben aufgeführten Differenzen zu sub- 
specifischer Trennung ausreichen oder nicht. F. cin. commistus 
führt sichtlich zu P. minor hinüber, und je nach dem Vorkommen 
ist er bald dieser, bald der anderen Art ähnlicher. Interessant 
ist es, dass auch im Westen eine abweichende Form von P. 
cinereus vorkommt, P. bokharensis, den man gewöhnlich specifisch 
unterscheidet, sowie vertretende Arten auf Borneo, P. sarava- 
censis Slat. und P. nigriloris Hellm. auf den südlichen Liu-Kiu 
Inseln. Die beiden letzteren kennzeichnen sich sofort durch 
ihre dunkle Färbung, der letztere überdies durch den fast 


Be; 


Kritische Bemerkungen. 181 


gänzlichen Mangel der weissen Farbe auf den Schwanzfedern. 
Wie sich P. intermedius (= transcaspius) Zrd. zu den vorstehend 
behandelten Arten verhält, kann ich leider nicht entscheiden, 

8. Einiges über die Aegithalus!)-Formen. 

Ich will nur bemerken, dass nach Untersuchung einer 
grossen Serie europäischer, sibirischer und nordjapanischer Aeg. 
caudatus von einer Trennung der östlichen Vögel Abstand ge- 
nommen werden musste. Wenn sich dieselben auch in der Regel 
durch längeren Schwanz und grössere Ausdehnung der weissen 
Färbung auf den Armschwingen auszeichnen, so ist einerseits 
doch nicht zu leugnen, dass ähnliche Vögel auch in Europa vor- 
kommen, und anderseits findet man wieder Sibirier, die ganz mit 
europäischen Stücken übereinstimmen. Dass die Schwanzlänge 
der japanischen Schwanzmeisen sich mehr den Verhältnissen der 
Europäer nähert, ist ebenfalls nicht zu verkennen, wie überhaupt 
das Gesamtgepräge mehr auf diese als auf die asiatischen Be- 


wohner hinweist. Doch genügt meines Erachtens diese Differenz 


nicht zu einer subspecifischen Trennung, weder der östlichen als 
macrurus, noch der japanischen als japonicus. 

Ähnliche Beziehungen liegen auch zwischen A. caudatus 
roseus und A. caudatus trivirgatus vor, worauf ich schon in 
einer früheren Arbeit (Orn. Jahrb. 1900, Heft VI) hingewiesen 
habe. Für die europäischen Rosenmeisen muss auch fernerhin 
die Bezeichnung ‚‚roseus“ in Verwendung bleiben, denn Leach’s 
Name vagans ist ein nomen nudum, worauf dann der nächste, 
von Blyth gegebene in die Rechte der Priorität tritt. 

Die Aegithalus-Formen sind noch lange nicht klar, und 
besonders die der Balkanhalbinsel (tephronota, macedonica etc.) 
bedürfen dringend weiterer Untersuchungen; leider war es mir 
nicht möglich, die letztere Form zu erlangen. Die beiden 
neuen „Species‘ des Kaukasus Acredula senex und Acredula dor- 
salis Madaräsz, werden sich bei weiterer Erforschung dieses 
Landes wahrscheinlich bloss als Verbastardierungsproducte er- 
weisen. Acredula calva Plsk., die ich gleichfalls nicht untersuchen 
konnte, scheint sich nach der Beschreibung recht gut von Aegsth. 
caudatus glaucogularıs zu unterscheiden, ist aber kaum specifisch 
trennbar. Zwischen allen Aegithalus-Formen finden sich so 
zahlreiche Übergänge, die man gewiss nicht durchwegs als Bas- 


1) Bezügl. der Anwendung dieses Namens vgl. J. f. Orn. 1900, p. 372. 


182 C. E. Hellmayr: 


tarde erklären kann, und deshalb halte ich es vorläufig für vor- 
teilhafter, von (manchmal allerdings ziemlich ausgeprägten) 
Subspecies zu sprechen. Ich habe die Typen der Mecistura swin- 
hoei Pelz. im Wiener Museum untersucht, bin aber nicht ganz 
sicher, ob sie wirklich das Jugendkleid von A. glaucogularis dar- 
stellen. Leider sind die Bälge nicht gut erhalten. Der Schwanz 
hat ganz Aegithalus-Charakter, aber die Vögel sind viel kleiner 
als A. glaucogularis, Kehle und Brust kastanienbraun, etwas blasser 
als das Querband bei A. concinnus. Dass es junge, nicht aus- 
gefärbte Tiere sind, lässt sich sofort erkennen; die Färbung des 
Kopfes bei dem einen Exemplar (Stirn rahmfarbig, Oberkopf 
schwarz, in der Mitte ein heller Scheitelstreifen) spricht sehr für 
ihre Zugehörigkeit zu A. glaucogularis. 


9. Bezüglich der Gattung Parus möchte ich nachtragen, dass 
sich meine Ergebnisse nach der Untersuchung eines reichen Ma- 
terials von P. cristatus mit den Ausführungen Kleinschmidts 
vollkommen decken, wonach wir zwei gut unterscheidbare Sub- 
species in Europa haben: P. cristatus cristatus im Norden, P. 
cristatus mitratus in Mittel- und Westeuropa.!) 


10. Die Untersuchung einer hübschen Serie von Panurus 
biarmicus überzeugte mich, dass zwei leicht unterscheidbare 
Formen vorkommen. Auch hier zeigt sich das interessante 
Factum, dass die Färbung nach Osten immer heller wird, wie 
man dies auch bei andern Arten z. B. Certhia findet. Freilich, 
im Centrum des Verbreitungsgebietes, in unserm Falle im süd- 
östlichen Russland, sind die Charakter sehr verwischt und ist es 
nicht immer leicht, einen Galizier von einem Stücke aus dem 
südöstlichen Russland zu unterscheiden; dagegen fällt die 
Differenz beispielsweise zwischen einem Exemplar aus Holland 
und einem aus Asien sofort in die Augen. 


Nun noch einige Worte über den Wert der Genera. Ich 
habe, wie schon oben betont, zur Abgrenzung derselben aus- 
schliesslich morphologische Charaktere herangezogen und sah 
mich deshalb mehrmals genötigt, Arten, die sonst in verschiedenen 
Gattungen verteilt werden, in einer einzigen zu vereinigen. Von 
diesem Gesichtspunkte aus konnten Aegithaliscus, Psaltriparus, 


1) Genauere Bemerkungen über P. ater und Verwandte behalte ich 
mir für später vor. 


Kritische Bemerkungen. 183 


Auriparus und Anthoscopus der Kritik nicht standhalten. So z. 
B. liegt der Unterschied zwischen Aegithalus, Aegithaliscus und 
Psaltriparus einzig und allein in dem Wechselverhältnis der 
Länge von Flügel und Schwanz; liessen sich wenigstens alle 
Arten in eine der drei Abteilungen unterbringen, so hätte ich sie 
gewiss aufrecht erhalten; man findet jedoch in diesen „Genera“ 
Arten, die gerade in der Mitte stehen und ebensowohl zu dem 
einen, als zu dem andern bezogen werden können. Wenn ich 
bei der Abgrenzung der Gattungen etwas vorsichtig zu Werke 
gegangen und ihre Anzahl auf ein Minimum reduciert habe, so 
wird mir doch niemand den Vorwurf des „Zusammenwerfens“ 
bezüglich der Unterscheidung von Unterarten und Arten machen 
können; denn ich habe mich bemüht, auch dort, wo nur ein 
Schein von Berechtigung vorlag, die Formen zu sondern. 


11. Paradoxornithinae. 


Von dieser interessanten Unterfamilie lag mir Dank der 
Liebenswürdigkeit der Herren Prof. Reichenow und E. Hartert 
ein relativ reichhaltiges Material vor, doch will ich meine Bemer- 
kungen auf Suthora webbiana und Scaeorhynchus beschränken. 


Von ersterer standen mir 12 Stück zur Verfügung und zwar 
6 aus der Mandschurei und Ussuri, 3 typische webbiana, 2 aus 
Südchina und 1 aus Formosa. Diese Art wurde schon mehrmals 
kritisch behandelt, zuerst von Sharpe im Brit. Cat. VII, dann 
von Seebohm (Ibis 1894 p. 338), Slater (Ibis 1897 p. 173) und 
neuerdings von De la Touche (Ibis 1838). Sharpe unterscheidet 
3 Arten ©. webbiana Gray (Nordchina), S. suffusa Swinh. (Süd- 
china) und S. bulomachus Swinh. (Formosa); Taczanowski be- 
schrieb 1885 (Bull. Soc. zool. Franc. v. 10, p. 470) eine durch 
blassere Farben ausgezeichnete Form aus Östsibirien, die merk- 
würdigerweise allen neueren Bearbeitern dieser Gruppe vollständig 
entgangen zu sein scheint; denn keiner der genannten Autoren 
erwähnte diese Unterart. 1892 (Ibis p. 237) führte Campbell 
zwei angeblich neue Arten aus Korea unter dem Namen &. ful- 
vicauda und S. longicauda in die Wissenschaft ein. Seebohm 
reducierte die 5 Arten wieder auf zwei, indem er 8. longicauda 
und 8. fulvicauda zu S. webbiana und S. suffusa irrigerweise zu 
S. bulomachus zog. Slater geht noch weiter und sucht auszu- 
führen, dass bloss S. webbiana Anrecht auf Artselbstständigkeit 
besitzt, während die übrigen vier Formen nur Synonymie der- 


184 C. E. Heilmayr: 


selben wären. In neuester Zeit behandelte La Touche unsere 
Art ziemlich eingehend und gelangte zu dem Schlusse, dass $. 
webbiana in vier gut unterscheidbare Rassen zerfällt, nämlich 
S. longicauda, 8. webbiana, 8. suffusa und S. bulomachus, übersieht 
aber $. webbiana mantschurica Tacz. gänzlich und lässt auch 8. 
fulvicauda aus dem Kreise seiner Betrachtungen. Bezüglich der 
S. fulvicauda kann ich mir kein Urteil erlauben, möchte aber 
doch bemerken, dass diese ‚Art‘ sich vielleicht als ein Jugend- 
kleid von 9. webbiana mantschurica entpuppen wird; denn ein 
offenbar jüngeres Exemplar der letzteren zeichnet sich gleichfalls 
durch rötlichen und dabei kürzeren Schwanz aus, welche Eigen- 
tümlichkeit die Form Campbells charakterisieren soll. Diese 
Vermutüng hat auch Seebohm, der den Typus vor sich hatte, 
ausgesprochen. Dagegen spricht aber die Angabe Campbells: 
„Rücken viel lebhafter und mehr rötlich‘ während alle mantschu- 
rica oberseits hellbraun gefärbt sind. Möglicherweise stellt 
fulvicauda also eine besondere Unterart dar. 

Für mich unterliegt es keinem Zweifel, dass lonyicauda 
mit S. webbiana manischurica zusammenfällt, welch letzterem 
Namen als dem älteren die Priorität gebührt. Wenigstens kann 
ich aus den Diagnosen beider Formen keinen ‚Unterschied heraus- 
lesen. Am sympathischesten sind mir die Ausführungen La Touche’s, 
welchen ich mich auf Grund meiner Untersuchungen anschliessen 
möchte. Wenn auch nicht immer so ausgeprägt, wie der genannte 
Autor angiebt, so sind die diagnostischen Merkmale doch vor- 
handen; an der Grenze des Verbreitungsgebietes der einzelnen 
Unterarten sind die Charaktere allerdings verwischt und die 
Rassen gehen in einander über. Als Arten sind sie alle nicht 
haltbar, bilden aber vier sehr gut kenntliche „Subspecies,“ wie 
man jetzt die geographischen Formen nennt, nämlich 8. webbiana 
mantschurica, 8. webbiana webbiana, 8. webbiana suffusa und 8. 
webbiana bulomachus. 

Noch wenige Worte über Scaeorhynchus, welche E. Hartert 
demnächst eingehend behandeln will. Wie mir der genannte Herr 
in litt. mitteilte, unterscheiden sich die ruficeps aus Cachar von 
denen aus den westlichen Teilen des Himalaya durch grössere und 
stärkere Schnäbel und viel lebhafteren, rostgelben Anflug der 
‚Unterseite; ich fand diese Unterschiede bestätigt und machte 
ausserdem die Beobachtung, dass auch die Sc. gularis aus Cachar 
von den typischen Vögeln des Himalaya und Chinas abweichen, 


Kritische Bemerkungen. 185 


und zwar unterscheiden sie sich durch bedeutend geringere Grösse, 
ferner sind Brust und Seiten lebhaft rostgelb verwaschen und die 
sraue Kopfplatte setzt sich scharf gegen den Rücken ab. Die 
Himalaya- und chinesischen Stücke sind dementgegen unterseits 
reinweiss, auch wesentlich grösser. Trotz einiger Übergänge ist 
nach Harterts Mitteilung eine subspecifische Trennung in beiden 
Fällen zu rechtfertigen. DBetrefis näherer Angaben verweise ich 
auf Harterts mittlerweile erschienene Arbeit (Nov. Zool. 1900, III). 


Il. Sittidae. 

Da Herr Hartert eine gründliche Durcharbeitung dieser 
Gruppe vorbereitet, beschränke ich mich auf einige kurze Notizen. 

1. Sitta neumayert. 

Ich habe von dieser Art über 70 Exemplare aus dem Berliner, 
Wiener- und Tringmuseum sowie einige meiner Privatcollection 
untersucht und möchte bloss mitteilen, dass sie danach in drei 
gut charakterisierte, geographische Formen zerfällt, deren Ver- 
breitung ich aber nicht mit völliger Sicherheit feststellen konnte. 
Die erste S$. neumayeri neumayeri charakterisiert sich wie die 
folgende durch reinweisse Kehle, weicht aber durch etwas geringere 
Grösse und durch das Vorhandensein eines deutlichen, rostfarbigen 
Fleckes auf der Spitze der äusseren Schwanzfedern ab. 8. neu- 
mayeri Syriaca ist etwas grösser, oberseits fahler grau und die 
Rostfarbe an den Schwanzfedern auf einen Saum längs der Spitze 
der Innenfahne beschränkt. Die dritte, östlichste Form, 8. neumayeri 
tephronota Shpe., weist dieselben Masse wie die vorhergehende 
Unterart auf (nicht wie neumayeri, wie Oates in B. Brit. India v. 1. 
p. 305 hervorhebt), ist aber sofort von beiden daran zu unter- 
scheiden, dass die ganze Unterseite vom Kinn an rahmfarbig 
überwaschen erscheint, bloss Bauch und Unterschwanzdecken 
rostfarbig wie bei den anderen Vertretern, aber wesentlich blasser. 
Am unsichersten scheint mir $. syriaca zu sein, denn erstens 
variiert die Färbung des Rückens ganz ungemein und dann ist 
auch die Grösse nicht constant, da sich unter den Dalmatinern 
Stücke fanden, die den Dimensionen typischer syriaca nicht nach- 
standen; ferner scheint das Verbreitungsgebiet ziemlich beschränkt 
zu sein, weil alle syriaca, die ich sah, aus Syrien und Palästina 
stammten, während andrerseits neumayeri ausser Spanien die 
Balkanhalbinsel von Dalmatien und Kroatien an bis Griechenland 
bewohnt, durch ganz Kleinasien und wahrscheinlich Nordpersien 

Journ. %, Orn. XLIX, Jahrg. Januar 1901. 13 


186 C. E. Hellmayr: 


bis in den Kaukasus vorkommt, woher sie Radde erst neuerdings 
(Mus. Caucas. 1899) wieder anführt. Dort scheint sie übrigens 
mit S. tephronota zusammen vorzukommen, wie ich dem Werke 
Raddes entnehme. $. rupicola Blanf., deren Typus ich vor mir 
hatte, ist nichts anderes als eine kleinwüchsige, jüngere Zephronota. 
S. tephronota findet sich durch ganz Persien bis in den Kaukasus 
und geht ostwärts durch Transkaspien und das südliche Turkestan 
bis zum Tian-schan, ausserdem bewohnt sie noch Belutschistan 
und Afghanistan. 
Schlüssel der drei Formen: 
Be Unterseite rahmgelb . . 8. neumayeri tephronota Shpe. 
Kehle und Vorderbrust weiss, Unterkörper fahlrostfarbig. — 2. 
[Oberseite fahler, mehr grau, Zügelstreifen breit und bis auf 
den Nacken fortgesetzt; äussere Schwanzfedern ohne Rostfarbe 
oder bloss mit einem schmalen Rande . . . SS. neumayeri 
2 syriaca (Ehrbg.) Temm. 
mehr bläulich, Zügelstreifen schmäler und kürzer; 
äussere Schwanzfedern mit deutlichem, rostfarbigem Fleck auf 
(der Spitze. . . . . . 8. neumayeri neumayeri (Michah.). 


2. Sitta caesia. 

Ich kann nur Harterts Ansicht beistimmen, wonach sich 
die englischen Kleiber ständig durch hellere Unterseite unter- 
scheiden, wodurch m. E. deren subspecifische Abtrennung voll- 
ständig gerechtfertigt ist. Allerdings kommen auch auf dem 
Continente derartige helle Individuen vor, in England aber nie- 
mals so lebhaft gefärbte als die continentalen im Durchschnitte 
sind. Genaueres über diese interessante Art findet der geneigte 
Leser in Harterts Artikel, wie auch über 8. europaea homeyer;, 
die wohl kaum bloss ein Bastardierungsprodukt der nördlichen 
und mitteleuropäischen Art ist. 


3. Sitella. 

Dieser von Swainson 1837 (Classif. B. v. 2. p. 317) für die 
australischen Kleiber eingeführte Name fand schon vorher bei Rafı- 
nesque, (Analyse de lanature outableau des corps organises, Palermo 
1815, p. 68) eine andere Verwendung, nämlich für die Gattung 
Sitta L. Rafinesque’s Name ist kein nomen nudum; denn obwohl 
eine Diagnose nicht gegeben, lässt die Bemerkung, dass seine 
Bezeichnung sich mit dem Begriff: Sitta L. deckt, keinen Zweifel 
darüber bestehen, was er damit meint. Da auch Neops Vieill. 


Kritische Bemerkungen. 187 


(Nouv. Diet. v. 31, p. 327) schon vorher (Vieillot, Analyse 1816, 
p. 45) eine andere Bedeutung erhielt, müssen die austra- 
lischen Spechtmeisen neu benannt werden und schlage ich dafür 
Neositta vor. 


III. Certhiidae. 


1. Die Gattung Certhia ist von Hartert bereits sehr gründ- 
lich durchgearbeitet worden, und kann ich mich auf folgende, 
kurze Notizen beschränken. Certhia brachydactyla unterscheidet 
sich, abgesehen von Färbung, Schnabel, Hinterkralle etc. besonders 
durch Lebensweise, Lockruf, Aufenthalt etc. so fundamental 
von C. familiaris, dass man hier besser von zwei besonderen 
Arten sprechen wird. Zu meiner Freude teilte mir auch Herr 
Hartert seine Beobachtungen hierüber brietlich mit (unterdessen 
publiciert, Novit. Zool. 1900, H. III.), welche sich mit den meinigen 
völlig decken. Ich möchte bloss bemerken, dass die Angabe 
Deichlers über den Unterschied der Eier beider Arten für Öster- 
reich keine Giltigkeit hat (vgl. meinen Artikel in: Orn. Jahrb. 
Jahrg. 1899, X. p. 97). Die Exemplare, bei denen der eine oder 
andere Charakter als Schnabellänge etc. wenig deutlich zum Aus- 
druck kommt, mögen als Bastarde gedeutet werden. Auch bei 
Cerihia konnte ich die interessante Erscheinung constatieren, dass 
nach Osten hin die Schwanzlänge constant zunimmt, dass hin- 
gegen die Japaner in dieser Hinsicht und auch bezüglich der 
Färbung den Europäern und zwar wieder den englischen 
Vertretern ähnlicher sind; CO. familiaris japonica ist wirklich 
die ©. fam. brittanica in verkleinerter und etwas dunklerer 
Ausgabe. Ein analoges Beispiel bieten Aegith. caudatus roseus 
und Aeg. caud. trivirgatus, die nach der Färbung kaum zu 
unterscheiden sind, nur ist letztere merklich kleiner. 

Mir haben nahezu 200 Certhien vorgelegen, von denen 
besonders die Europäer einer möglichst genauen Untersuchung 
unterzogen wurden. Die südeuropäischen Baumläufer weisen den 
skandinavischen Vögeln gegenüber ein dunkleres Oolorit der 
Oberseite auf; man findet aber bei beiden so viele Ausnahmen 
von dieser Regel (es sind dies nicht etwa im Winter erlegte Vögel, 
die allenfalls von Norden zugewandert sein könnten; obwohl 
sich der Strich der Baumläufer kaum sehr weit ausdehnen 
dürfte, wäre es ja immerhin möglich), dass ich vorläufig von 
einer Trennung in C. fam. familiaris und ©. fam. costae absehen 

13* 


188 C. E. Hellmayr: 


möchte. Vielleicht sind eher die deutschen und nordeuropäischen 
Vögel zu vereinigen und den Schweizer- und italienischen Baum- 
läufern gegenüberzustellen (Spanien war leider in meiner Reihe 
nicht vertreten), doch war das untersuchte Material zu dieser 
Entscheidung nicht genügend. C. brachydactyla scheint in Süd- 
europa zu fehlen, kommt aber in Österreich und Bosnien vor; 
Erlanger will sie auch in Tunis gefunden haben (?); genaue An- 
gaben über die Verbreitung dieser Art sind sehr wünschenswert. 
Die neuerdings von Kleinschmidt gesonderte Certhia fam. rhenana 
kann ich unmöglich als besondere Form anerkennen, ebensowenig 
als seinen P. montanus rhenanus (darüber a. o. mehr). Es ist 
vielleicht nicht ohne Interesse, hier auf eine Erscheinung hinzu- 
weisen, die sich beim Vergleich der englischen und westeuro- 
päischen Fauna zeigt; während es auf dem Inselreiche in einzelnen 
Fällen bereits zur Ausbildung einer besonderen Form gekommen 
ist, (Certhia fam. brittanica, P. mont. kleinschmidti, P. ater brit- 
Zannicus), lässt sich in anderen eine solche Trennung kaum durch- 
führen, d. h. die Bewohner von Westeuropa und England sind 
einander noch ähnlicher (P. eristatus mitratus, Aegilhalus caudatus 
roseus, P. communis dresseri). Natürlich ganz identisch sind sie 
nicht und von diesem Gesichtspunkte aus haben die Formen 
P. mont. rhenanus, ©. fam. rhenana, P. com. longirostris eine 
gewisse Berechtigung, wenn wir sie auch heute noch nicht als 
äquivalent betrachten können, da die Grenzen für den Begriff 
von Art und Unterart vielfach doch mehr nach dem Quantum 
als nach dem Quale gezogen werden. Mir dünkt dies deshalb 
von Interesse, weil es zu beweisen scheint, dass nicht alle Arten 
den äusseren Einflüssen im Sinne der Selectionstheorie in gleicher 
Weise unterworfen sind. — 


Vier Baumläufer aus Kleinasien, verglichen mit einer grossen 
Reihe Europäer, unterscheiden sich so auffallend von denselben, 
dass sie einen besonderen Namen verdienen. Die Färbung des 
Rückens ist so abweichend dunkelrotbraun, der Bürzel bedeutend 
dunkler, fast kastanienbraun, der Unterkörper viel trüber, schmutzig- 
rahmfarben, an den Seiten stark mit Rostfarbe vermischt. Am 
meisten fällt die Färbung des Bürzels in die Augen, die von 
C. fam. familiaris so verschieden ist, wie etwa zwischen C. fam. 
montana und ©. fam. albescens. Ich nenne diese neue Form zu 
Ehren meines Gönners und Freundes in ornithologieis 


Kritische Bemerkungen. 189 


Cerlhia familiaris harterti subsp. n. 


Diagnose: Oberseite dunkelrotbraun, die weissen Schaft- 
flecken reinweiss, aber in der Ausdehnung ziemlich beschränkt, 
meist auf der Innen-, oft aber auf beiden Seiten von einem 
dunkelbraunem Streifen eingefasst, wodurch denn auch der dunkle 
Ton zustande kommt. DBürzel viel dunkler, fast kastanienrotbraun 
(wie bei ©. fam. mexicana). Streifen über dem Auge blassrahm- 
gelb. Kehle reinweiss, übrige Unterseite trüb rahmfarbig, die 
Seiten stark graulichrostfarben vermischt. Schwanzfedern mehr 
rostfarben (bei O. familiaris familiaris mehr gelbbraun). 

Typus: ad. 28. 12. J. 8 (Elwes leg.) Kleinasien (Tring Museum). 

Masse: a. sm. 62, c. 59, t. 14, r. 18 mm. 

Diese interessante Form entspricht in der dunklen Färbungs- 
tendenz der C©. fam. mexicana, der sie auch am nächsten steht; 
man kann sie jedoch unschwer von derselben an der helleren 
Unterseite und dem weniger intensiv gefärbten Bürzel unterscheiden. 


2. Salpornis. 

Shelley und Sharpe zogen Hartlaubs $. emini als blosses 
Synonym zu #8. salvadorii Boc., ohne die Gründe für dieses 
Vorgehen anzugeben. Ich konnte Hartlaubs Typus mit drei Bälgen 
der andern Art vergleichen und muss mich den Ausführungen 
dieses ausgezeichneten Ornithologen anschliessen. Wenn die 
englischen Stücke, was nach der geographischen Lage der Fund- 
orte (Tobbö, Mt. Elgon) als ziemlich sicher angesehen werden 
kann, mit Hartlaubs Vogel identisch sind, so begreife ich die 
Aussprüche der beiden vorgenannten Forscher nicht; denn die 
Unterschiede sind sehr auffallend und deutlich prononciert, wie 
es Hartlaub vorzüglich auseinandersetzt. Solange nicht nachge- 
wiesen ist, dass die Differenzen des 8. emini auf Rechnung des 
geringen Alters (denn der Typus ist ein noch nicht ganz erwach- 
senes Exemplar) zu setzen sind, hätte ein vorzeitiges Zusammen- 
ziehen keinen Zweck; im Gegenteil würde die Entwirrung der 
Synonymie später vielleicht grosse Schwierigkeiten verursachen. 


3. Olimacteris. 

Gadow macht bei ©. scandens die Bemerkung dass sich die 
Exemplare der Moreton-Bai durch ein schmutziges Band über 
der Brust auszeichnen; ich fand bei Untersuchung meiner 20 
Vögel dieses Kennzeichen auch bei solchen aus andern Gegen- 
den, so dass ihm taxonomischer Wert nicht zuzusprechen ist. 


190 C. E. Hellmayr: Kritische Bemerkungen. 


Interessant war es hingegen, im Berliner Museum ein als 
„scandens?“ etiquettiertes $ ad. aus Adelaide zu finden, das sich 
als typische superciliosa erwies, welche von North am Illare Creek 
(Centralaustralien) entdeckt wurde. Eine genauere Beschreibung 
dieses Vogels gebe ich im „Tierreich“. 

Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht jenen Herren, 
die mich bei meiner Arbeit durch Überlassung von Material 
unterstützten, besonders W. v. Rothschild, E. Hartert, Dr. v. 
Lorenz, V. v. Tschusi zu Schmidhoffen, Prof. Kraepelin, Amtsrat 
Nehrkorn, R. de Neufville und besonders Prof. Dr. Reichenow, 
dessen geschätzter Rat und Beistand mir bei schwierigen Fragen 
unentbehrlich gewesen wäre, meinen innigsten Dank auszusprechen. 
So empfehle ich denn meine grössere Erstlingsarbeit der 
Öffentlichkeit mit der Bitte, nicht allzu streng mit mir ins Ge- 
richt zu gehen und in der Hoffnung, dass mein mit so viel Liebe 
begonnenes und bis zum Schlusse fortgesetztes Werk nicht ganz 
unnütz geschrieben sei und der Wissenschaft einigen, wenn auch 
geringen Nutzen bringe. 


Berlin, 1. October 1900. 


Über Weite und Spielraum des Temperaments 
bei einigen Arten der Sperlingsvögel. 
Von Fritz Braun-Danzig. 


Wie die Mitglieder einer und derselben Art körperlich 
nicht völlig übereinstimmen, so zeigen sie auch in ihrem geistigen 
Leben vielfache Abweichungen. Ebenso wie wir unter den 
Menschen phlegmatische und cholerische Naturen finden, wie hier 
dem Sanguiniker der Melancholiker zugesellt ward, so steht es 
auch bei den Vogelarten. Sehr bemerkenswert ist es, dass unter 
den Gefiederten bei eng verwandten Arten die Weite, der Spiel- 
raum des Temperaments durchaus nicht gleich ist. Zeigen sich 
bei den Mitgliedern der einen Art überraschend grosse Ver- 
schiedenheiten, so sehen die Individuen einer Schwesterspecies 
sich in ihrem ganzen geistigen Leben oft scheinbar so ähnlich, 
als habe die Natur ihre physische Hälfte mit demselben Stempel 
ausgeprägt. Zu diesen interessanten Beobachtungen des Seelen- 
lebens der Vögel hat derjenige die meiste Gelegenheit, der auch 


Über Weite und Spielraum des Temperaments der Sperlingsvögel. 191 


seine Wohnung mit den gefiederten Freunden füllt und auch 
dort auf ihr Leben, ihr Weben achtet. 

Es wird uns kaum jemand verdenken, dass wir die Auf- 
merksamkeit der Fachgenossen auf diesen Gegenstand zu richten 
suchen, sind doch alle Beobachtungen der Tierseele den Freunden 
des animalischen Lebens willkommen. Aber wir wollen uns 
nicht daran genügen lassen, diese Beobachtungen nüchtern neben- 
einander zu stellen; auch hier soll man sich bemühen, den Gründen 
der Erscheinungen nachzugehen und dabei versuchen, die auf- 
tauchenden Fragen allgemeiner Natur — wenn auch nur vorläufig 
— zu beantworten. 

Wir werden dabei sehen, dass auch die Frage, weshalb der 
Spielraum des geistigen Temperaments, der geistigen Regungen 
bei der einen Art eng, bei jener so viel weiter wurde, sich einer 
Antwort durchaus nicht von vornherein entzieht, wenn wir auch 
hinter diese Antwort noch ein grosses, recht grosses Fragezeichen 
setzen müssen. 

Aber steht es denn um viele ähnliche Dinge anders? Wenn 
ein Russ seine verschiedenen Abarten von Fringilla carduelis 
nach dem Rate fremder Gewährsmänner konstruierte, wenn auf- 
merksame Liebhaber die Verfärbung der Stubenvögel behandelten 
und kühnen Mutes den Sprung von der Beobachtung zur Auf- 
stellung schneidig klingender Hypothesen wagten, so blieben 
diese, ihre Thesen mindestens ebenso zweifelhaft als die beschei- 
denen Gedanken, zu denen uns unsere heutige Betrachtung 
führen wird. 

Wenn wir gefangene Vögel auf die Weite ihres Temperaments 
hin untersuchen und beobachten, so werden wir uns stets fragen 
müssen, welche gemütlichen Regungen in ihrem Naturell von vorn- 
herein begründet waren und welche erst die Gefangenschaft mit 
ihren veränderlichen Lebensbedingungen hervorrief. Unserer 
Meinung darf man die letzteren weit weniger betonen als jene; 
am besten würde man sie gänzlich vernachlässigen, denn sie sind 
mehr oder minder unnormal und pathologisch, bewegen sich nicht 
in den natürlichen Bahnen der Entwicklung, welche die betreffende 
Art verfolgt. 

Auffallend klein ist der Spielraum des artlichen Temperaments 
bei den meisten nordischen Vögeln. Gelingt es dem Liebhaber, 
der einen Flug Zeisige (Fr. spinus) oder Stieglitze (Fr. carduelis) 
sein eigen nennt, ebenso wie wohl einem guten Schäfer fast 


192 Fritz Braun: 


immer, die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft nach Sitten und 
Bewegungen, Temperament und Lebensart genau zu unterscheiden, 
so wird das sehr schwer, ja zumeist unmöglich, wenn er einen 
Flugkäfig etwa mit Bergfinken (Fr. montifringilla) besiedelt. 
Wohl ist der eine Bergfink friedfertiger wie jener, aber sonst 
bewegt und benimmt sich der eine wie der andere; kaum jemals 
wird man finden, dass einer der Vögel durch besondere Lebhaf- 
tigkeit oder übergrosses Phlegma sich vor seinen Artgenossen 
besonders auszeichnet. Deshalb ist es denn auch fast immer 
unmöglich, diese Quäker genau zu unterscheiden, sofern nicht 
grade Monstrositäten oder das nach dem Alter der Vögel hellere 
oder dunklere Federkleid dem Pfleger einen bestimmten Anhalt 
bieten. Nicht viel anders steht es mit den Schneeammern 
(Emb. nivalis), nicht viel anders auch mit den Berghänflingen 
(Fr. flavirostris), Alpenlerchen (Al. alpestris) und Seidenschwänzen 
(Bomb. garrula). 

Aller Wahrscheinlichkeit sind in der Lebensweise dieser 
Geschöpfe die Gründe dieser auffälligen Erscheinung zu suchen. 
In ihrem ganzen Dasein sind sie auf elementare, massenhafte 
Phänomene eingestellt, die sich heute und morgen gleich bleiben 
und durch ihre fortdauernde Einwirkung Körper und Geist der 
Tiere einfach wirkenden Maschinen ähnlich machten. Im Sommer 
füllen die Mosquitos die hungrigen Magen, im Herbst und Winter 
wenige Baumsämereien und der unerschöpfliche Beerenreichtum 
des Nordens. So geht es jahraus, jahrein; im engen Kreise dreht 
sich ihr Leben; da verlor denn auch der Geist seine federnde 
Kraft, wurde der Spielraum ihres Temperaments eng und enger. 

So muss es denn dem Beobachter scheinen, als ob das 
geistige Leben dieser Hyperboräer zu Gunsten des rein anima- 
lischen, fast möchte ich sagen, vegetativen, entschieden zurück- 
ging. Wer unter einer Gesellschaft von Seidenschwänzen noch 
scharf geprägte, individuelle Eigenschaften zu entdecken vermag, 
der verdient sicher, als der Prophet einer neuen Aera der Tier- 
psychologie mit Jubel begrüsst zu werden. 

Noch so ziemlich den weitesten geistigen Spielraum unter 
den echtnordischen Sperlingsvögeln hat der Leinfink (Fr. linaria). 
Geschöpfe, die in besonders günstigen Jahren gross wurden, sind 
weit grösser, aber auch matter als die übrigen ihrer Sippe und 
fast phlegmatisch zu nennen, während die grosse Mehrzahl der 
Artgenossen nervös und hurtig erscheint, fast wie frischgefangene 


Über Weite und Spielraum des Temperaments der Sperlingsvögel. 193 


Erlenzeisige (Fr. spinus). Für die Weite des Temperaments 
grade der Birkenzeisige spricht auch der Umstand, dass unter 
diesen fast sprichwörtlich zärtlichen und anschmiegenden Geschöpfen 
sich bisweilen höchst ärgerliche Zänker finden. Ein Weibchen, 
das ich besass, zeigte schon im grossen Flugbauer diese unlieb- 
same Eigenschaft, und als ich es mit einigen anderen kleinen 
Vögeln an Herrn Oberlehrer Ibarth weitergab, quälte es in dessen 
kleinerem Käfig die Genossen bis zur Erschöpfung und Verzweiflung 
sodass man die rotköpfige Ungarin schliesslich entrüstet an die 
Luft setzen musste. 


In jedem Falle möchte ich raten, die Weite des Tempera- 
ments der Leinfinken nur durch Beobachtungen an solchen 
Individuen festzustellen, die noch nicht lange in der Gefangen- 
schaft sind, jedenfalls noch keine Mauser in ihr durchmachten. 
Wie die Verfärbung von Fr. linaria schon zur Genüge zeigt, 
werden auch diese harten Stubenvögel durch die Gefangenschaft 
doch recht wesentlich beeinflusst, und diese Umformung, diese 
Ummodelung geht wohl tiefer als wir annehmen möchten. 


Dagegen bieten die Leinfinken wie viele andere Hyperboräer 
dem Beobachter den Vorzug, dass sie schon ziemlich zahm in 
seine Käfige einziehen. Sie kennen den Menschen noch nicht 
instinktiv als den grossen Naturverwüster, der mit glattem Sinn 
und eitelster Zwecksetzung die anderen Geschöpfe als schädlich 
und unnütz bezeichnet, sie zurückdrängt und vertilgt. Sie 
fürchten deshalb auch den Herrn der Schöpfung noch nicht derart, 
dass durch seine Anwesenheit in ihrem Thun und Treiben jener 
scharfe Wandel eintritt, der sich bei manchen Arten erst nach 
der Zähmung legt. 

Immerhin müssen wir uns hüten, den geistigen Spielraum 
von Fr. linaria zu überschätzen. Im Gegensatz zu anderen 
Nordländern musste diese Art energisch hervorgehoben werden, 
unter den einheimischen Finkenarten würde sie aber trotzdem 
nur einen mittleren Platz in der Rangordnung erhalten. 


Gilt es, diese einheimischen Finken von unserem Gesichts- 
punkte aus zu betrachten, so würde ich nach der Weite des 
Temperaments, (von unten beginnend) sie etwa in folgender 
Weise ordnen: 1) Buchfink (Fr. coelebs) 2) Hänfling (Fr. cunna- 
bina) 3) Girlitz (Fr. serinus) 4) Grünfink (Fr. chloris) 5) Zeisig 
(Fr. spinus) 6) Stieglitz (Fr. carduelis). 


194 Fritz Braun: 


Der Buchfink zeigt unstreitig noch manche Ähnlichkeit mit 
dem Bergfinken, wenn auch dessen Streitlust — wenigstens in 
der Gefangenschaft — zu fehlen pflest. Als ich früher Buch- 
finken in grösserer Zahl in meiner Voliere hielt, dauerte es zu- 
meist nicht lange, bis sie mir nur noch Vertreter der species 
waren, bis es mir also unmöglich wurde, das Individuum a vom 
Individuum b und e zu sondern. Trotzdem ich im Laufe der 
Zeit sehr viele Buchfinken pflegte, heben sich heute nur wenige 
— manche allerdings recht entschieden — aus der Masse her- 
vor. Vor allen lernte ich einen fetten Buchfinken, der trotzdem 
ein fleissiger Sänger war, als charakteristisches Individuum 
kennen; dieser Vogel gehörte zu meinen ersten ornithologischen 
Bekanntschaften. Doch ich fürchte, auch er war eine Anomalie, 
wie sie erst die Gefangenschaft herausbildet. Unter den Frisch- 
fängen, die meinen Flugkäfig bevölkerten und unter gleichen 
Bedingungen in die Gefangenschaft hinüberlebten, gab es solche 
auffälligen Ausnahmen kaum. Deshalb hüte man sich auch, den 
Wissensdurstigen zu dem finkenliebenden Thüringer oder Wiener 
zu senden, was er dort findet, ist schon ein Kunstprodukt, nicht 
mehr der normale Vogel. 

Vielleicht hat die psychische Ähnlichkeit der Buchfinken 
darin ihren Grund, dass dieses Geschöpf bis vor nicht allzu 
langer Zeit reiner Waldvogel war, der sich erst dann an die 
offene Landschaft gewöhnte, als sie im Gefolge der menschlichen 
Kultur sich in seiner Siedelungszone breit machte. Wir bedenken 
vielfach zu wenig, dass die offene Landschaft mit ihren Gärten 
und Feldern, Wiesen und Wäldern in unserer paläarktischen 
Heimat vielfach erst durch den Menschen entstehen konnte. 
Deshalb stehen auch wohl viele der Gefiederten, die aus dem 
Walde und der Steppe in diese Landschaft übersiedelten, erst 
im Beginn einer neuen Entwickelung. War aber der Buchfink 
bis vor kurzer Zeit noch reiner Waldvogel, so werden wir uns 
seinen damaligen Lebenswandel fast ebenso wechsellos, fast 
ebenso elementar zu denken haben, als den des Bergfinken und 
der hochnordischen Schneeammer. 

Unter meinen Hänflingen (Fr. cannabina) hoben sich schon 
deutlichere Unterschiede des Temperaments ab, die man aller- 
dings bei der im allgemeinen ungemein passiven Art dieser 
Tierchen auch erst mühsam entdecken muss. Mancher Hänfling 
war vom ersten Tage seiner Gefangenschaft ab entschieden 


Über Weite und Spielraum des Temperaments der Sperlingsvögel. 195 


Phlegmatiker, während seine gleichartigen Genossen fröhliche 
Munterkeit weit besser kleidete.e Auch die Zähmbarkeit der 
Hänflinge ist sehr verschieden, was doch immerhin eine Ver- 
schiedenheit der psychischen Beanlagung voraussetzt. Ein gutes 
Mittel, sich bei solchen Studien vor Selbsttäuschung zu behüten, 
besteht darin, dass man in seiner Abwesenheit die Vögel von 
einem anderen in andere Käfige setzen lässt. Da sieht man 
denn oftmals ein, dass man die scheinbar so bekannten Geschöpfe 
doch nicht zu unterscheiden vermag, und muss abwechselnd seine 
Unwissenheit eingestehen. Selbstverständlich wird nur der wirklich 
geübte Tierpfleger und Beobachter einen solchen Versuch wagen 
können, denn bei dem Neuling in diesen Dingen würde der 
ständige Misserfolg ja selbstverständlich sein müssen. 

Schon einen grösseren Spielraum des Temperaments möchte ich 
dem Grünfinken (Fr. chloris) einräumen. So manchen Liebhaber wird 
diese Ansicht sicherlich befremden, da ich aber nur auf Grund von 
eigenen Erfahrungen berichte, so bitte ich andere, die über genügen- 
‘des Material verfügen, durch Mitteilung ihrer Erfahrungen den 
Gegenstand zu klären, nicht aber mit Schlagworten in einer Sache 
zu streiten, die vor anderen induktiver Behandlung zugängig ist. 

Vom ersten Tage ihrer Gefangenschaft zeigen sich manche 
Grünfinken ungemein phlegmatisch, sitzen stets auf einem Fleck 
und lassen auch ihren Gesang niemals hören, trotzdem man die 
Überzeugung hat, dass die Tiere vollständig gesund sind. Als 
ich etwa neun Jahre alt war, bekam mein Bruder bei einem 
Vogelkauf einen Grünfink zugeschenkt, den ersten, den ich in 
der Gefangenschaft beobachten konnte. Das Tier war völlig 
gesund, spielte aber trotzdem beinahe Standbild und rührte sich 
nur, um seine dringendsten Nahrungsbedürfnisse zu befriedigen. 
Zwei, drei, die ihm folgten, sahen dem stillen Gast merkwürdig 
ähnlich, sodass ich wie jener Engländer, der die These prägte, 
dass alle Deutschen rote Haare haben und grobe Kerle sind, zu 
der Überzeugung gelangte, dass Fringilla chloris in der Gefangen- 
schaft nicht den Mund aufmacht und, wenn möglich, auf seinem 
Sitz versteinert. Um so überraschter war ich also, als wirklich 
kecke, muntere Schwunsche in meinen Flugbauer einzogen, und 
ich traute kaum meinen Ohren, als die wohlbekannte, rollende 
Strophe durch’s Zimmer tönte. Da aber die Kehle des Vogels 
sich deutlich hob und senkte, senkte und hob, musste es doch 
Wahrheit sein, und es war Wahrheit. 


196 Fritz Braun: 


Wenn es manchem überflüssig erscheinen sollte, dass ich 
hier kindische Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen auf- 
tische, so möge er bedenken, dass ich sie nur deshalb ausspinne, 
um meine obige These zu begründen und dem Grünfinken seinen 
Platz in meiner Fringillenrangordnung zu retten. 

Dem Girlitz (Fr. serinus) würde ich seinen Platz direkt 
neben dem Grünfinken anweisen, vielleicht steht er noch unter 
ihm. Zwar konnte ich eine ganze Anzahl beobachten, doch fürchte 
ich, bei vielen waren die Unterschiede nicht so sehr im Tempe- 
rament als in der Gesundheit begründet, so dass ich also in 
meinen Folgerungen vorsichtig sein muss. Dass der Girlitz im 
allgemeinen weit quicker und lebhafter ist als der Grünfink, 
thut ja nichts zur Sache, da uns nicht das durchgängige Naturell 
der Art, sondern nur die individuellen Abweichungen in ihrem 
Bereich interessieren. 

Ebenso wie den Grünfinken und Girlitz, möchte ich Stieglitz 
(Fr. carduelis) und Zeisig (Fr. spinus) bezüglich des Spielraums 
des Temperaments etwa neben einander stellen. Wie ich Bart- 
zeisige neben den hellkehligen Vettern erhielt, bekam ich auch 


beständig neben auffällig kleinen und schlanken Geschöpfen mit 
recht dunklem Gefieder und braunschwarzen Füssen viel grössere 


Vögel mit hellerem Gefieder und helleren Füssen in die Hände. 
Die letzteren trugen sich zumeist dick und plustrig und er- 
schienen dem zu Folge viel kürzer als die sehnigeren, dunkleren 
Artgenossen. Sicherlich waren diese wie jene alte, völlig ausge- 
färbte, gesunde, männliche Vögel. Vielleicht waren die kleinen, 
flinken, dunkelfüssigen Zeisige im Nadelwald rauher Berge aufge- 
wachsen, während die Heimat jener anderen ein milderes Klima 
und weichere Baumvegetation aufwies. Die ständige Kreuzung 
und Vermischung solcher Geschöpfe wird vielleicht (denn möglicher- 
weise findet sie nur in Ausnahmen statt, haben wir hier- diver- 
gierende Wege vor uns) den grossen Spielraum mitbedingen, den 
wir im Temperament der Zeisige finden. Manche sind zeitlebens 
quicke, ungemein hurtige Vögelchen, während andere, ohne irgend- 
wie krank zu sein, ein wahres Wiederkäuerdasein führen. Wie 
mancher Mensch mit einem Tropfen an der Nase dahinträumt, 
sitzen diese Zeisige mit einem hellen Tropfen Magensaft im 
Schnabel ganze Stunden lang an einem Orte still. Ich selbst 
habe gar manchen dieser schläfrigen Gesellen besessen, in die nur 
Lenz und Liebe ein wenig Beweglichkeit zu bringen vermochten. 


F 


a 


5 


Über Weite und Spielraum des Temperaments der Sperlingsvögel. 197 


Neben friedlichen, fast zärtlichen Tieren fand ich garstige Mörder, 
die aus Futterneid ihre Mitbewohner überfielen und zu töten 
versuchten. Noch neulich rettete ich einen Zeisig erst im letzten 
Augenblick aus den Krallen eines artgleichen Männchens. Der 
Unglückliche hatte seinen Genossen vom Futternapf vertreiben 
wollen. Rasch packte ihn aber der erzürnte Kumpan beim Kragen, 
drückteihn mit den Füssen zu Boden und hackte minutenlang aus Lei- 
beskräften aufihn los,einStudent würde sagen: „Wie aufkaltesEisen.“ 

Ebenso verschiedene Geschöpfe wie unter den Zeisigen 
finden wir bei den Stieglitzen (Fr. carduelis), aber auch hier 
möchte ich warnen, vorschnell Arten zu konstruieren, wo die Be- 
zeichnung als Lokalrasse völlig genügt. 

Vor allem hebt sich bei uns im deutschen Osten eine lange, 
dünne Rasse von unbesieglicher Wildheit und mürrischem Tem- 
perament von den übrigen ab, die von unseren Händlern wohl 
als russischer Stiegiitz bezeichnet wird. Ein Oheim von mir 
besitzt einen solchen Vogel wohl schon seit zwölf Jahren; er sitzt 
im kleinen Käfig fleissig am Futtertrog, aber ist trotzdem spin- 
deldürr wie weiland Don Quijote, dem er auch in seiner streit- 
baren Natur, seiner Lust am Bramabasieren durchaus gleicht. 
Den freundschaftlichen Verkehr mit den Menschenkindern lehnt 
er noch heute ebenso wie ehedem völlig ab. 

Erhält man einen frisch gefangenen Bergfink, einen eben 
erbeuteten Buchfink, so weiss man nur, dass man ein Mitglied 
einer bestimmten Art vor sich hat, bei einem Zeisig oder Stieg- 
litz kann man sich und anderen oft schon über Naturell und 
Charakter, Goethe würde sagen über den Typus des betreffenden 
Tieres kurzen Aufschluss geben. 

Jene grossen, dürren, zänkischen Stieglitze, die Russen der 
Händler, gleichen in Art und Wesen etwa den geschilderten, 
schwarzfüssigen, schlanken Zeisigen, während die mittelgrossen 
und kleinen Stieglitze zumeist weicheres Gefieder, sanfteres Na- 
turell und mehr Neigung zum Phlegma haben. Auch die Stieg- 
litze, die unser Danziger Händler aus Ungarn empfing, waren 
ihrem Wesen und Naturell nach von den erwähnten Russen 
völlig verschieden und glichen schon eher der andern, Klasse. 
Allerdings scheinen die weicheren, friedfertigeren Stieglitze auch 
die weichlicheren zu sein, die dürren Russen (ich gebrauche den 
Namen, ohne seinen richtigen Sinn zu verbürgen) erreichten 
meines Wissens fast ausnahmslos ein ehrwürdiges Alter. 


198 Fritz Braun: 


Jedem, dem diese detaillierte Sonderung nach Tempera- 
menten befremdend erscheint, rate ich einmal das kleine Büch- 
lein Hermann Müllers „Am Neste“ zur Hand zu nehmen und 
sich durch Sprache und Stil nicht von seiner aufmerksamen 
Lektüre zurückschrecken zu lassen. Allerdings wird mancher 
Ornithologe das komisch geschriebene Büchlein kopfschüttelnd 
beiseite werfen und sich wundern, dass ein Mann wie Brehm 
solches Zeug bevorworten konnte, aber gemach — sollte es doch 
nicht etwas recht Gutes sein? Ich glaube, viele praktische Orni- 
thologen werden diese Frage bejahen. 

Wie schon gesagt, möchte ich auch beim Stieglitz lieber 
Lokalrassen als species annehmen. Rasch fertig sind die Forscher 
mit der Art und bedenken oft gar nicht, dass zweite, ja abnorme 
dritte Bruten oft andere Vögel erzeugen werden als die ersten 
Gelege, dass nasse und kalte Sommer, Verschiedenheiten der 
vegetativen Umgebung und vieles andere mehr, auf die körper- 
liche und geistige Ausbildung der jungen Vögel von wesentlichem 
Einfluss sein dürfte. 

Ungemein verschieden ist die Weite des Temperaments bei 
dem Feld- und Haussperling (P. montanus und P. domesticus). 
Während wir jenen mit seiner schematischen Natur kaum dem 
Grünling gleichstellen können, übertrifft dieser an Spielraum des 
geistigen Lebens wohl alle anderen Fringillen. Wie bei dem 
Star, den wir später behandeln, kommen wir hier kaum mit dem 
Begriffe des Typus aus, sondern müssen schon jeden Vogel als 
Individuum auffassen. 

Jeder der zahlreichen Haussperlinge (P. domesticus), die ich 
im Laufe der Zeit verpflegte, schwebt mir als scharf abgegrenztes 
Individuum vor Augen, und kaum jemals laufe ich bei ihm, wie 
bei anderen Arten Gefahr, die Bilder mehrerer Individuen in der 
Erinnerung zu verschmelzen. Von solchen Geschöpfen, die sich 
seit dem ersten Augenblick friedfertig und nachgiebig benahmen, 
führt eine ganze Skala von Charakteren bis zu jenen Haus- 
sperlingen, die, wenn irgend ein Vogel, Anspruch auf den Namen 
herzloser Verbrecher hatten. Langsame, plumpe Gesellen fehlten 
ebenso wenig, wie frische, regsame Burschen, die in steter Unrast 
ihre Tage verlebten. Gewölinen sich die listigen Gesellen erst 
recht ein, werden sie erst mit den Sitten und Gewohnheiten des 
Menschen so recht vertraut, so zeigen sie, vornehmlich, wenn sie 
jung dem Neste entnommen wurden, oft überraschend grosse 


. 


Über Weite und Spielraum des Temperaments der Sperlingsvögel. 199 


Fähigkeiten. Diese gehen uns zwar bei unserer heutigen Unter- 
suchung nichts mehr an, immerhin möchten wir jeden Tierpsycho- 
logen raten, ihr Interesse vor anderen Sperlingsvögeln den all- 
bekannten Bewohnern der Gasse zuzuwenden. 

Die Verwandten der eigentlichen Finken, Kernbeisser 
(Ooccothraustes vulgaris), Kreuzschnäbel (L. curvirostra) und 
Gimpel (Lox. pyrrhula), bleiben an Spielraum des Temperaments 
hinter Zeisig, Stieglitz und dem Haussperling vor allem weit zu- 
rück. Allerdings giebt es auch hier Ausnahmen von der Regel, 
doch sind diese kaum zahlreich genug, um die Regel umzustossen. 
Am wenigsten schematisch geartet sind noch die Gimpel, immer- 
hin aber lernte ich unter ihnen weit weniger charakteristische, 
will sagen scharf ausgeprägte Individuen kennen als unter Stieg- 
litzen und Zeisigen. 

Die Liebhaber des Dompfafien, die ibn als gelehrigen 
Schüler preisen, werden zwar dieser Auffassung kaum beipflichten, 
doch gebe ich ihnen zu bedenken, dass sie ihre Zöglinge doch 


von einem recht einseitigen Standpunkte aus betrachten. Die 


ungezähmten Dompfaffen, die ich kennen lernte, glichen einander 


- zumeist fast aufs Haar, und die gezähmten, an denen auch ich 


meine Freude hatte, waren doch alle mehr oder minder nach 
derselben Richtung entwickelt, liessen untereinander lange nicht 
so weiten Spielraum wie die Vertreter. mancher anderen Arten. 

Auch die Meisen (Paridae) zeigen lange nicht so grosse 
individuelle Verschiedenheiten, als man erwarten sollte. Man glaubt 
anfangs, die hoch begabten Geschöpfe müssten darin mindestens 
mit dem Haussperling wetteifern, doch ist dem bei weitem nicht 
so, selbst nicht bei der Kohlmeise (P. major), die in dieser Hin- 
sicht noch am höchsten steht und uns zwischen Raubtiernatur 
und liebenswürdiger Friedfertigkeit, unbändigem Freiheitsdrang 
und stiller Fügsamkeit eine grosse Reihe von Charakteren vorführt. 

Fast scheint es uns, als habe die Natur sich bei der Gat- 
tung Parus damit begnügt, eine mechanische Aufgabe zu lösen, 
und darüber die individuelle Ausbildung des Geistes verabsäumt. 
Mir fällt es heute recht schwer, die Bilder der vielen Sumpf- 
und Blaumeisen (P. palustris und P. coeruleus), die ich im Laufe 
der Jahre verpflegte, klar und scharf auseinander zu halten. 
Sicher waren sie alle liebenswürdige, begabte Vögelchen, aber 
trotzdem glichen sie nur zu oft in allen Lebensregungen ein- 
ander fast gänzlich. Ich glaube, wenn man die drei Blaumeisen, 


200 Fritz Braun: 


die z. Z. in meiner Danziger Wohnung umherfliegen, in meiner 
Abwesenheit durch andere ersetzt hätte, ich würde die Verän- 
derung nur bei einer wahrgenommen haben, die in Folge körper- 
licher Schwäche die kühnen Flugmanöver der andern nicht mit- 
machen kann. Wie hier, waren auch in anderen Fällen die 
Unterschiede zwischen den einzelnen Meisen mehr körperlicher 
und mechanischer als geistiger Natur, sodass ich wie gesagt, die 
Meisen dem Spielraum ihrer individuellen Charakterbildung nach 
nicht aussergewöhnlich hoch schätzen kann. 

Immerhin stehen die Meisen ihrer individuellen Ausbildung 
nach hoch, hoch über den Ammern (Zmberizidae), die uns nicht 
nur körperlich, sondern auch geistig als rechte Dutzendware der 
Natur erscheinen. Hatte ich ein Halbdutzend Grauammern (Zmb. 
miliaria) beisammen, so hätte ich oft nicht für ein Königreich 
zu sagen vermocht, dieses sei die Grauammer a, jenes b, jenes 
c, so haarscharf glichen die Tiere sich in ihrem Äussern und in 
ihrem Naturell, denn die stets vorhandenen Unterschiede in der 
Brustzeichnung der Männchen sind für ein blödes Meuschenauge 
doch zumeist zu geringfügig, um einen sicheren Anhalt zur Un- 
terscheidung zu bieten, zumal dann, wenn man etwa gleichaltrige 
Tiere vor sich hat. Nicht ganz so schlimm, wie bei E. miliaria, 
aber arg genug ist die Sache bei der Goldammer (E. citrinella), 
der Gartenammer (E. hortulana) und den anderen Species. 

Es verhält sich mit ihnen etwa ebenso wie mit den nordi- 
schen Vögeln. Auch die Ammern sind aus ziemlich gleichförmigen, 
elementaren Verhältnissen hervorgegangen, ihr Nahrungserwerb 
erheischt weder grossen Kraftaufwand noch grosse Klugheit, so 
bleiben denn die Ammern, was sie von jeher waren, blöde Kost- 
gänger an einer reich besetzten Tafel. Daran liegt es auch 
wohl, dass die Ammern so wenig Liebhaber finden. Auch der 
Liebhaber strebt unbewusst nach den charakteristischen, auffälligen 
und aufdringlichen Erscheinungen des tierischen Lebens, und 
in dieser Hinsicht vermögen ihm die Ammern allerdings nur wenig 
zu bieten, so dass sie nach wie vor mehr den Forscher als den 
Liebhaber interessieren werden. 

Die Lerchen (Alaudidae), stehen, was den Spielraum ihres 
Temperaments angeht, zwischen Finken und Ammern etwa mitten 
inne, nur die Heidelerche (Al. arborea) gehört eher zu Piepern 
und anderen Insektenfressern als zu ihren langweiligeren Ver- 
wandten. Auch bei den Lerchen trägt die einförmige Lebens- 


Über Weite und Spielraum des Temperaments der Sperlingsvögel. 201 


weise wohl die Schuld daran, dass die Tiere trotz hoher Begabung 
im einzelnen (Gesang) im allgemeinen doch recht schematisch 
blieben. 

Über die Drosseln (Turdidae) wage ich kein bestimmtes 
Urteil zu fällen, da ich sie nur im Einzelkäfig beobachtete, dessen 
enger Raum auch auf ihr Individuell lähmend einwirken musste. 
Ein Vogel in Einzelhaft hat zumeist so wenig Gelegenheit, sich 
gemütlich zu äussern (thut er’s gegen den Menschen, so ist er 
schon zahm, d. h. anormal), dass für unsere Fragen eigentlich 
nur Beobachtungen im Freileben, in der Vogelstube und in 
grossen Flugkäfigen in Frage kommen sollten. 

Besser als bei den Drosselun bin ich beim Star (Sturnus 
vulgaris) daran, der von jeher mein Liebling war, den ich daher 
auch im Verkehr mit seinesgleichen, in Einzelhaft wie im Ge- 
sellschaftskäfig, studieren konnte. Ich trage keine Bedenken, dem 
metallisch schillernden Starmatz seine Stelle direkt neben dem 
Haussperling anzuweisen. — Wie kommen hier doch die Plebejer 
so hoch zu stehen! Jeder Star, den ich pflegte, war ein Indivi- 
 duum, das mich an diesen oder jenen Typus erinnerte, ohne 
doch gänzlich in ihm aufzugehen. Auch im Freien sind die Stare 
ja vielseitige Geschöpfe, wohl zu Hause in den rauschenden 
Kronen der Laubbäume, auf dem roten Dach der Scheuer, den 
breitscholligen Äckern und im knarrenden, knackenden Rohrwald. 
Da kann es uns auch nicht Wunder nehmen, dass die hochbe- 
gabten Vögel geistig ungemein verschieden sind. Bei jedem Stare, 
den mir der Zufall ins Haus führte, den ich einige Tage beob- 
achten konnte, begriff ich bald, dass mir die Natur hier in einer 
anderen Bildung entgegentrat, und durfte nicht, wie mein deutscher 
Lehrer von dazumal bei der Abgabe der missratenen Schüler- 
aufsätze, unwillig dazu brummen: „Schema F.“ Selbst das phleg- 
matische Temperament fand ich, so seltsam es auch erscheinen 
mag, unter den regsamen Gesellen vertreten. Noch jetzt kenne 
ich einen würdevollen Starenpatriarchen, den ich vor meiner 
Abreise aus Danzig an meinen jungen Freund, einen der vielen, 
die ich zu wütenden Ornithologen machte, verschenken musste. 
Vertrauen und Argwohn, Gutmütigkeit und scheelste Selbstsucht, 
quarrender Eigensinn und stille Fügsamkeit, sie alle wohnen in 
der Brust der Stare und lehren uns, dass hier die Art kein 
ewig sich wiederholendes Einerlei darstellt, sondern eine Fülle 
wechselvoller Eigenschaften umschliesst. 

Journ, £, Om. XLIX. Jahrg, April 1901, 14 


202 Fritz Braun: 


Die überaus verschiedenen Arten der andern Insektenfresser, 
die nur schwer mit kurzen Worten zu Schildern sind, wollen wir 
zu Gunsten der Klarheit und Übersichtlichkeit unserer Skizze 
heute lieber nicht behandeln, genügen doch schon die angeführten 
Arten, um unsere Aufmerksamkeit auf mancherlei interessante 
Zusammenhänge zu lenken. 

Am lehrreichsten für uns ist sicher die Gruppe der Finken, 
wo wir beim Zeisig und Stieglitz den weitesten Spielraum des 
Temperaments vorfanden. Eigentümlicher Weise sind diese species 
auch körperlich am meisten verschieden, so dass man fast in Ver- 
suchung gerät — der andere Ornithologen schon längst unter- 
lagen — sie in eine ganze Reihe von species zu teilen. 

Wie der Körper strebt hier auch der Geist zu neuen Formen, 
in unendlichen Wechselbeziehungen bringt das Verschiedene 
Verschiedenes hervor, so dass wir alierdings nur mit nebligem, 
verschleierten Blick in die Zukunft zu schauen glauben, wo neue 
Geschöpfe neuen Zielen zustreben, während andere Arten im 
Schema versteinerten, in der Fülle verkamen. 

Tritt eine Art aus einförmigen Lebenslagen in wechselvollere 
Umgebungen, muss sie sich an Garten und Hain, Busch, Wald 
und Feld gewöhnen, stellen sich ihr beim Nahrungserwerb immer 
mannigfaltigere, mechanische Aufgaben, so strebt sie ihnen zu 
entsprechen, und die Individuen thun — je nach ihrer Anlage 
— mehr oder minder dazu, diese Aufgaben zu lösen. So ent- 
wirrt sich die grosse Masse in einen lockeren Schwarm inkon- 
gruenter Geschöpfe und in weiterem, immer weiterem Spiel- 
raum bewegen sich Körper und Geist der vorwärts ringenden 
Art, bis dauernde, sichere Verhältnisse wieder einen Teil der 
Geschöpfe absondernd umhüllen und dieser in steter Umgebung 
selbst wieder zur Ruhe und Stetigkeit gelangen kann. 


II. Unterschiede nach Geschleeht und Alter. 


Bisher haben wir das Temperament der einzelnen Arten 
betrachtet, ohne des grossen Einflusses zu gedenken, den Alter 
und Geschlecht auf die Gestaltung des Temperaments ausüben 
müssen. 

Sicher stehen alle Regungen des Geistes und Temperaments 
mit dem Geschlechtsleben in innigstem Zusammenhang. Mit dem 
geschlechtlichen Reifeprozess geht die Ausbildung und Vertiefung 


Unterschiede nach Geschlecht und Alter. 203 


des Temperaments Hand in Hand. Nur das geschlechtsreife Ge- 
schöpf ist nach der geistigen Seite reif und in sich geschlossen. 
Da die jährliche Periode des Geschlechtslebens bei den meisten 
Vogelarten unserer Region zeitlich umgrenzt ist, so werden wir 
die auffälligsten, wesentlichsten Regungen namentlich des männ- 
lichen Temperaments erst in dieser Zeit und in ihr allein wahr- 
nehmen können. 

Im allgemeinen hat man wohl recht, wenn man dem Männchen 
der Passerinen ein aktiveres, mehr cholerisches Temperament 
zuschreibt. Zumeist kann man das weibliche Temperament getrost 
aus dem des Männchens ableiten, indem man auf alle jene schroffen, 
kriegerischen, gewaltthätigen Eigenschaften verzichtet, die hier wie 
anderswo in der tierischen Schöpfung Wesen und Eigenart des 
Mannes, Inbegriff der virtus bilden. 

Aber dennoch muss man sich hüten, in diesen Folgerungen 
zu weit zu gehen. Viele Arten der Passerinen sind vor allem, 
sind fast ausschliesslich mechanische Probleme, darauf eingestellt, 
durch ganz spezifische Bewegungen die schwer erreichbare Nahrung 
zu gewinnen, Stunde um Stunde den Kampf ums Dasein weiter- 
zuführen. Da wird denn oft der geschlechtliche Unterschied 
im Temperament unter gleichen Bewegungen — die dem Nahrungs- 
erwerbe dienen sollen — verschwinden oder wenigstens den 
blöden Sinnen des menschlichen Beobachters weniger fühlbar 
werden. 

Es ist dem Menschen nur selten vergönnt, das innere Leben- 
des Tieres zu durchschauen; wir sehen das, „was vor Augen ist,“ 
wir sehen Bewegungen, müssen von Bewegungen auf Stimmungen 
von körperlichen Bewegungen auf geistige Regungen schliessen. 

Gilt’es nun, von den Bewegungen der Passerinen auf ihr 
geistiges Leben, ihr Temperament zu folgern, so wird es wohl 
unerlässlich sein, Zweck und Wesen der wichtigsten, spezifischen 
Bewegungen dieser Arten ganz kurz zu beleuchten. 

Am wichtigsten wird es für uns sein, die Gruppe der Be- 
wegungen, die dem Nahrungserwerb dienen, von jenen andern 
scharf zu sondern, welche die geschlechtliche Zuchtwahl, den 
Kampf der fortpflanzungslustigen Männchen unterstützen und 
fördern sollen. Jene letzteren werden selbstverständlich nur den 
Männchen eigen sein, einen Ausfluss des männlichen Tempera- 
ments darstellen, während die zuerst genannten von allen Art- 
genossen ausgeübt werden müssen, denn Nahrung heischt jeder Mund. 

14* 


204 Fritz Braun: 


Recht interessant sind hier z. B. die dem Beobachter be- 
sonders auffälligen Bewegungen des Schwanzes bei ruhenden 
oder wenigstens nicht heftig erregten Sperlingsvögeln. Wendet 
man dieser scheinbar so geringfügigen, in Wirklichkeit recht 
wichtigen Frage längere Zeit seine Aufmerksamkeit zu, so wird 
man finden, dass die grösste Beweglichkeit des Schwanzes bei 
jenen Arten der Sperlingsvögel zu finden ist, die grösstenteils 
oder ausschliesslich von Insekten leben. Unter diesen finden wir 
die höchste Ausbildung wieder bei jenen species, die zumeist 
auf dem Boden leben. 

Jedenfalls stehen jene auffälligen Bewegungen des Körper- 
fortsatzes in engstem Zusammenhang mit den andern Einrichtungen 
des Körpers, mit der Mechanik von Gang und Flug; doch finde 
ich merkwürdigerweise in der ornithologischen Litteratur einen 
Nebenzweck völlig vernachlässigt, dem sie ebenfalls dienen, den 
Zweck des Nahrungserwerbes. Durch die zuckenden oder fort- 
während auf und piedergehenden Schwanzfedern wird ein, zarten 
Insekten recht merkbarer Luftzug erzeugt, durch den huschenden 
Schatten wird manches Kerf veranlasst, sich zu regen, zu zeigen, 
seinen Platz zu verändern. 

Der Meise, die ihre Insekteneier aus der Baumrinde klaubt, 
wäre damit nicht gedient, der Zeisig, der sich in den schwan- 
kenden Zweiglein der Birken einnestelt, um ihre Samenkörner 
zu zehnten, wäre mit einer solchen Einrichtung ihres Schwanzes 
kaum gedient, für die erdständigen Insektenfresser liegen die 
Dinge ganz anders. 

Der Erfolg des eigentümlichen Werkzeuges, das manche 
Arten in den stets beweglichen Schwanzfedern besitzen, muss 
um so grösser sein, da, wie jederman weiss, Anthi, Alaudae u. 
a. m. selten längere Strecken geradeaus schreiten, sondern sich 
mehr im Zickzack auf dem Boden bewegen, kommen und gehen, 
hierhin und dorthin sich wenden. Da wird denn der Nutzen 
jener Bewegungen bei vielen species durchaus nicht gering sein, 
jedenfalls möchte ich die — wennschon etwas bei den Haaren 
herbeigezogene — Gelegenheit nicht versäumen, um auf diese 
Frage hinzuweisen. 

Doch genug davon, mögen diese Bewegungen dem Nahrungs- 
erwerbe dienen, mögen sie rein mechanische Zwecke haben, 
mögen sie, was das wahrscheinlichste ist, beiden dienen, jeden- 
falls sind sie für das Leben von Männchen und Weibchen in 


Unterschiede nach Geschlecht und Alter. 205 


gleich hohem Grade wichtig, können sie bei keinem Geschlecht, 
in keinem Alter ohne Gefahr für Leib und Leben verkümmern. 

Bei manchen species, die eine ganz besondere Art der Er- 
nährung haben, nehmen nun diese mechanischen und nahrung- 
schaffenden Bewegungen einen so grossen Teil der Körperkraft, 
einen so grossen Teil der Lebenszeit in Anspruch, dass die 
Ausbildung männlicher Eigenheiten, spezifisch männlicher Bewe- 
gungen dadurch wesentlich beeinträchtigt wird, beide Geschlechter 
gleichermassen neben einander herleben, höchstens ein auffälliger 
Balzflug sich in der Zeit höchster geschlechtlicher Erregung 
geltend macht. Man braucht nur an die Curvirostrae zu erinnern, 
um jedem klar zu machen, worauf der Sinn unserer Worte zielt. 

Diese mechanischen, nahrungschaffenden Bewegungen werden, 
ihrem Wesen, ihrer Aufgabe zu Folge, während des ganzen Jahres 
stattfinden, jene anderen, die dem geschlechtlichen Leben eignen, 
nur solange, als die geschlechtliche Erregung anhält, d. h. nur 
in der Brunstperiode und während dieser Zeit wieder in jenen 
Augenblicken, die nicht dem Nahrungserwerbe, sondern minnig- 
lichen Gedanken gewidmet sind. 

So unterscheidet sich z. B. jenes Schanzwippen und Schwanz- 
wiegen der Anthi, Motacillae, u. a. m. sehr wesentlich von den 
entsprechenden Bewegungen mancher Finkenvögel, die dem 
Schmettern des Gesanges, dem Sträuben der Kopffedern beigesellt 
sind und zumeist sogleich verschwinden, sobald das minnigliche 
Lied verstummt, sobald der knurrende Magen seine gemeineren 
Rechte geltend macht. 

Wie schon gesagt, ist das Temperament der einzelnen Ge- 
schlechter zur Zeit der Brunst durch die grösste Kluft getrennt. 
Doch nicht bei allen Arten zeigt diese einen gleich grossen 
Wert. Bei jenen species, die schon ohnehin geistig und körper- 
lich recht verschiedene Geschlechter aufweisen, verändern sich 
diese zur Brunstzeit noch mehr, bei jenen, deren Geschlechter 
sich sonst fast gleich sind, bleiben auch während der Brutzeit 
Männchen und Weibchen einander recht ähnlich. Jene Arten 
befinden sich in der Entwickelung, sollen zu einer Zeit zeugen, 
da die Geschlechter recht verschieden sind, um den Nachkommen 
einen grossen Variationsspielraum zu bieten, diese bleiben, was 
sie sind, auf dass ihre Kinder ihnen gleich werden. 

Das Temperament des jungen Vogels ist zumeist nur sehr 
wenig nach Geschlechtern verschieden, geistig und körperlich 


206 Fritz Braun: 


sind die Nachkommen der Art zumeist noch recht ähnlich, neutral, 
um den prächtigen Ausdruck Altums zu gebrauchen, doch ist der 
geistige Abstand von Jung und Alt bei manchen Arten sehr gross, 
bei anderen sehr gering. — 

Um wieder bei den Finkenvögeln zu beginnen, zeigt Frin- 
gilla coelebs zwischen Mann und Weib recht merkliche Unter- 
schiede, die namentlich zur Brunstzeit eine bedeutende Grösse 
erreichen. Ähnlich liegen die Dinge beim quäkenden Fringilla 
montifringilla, doch machen diese Unterschiede dem Beobachter 
nicht allzuviel Freude, weil die Geschlechtsgenossen einander 
hier und da recht ähnlich sehen. 

Nicht allzugross sind die Unterschiede bei Fringslla canna- 
bina und Fringilla flavirostris, doch sind sie auch abgesehen von 
der Brunstzeit immerhin bedeutend genug. Der Pfleger kann 
daher Männchen und Weibchen auch nach dem Temperament 
ganz gut unterscheiden, da die letzteren in der Gefangenschaft 
zumeist viel teilnahmsloser und phlegmatischer sind. Man kann 
also auch bei diesen Arten einen Unterschied im Temperament 
der Geschlechter bei einiger Aufmerksamkeit wohl feststellen. 

Gross und deutlich ist die Kluft zumeist bei Fringilla 
carduelis. Dem hurtigen, eleganten und kecken Männchen gegen- 
über sind die Weibchen von weicherem und etwas schlafferem 
Naturell, sodass man auch bei recht geringen, körperlichen Unter- 
schieden die weiblichen Stieglitze schon an dem „ewig weiblichen“ 
in ihrem Gebaren zu erkennen vermag, vorausgesetzt natürlich, 
dass die Art dem Beobachter völlig vertraut ist. 

Sehr, sehr gross sind die geschlechtlichen Unterschiede im 
Temperament bei Fringilla spinus, wo der Unkundige auch nach 
der gemütlichen Seite in den Geschlechtern fast verschiedene 
Arten erblicken möchte. Im allgemeinen sind auch hier die 
Weibchen viel weicher und ein gut Teil phlegmatischer als die 
Männchen, wie schon ihr Gezwitscher, dass man beinahe Gesang 
nennen könnte, weicherer Natur ist, entsprechen doch pfeifende 
und zwitschernde Laute dem rätschenden Getön der männlichen 
Sänger. Immerhin giebt es auch unter den weiblichen Zeisigen 
mitunter hässliche Zänker. Während jedoch die männlichen 
Störenfriede ihren Unwillen gar oft auch gegen Genossen anderer 
Arten kehren, zanken die Weibchen hier wie bei anderen species 
vornehmlich mit den Artgenossen und zwar zumeist mit Männchen. 
Es ist bei den Vögeln beinahe Regel zu nennen, dass die 


Unterschiede nach Geschlecht und Alter. 207 


Männchen unter dem Pantoffel stehen und der besseren Hälfte 
beim Futtertrog, beim Badewasser und anderswo den Vortritt 
lassen. Es scheint fast der Natur des Männchens, das doch zu- 
meist für den Kampf mit männlichen Artgenossen bestimmt ist, 
innerlich zu widerstreben, die artgleichen Weibchen zu befehden, 
wenn man auch bei manchen species, wie Fringilla montifringilla, 
namentlich im engen Käfig Ausnahmen erleben kann. Auffällig 
oft nähern sich die Zeisigmännchen nach langer Gefangenschaft 
dem Temperament der Weibchen, wohl wieder ein Zeichen, dass 
lange geschlechtliche Abstinenz bei guter Nahrung das Tempera- 
ment der Vögel verdirbt. Auch bei Fr. cannabina und carduelis 
habe ich diese Wahrnehmung gemacht, doch nicht so oft, so auf- 
fällig wie grade bei spinus. 

Bei der Farbenveränderung in der Gefangenschaft, wie sie 
bei den curvirostrae, bei cannabina, linaria — ich kann wohl 
sagen — gesetzmässig eintritt, wird dieser Grund sicher wohl 
die Hauptrolle spielen, wenn man auch wiederholt gefunden hat, 
dass die verfärbten Vögel potent waren. Die Liebhaber nannten 
sie dann natürlich gleich völlig potent — was kommt es 
Leuten viel auf ein Wort an, aber potent und potent ist doch 
wohl immer noch zweierlei. 

Sahen wir also schon früher, dass die Unterschiede im 
Temperament der einzelnen Zeisige sehr gross sind, so werden 
wir in dieser Erkenntnis noch gefördert, wenn wir Männchen und 
Weibchen miteinander vergleichen. Als besonders intelligentes 
Geschöpf scheint der Zeisig auch besonders viel Zeit zu gebrauchen, 
ehe er geistig nach der Seite des Temperaments sich entwickelt, 
wenigstens waren die Jungvögel, die ich im Sommer erbielt, den 
Alten geistig sehr unähnlich, wild und urteilslos und rasten sich 
zumeist zu Schanden, während andere Finkenvögel gleichen 
Alters sich dumpf und stumpf in ihr Schicksal fügten. 

Wie unähnlich Fringilla linaria dem schwarzköpfigen Vetterist, 
haben wir früher betont. Bei dieser Artsind Männchen und Weibchen 
dem Temperament nach nur durch jedesmaligen Vergleich zu 
unterscheiden, schwerlich aber könnte man durch Beobachtung der 
gemütlichen Äusserungen feststellen, ob ein einzelnes Exemplar 
Männchen oder Weibchen ist. Wenn ich trotzdem von dem 
mörderischen fehdelustigen Weibchen berichtete, das Herrn Ober- 
lehrer Ibarth so viel zu schaffen machte, so war das eben ein 
Monstrum, eine Ausnahme, die die Regel nur bestätigen kann. 


208 Fritz Braun: 


Viel geringer als bei spin«us sind meinen Erfahrungen zufolge 
die geschlechtlichen Unterschiede im Temperament von Fringilla 
serinus, doch will ich meiner Meinung hier nicht allzuviel Wert 
beimessen. Die Bewegungen des Girlitzes sind von denen anderer 
Finken bei Mann und Weib sehr verschieden, sodass der Beobachter 
durch das artlich besondere gefesselt, gewissermassen geblendet 
wird und zu den kleineren Eigenheiten der Geschlechter — der 
auffällige, zeitlich gebundene Balzflug interessiert uns hier wenig 
— nicht mehr durchzudringen vermag. 


Passer domesticus hielt ich stets nur in männlichen Exemplaren, 
vermag also über den geschlechtlichen Unterschied ihres Tempera- 
ments so gut wie garnichts anzugeben. Da ich jedoch einmal 
bei dieser Species angelangt bin, kann ich es mir nicht ver- 
sagen, eine Bemerkung einzuschalten, die allerdings mit unserm 
Thema nichts zu thun hat. 


Vor einiger Zeit erhielt ich einen in der Gefangenschaft 
aufgezogenen, jungen P. domesticus, der das Gezwitscher eines 
weiblichen Stieglitzes nachahmte und diese Gewohnheit auch bei 
mir während mehrerer Monate -beibehielt, bis er durch die . 
Menge anderer Töne, die von allen Seiten auf ihn eindrangen, 
von der in der Jugend erlernten Kunst abgelenkt wurde. Ich 
berichtete über diesen Vogel, der sich z. Z. leider in Folge eines 
gelungenen Fluchtversuches wieder der goldenen Freiheit erfreut, 
s. Z. unter meinem Namen in „Natur und Haus“ und in der 
„Gefiederten Welt“. Trotzdem las ich dieser Tage in dem 
neuesten Bande des neuen Naumann die inhaltsschweren Worte?): 
„dass junge Haussperlinge, neben andere Singvögel gehängt, die 
Gesänge dieser nachahmen lernen, ist eine leere Sage.“ Ich 
danke dem Herrn Redakteur dieses Abschnittes von Herzen für 
seine gute Meinung, nach der mir die Laute eines Stieglitzes 
fremd blieben, trotzdem ich im Laufe der Zeit mindestens fünfzig 
dieser Vögel Monate und Jahre hindurch verpflegte. 


Fringilla chloris, des Kernbeissers entfernter Vetter, weist 
eigentlich grössere, geschlechtliche Unterschiede auf, als man 
nach dem wenig intelligenten Äussern des Vogels erwarten sollte. 
Allerdings lässt die lang ausgedehnte Brut- und Brunstperiode 
dieser Species die Unterschiede wohl grösser erscheinen, als sie 


!) Naumann Neue Ausgabe III. p. 364. 


Unterschiede nach Geschlecht und Alter. 209 


unter neutralen Verhältnissen sein würden, doch wird nur ein 
ungeübter Beobachter sie völlig leugnen können. 

Da wir von den Jungen des Zeisigs schon oben gesprochen, 
ist von denen der übrigen Finkenvögel nicht mehr viel zu sagen. 
Nur bei Fr. carduelis unterscheiden sich die Jungen recht auf- 
fällig von den erwachsenen Männchen, da sie im ersten Sommer 
noch lange nicht die klirrenden, straffen Ritter sind, wie zur 
Zeit der Geschlechtsreife, sondern uns als echte Kinder weicher 
und matter anmuten. Bei Fr. coelebs, montifringilla (sehr selten 
zugänglich) und cannabına wird man in dieser Hinsicht nicht 
viel Entdeckungen machen, bei Fringilla serinus scheinen die 
Dinge ähnlich zu liegen wie bei Fringilla carduelis, doch da ich 
nur drei oder vier junge Vögel besessen, möchte ich hier mit 
einem abschliessenden Urteil noch zurückhalten. 

Überraschend gering sind die gemütlichen Unterschiede der 
Geschlechter bei Coccothraustes vulgaris, Pyrrhula europaea und 
den Loxiae. In der ersten Zeit meiner Praxis habe ich wieder- 
holt weibliche Kernbeisser längere Zeit für männliche angesehen, 
weil sie in ihrem Wesen so garnichts hatten, was sie von männ- 
lichen unterschieden hätte. Dompfaffen-Pfleger und -Lehrer von 
Beruf werden wahrscheinlich auch bei dieser Art von geschlecht- 
lichen Unterschieden des geistigen Lebens zu berichten wissen, 
wer jedoch diese Species neben andern Arten pflegt, wird bald 
zu der Überzeugung gelangen, dass dieser Unterschied ungemein 
geringfügig ist. 

Bei manchen Emberizidae, ich kenne dieVerhältnisse praktisch 
nur bei cifrinella, schoeniclus und miliaria, sind die Unterschiede 
zwischen Mann und Weib, Jung und Alt recht beträchtlich. Die 
jungen E_ citrinella erschienen mir stets viel weicher, schmieg- 
samer, elastischer als die Alten, sodass mancher Jungvogel mich 
im Herbst fast an die weiche Elastizität der Pieper erinnerte. 

Über die bez. Verhältnisse bei Alauda und Anthus vermag 
ich keinen Aufschluss zu geben, mir fehlt hier wie bei andern 
guten Sängern das Material. In altem Irrtum befangen, hielt 
ich nur männliche Exemplare in der Gefangenschaft und lernte 
dadurch nur sie genauer kennen, ein Verfahren, bei dem die 
Wissenschaft von der Art natürlich gering und lückenhaft bleiben 
muss. Verirrte sich aber wirklich einmal, wie bei Lusciola rube- 
cula, manchen Piepern und Lerchen, ein Weibchen in meine Hände, 
so war es eben nur eins, nur ein Individuum, von dem rück- 


210 Fr. Braun: Unterschiede nach Geschlecht u. Alter. Ernst Hartert: 


sichtslos auf die Art zu schliessen ein sehr vermessenes Unter- 
nehmen ist. Deshalb muss ich mich begnügen, Versprechen für 
künftig zumachen, unsichere Wechsel im Menschenleben. Vielleicht 
wenden auch andere diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit zu, 
interessant sind sie genug, echte Fragen des Lebens an das Leben. 


Über die Bedeutung der Kleinsehmidt’schen Formenkreise. 
Von Ernst Hartert. 


In einem Vortrage in Berlin, im Oktober 1899, der unter 
der Überschrift „Arten oder Formenkreise‘“ im Journal für 
Ornithologie 1900 pp. 134—349 abgedruckt ist, macht Freund 
Kleinschmidt den Vorschlag, wir sollten uns „frei machen von 
den Vorurteilen des Artbegriffes“ und anstatt von „Arten“ 
und „Unterarten“ in Zukunft von „Formenkreisen“ sprechen. 
Wenn wir den Verfasser recht verstehen, so will er alle einander 
geographisch vertretenden Formen in einen Formenkreis ver- 
einigen, gleichviel, ob man sie sonst verschiedenen Unterarten, 
Arten oder gar Gattungen zuteilte. Für die Formenkreise will 
er neue Namen einführen, die aber aus schon bestehenden 
Gattungs- oder Artnamen gebildet sein sollen, sodass sie letzteren 
zum Verwechseln ähnlich sehen. Von den Artnamen unterscheiden 
sich diese neuen Namen (und sind nach des Verfassers Ansicht 
„als neue Namen gekennzeichnet‘) durch den grossen Anfangs- 
buchstaben. „Der Systematiker braucht nicht mehr seine beste Zeit 
damit zu vergeuden, dass er einem alten Speciesnamen nachspürt.“ 

Gewiss wird Niemand, der das ernste wissenschaftliche 
Streben Kleinschmidt’s und seine ornithologischen Leistungen 
kennt, diese Vorschläge als „jugendliche Reformbestrebungen be- 
lächeln,“ wie er zu befürchten scheint, auch wird ihm Niemand 
„den Vorwurf machen, er wolle Neuerungen einführen“, denn 
die Einführung einer nützlichen Neuerung verdient keinen Vor- 
wurf, sondern Lob. Es genügt auch nicht, einfach zu äussern, 
dass man nicht mit dem Autor dieser Ideen einverstanden ist, 
und seine Auseinandersetzungeu verdienen mehr, als eine kurze 
„Abfertigung“ in Form eines Referates, wie sie ihnen in den 
Orn. Monatsber. 1900 p. 108 zu Teil geworden ist, aber man 
darf und muss doch als Ornithologe solche Gedanken prüfen, schon 
um sich selbst darüber klar zu werden, ob man ihnen folgen soll 


Über die Bedeutung der Kleiuschmidt’schen Formenkreise. 211 


oder nicht, und man darf und soll auch seine Ansicht darüber 
äussern, selbst wenn sie nicht ganz mit der des Verfassers über- 
einstimmt. 

Zunächst fragen wir uns unwilikürlich, warum wir den Art- 
begriff aufgeben sollen? Von einem solchen Aufgeben kann nur 
dann die Rede sein, wenn dieser Begriff nicht in der Natur be- 
steht. Thatsächlich aber besteht die Art nicht als „Begriff,“ 
sondern als unumstössliche Thatsache in der Natur bei allen 
höheren Tierklassen, Insekten und anderen. Die von Kleinschmidt 
angeführte Thatsache des Bestehens von einander „zum Ver- 
wechseln nahestehenden“ und in denselben Ländern lebenden 
Formen, wie Galerida cristata mit ihren Subspecies und Galerida 
theklae mit ihren Subspecies, oder wie Parus palustris und sali- 
carius, Acrocephalus streperus und palustris u. a. m. beweist, wie 
tief eingewurzelt die Artunterschiede heute sind, und dass eine 
grosse Kluft diese Formen trennt, die daher durchaus verschie- 
dener Natur sind und so behandelt werden müssen. Diese in 
der Jetztzeit bestehenden Arten bilden in zahlreichen geogra- 
phischen Gebieten mehr oder minder verschiedene Formen, die 
meistens selbst der Unkundige leicht als zur selben Art gehörig, 
auch wenn leicht unterscheidbar, erkennt. Solche geographische 
Variationen hat man recht passend als Unterarten bezeichnet, und 
als eine Ergänzung der binären Nomenklatur mit 
trinären Namen belegt. Dies überaus praktische System hat bis- 
her nicht nur den meisten Ornithologen genügt, sondern auch zu 
einer,bedeutenden Vertiefung und Neubelebung des systematischen 
zoologischen, zumal ornithologischen Studiums geführt. Schwierig 
ist es allerdings in gewissen Fällen, zumal bei unserm heutigen, 
‘einseitigen Balgstudium, das die Grundlage der Ornithologie bildet, 
obwohl es uns nur die getrocknete, äussere Hülle der Objekte 
vorführt, zu entscheiden, ob ein mutmasslicher geographischer 
Vertreter!) als Unterart einer verwandten Form oder als getrennte 
Art zu behandeln ist. Das zu entscheiden, ist oft schwer für 
uns und wir müssen oft durch anatomische, biologische, nido- 
logische und andere Studien unterstützt werden, um solche Frage 
zu lösen. Auch dann wird es gelegentlich vorläufig noch dem 
Ermessen Einzelner überlassen bleiben, ob eine Form als Art 


1) Wenn nicht sehr umfangreiche Sammlungen vorliegen, ist es 
nicht immer leicht, zu wissen, ob gewisse Formen wirklich geographische 
Vertreter sind oder auch zusammen vorkommen. 


212 Ernst Hartert: 


oder Unterart betrachtet wir. Es mag dies aber zum Teil 
daran liegen, dass in einigen Fällen die Unterschiede zwischen 
Art und Unterart, wie wir es nennen, thatsächlich nicht scharf 
in der Natur entwickelt sind. Kleinschmidt’s Vorschläge würden 
einen Fortschritt in der Forschung bedeuten, wenn sie solche 
Zweifel beseitigen könnten. Sie thun dies aber keineswegs, 
sondern stürzen uns in eine Masse von Netzen von Formen, die 
deshalb zusammengeflochten sind, weil sie einander geographisch 
vertreten. Dies wenigstens muss man aus Kleinschmidt’s Artikel 
verstehen. Die Betrachtung geographischer Vertreter lediglich 
vom Verbreitungsstandpunkte aus aber ist nicht neu, nur nannte 
man sie früher „vikariierende Formen,‘ ohne damit von vornherein 
auszusprechen, ob es Arten oder Unterarten seien. Eine solche 
Betrachtung ist augenscheinlich die „Formenkreistheorie,“ nur 
dass statt des Ausdrucks „vikariierende Formen“ der hierzu gar- 
nicht verwendbare Name der „Formenkreise“ benutzt wurde. 
Ich sage „nicht verwendbar,“ weil die Bezeichnung „Formen- 
kreis“ eine alte ist, aber meist für irgend eine Formengruppe 
von grösserem oder kleinerem Unfange angewandt wurde, ohne 
etwas Bestimmtes zu bezeichnen. Sie wurde ebensowohl für alle 
Wirbeltiere, als auch beispielsweise nur etwa für die dunkel- 
köpfigen Unterarten der gelben Bachstelzen, im Gegensatz zu den 
hellköpfigen, verwandt. In solcher unbestimmten Weise wurde 
der Ausdruck im allgemeinen gebraucht, und auch ich wandte 
ihn oft an (vergl. Journ. f. Orn. 1900 p. 130). In ganz ähnlicher 
Weise wie Kleinschmidt haben ihn jedoch viele Botaniker und 
Molluskenforscher, wie Böttger, Kobelt, Ad. Schmidt u. a. gebraucht. 
Die Bezeichnung kann nun aber nicht mit einer ganz beschränkten 
Bedeutung auf einen neuen Begriff übertragen werden. Aber 
auch der ganze Begriff der Kleinschmidt’schen Formenkreise (im 
Sinne des Erfinders) ist — abgesehen von der unstatthaften 
Benennung — in der Natur nicht immer nachweisbar; denn die 
geographische Vertretung kann nur in gewissen Fällen, nicht 
aber durch das gesamte Tier- und Pflanzenreich hin für die 
Verwandtschaft der Formen ausschlaggebend sein. Die geogra- 
phischen Vertreter werden sich mit den Subspecies decken und 
somit einem weitergefassten Artbegriff entsprechen, oder ihr 
Zusammenfassen ist nicht statthaft. Ebensowohl wie die 
Unterarten einer Art sich geographisch vertreten, können sich 
auch grundverschiedene Arten, ja selbst gute, tiefbegründete 


VE 


Über die Bedeutung der Kleinschmidt’schen Formenkreise. 213 


sogenannte Gattungen und sogar Familien und Ordnungen geo- 
graphisch vertreten. Greifen wir nochmals zurück auf das Bei- 
spiel der beiden Haubenlerchenarten, Galerida theklae und cristata. 
Wir wissen jetzt, dass diese einander nicht vertreten, sondern 
„gute Arten“ sind. Es besteht also zwischen ihnen ein bedeutend 
grösserer Unterschied, als zwischen den Unterarten von @. theklae 
und zwischen denen von @. ceristata, denn sonst könnten sie sich 
nicht getrennt erhalten, während alle die Unterarten infolge 
ihrer verschiedenen Verbreitung getrennt bleiben und, wie wir 
kühnlich annehmen dürfen, sich zum Teil vermischen und inein- 
ander übergehen würden, wenn sie alle zusammen vorkommen 
und die örtlichen Einwirkungen aufhören könnten, während @. 
theklae und G. cristata trotz gleicher Lokalität und Verbreitung 
getrennt bleiben. Wie nun, wenn (wie ich das früher glaubte) 
G. theklae und @. cristata einander geographisch vertreten 
würden? Wir würden sie dann vermutlich als Unterarten an- 
sehen, während sie doch, trotz grösster Ähnlichkeit, ganz ge- 
trennten Formenkreisen angehören. 

Die nach unsern augenblicklichen Ientnissen entschieden 
richtigere Auffassung von der Verwandtschaft der Haubenlerchen- 
formen konnte nur durch ein eingehendes Studium der Merkmale 
und Verbreitung dieser Formen erlangt werden. Durch das 
Kleinschmidtsche Formenkreisschema würde in diesem Falle 
unsere Auffassung in keiner Weise geändert, also auch nicht ver- 
bessert werden, es könnte aber leicht dazu führen, Formen, die 
durch weite Klüfte getrennt sind, mit solchen, die einander ausser- 
ordentlich nahe stehen und nicht scharf zu determinieren sind, 
in der gleichen Weise zubehandeln, gerade wie das die schranken- 
lose Artmacherei früher that und oft noch heute thut. Dem 
entgegen trägt die moderne Zusammenfassung von Unterarten 
in eine Formengruppe, die wir von jeher Art nannten und so 
weiter nennen werden, viel dazu bei, einen Begriff davon zu 
geben, ob die Formen näher verwandt oder weiter getrennt sind, 
auch wenn die Methode noch unvollkommen ist und in vielen 
Fällen noch ungenau und unrichtig vorgegangen wird. 

Es ist von übereifrigen und systematisch oberflächlichen 
Darwinisten oft behauptet worden, dass es in der Natur weder 
Gattungen noch Arten, sondern nur Individuen gäbe. Ein grösserer 
Irrtum ist nie ausgesprochen worden. Freilich sind die Gattun- 
gen nur von den Zoologen gemacht und die Natur kennt den 


214 Ernst Hartert: 


Begriff der Gattung nicht, wie jeder leicht nachweisen kann, aber 
wir bedürfen der Gattungen, um in der Masse der Formen durch- 
zufinden, wir müssen gruppieren und benennen, um den Apparat 
zu handhaben, um einander zu verstehen! Vollkommen 
recht hat Kleinschmidt, wenn er eine Verminderung der Gattungs- 
namen für nötig hält, denn leider gehen viele von uns Ornitho- 
logen in der Gattungszersplitterung zu weit, und zwar (meines 
Erachtens) deshalb, weil wir oft vergessen, dass die Gattungen 
nur zur Erleichterung des Studiums gemacht werden. Es ist 
aber die Berechtigung von Kleinschmidt’s Forderung schon viel- 
fach anerkannt. Schon 1857 schrieb Hartlaub, der hochbetagte 
Veteran der afrikanischen Ornithologie: „Die schrankenlose Ver- 
vielfältigung der genera, ein wuchernder Parasit auf dem Blüten 
und Früchte zugleich tragendem Baume der modernen Ornitho- 
logie, läuft meinen Ansichten schnurstracks zuwider.“ Dieser 
vortreffliche Ausspruch hat zwar nicht die nötige Beachtung ge- 
funden, aber gerade jetzt wieder sind manche Genossen bestrebt, 
der „schrankenlosen Vervielfältigung der Gattungen“ entgegenzu- 
arbeiten — indessen ist das nicht so leicht und erfordert sehr 
eingehende Studien (vergl. u. a. J. f£ O. 1900 pp. 355, 356). 
Das richtige Mass, d. h. das, was für das Studium am vorteil- 
haftesten ist und zugleich den natürlichen Verhältnissen der 
Tiere am meisten entspricht, zu finden, ist sehr schwer, wie sich 
Jeder überzeugen wird, der einmal eine ganze Familie kritisch 
durcharbeitet! 

Ganz anders ist es mit den Arten in der Natur. Das 
jetzige Bestehen derselben wegzuleugnen, ist ein fruchtloses 
Beginnen. Der ganze Zustand der heutigen Tierwelt bedingt das 
Bestehen getrennter Arten — ohne diese Thatsache wäre die 
Tierwelt der Jetztzeit eine Unmöglichkeit — wie die der ein- 
zelnen Arten entstanden ist, ist eine ganz andere Frage, und es 
ändert nichts an der bestehenden Thatsache des Status der Arten, 
wann und wie sie aus gemeinsamen Vorfahren oder gar ausein- 
ander entstanden sind. Ich behaupte daher, dass die heutige 
Nomenklatur den bestehenden Verhältnissen Rechnung trägt. 

Kleinschmidt sagt, es sei in ihrem „Artensystem“ kein 
Raum für die feinsten Unterschiede, und „die Subspecies wachsen 
ins Unendliche“ Er hat ja völlig Recht, dass die Zahl der 
Subspecies immer wächst, aber sein neues System ändert daran 
garnichts! Bei ihm würden eben die „Formen“ seiner „Formen- 


Über die Bedeutung der Kleinschmidt’schen Formenkreise. 215 


kreise ins Unendliche wachsen, was ja doch ganz dasselbe wäre! 
Einen Vorteil bringt also sein System auch hier nicht. Ich 
kann auch absolut keine Vereinfachung, sondern nur eine schwere 
Neubelastung der Nomenklatur in seiner Theorie erblicken. Die 
Verminderung der Genera kann man ganz ebensogut mit der 
alten Nomenklatur als mit seiner neuen herbeiführen. Der Autor 
erklärt die neuen Formenkreisnamen für nötig aus folgenden 
Gründen: | 

I. Der Speciesbegriff sei zu eng. — Darauf antworte ich, dass 
wir ihn weiter fassen können und als Ergänzung die Unterarten ein- 
geführt haben. Kleinschmidt fügt hinzu ‚denn der Begriff Formen- 
kreis geht weit über den Begriff Species hinaus‘‘,woraufich entgegne, 
dass er dann etwas künstliches ist, (wie die Gattung!) und daher 
nicht die „natürliche‘‘ Art ersetzen kann und darf. 

II. Subgenus und Formenkreis sei nicht gleichzusetzen, 
„denn oft gehörten Tiere, die sich zum Verwechseln nahe stehen, 
verschiedenen Formenkreisen an.‘ — Ich entgegne, dass dieser 
Thatsache durch die Trennung der Art und Unterart mit bi- und 
 trinärer Nomenklatur in gleichem Masse Rechnung getragen wird. 

Ill. Wir brauchten feststehende Bezeichnungen, denn die 
Nomenklatur schwankte oft wegen ungenügender Arbeit der 
alten Autoren. — Hierauf ist zu entgegnen, dass man durch 
sorgfältiges Arbeiten allmählich eine feststehende Nomenklatur zu 
schaffen bemüht ist, und dass das Uebel einzelner schwankender 
Namen doch unendlich viel kleiner ist, als die Einführung zahl- 
loser neuer Namen, die — was noch schlimmer ist! — den alten 
so zum Verwechseln ähnlich sehen, dass der klarste Kopf aus 
dem Chaos nicht mehr würde herausfinden können. Wer kann 
aus tausenden von Namen wie Alauda cristata, Alauda galerita 
und Galerita eristata das rechte herausfinden, wer kann zwischen 
zahllosen Namen wie Alauda Thekla und tiheklae unterscheiden, 
wer den Unterschied der Art Alauda arvensis und des Formen- 
kreises Alauda Arvensis erkennen, wenn er nicht die Schrift 
vor sich hat, und das grosse A bemerkt? Wie kann solch eine 
Schreibweise allgemeine Anerkennung finden, da sich die allge- 
meine Kleinschreibung der Artnamen noch nicht einmal durch- 
gehend eingebürgert hat? 

Ich kann also, trotz langen Erwägens ohne Vorurteil gegen 
die neue Theorie, zu keinem andern Resultate kommen als dem, 
dass die von Kleinschmidt an genanntem Orte vorgeschlagene 


216 Ernst Hartert: 


„Formenkreistheorie“ keinerlei Vorteil vor der Subspeciesein- 
teilung hat, in ihrer Nomenklatur verfehlt ist und den natürlichen 
Verhältnissen keineswegs besser Rechnung trägt als unsere 
immer allgemeiner werdende Einteilung in Species und Sub- 
species. Die letztere ist vielmehr berufen „auch dem Forscher, 
der nicht unser Steckenpferd reitet, verständlich zu sein, und 
ihm kurz und klar die Resultate unserer Arbeit an die Hand 
zu geben.‘ 

Trotz dieser Überzeugung glaube ich, dass die Klein- 
schmidt’sche Theorie einer thatsächlichen von ihm klar erkannten 
Notwendigkeit entsprungen ist, die nur noch von wenigen Orni- 
thologen in ihrer ganzen Bedeutung erfasst wird, nämlich der 
Erkenntnis, dass der Artbegriff noch immer zu altväterlich pe- 
dantisch, und zu eng gefasst wird, oder mit andern Worten, 
dass in fast zahllosen Fällen eine Menge der sogenannten Arten 
als Unterarten zu einer Art, oder sagen wir zu einem Formen- 
kreise, vereinigt werden müssen. Dieser Gedanke ist allerdings 
schon uralt. Aus ihm entsprang die Polemik eines Gloger und 
J. H. Blasius gegen die Brehm’schen Subspecies, die freilich 
nicht das waren, was wir heute so nennen. Aus ihm entspraug 
Vieles in Radde’s Ornis Caucasica, das von andern Ornithologen 
nicht angenommen wird, aus ihm die zusammenfassende Behand- 
lung so vieler Formen in Gadow’s vielgetadelten Bänden im 
„Catalogue of Birds“. Alle diese Männer gingen von ganz ver- 
nünftigen und richtigen Grundideen aus, aber die meisten von 
ihnen sahen nicht ein, dass die Wissenschaft fordert, dass man 
auch beachtet und unterscheidet, was nicht artlich getrennt 
werden kann. Es war immer die alte unselige Frage, ob Art 
oder nicht! Das Wort, dass man eine Form nicht anerkennen 
dürfe, weil sie mit einer andern durch „Uebergänge verbunden“ 
sei, oder weil „die Unterschiede zu gering“ seien, ist tausendfach 
ausgesprochen worden. Heute ist das anders! Wir unterscheiden 
eben — und Kleinschmidt ist gerade darin mutig vorwärts ge- 
gangen — die subtilen geographischen Formen, auch wenn es 
Individuen giebt, die sich nicht sicher mit unsern subspecifischen 
Namen titulieren lassen, auch ohne dass wir sie „Species‘ nennen, 
als „Subspecies“. Es ist also unsere heutige Auffassung nicht 
die der alten ornithologischen Kämpfer beider Heere, und unsere 
Debatten unterscheiden sich wesentlich von denen vor 50 Jahren, 
obwohl bei der Jubelfeier der D. O. G. in Leipzig gesagt wurde, 


Über die Bedeutung der Kleinschmidt’schen Formenkreise. 217 


dass sie sich um denselben Kernpunkt drehten. Unsere Auffas- 
sung ist aber auch nicht die des alten Brehm, denn er rechnete 
weder mit der indivuellen Variation, noch mit der geographischen 
Verbreitung. So kam es, dass er selbst in den Fällen, wo er 
mit seinem unglaublich geübten, scharfen Blicke Formen erkannte, 
die wir heute allgemein wieder anerkennen, oft falsch bestimmte, 
indem er mit seinen guten neuen Formen ähnliche Individuen 
vereinigte, sodass solch wunderbare Verbreitungen wie „Nubien 
und Renthendorf‘“ entstanden. 

Was wir nun wollen, und in diesem Kernpunkte stimmen 
Kleinschmidt und ich sicherlich überein wie kaum zwei andere 
Ornithologen, ist: vereinigen und trennen zu gleicher 
Zeit, beidesmehralsvorher: vereinigen nämlich zu Species, 
trennen in Subspecies. In wie weitgehender Weise das geschehen 
kann, kommt auf den einzelnen Fall an. Um dies zu thun aber, 
brauchen wir wohl nicht das „Formenkreisschema,“ auch nicht 
als ein Uebergangsstadium, einzuführen. Ich hoffe bald an ver- 
schiedenen Beispielen zeigen zu können, und habe schon der- 
‚gleichen Versuche des öfteren gemacht und veröffentlicht, dass dazu 
unsere trinäre Nomenklatur sehr geeignet ist. Dies aber ist es, 
was mit Kleinschmidt „hundert andre gleichzeitig fühlen.“ Ich 
bin überzeugt, dass Kleinschmidt’s Anregung trotz seines meiner 
Meinung nach verfehlten Vorschlages die Augen Vieler öffnen 
wird und einen heilsamen Einfluss auf die Arbeiten Mancher 
haben wird, also keineswegs verdienstlos ist. 

Da ich einmal bei Besprechung jener Arbeit bin, möchte 
ich noch einige mehr nebensächliche darin erwähnte Punkte be- 
sprechen. 

Der Verfasser sagt, die Ornithologie brauchte dann nicht 
mehr alten Speciesnamen nachzuspüren. Es leuchtet mir nicht 
ein, wieso das durch sein Schema berührt und überflüssig ge- 
macht wird, es sei denn, dass er die neuen Namen willkürlich 
bilden will. Er schlägt auch vor, den „alten Zopf“ des jeweiligen 
Einklammerns und Nichteinklammerns des Autornamens zu be- 
seitigen und einfach alle Autornamen einzuklammern. Es ist 
darauf zu entgegnen, dass es dann doch besser wäre, den Autor 
garnicht einzuklammern, wie es Viele thun, da doch immer eine 
Klammer eine Belastung ist, die ohne Grund nie da sein sollte. 
Es ist aber nicht schwer, seit der „Catalogue of Birds“ und die 
neue „Handlist“ und ähnliche Werke, sowie Verzeichnisse, an 

Journ. f£, Orn. XLIX, Jahrg. Januar 1901. 15 


218 Ernst Hartert: 


die man sich halten kann, fast allen Ländern vorliegen, 
bei Monographien und dergl. den „alten Zopf‘ beizubehalten, 
der doch auch viel Bequemes an sich hat, während es ja jedem 
Schriftsteller bei andern Arbeiten unbenommen bleibt, die 
Klammern, oder noch besser den Autor überhaupt, fort- 
zulassen. Es wäre, nach K. Jordans Vorschlag im allgemeinen 
überhaupt nutzbringender, namentlich seit Bestehen der Jah- 
resberichte, das Jahr der ersten Publication statt des Autors 
zuzufügen, um sofort die betreffende Bücherstelle zu finden. !) 

Herr Kleinschmidt erwähnt auch die von Palaeontologen kon- 
struierten „Formenreihen“ von Molluskenschalen. Solche lassen 
sich allerdings mit der grössten Wahrscheinlichkeit phylogenetischer 
Richtigkeit aufstellen, was dagegen von den „Formenketten“ 
lebender Formen der Herren Sarasin nicht gesagt werden kann. 
Während bei den Fossilen aus den sie bergenden Schichten ihr 
Alter und ihre Reihenfolge hervorgeht, kennen wir den wahren 
Zusammenhang der heutigen Formen nicht, und gerade die 
Steinheimer Planorben zeigen, dass die nach der äusseren Ge- 
stalt gebildeten Reihen nicht immer phylogenetisch sind, da die 
ältesten und neuesten Schichten einander sehr ähnliche Formen 
bergen, während der Kulminationspunkt in der Mitte liegt.?) 

Was die Kawraiskysche Klassification der Lachse betrifft, 
so scheinen mir diese Entdeckungen nicht so sehr wunderbares 
zu enthalten, denn wir wissen, wie sehr die Lachs- und Forellen- 
arten zur Bildung lokaler Formen hinneigen, sodass sogar die 
verschiedenen Lochs und Seen in Schottland verschiedene Formen 
beherbergen, die nur die alte starre Artsystematik für mehr als 
Subspecies ansehen kann, und die Kawraiskyschen Entdeckungen 
können keinem „trennenden und splitternden Systematiker“ un- 
angenehm sein, da sie sich treffllich in das Subspecies-Schema 
einfügen, ohne dass wir zu ihrem Verständnisse einer neuen 
Systematik bedürfen. 


Nachschrift. 


Obiger Artikel wurde im Spätherbst 1900 geschrieben. 
Seitdem ist nun Herr Kleinschmidt’s hochinteressanter und wert- 


1) S. Ann. Mus. Civ. Genova XXXVIII p. 624. 
2) Vergl. Sitzungsber. Ges. Nat. Freunde Berlin 1899 p. 206. 


Über die Bedeutung der Kleinschmidt’schen Formenkreise. 219 


voller Artikel: „Der Formenkreis Falco Hierofalco und die 
Stellung des ungarischen Würgfalken in demselben“ in der 
„Aquila“ erschienen, der zum ersten Male die l’ormenkreistheorie 
des Verfassers praktisch anwendet. Ich nenne die Arbeit nicht 
etwa aus schriftstellerischer Höflichkeit hochinteressant und 
wertvoll, sondern mit vollster Ueberzeugung, denn sie that das, 
woran man sich in der Ornithologie (und vielleicht noch mehr 
beim systematischen Studium anderer Tierklassen als der Vögel) 
bisher nur selten und schüchtern oder ungeschickt gewagt hat: 
nämlich sie wendet die seit Darwin in der Theorie Allgemein- 
gut gewordene Entwicklungslehre auf das praktische System an. 
Dass ich in dieser Nutzanwendung völlig mit dem Autor über- 
einstimme, zeigen meine eben erscheinenden Arbeiten (meist ge- 
meinsam mit Dr. Rothschild, teils mit Herrn Kleinschmidt ver- 
fasst,) in den Novitates Zoologicae. 

Allein ich kann nur wiederholen, was ich oben auseinander- 
gesetzt habe: Die neue Form der Nomenklatur kann ich nicht 
billigen. Nicht etwa, weil ich Neuerungen abhold bin — im 
‚Gegenteil begrüsse ich jede Neuerung mit eifrigster Freude, 
sofern sie einen Fortschritt bedeutet, denn die Wissenschaft muss 
fortschreiten, wenn sie nicht zurückgehen soll. Stillstand be- 
deuted Rückschritt. Indessen sehe ich nur neue Beunruhigung 
in diesem System, neue nomenklatorische Kämpfe ohne Not, eine 
unnötige Ueberbürdung der Namen. Wenn es, wie Kleinschmidt 
sagt, derselbe Falk ist, der hoch im Norden im weissen Schnee- 
gefieder der eisigen Kälte trotzt, kleiner und dunkler in Farbe 
in Skandinaviens Gebirgen haust, im braunen Kleide die russischen 
Steppen durcheilt, lebhaftere Farben an den Küsten der blauen 
Adria trägt, blass und zart im Gefieder den Saum der Sahara 
bewohnt, bunter die südafrikanischen Gefilde, und wiederum 
brauner von den Minarets der Taj Mahal berabschaut, wo er 
als Falco juggur bekannt ist, so ist kein Grund vorhanden, warum 
wir nicht eingestehen sollen, dass alle diese Falken, ungeachtet 
der „specifischen“ Namen die sie erhalten haben, als Unterarten 
zu einer Art zu rechnen sind. Wir brauchen nur kühn vorzu- 
gehen und den von den Systematikern pedantisch eng gefassten 
und verhunzten Artbegriff naturgemässer, umfassender, im Lichte 
der Wahrheit der Entwicklungslehre zu betrachten. Mit der 
Einführung eines neuen Begriffes, dem des „Formenkreises“ 
(siehe oben), und einer Unzahl neuer, grossgeschriebener, aus 

15* 


320 F. Henriei: 


brachliegenden Bezeichnungen ausgewählter Namen für solche 
Formenkreise wird unsre Erkenntnis nur verdunkelt, unsre 
Kühnheit bemäntelt! Wenn wir den ältesten sicheren Namen 
einer dieser Falkenformen feststellen und ihn für den „Formen- 
kreis“, d. h. die Art im naturgemässeren, weiteren Sinne an- 
wenden, alle andern Subspecies in trinärer Nomenklatur damit 
vereinen, so vereinfachen wir den Namenapparat und erreichen 
wissenschaftlich ganz dasselbe. Auch bei Kleinschmidt’s Methode 
kommen wir dahin, etwa zwei Drittel aller Vögel trinär zu be- 
nennen, wie es sich gehört. Die binäre Nomenklatur verschwindet 
nicht, aber sie wird ergänzt durch die trinäre, und jeder ein- 
sichtige Forscher wird bald zugeben müssen, dass die Zahl der 
lokalen trinär zu benennenden Unterarten grösser sein muss als 
die der starren, nur binär zu benennenden einzelnen Arten. 


Was verstehen wir unter logischer Naturbeschreibung? 
Von Dr. F. Henrici. 


(Vergl. dazu Fritz Braun, die deutschen Meisen, ein Versuch 
logischer Naturbeschreibung. Orn. Monatsberichte 1900 S. 129 ff.) 


Der Verfasser des angeführten Artikels geht mit der or- 
nithologischen Wissenschaft, so wie sie bis dato betrieben ist, 
scharf ins Gericht. Die bisherige Naturbeschreibung genügt ihm 
nicht, er verlangt nach einer Naturerklärung. In den bio- 
logischen Kapiteln von Brehms Tierleben (dieses ist doch wohl 
zweifellos gemeint!) findet er nur „Worte, aber keine Spur einer 
klaren durchsichtigen Gedankenarbeit eines logisch geschulten 
Verstandes.“ Wie Färbung und Fortpflanzung, Lebensweise, 
Verbreitung und Kopfzahl einer bestimmten Vogelart von 
einander abhängen, — „die Kausalität des tierischen Lebens,“ 
— das vermisst Braun bei allen Schriftstellern. Er meint, 
Männer wie Altum hätten sich dem zwar genähert, aber dies 
Ziel zu erreichen, sei auch ihnen nicht vergönnt gewesen. 

Braun macht darauf einen Versuch — wie er sagt, — in 
welcher Weise er die von ihm gerügten Mängel zu beseitigen 
gedenkt, und zeigt an einem praktischen Beispiel, den deutschen 
Meisen, wie der ornithologische Schriftsteller Leben und Weben 
einer Vogelgruppe darstellen soll. 


Was verstehen wir unter logischer Naturbeschreibung? 221 


Wenngleich Braun seine Arbeit nur für einen Versuch aus- 
giebt und Irrtümer für nicht ausgeschlossen hält, so gewinnt 
man nach den von ihm gemachten einleitenden Bemerkungen 
doch die Ansicht, dass er das hohe Ziel, welches die Ornithologie 
erstreben muss, und welches — nach Brauns Ansicht — Männer 
wie Brehm und Andere garnicht erkannt haben, welches ferner 
ein Altum, der sich demselben beträchtlich genähert, auch noch 
nicht erlangt hat, — nunmehr erkannt und erreicht oder doch 
nahezu erreicht zu haben vermeint. 

Ich meine aber, eine solche Auffassung von der Lage der 
Dinge dem Leser suggerieren zu wollen, ist ebenso anspruchs- 
voll wie auch als misslungen zu betrachten. 

Die Ornithologie ist seit jeher durchaus nicht — wie Braun 
meint — immer dieselbe geblieben. Abgesehen davon, — in 
diesem Punkte sind wir einer Meinung — dass die Wissenschaft 
stets fortgeschritten ist, und besonders in neuerer Zeit sehr viele 
Beobachtungen in unserer Vogelwelt gesammelt sind, so dass wir 
vom Thun und Treiben unserer deutschen Vogelarten schon 
meist ein ziemlich klares Bild haben, unterscheidet sich die 
neuere Naturbeschreibung insofern wesentlich von der älteren, 
dass man nicht alles irgendwie Mitgeteilte und irgendwo in 
Erfahrung Gebrachte leichthin kombiniert, sondern nur eigene 
Beobachtungen und solche anderer einwandsfreier Personen und 
die daraus als unzweifelhaft ergebenden Folgerungen in einem 
Werke zusammenstellt. Zu grosse Irrtümer und fälschlich ge- 
zogene Schlüsse haben diese Vorsicht erheischt. Im Allgemeinen 
lässt sich daher wohl der Satz aufstellen, dass, je älter ein 
naturwissenschaftliches Werk ist, es um so mehr Irrtümer ent- 
hält. Diese gründen sich, wie schon angedeutet, teilweise auf 
leichtfertig mitgeteilte Beobachtungen von Leuten, denen es mehr 
darauf ankam, Aufsehen zu erregen als die einfache, dem Sen- 
sationsbedürfnis oft nicht Rechnung tragende Wahrheit zu sagen, 
teilweise aber auf eigene Reflexionen, die nun infolge des ersten 
Umstandes um so irriger ausfallen mussten und deshalb nahezu, 
wenn nicht völlig, wertlos waren. Allerlei Legenden und Mythen 
fanden Platz, und daran knüpft der Verfasser wieder seine Be- 
trachtungen und sucht nach Erklärungen für die mitgeteilten 
Vorgänge, dabei seiner Phantasie den weitesten Spielraum lassend. 
Ein Blick in irgend ein altes naturwissenschaftliches Werk wird 
jeden hiervon überzeugen. 


222 F. Henriei: 


Deshalb ist die neuere Zeit nicht nur hoch zu schätzen, weil es 
dem unermüdlichen Fleisse und Forschungstriebe von Männern 
wie Brehm, Naumann, Altum u. A. und noch vieler unter den 
Lebenden weilenden gelungen ist, mannigfache ungeheuer wichtige 
Beobachtungen in der Natur zu machen, die uns allerdings 
vieles vom Leben und Weben der Vögel erklären, sondern 
besonders auch deshalb, weil man immer kritischer zu Werke 
geht und immer mehr dahin gelangt, nur die wirklichen, 
authentisch feststehenden Beobachtungen mitzuteilen, 
die allerdings dann, wenn sie in gehörigem Masse gemacht sind, 
Schlussfolgerungen zulassen, weil sie eben durch die gemachten 
Beobachtungen bewiesen werden.!) 


So allein können wir m. E. allmählich zu der Erkenntnis 
der Natur gelangen und Aufklärung über ihre oft geheimnis- 
vollen Vorgänge erhalten. Ob es der Mensch aber jemals dahin 
bringen wird, für Alles, was uns in der Natur entgegentritt, 
auch die richtige Erklärung zu finden, — das wage ich nicht 
zu entscheiden, jedenfalls ist die heutige Zeit noch lange nicht 
so weit, über alles, was sie erlebt, eine richtige Erklärung 
abzugeben. 


Wir sollten uns daher, wie gesagt, freuen, dass man in den 
modernen ornithologischen Lehrbüchern immer mehr nur einer 
Beschreibung der nachgewiesenen Natarvorgänge huldigt und sich, 
wenn sie sich nicht aus denselben zweifellos ergeben, aller 
Erklärungen enthält, die nur allzu leicht dahin neigen, mehr die 
Früchte einer reichen Phantasie zu sein als dass sie der Wirklich- 
keit entsprechen. Zum mindesten aber muss verlangt werden, dass 
man solche sog. Erklärungen, die auf reinen Hypothesen beruhen, 
als Vermutungen kennzeichnet, sie aber nicht auf gleiche Stufe 
stellt mit unzweifelhaften, allseitig anerkannten Thatsachen. 
Denn anderenfalls kann ein solcher — selbstverständlich optima 
fide — falsch gezogener Schluss, der sich ja nun in nichts mehr 
von den wirklichen Thatsachen unterscheidet, wieder weitere 
Trugschlüsse zeitigen, sodass das Übel immer grösser wird, und 
die logische Naturbeschreibung — im Sinne Brauns — wird 
der Ursprung einer Reihe unrichtig erklärter Vorgänge. 


2) Ein hervorragendes Beispiel hierfür aus neuester Zeit bildet das 
Werk Dr. E. Rey’s, Die Eier der Vögel Mitteleuropas. 


- Was verstehen wir unter logischer Naturbeschreibung? 223 


Dahin würden wir aber kommen, wenn man dem Vorschlage 
Brauns und seinem Beispiele folgen würde. Finden lassen sich 
irgendwelche Erklärungen für uns in der Natur entgegentretende 
Vorgänge in vielen Fällen zwar recht bald, es kommt jedoch 
nur darauf an, ob sie auch richtig sind, d. h. ob sie zweifellos 
der Wirklichkeit entsprechen. Viel schwieriger dagegen ist es, 
solche Dinge, die sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben, 
wieder auszumerzen, wenn sie sich erst einmal eingeschlichen haben. 

Von dem von Braun in seinem Beispiele angeführten „kausal 
erklärten Thatsachen‘ lässt sich nun m. E. nicht so ohne Weiteres 
sagen, dass sie zweifellos richtig sind. Wir sind eben noch 
nicht so weit, dass wir uns alle Vorgänge in der Natur schon 
jetzt richtig erklären können, wie Braun, der bei dem von ihm 
durchgeführten Beispiele allerdings dazu in der Lage zu sein 
scheint, wenngleich er am Anfang seines Aufsatzes zugiebt, dass 
uns noch mancher alltägliche Vorgang im Vogelleben ein Rätsel 
sei. Diesem Übelstande können wir aber nicht dadurch ab- 
helfen, dass wir nun gewissermassen gewaltsam die uns entgegen- 
tretenden Phänomene zu erklären suchen. Dadurch kommen wir 
nicht weiter, sondern fallen in den Fehler zurück, der in alter 
Zeit leider nur zu häufig gemacht wurde, den aber ein Naumann 
und Brehm und besonders die neueste Zeit gerade möglichst zu 
vermeiden sucht. 

Ich will nur Einiges von dem „Versuch logischer Natur- 
beschreibung‘ Brauns einer Untersuchung unterziehen. 

Er schreibt (S. 132): „Die Färbung des Gefieders ist bei 
den Paridae im wesentlichen durch zwei-Hauptzwecke bedingt. 
Einmal gilt es, die kleinen und wehrhaften Tiere in möglichst 
unaufiällige und unscheinbare Farben zu kleiden, andererseits 
aber mussten die Arten, die sich zur Brutzeit scharf befehden, 
mit Kontrast- d. h. Kampffarben bedeckt werden. Beide Farb- 
kategorieen sind Schutzfarben, nur soll dieser Schutz in dem 
ersten Falle dem ganzen Tier gegen allerlei Raubzeug gewährt 
werden, während es in dem anderen Falle nur gilt, das ver- 
letzbarste Organ des Kopfes, das Auge, gegen die Schnabel- 
hiebe des gleichartigen Gegners zu schützen.“ 

Mir ist es offen gestanden neu, dass unsere deutschen 
Meisen auch nur zum Teil in möglichst unauffällige und un- 
scheinbare Farben gekleidet sind. Diese Vögel gehören im Gegen- 
satz zu den meisten anderen deutschen Kleinvögeln zu den 


224 F. Henriei: 


prachtvoll und daher am auffallendsten gefärbten. Die Schwanz- 
meise, die nach Brauns Ansicht am wenigsten Kampffarben (d. h. 
Kontrastfarben) hat, erscheint mir mit ihrem weissen Kopf, ihrer 
dunklen Oberseite und dem langen schwarzen, weiss eingefassten 
Schwanz nicht einmal als die am wenigsten auffallend gefärbte 
deutsche Meise, sondern ich möchte dafür die Sumpfmeise halten. 
Aber auch diese mit ihren weissen Wangen und der samtschwarzen, 
mit bläulichem Metallschimmer bedeckten Kopfplatte ist im Ver- 
hältnis zu unseren anderen Kleinvögeln ein schön gefärbtes 
Tier zu nennen, ganz abgesehen von der Kohlmeise, der Tannen- 
meise und der Blaumeise. Wie man daher davon sprechen kann, 
dass bei der Färbung des Gefieders unserer deutschen Meisen 
einerseits der Hauptzweck gewesen sei, die Tierchen in möglichst 
unauffällige und unscheinbare Farben zu kleiden, damit die- 
selben eine Schutzfärbung (in dem von Braun zuerst angegebenen 
Sinne: Schutz vor Raubwild u. s. w.) erhielten, ist mir wirklich 
unerfindlich. Jedenfalls dürfte dann, wenn die Erklärung Brauns 
richtig wäre, die Art der Färbung, wie sie thatsächlich besteht, 
als völlig verfehlt zu betrachten sein. Bei dem Kapitel Schutz- 
färbung (in diesem Sinne) konnte aus unserer Vogelwelt kaum 
ein unglücklicheres Beispiel als die Meisen gewählt werden. Da 
die Meisen thatsächlich Schutzfarben in dieser Richtung durch- 
aus nicht haben, kann auch bei ihrer Färbung nicht der Zweck 
massgebend gewesen sein, ihnen eine Schutzfärbung zu verleihen. 
Braun steht auch mit sich selbst im direkten Widerspruch. 
Er schreibt in einem Aufsatz: „Zur Färbung der deutschen 
Sperlingsvögel,“!) in dem er die Sperlingsvögel inbezug auf ihre 
mehr oder weniger hervorragende Färbung einteilt: In der 
dritteu Klasse endlich werden wir jene Species vereinigen, die 
infolge ihrer ganzen Lebensart oder wegen ihrer winterlichen 
Thätigkeit im entblätterten Astwerk einer beständigen Deckung 
entbehren. Unter dieser Species finden wir die schönsten 
Vogelarten unseres Vaterlandes.“ ..... (Unter anderen zählt 
Braun hier auch die Meisen auf.) 
und S. 36: Bei den ungeschützten Arten, die einer starken 
Lichtwirkung ausgesetzt sind, finden wir die schönsten Schmuck- 
und Kontrastfarben. ... . In besonders hoher Vollendung finden 


!) s. Orn. Monatsberichte 1900, S. 35 u. 36. 


Was verstehen wir unter logischer Naturbeschreibung? 225 


wir solche Zeichnungen bei den Paridae, Motacillidae, Laniidee, 
Sazxicolae u. a. m.“ 

Ausserdem führt Braun (8. 133 unten) unter den Feinden 
der Meisen in zweiter Linie den Sperber auf, dem dieselben 
häufig wegen ihrer geringen Flugfähigkeit zum Opfer fielen. 
Ich glaube, dass ebenso die auffallende Färbung der Meisen ein 
gutes Stück mit dazu beiträgt, den Feind auf sie aufmerksam 
zu machen. Jedenfalls bekundet auch Braun durch Anführung 
dieser Thatsache, dass es mit der Schutzfärbung der Meisen doch 
wohl nicht so sehr viel auf sich hat. 

Was nun aber den zweiten von Braun für die Färbung der 
Meisen angegebenen Grund angeht, so erscheint mir derselbe 
nicht minder haltlos als der erste. 

Die Gedanken, die Braun hinsichtlich der Färbung der 
Vögel in Beziehung auf die geschlechtliche Zuchtwahl uns mit- 
geteilt hat,!) bilden doch zunächst nur rein theoretisch aufge- 
stellte Hypothesen, die vorläufig noch durchaus unbewiesen sind, 
die auch mehr als einen Zweifel aufkommen lassen, also für 
 wissenschaftliche Naturbeschreibung, wie sie in einem syste- 
matischen Lehrbuch Platz finden soll, einen praktischen Wert 
doch wohl höchstens insofern haben, als man ihrer erwähnen 
könnte mit dem Hinweise, dass es sich eben um Hypothesen 
handelt. Keinesfalls aber dart man m. E., wie Braun es in seinem 
Versuche thut, eine solche Darstellung geben, als ob alles klipp 
und klar wäre. 

Um auf die Sache selbst zu kommen, muss ich mit wenigen 
Worten auf den Aufsatz Brauns: „Zur geschlechtlichen Zucht- 
wahl der Sperlingsvögel‘“ eingehen.) Er stellt dort den Satz 
auf, dass” die Färbung (ausser Gesang und Hochzeitstanz) einen 
grossen Einfluss auf die geschlechtliche Zuchtwahl der Vögel 
ausübe, und zwar dass die Kontrastfarben (um solche handelt es 
- sich bei den Meisen) auf die Rivalen desselben Geschlechts 
berechnet seien. Er schreibt dann weiter (S. 296): „Wo nicht 

weithin hörbar, sind die Tierchen (nämlich die Meisen; auch 
hier benutzt Braun diese als Beispiel) zur Paarungszeit, da sie 
sich unbesonnener als sonst exponieren, wenigstens weithin 
sichtbar. Ihre leuchtenden Farben [sic! vergl. dazu die im 
kritisierten Artikel aufgestellte Behauptung: Schutzfärbung im 


1) s. Journal für Ornithologie 1899, S. 293 ff. 


226 FF. Henriei: 


ersten Sinne] rufen die Nebenbuhler herbei und dienen dann 
in dem Streit um den Besitz der Gattin zugleich als Kampf- 
mittel.“ 
leider teilt uns Braun nicht mit, in welcher Weise solch 
ein Streit, in dem die Farben Kampfmittel sind, ausgefochten 
wird. Ich kann mir davon auch keine rechte Vorstellung machen, 
zumal nicht etwa das Weibchen dem ihm am schönsten dünkenden 
Männchen die Hand reichen soll, sondern die Kontrastfarben 
nur auf die Rivalen desselben Geschlechts berechnet sein sollen. 
Die Kontrastfarben -— es handelt sich hier insbesondere 
um den Augenstreifen — sollen aber auch zugleich Schutzfarben 
sein, allerdings in ganz anderer Weise wie in der vorhin statt- 
gehabten Erörterung: sie sollen nämlich das Auge gegen Schnabel- 
hiebe des gleichartigen Gegners schützen. Wie Braun sich die 
Sache gedacht hat, geht am besten aus seinen eigenen Worten 
hervor:!) „Bewegt man eine Fläche, auf der zwei verschieden- 
farbige Bänder nebeneinander herlaufen, hin und her, so ver- 
schwinden für die Gesichtsempfindung des Beschauers die 
Grenzen der Farben und es entsteht eine gemischte Farbe, 
in der man keinerlei Einzelheiten unterscheiden kann. Kämpfen 
also zwei so gezeichnete Individuen mit einander, so wird diese 
Farbenanordnung einen sehr. wichtigen Schutz für die Augen 
der Kämpfer bilden, und die Gefahr, dass dieselben der Ziel- 
punkt feindlicher Stösse werden, sehr wesentlich verringern.“ 
Bei dieser Ausführung müssen wir uns nun fragen: Wenn 
zwei Meisen auf einander einhacken, gerät da wirklich der Kopf 
in eine derartig schnelle Bewegung, dass der Augenstreifen und 
mit ihm das Auge in der Gesamtfläche der Wange sozusagen 
verschwindet? Hat es die Meise bei derartigen Kämpfen über- 
haupt gerade auf das Auge des Gegners abgesehen? Ferner, 
geniessen nicht — wenn man die Ilypothese als richtig annimmt 
— beide Kämpfer in gleicher Weise den Vorteil der Schutz- ° 
färbung? Es handelt sich doch um Rivalen desselben Ge- 
schlechts von gleicher Art, und da lässt sich doch wohl 
kaum annehmen, dass die Augenstreifen individuell verschieden 
sind, also für die gedachte Kampfesweise geeigneter oder unge- 
eisneter sein sollen. Selbst wenn man aber dies noch annehmen 
sollte, so würde bei der angenommenen überaus schnellen Be- 


1) 5. Journal für Ornithologie 1899, 8. 297. 


Was verstehen wir unter logischer Naturboschreibung? 227 


wegung ein Unterschied wohl nicht ins Gewicht fallen. Die 
Verteidigunsmittel würden in diesem Punkte also gleich sein und 
A ist also so gut vor B geschützt bezw. nicht geschützt wie 
B vor A. 

Und wie steht es dabei nun mit der gesamten übrigen 
Färbung des Vogels, die bei dieser Erklärung ja ganz ausser 
Acht gelassen ist, denn hier handelt es sich im Wesentlichen 
doch nur um den Augenstreifen, höchstens noch um die übrige 
Färbung des Kopfes? 

Ich halte diese ganze Lehre Brauns für derartig gesucht 
und gekünstelt, dass sie, wenn sich in Zukunft nicht noch weitere 
Argumente für ihre Richtigkeit beibringen lassen, durchaus 
keinen Anspruch auf eine logische Brklärung für die vorhandenen 
Thatsachen machen kann. 

Deshalb ist es auch zu verurteilen, solche überaus gewagten 
Krklärungen für uns in der Natur entgegentretende Erscheinungen 
ohne Bedenken in ein systematisches logisches Lehrbuch hinein- 
tragen zu wollen. 

Aber auch noch manche andere „kausal erklärte That- 
sachen“ in dem gegebenen Beispiel geben zu Bedenken Ver- 
anlassung, 

Ich will noch auf einige hinweisen, Braun schreibt (8. 132): 

„So könuen denn die Meisen neben anderen Arten zum Be- 
weise dafür dienen, dass Nahrungsbedürfnisse den winterlichen 
Zug veranlassen.“ 

Wenn auch die Nahrungsfrage inbezug auf den Zug viel- 
leicht eine wichtige Rolle spielt, so ist das Nahrungsbedürfnis 
der Vögel doch gewiss keineswegs die alleinige Veranlassung. 
Man deuke nur an die häufig gemachte Beobachtung, dass die 
Mauersegler stets zu derselben Zeit abziehen, ganz gleich, ob hier 
das herrlichste heisse Wetter wie vor ihrer Abreise oft noch 
wochenlang nachher anhält. Die Nahrungsverhältnisse haben 
sich da gewiss in keiner Weise geändert. Ebenso ist es mit den 
Störchen, die gegen Ende August uns bereits verlassen und ge- 
wiss noch ein bis zwei Monate lang vollauf Nahrung in unseren 
Breiten finden würden. Solcher Beispiele giebt es noch viele, 
Die über dieses Thema von Dr. Deichler gemachten Ausführungen, t) 


1) 8. Journal fur Ornithologie 1900, 8. 106 ff. 


228 F. Henriei: 


die m. E. die Ansicht Brauns völlig widerlegt haben, scheinen 
diesen nicht überzeugt zu haben. 

Sodann weiter (S. 132): „Da ihre geringe Grösse der Wärme- 
erhaltung recht hinderlich ist, sind die Meisen zumeist Höhlen- 
brüter und Höhlenschläfer.“ 

Vorder- und Nachsatz sind gewiss an sich unstreitbar 
richtig, aber die Kausalität, die Braun bei anderen ornithologischen 
Schriftstellern vermisst, möchte ich auch hier wieder wie an 
noch vielen anderen Stellen in den Ausführungen Brauns ver- 
mieden sehen. Könnten nicht die jungen Meisen ebenso wie 
Zeisige, Stieglitze, Hänflinge und viele andere vor den etwa ein- 
tretenden Unbilden der Witterung durch ihre Eltern geschützt 
werden, wenn die Meisen Freinister wären? 

Würden aber die Meisen, die doch harte Winter bei uns 
durchhalten, und in denen — selbst nach Brauns Ansicht — 
der Rauhfrost und der damit verbundene Nahrungsmangel, 
nicht aber die Kälte ihr Hauptfeind ist, nicht auch als 
Freinister zu jener Jahreszeit, in der sie zur Brut zu schreiten 
pflegen, die Temperatur bei uns ertragen? — Fraglos! 

Es dürfte noch manches von den Ausführungen Brauns in 
seinem „Versuch logischer Naturbeschreibung“ zu einer Kritik 
Veranlassung geben, doch ich glaube, dass das Angeführte ge- 
nügen wird, um zu beweisen, dass Braun in seiner bisher in der 
Naturbeschreibung vermissten und nun von ihm vorgeschlagenen 
Naturerklärung etwas über das Ziel hinausgeschossen hat. Ob 
die Naturbeschreibung in der Art und Weise, wie Braun sie 
wünscht, logischer genannt werden kann als die, bei welcher er 
ein logisches Durchdringen des Stoffes vermisst, das zu entscheiden, 
überlasse ich dem Leser. 

Ich erkenne den Wert solcher anregender Betrachtungen, 
wie sie Braun geboten hat, an sich durchaus an, denn es ist 
sicherlich für die Wissenschaft von Nutzen, dass Vorgänge in 
der Natur, die wir noch nicht zu erklären vormögen, einer Unter- 
suchung unterzogen werden. Indessen gehören aber solche noch 
zu keinem Abschlusse gediehenen Betrachtungen, die teilweise 
nicht nur unbewiesen sind, sondern sogar eine Widerlegung zu- 
lassen, durchaus nicht in ein Lehrbuch, (beispielsweise in eine 
Naturgeschichte der deutschen Vögel), wie Braun es in seinem 
Aufsatze verlangt. Dagegen sind in den Fachzeitschriften solche 
zur erneuten Beobachtung und zum Suchen nach dem wahren 


Was verstehen wir unter logischer Naturbeschreibung? 229 


Zweck der Naturvorgänge anregende Aufsätze dem Leser will- 
kommen. 

Wenn aus dem von Braun angegebenen Grunde, dass eine 
Naturerklärung in mancher Hinsicht vermisst wird, der Eine 
oder Andere der ornithologischen Wissenschaft fernnleibt, so mag 
er ruhig ausserhalb ihrer Hallen stehen und sich einer anderen 
Wissenschaft, beispielsweise der Mathematik zuwenden, in der 
jeder Satz sich auf einen andern aufbaut, und wo er vielleicht in der 
für jeden Satz vorhandenen Erklärung seine Befriedigung finden 
dürfte. Beobachten wir nur fleissig in dem grossen Reiche der 
Natur nach Art unserer berühmten Lehrmeister, so werden wir 
immer mehr in die Geheimnisse derselben eindringen und ihr 
Wesen verstehen lernen. Dann wird uns auch der Stoff weniger 
spröde erscheinen und der Zweck ihrer Einrichtungen wird uns 
mehr und mehr verständlich werden. 

Das Wesen einer logischen Naturbeschreibung kann nicht 
darauf beruhen, für jeden Vorgang in der Natur irgend eine 
Erklärung herbeizuschaffen, die heute eben doch nur noch allzu 
. oft unzureichend und widerspruchsvoll ausfallen muss. Logische 
Naturbeschreibung kann u. E. nur darin bestehen, dass abgesehen 
von einer klaren und richtigen Anordnung des Stoffes die uns 
in der Natur entgegentretenden Phänomene erklärt werden, so- 
weit wir dazu fähig sind, und zwar müssen diesen Erklärungen 
foigerichtig gezogene Schlüsse zu Grunde liegen, die das Er- 
gebnis langjähriger und immer wieder von neuem gemachter 
Beobachtungen sind, und die als völlig einwandsfrei uns voll- 
kommen zu überzeugen vermögen. 


250 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 
Von Dr. L. v. Lorenz und ©. E. Hellmayr. 


Diese Arbeit beruht auf einer Sendung von Vogelbälgen 
aus einer Gegend des südlichen Arabiens, die in ornithologischer 
Beziehung nahezu ganz unbekannt war. Wir verdanken die 
kleine, aber interessante Collection Mr. G. W. Bury, der im 
Auftrage der „Südarabischen Commission“ der kais. Akademie 
der Wissenschaften vom November 1899 bis Februar 1900 zum 
Zwecke der Aufsuchung altarabischer Inschriften eine Expedition 
nach Bayhän!) unternommen hatte, auf welcher aber auch 
einige zoologische Objecte und unter diesen die genannten ge- 
sammelt wurden. Durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. D. 
H. Müller gelangten dieselben in das Wiener Hofmuseum. 

Ausser sechs von uns für neu gehaltenen Arten enthält 
die Sendung noch eine Anzahl Formen, die bisher für das süd- 
liche Arabien noch nicht nachgewiesen waren. Wir haben die in 
der letzten Arbeit OÖ. Grants (VII) noch nicht erwähnten Arten 
durch einen Stern kenntlich gemacht. Schliesslich ist es uns 
eine angenehme Pflicht, sowohl Herrn Prof. Reichenow, der die 
Prüfung der neuen und zweifelhaften Arten in liebenswürdiger 
Weise übernahm, als auch Herrn Prof. Müller, der sich um die 
Transscription und Übersetzung der in Mr. Burys Sammelnotizen 
enthaltenen arabischen Namen mit freundlicher Bereitwilligkeit 
bemühte, unsern verbindlichsten Dank auszusprechen. Die unter 
Anführungszeichen gesetzten Bemerkungen in englischer Sprache 
stammen von Mr. Bury. Die durch Herrn Prof. Müller erhaltenen 
Zusätze haben wir durch eckige Klammern gekennzeichnet. 

Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, alle auf unser Gebiet 
bezüglichen Litteraturangaben der Arbeit vorauszuschicken: 

I. Yerbury, On the birds of Aden and the Neighbourhood in: 
Ibis 1886, p. 11 ff. 

II. Barnes, On the birds of Aden in: Ibis 1896, p. 57 und 165. 

1lI. Yerbury, Further notes on the Birds of Aden in: Ibis 1896. 
p=1s: 

IV. Hawker, List of a small collection of birds, made in the 
Vieinity of Lahej in: Ibis 1898. p. 374. 

V. Grant, Oedicnemus dodsoni n. sp. in: Bull. Br. Orn. Cl. 
v. 66. Nov. 1899. 


1) Bayhän ist eine Landschaft im nordwestlichen Hadramaut. 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 231 


VI. Grant, Telephonus percivali n. sp. in: Bull. Br. Orn. Cl. v. 
69, Febr. 1900. 
VII. Grant, On the birds of Southern Arabia in: Nov. Zool. 
1900, p. 243 und p. 591. 
VIII. Grant, Rhynchostruthus perciwali n. sp. in: Bull. Br. Orn. 
Cl. v. 75, Nov. 1900. 
IX. Lorenz und Hellmayr, Einige neue Arten aus Süd-Arabien 
in: Orn. Monber. 1991, p. 30. 
X. Lorenz und Hellmayr, Noch einige neue Arten aus Süd- 
Arabien in: Orn Monber. 1901, p. 38. 


Amydrus hadramauticus (Lz. u. Hellm.) 

Pilorhinus hadramauticus Lorenz und Hellmayr in: Orn. 
Monber. 1900, v. 9. p. 30. 

No. 108.1) a. $ Yeshbum, 17. Jan. (Typus). 
„68  b.@ Yeshbum 26. Dec. 

Dieser Star steht, wie wir nachträglich sahen, dem Amydrus 
iristrami Sh. noch näher als dem A. cgffer L., besitzt wie dieser 
die einfarbig zimmtbraunen Schwingen, doch ist die Färbung 
besonders auf der Innenfahye lebhafter und mehr rötlich. Hand- 
decken einfarbig schway,, ohne jedes Zimmtbraun. Auch der 
Glanz der Oberseite, intensiver und mehr violett. Schwanz 
merklich länger. ‚: 

& 2. 140, G/ 112, t. 29, r. 26 mm. 

© ähnlich- dem von A. tristrami aber durch die einfarbig dunk- 
len Handdecl;en verschieden. a. sm. 135, c. 106, t. 29, r. 25 mm. 

Wir können uns nicht entschliessen, die Genera Amydrus, 
Hageops4jy, Pilorhinus und Pyrrhocheira von einander zu sondern, 
denn de Unterschied, dass bei dem einen die Nasenlöcher be- 
deckt, spei dem andern aber frei sind, vermag gegenüber dem 
sonstioen, übereinstimmenden Bau und Färbungscharakter wohl 
kaum in Betracht zu kommen. Wir fassen daher alle in diese 
G&nera gehörigen Arten unter dem ältesten Namen Amydrus 
Cab. zusammen. 


+ 


ö Bisher war noch kein Star für das südliche Arabien nach- 
gewiesen. „Found only in W. — Yeshbum, but one seen on 
former journey near Ansäb. — Diet: in the stomach were quan- 
tities of small flat seeds, also three Scarabeidae.“ 


1) Die Nummern beziehen sich auf Mr. Burys Sammelliste. 


232 L. v. Lorenz und E. C. Hellmayr: 


[,,tayr al-’ Atab‘ = Atab-Vögel; atab ist ein Baum, vielleicht 
Ficus indica. Nach Bury heisst er auch: „Skwwa“. — D. H. Müller.] 


Aedemosyne orientalis Lz. u. Hellm. 


Aedemosyne orientalis Lorenz und Hellmayr in: Orn. Monber. 
1902 9702739. 

Wir haben schon in der angezogenen Mitteilung darauf 
hingewiesen, dass die Vögel Nordostafrikas und Arabiens ver- 
schieden sind von denen aus Westafrika, auf welche allein der 
Name A. cantans (Gm.) zu beschränken wäre. Herr Prof. 
Reichenow, dem unsere Vögel zur Ansicht vorlagen, bestätigte 
nach Untersuchung des reichen Materials im Berliner Museum 
diese Verschiedenheit. 

Der Vollständigkeit halber führen wir die Charaktere der 
beiden Arten hier nochmals an: 

A. calans (Gm.): Ohrgegend und Halsseiten gelbrötlich, 
Kinn, Kehle und Körperseiten blass rostgelb. 

A. orientalis nob. Ohrgegöntl und Halsseiten mehr bräunlich, 
ganze Unterseite weisslich, ohne rossfarbigen Anflug. 

Zu erwähnen wäre noch, dass die "Bänderung der Oberseite 
nach Osten zu deutlicher wird, und liesse. sich vielleicht die 
abyssinische Form von der arabischen trennen; doch da nach 
Prof. Reichenows Mitteilung die Bänderung sehr zu variieren 
scheint, sei vorläufig davon Abstand genommen. 
95. a. ad. Yeshbum, 7. Jan. 

96. b. ad. Yeshbum, 7. Jan. 

Grants A. cantans (VII, p. 246) bezieht, sich wohl ben auf 
unsere Östliche Form, welche aber vielleicht nur subspecifischen 
Rang verdient, da Übergänge zur westlichen wahrscheinlie! ger 
funden werden dürften. 


% 


Hyphantornis galbula (Rüpp.) 


83. a. @ Yeshbum, 2. Jan. 
105. b. @ Yeshbum, 8. Jan. 


„General, very common on the littoral belt. — Diet: Grain 
and various seeds. |[-- Name: „isfir“ —= gelb.]. Its yellow tinge 
gains it this title. It is only however in the male bird that this 
colour is conspicuous.“ 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 233 


*Hyphantornis intermedius Rüpp. (?) 

90. a. d juv. Yeshbum, 6. Jan. a. sm. 72, c. 58 mm. 
Nach Prof. Reichenow vielleicht Junger oder Wintervogel dieser 
Art, welche für Arabien allerdings noch nicht nachgewiesen war. 


*Passer domesticus buryi subsp. n. 


46. a. $ Yeshbum, Dec. 
61. b. 3 Yeshbum, 24. Dec. (Typus). 
52. c. 2 Yeshbum, 21. Dec. 

Die bisherigen Arbeiten über Arabien führen alle einfach 
P. domesticus an, wir haben uns aber durch Vergleich einer 
hübschen Reihe von Sperlingen aus verschiedenen Gegenden über- 
zeugt, dass unsere Vögel einer besonderen Form angehören. 

Bekanntlich werden die Farben des P. domesticus nach Osten 
hin immer heller und die bisher bekannte extremste, d. h. hellste 
Form wurde von Jardine und Selby als besondere Art unter dem 
Namen P. indicus gesondert. Dieser Rang gebürt ihr nun keines- 
wegs, sie stellt vielmehr bloss eine geographische Rasse oder 
_ Unterart dar. Wie unsere Exemplare zeigen, sind die indischen 
Stücke aber nicht die hellsten; der arabische Sperling übertrifft 
sie hierin ganz auffallend. Von P. indicus unterscheidet sich 
unsere Form dadurch, dass der kastänienbraune Augenbrauen- 
streifen nicht sichtbar ist, d. h. die braune Färbung beschränkt 
sich auf die basale Hälfte der Federn, während die Endteile grau 
wie der Kopf sind, und das Braun nicht zum Vorschein kommen 
lassen!). Ferner ist der Kopf bei P. indicus aschgrau, bei dem 
arabischen Vertreter dagegen fahlisabell?2); der Rücken hat die 
charakteristische Zeichnung wie bei P. domesticus, ist aber viel 
heller und lebbafter im Colorit, die braunen Federn des Nackens 
und Oberrückens haben breite isabellgelbe Säume; die Mitte des 
Rückens ist bunt, schwarz und braun gestreift. Bürzel und Schwanz- 
decken nicht graulich wie bei Passer indicus, sondern fahlisabell 
wie der Kopf. Die Brustseiten, bei P. indicus grau, hier fast 
weiss, wie der Unterkörper, überhaupt viel reiner ist. Auch mit 
dem persischen Sperling, der vielleicht gleichfalls einen beson- 
deren Namen verdiente, hat unsere Form einige Ähnlichkeit, da 


1) Dies mag vielleicht bloss im Winterkleide der Fall sein. 
2) Da nur die Wurzel der Federn hellgrau, die Endhälfte dagegen 
blassisabell. 
Journ, f, Orn. XLIX, Jahrg. April 1901. 16 


234 Dr. L. v. Lorenz und C. E. Hellmayr: 


auch bei diesem die Superciliarstreifen nicht oder weniger sicht- 
bar hervortreten, doch ist er, abgesehen von der bedeutenderen 
Schwanzlänge, auch viel dunkler und hierin dem europäischen P. 
domesticus ähnlicher. Mit dem nordostafrikanischen Sperling hat 
unsere Form nichts zu thun, jener schliesst sich eng an den 
Europäer an. 

Auch das 8 ist entsprechend blass, sandfarbig, oben im 
Ganzen isabellgrau, über den Augen entspringt ein rein isabell- 
brauner Streifen, der gegen den Nacken hinzieht, hinter den Augen 
entspringt ein grauer Streif, der mit dem anderen parallel nach 
hinten zieht; Rückenmitte isabell und schwarzbraun gestreift; 
Unterseite im Ganzen sehr hell drap, auf dem Kinn und auf dem 
Bauche in fast reines Weiss übergehend. 

Wir widmen diese hübsche Form Mr. Bury. 
. sm. 75, c. 62 mm. 
. sm. 75, c. 58 mm. (Typus). 
. sm. 68, c. 56 mm. 

„General.“ — [Arabisch: „Yäbari.“] 


RSS 
Fu) 


* Serinus uropygialis (Licht.) Heugl. 
80. a. juv. Yeshbum, 30. Dec. 

Von dem Typus derselben (aus Arabien) im Berliner Museum 
weicht nach Reichenow unser Exemplar durch den dunklen 
Schnabel und die gelbbräunlichen, statt grüngelblichen, mittleren 
Öberschwanzdecken ab. 

„Only met with in W.-Yeshbum.“ Grant führt diese Art - 
nicht an. 


*PRhynchostruthus pereivali Grant. 


R. percivali Grant in: Bull. Brit. Orn. Cl. v. 75, November 1900. 
69. a. & Yeshbum, 26. Dec. 
74. b. $ Yeshbum, 30. Dec. 
82. c. d Yeshbum, 2. Jan. 


R. percivali scheint in der Mitte zwischen R. socotranus 
Scl. & Hartl. und AR. louisae Lort Phil. aus dem Somalilande zu 
stehen, soweit wir aus den Abbildungen schliessen können. (P. 
Zool. Soc. 1881, t. 72 und Ibis 1898, t. 8.) Bei R. socotranus ist 
der ganze Oberkopf dunkel, bei R. lowisae hingegen der Scheitel 
kaum dunkler als der Rücken, bei der arabischen Art endlich 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 235 


ein Stirnband schwarz, der übrige Oberkopf braun, aber ganz 
verschieden von der Rückenfärbung. 

Das Vorkommen dieses Genus in Arabien spricht für die 
engen Beziehungen dieses Landstriches zu Afrika. — Eine ge- 
nauere Beschreibung der schönen Art ist vielleicht nicht uner- 
wünscht. | 

g.ad. Ein breites schwarzes Band rings um den Schnabel, das 
sich also über Stirn, Zügel, vordere Wangengegend und Kinn er- 
streckt und sich von dem letzteren noch etwas gegen die Kehle 
hin fortsetzt. Ohr- und hintere Wangengegend weiss, Oberkopf 
drap, Kehle etwas mehr rötlich, beide durch ein schmales, drap- 
farbiges Band verbunden, das den weissen Wangenfleck nach 
hinten begrenzt. Rücken bräunlichgrau, die untere Partie und 
Oberschwanzdecken aschgrau. Kleine Flügeldecken schwärzlich, 
an der Spitze grünlichgelb, die grössern schwarz, mit einem 
grossen, hochgelben Fleck an der Spitze. Schwingen schwärzlich, 
die innern mit breiten, hochgelben Aussensäumen, die auf den 
letzten Armschwingen an der Spitze in Weiss übergehen. Ter- 
 tiärschwingen weisslich eingefasst. Brust und Seiten grau, Bauch- 
mitte und Unterschwanzdecken reinweiss. Schwanzfedern schwärz- 
lich, aussen mit breiten, gelben Säumen eingefasst, die um die 
Spitze wieder in Weiss übergehen. 

Da. sm. 90,.c. 56, t. 15, r. 15 mm. 
DiEa. sm. 92, c. 59, t. 16, r. 16 mm. 
B)2a. sm. 92, c. 58, t. 15, r. 15 mm. 

„Only met with in W.-Yeshbum, where it is fairly common. 
— Diet: Seeds, grain and the berries of the ‚Salah'-cactus.‘ 

[Arabischer Name: „tayr as-säleh‘ = Salah-Vögel; „Säleh‘“ 
== ein cactusähnlicher Strauch (vielleicht Euphorbie)]. 


* Pringillaria tahapisi capistrata Cab. 
72. a. ad. Yeshbum, 27. Dec. 
101. b. $ Yeshbum, 8. Jan. 

Mr. Grant führt bloss F. striolata (Lcht.) für Arabien an; 
unsere beiden Exemplare gehören jedoch, wie die Vergleichung 
ınit dem Typus von F. capistrata (Cab.) ergab, zu dieser Form, 
welche sich von F. tahapisi tahapisi durch den Mangel der 
kastanienbraunen Schwingensäume sofort unterscheidet. 

„Only seen near Sa’id, very rare. Seeds and grain in 
stomach.“ [? „bahwi“ See-Vogel]. 

16* 


236 Dr. L. v. Lorenz und C. E. Hellmayr: 


Ammomanes deserti saturatus Grant. 

Ammomanes saturatus subsp. n. Grant in: Nov. Zool. v. 
7. 1900, p. 249. 
100a. a. $ Yeshbum, 8. Jan. 

Diese Form, erst kürzlich von Grant beschrieben, kenn- 
zeichnet sich hinlänglich durch den grauen (aber nicht dunkelgrauen) 
Ton des Rückens sowie durch das intensive Isabell des Unter- 
rückens und der Schwanzdecken. 

In unserm Exemplar sind ausserdem die dunklen Flecken 
auf der Brust deutlicher. 

a..5m. 96; €. 644°. 21,07. 11mm. 

‚„West-Yeshbum. Local. Seeds and small winged insects 


in stomach.“ 
Galerida cristata subsp. 


7. a. 8, Shukra, Dec. 

Hartert (Nov. Zool. 1900, p. 248) fasst die südarabische 
Haubenlerche als vermutlich besondere Form auf, ohne ihr aber 
einen Namen zu geben, weil ihm bloss mausernde Vögel vorlagen. 

Unser Exemplar, in ziemlich frischem Herbstgefieder, stimmt 
mit @. cristata magna Hume nahezu überein, doch ist letztere 
etwas grösser und noch etwas mehr sandfarbig. 

a. sm. 102, c. 68 mm (Arabien). 

a. sm. 107, c. 68 mm (Aschahabad). 


Motacilla alba L. 
103. a. d Yeshbum, 8. Januar. 
„General in well-watered country. Diet: small insects and 
seeds.“ |[Arabischer Name „Fissiyah.‘“] 


*Anthus campestris (L.). 
84. a. d, Yeshbun, 2. Jan. 

Das Exemplar stimmt mit einem von Dr. Krüper erhaltenen 
aus Smyrna vollkommen überein, nur die Fleckung der Oberseite 
ist etwas undeutlicher. 

„Found at Yeshbum. Local. — Diet: Green stuff and gravel 
found in stomach.“. 


*Zosterops arabs Lz. und Hellm. 
Z. arabs Lorenz und Hellmayr in: Orn. Monber. 1901, p. 31. 
50. a. ad. Yeshbum, 20. Dez. 
97. b. ad. Yeshbum, 7. Jan. (Typus). 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 237 


Bisher war noch keine Art dieser Familie für Süd-Arabien 
nachgewiesen, und es ist gewiss interessant, dass hier eine be- 
sondere Form vorkommt, während Abyssinien und Socotra eine 
andere gemeinsam ist. 

Steht der Z. abyssinica sehr nahe, ist aber kleiner, ober- 
seits grauer, Kehle blasser, besonders das Kinn weiss, und das 
Gelb der Kehle weniger ausgedehnt. Stirn grünlichgrau wie der 
Scheitel, Zügel weisslich statt gelb. 

a. sm. 55, c. 35, t. 15. r. 11—12 mm. 

„Only seen in W.-Yeshbum. — Diet: small insects living 
in the bark of trees.“ 

„Lokalname: „Saulah“!) a sudden attack or rush and well 
describes the quick agile movements of these little birds and 
also those of Serinus uropygialis, the true ‚Saulah‘ which flits 
about W.-Yeshbum in small flocks from tree to tree at a be- 
wildering pace. These latter only seem to frequent the “ulüb 2) 
. and their powerful bills make no difficulty of cracking the stones 
of the düm or fruit of the “lb to get at the kernels of which 
they are extremely fond.“ 


*Nectarinia nvuelleri Lz. und Hellm. 

Nectarinia muelleri Lorenz u. Hellm. Orn. Monber. 1901, 38. 
97a. a. d Yeshbum, 8. Jan. (Typus). 
104. b—-c. @ Yeshbum, 8. Jan. 

Diese Art ist Herrn Prof. D. H. Müller gewidmet, der 
die Sammlung veranlasste und unsere Arbeit durch die Erklärung 
der arabischen Lokalnamen bereicherte. 

g ad. Ähnlich N. metallica Lcht., aber Kopf, Rücken und 
Kehle dunkelstahlgrün statt bronzegrün, Unterseite viel heller, 
das Gelb auf die Brust beschränkt. Unterrücken violett, in 
scharfem Kontrast zu den rein stahlblauen Oberschwanzdecken, 
welche bei N. melallica violett gleich dem Unterrücken sind. 
Säume der Schwanzfedern mehr grünlich anstatt biäulich. 

© ad. Vorderhals gleich der übrigen Unterseite blass- 
schwefelgelb, Oberseite viel grauer als N. metallica 9. 

„General, but more frequently found on the littoral belt 
than at higher altitudes.“ — Grant erwähnt N. metallica Leht. 


1) heftiger Angriff. 2) “lb, pl. “ulüb, grosser Baum, Zizyphus 
spina christi Willd. (Rhamnus nabeca var. rectus Forsk.) 


238 Dr. L. v. Lorenz und C. E. Hellmayr: 


Cinnyris habessinica (Hempr. und Ehrbg.). 


55. a. d ad. Yeshbum, 22. Dez. 
b. 3 ad. (Etiquette fehlt.) 
36. c. ©. Wtaikah, 7. Dez. 

gg stimmen mit ©. habessinica überein, bloss Rücken und 
Mantel mehr bronzegrün. 

Das von Mr. Bury als © bezeichnete Stück dürfte ein im 
Übergang vom Jugend- zum Alterskleid befindliches $ sein, 
worauf die an der Basis metallisch glänzenden Kehlfedern hin- 
weisen. 

„Widely distributed, prefers well wooded country. — Diet: 
Honey from various flowers and minute insects.“ 

„Lokalname: ‚„tayr al-musäs“ (= Musäs Vogel, „musäs“ 
eine Pflanze) from root mss —= that which is sucked or sipped. 
The tayr al-musäs is a bright crimson flower in shape not unlike 
honey-suckle, which grows as a parasitic creeper on the mimosa.“ 


Cinnyris osea Bp. 
71. a. ©. Yeshbum, 27. Dez. 
b. 2. (Etiquette fehlt.) 
88. c. J ad. Yeshbum, 6. Jan. 
„Distribution and diet as in nr. 36 (C. habessinica).“ 


"Lanius buryi Lz. und Hellm. 


Lanius buryi Lorenz und Hellmayr in: Orn. Monatsber. 
1901, p. 39. 
77. a. d Yeshbum, 30. Dez. (Typus), a. sm. 107, c. 105, t. 22, 

Tr. 17. mm. 

Über diesen vermutlich neuen Würger können wir nichts 
weiter mitteilen, als dass er nach unserer und Prof. Reichenows 
Untersuchung mit L. algeriensis und L. fallax nicht übereinstimmt. 
Von letzterem unterscheidet ihn die einfarbig bläulichgraue Unter- 
seite, die grössere Ausdehnung des Weiss an den Armschwingen 
und geringere Grösse; ersterer ist oben viel dunkler und hat 
bedeutend längeren Schwanz. Mit L. lahtora besitzt er auch 
einige Ähnlichkeit, weicht aber von ihm durch die gleich dem Rücken 
aschgrauen Oberschwanzdecken ab. O. Grant erwähnt L. fallax. 

„General, very common on the littoral belt. Large winged 
soft-bodied insects found in gullet.“ 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 239 


Ob die grauen Würger von der Küste mit unserem Z. buryi 
aus Yeshbum identisch sind, muss vorläufig unentschieden bleiben. 
[Arabischer Name: „seh at-tuyür“ — der Scheik der Vögel.] 


Lanius nubicus Lcht. 
63. a. d Yeshbum, 24. Dez. 
70. b. @ Yeshbum, 26. Dez. 
99. c. 2 Yeshbum, 7. Jan. 
„Only in West-Yeshbum. In stomach ants and small winged- 
insects.‘ 
(Arabischer Name wie bei dem vorigen.) 


Lanius isabellinus Ehrbg. 


9. a—b. Jg Shukra, Nov. 27. 

„Littoral belt, rare. Diet: Ants, small beeties and in fact 
most of the smaller insects.“ 
| „This bird avoids thickly wooded country and frequents 
. sandy wastes when there is sufficient bush and scrub, probably 
in order to command a good field of view. The same may be 
said of the great gray shrike, which is so common on the littoral 
belt, where this bird may be seen perched motionless for hours 
on a small mimosa-bush under a blazing sun, watching for vagrant 
insecets, — the only representative of bird-life that is visible in 
such a country at such an hour. All the shrikes that J have met 
with up-country have this pecularity viz laboured flight for long 
distances but rapid darting movements when they swoop upon 

their prey.“ 

z Sylvia sylvia (L.). 


21. a. d Plateau nächst „Bei Sunbahr“, 3. Dez. 
„Range: Littoral belt.“ 


Monticola eyanus (L.). 


53. a. $ Yeshbum, 21. Dez. 
81. db. @ Yeshbum, 31. Dez. 

„Only met with on Mankau, plateau at Yeshbum. — Diet: 
ants and small soft-bodied insects.“ 

[Arabischer Name: „tayr garib“ = seltsamer Vogel. Der 
Informant mag vielleicht selbst den Namen nicht gewusst haben. ] 


240 Dr. L. v. Lorenz und C. E. Hellmayr: 


*Buticilla rufiventris (Vieill.). 
59. a. $ Yeshbum, 23. Dez. 


58. b. © Yeshbum, 23. Dez. 

73. c. d ad. Yeshbum, 29. Dez. 

87. d.@ (? 3 imm.) Yeshbum, 4. Jan. 
100. e. juv. Yeshbum, 11. Dez. 


Dies sind die ersten Belegexemplare einer Autscilla-Art aus 
dem südlichen Arabien. Sowohl Barnes als Yerbury erwähnen 
einer solchen, ohne aber eines Stückes habhaft geworden zu sein; 
der letztere schreibt: „it will, however, in probability be found 
to be R. phoenicurus or ER. mesoleuca.“ Unsere Bälge gehören 
jedoch zu keiner dieser beiden Arten, und die Exemplare a, b, c 
sind zweifellos R. rufiventris. Wir möchten jedoch hervorheben, 
dass No. 59 in Färbung und Grösse mehr mit einem Original- 
exemplare Severtzows aus Centralasien übereinstimmt, No. 73 
dagegen mit zwei Jg ad. von Tibet und Kashmir (R. phoeni- 
curoides Moore). Allerdings ist die Variation gerade bei den 
Rotschwänzen ziemlich bedeutend, und es sind Übergänge von 
R. phoenicurus zu R. rufiventris keineswegs selten (wie unser 
reiches Vergleichsmaterial beweist), weshalb man auch die beiden 
„Arten‘‘ richtiger als Subspecies auffassen sollte. No. 87 und 
100 tragen noch das Jugendkleid, und könnten allenfalls auch 
zu einer anderen Form gehören. 


„Widely distributed, not uncommon near Aden. — Diet: 
Ants and larvae. Several large camel-ticks in stomach.“ 


*Turdus atrigularis Temm. 


85. a. @ Yeshbum, 4. Jan. 

Dies ist der erste Nachweis einer Drossel für das südliche 
Arabien. 

„Only in West-Yeshbum, very rare; only met with in 
wet weather. — Diet: Caterpillars and various soft-bodied 
larvae.‘ 


Sascicola deserti Temm. 


91. a. d ad. Yeshbum, 7. Jan. 
„General, but more common on littoral belt. — Diet: 
Varied seeds and small insects.“ 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 241 


Sascteola pleschanka (Lepech.). 
102. a. g juv. (?) Yeshbum, 8. Jan. 
Fraglich, ob zu dieser Art gehörig. 
„W.-Yeshbum. Local. Small lizard in its gullet.“ 


Sasxieola lugens lugentoides Seeb. 
5l. a. g Yeshbum, 24. Dec. a. 85, c. 58 mm. 
98. b. 9 Yeshbum, 7. Jan. a. 85, c. 56 mm. 
107. c. d Yeshbum, 9. Jan. 

Drei prachtvolle Jg dieser seltenen Form in Mr. Burys 
Sendung. — Wir wollen bei dieser Gelegenheit bemerken, dass 
der von Seebohm angegebene Charakter: „mehr mit Grau ver- 
mischte Kopfplatte“ nicht sehr verlässlich ist (weil bloss 
Alterscharakter), dagegen scheint uns das beste Diagnostikon 
gegenüber der 5. lugens lugens Leht. in der Färbung der 
Schwanzfedern gelegen zu sein. Bei dieser Form zeigen die 
äusseren Steuerfedern knapp vor der Spitze einen kleinen, auf 
beiden Fahnen gleichweit ausgedehnten, schwarzen Fleck, bei 
8. lugentoides hingegen setzt sich der überhaupt schon breitere 
Fleck auf der Aussenfahne als breiter Saum bis auf die basale 
Hälfte der Feder fort. 

„Only met with in West-Yeshbum. — Diet: large ants and 
the smaller beetles.‘“ 

[Arabische Bezeichnung: „tayr al-ramäd“ (Aschvogel) oder 
„bä ramäd“ (Vater der Asche)]. 


Myrmecoeichla melanura (Temn.). 
62. a. d Yeshbum, 24. Dez. 
„General. — Diet: Ants and small winged insects.“ 


*Pyenonotus reichenowi Lz. und Hellm. 
P. reichenowi Lorenz und Hellmayr in: Orn. Monber. 1901, 


p. 30. 
86. a. © Yeshbum, 4. Jan. (Typus). a. 87, c. 82, t. 22, r. 16 mm. 
92. b. @ Yeshbum, 7. Jan. a. 88, C. 84, t. 21, r. 17 mm. 


Diese neue Art steht P. zanthopygus (Hempr. und Ehr.) 
nahe, unterscheidet sich aber auf dem ersten Blick durch ge- 
ringere Grösse und durch geringere Ausdehnung der schwarzen 
Färbung auf Kopf und Hals. Auch ist die Oberseite mehr grau 
gegenüber der erwähnten Art. Während bei dieser der ganze 


242 Dr. L. v. Lorenz und C. E. Hellmayr: 


Oberkopf und noch ein Teil des Vordernackens schwarz er- 
scheinen, beschränkt sich diese Färbung bei P. reichenowi auf 
Vorderkopf und Scheitel. Ferner sind hier bloss Kinn und 
Kehle schwarz und scharf gegen die Brust abgesetzt, welche bei 
P. xzanthopygus in ihrem vorderen Teile ebenso wie die Hals- 
seiten dunkelbraun ist und einen mehr allmählichen Übergang 
zur Bauchfärbung vermittelt. Brust heller bräunlichgrau, Mitte 
des Unterkörpers mehr weisslich. 

„General in well-wooded distriets. — Diet: the fruit of the 
“lb (Zizyphus spina christi), but not the kernels. 

Occurs in great numbers at Yeshbum, where it plays havoc 
with the „düm‘ crop.“ 

[Arabische Bezeichnung: „Ya‘gari“.] 

Grant erwähnt P. zanthopygus. 


COotile obsoleta (Cab.). 
40. a. $ Mehfid-Plateau, 11. Dez. 
„Very rare; have not seen any specimen elsewhere. — Diet: 
Mosquitoes and other small winged insects.“ 


Centropus supereciliosus (Hempr. und Ehr.). 
a—b. 92 „Littoral; rare“. 


*Merops muscatensis Sharpe. 

48. a. d Yeshbum, 20. Dez. 

Ogilvie Grant führt in seiner Arbeit (Nov. Zool. 1900, 259) 
M. cyanophrys aus Lahej und Shaik- Othman an. Unser Exem- 
plar gehört jedoch zur nordöstlichen Art, die wohl schwerlich 
mehr als eine gut unterscheidbare, geographische Rasse oder 
Subspezies darstellt. Der Unterkörper zeigt den für die Sharpe- 
sche Form charakteristischen, hellblauen Anflug. 

a. sm. 90, c. 105, t. 13, r. 34 mm. 

Diese Art war bisher nur von Maskat bekannt, und scheint 
unser Stück das erste in einer kontinentalen Sammlung zu sein. 

„General, but most plentiful along the littoral belt. — 
Diet: chiefly ticks and other parasites which infest cattle, also 
small winged insects.“ 

[Arabischer Name: „tayr-al-bagar“, Rindervogel, wohl weil 
er dem Vieh die Insekten absucht.‘] 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 243 


Merops albicollis Vieill. 
a. g imm. 

Merops persicus Pall. 
5a. a. g Shukra. 
5b. b. $ Shukra. 

„Littoral belt, very common at Shukra. Very gregarious, 
but capricious as to localities, so that although occasionally met 
with in great numbers, at other times not a single specimen. 
Personally J have not met with them north of the littoral belt. 
The derivation of its name was explained in my last report. — 
Diet: Winged high-Aying insects, especially bees.“ 

[Arabische Bezeichnung: „Ba-sayni“ — Vater eines Tellers.] 


Lophoceros nasutus (L.). 
a. d, bei Yeshbum. 
„Common.“ 


Halcyon semicaerulea (Forsk.). 
a. d, Bayhän. „General“. 


Bubo miilesi Sharpe. 
a. ©, Duthinah, Sommer 1900. 

Das Exemplar in Mr. Burys Collection bestätigt die von 
Sharpe hervorgehobenen Unterschiede gegenüber den verwandten 
Formen. Der gelbliche Ton der Unterseite kennzeichnet sie 
hinlänglich. 

Falco barbarus L. 
a. ©, Bayhän. „Littoral.“ 
a. ad. Bayhän. 


Milvus aegyptius (Gm.). 
a. ©, Yeshbum. 


Dafila acuta (L.). 
33. a. d, W.-Laikah, 7. Dez. 

„Pools in lower reaches of W. Laikah. Very local, have 
only met with it in these spots. — This bird is quite a different 
duck to that found in the wädies of the Abdali country, which 
is much smaller and of a russet brown colour.“ 

[Arabische Bezeichnung: „Batteh“ = Ente.] 


244 Dr. L. v. Lorenz und C. E. Hellmayr: 


*Cursorius gallicus (L.) 
8. a. d, Shukra, 27. Nov. | 
Das erste Belegexemplar aus dem südlichen Arabien, 
weicht in keinem wesentlichen Punkte von Stücken aus andern 
Gegenden ab. 
„Very rare, inhabits sandy scrub: only one specimen seen.“ 


Aegialitis alexandrina (L.) 
6. a. d, Shukra. 
„Littoral belt and marshy spots in lower Aulaki. — Diet: 
probably small aquatic insects.“* 
„A common bird in the gardens of Sheik Othman among 
the irrigation runnels.“ 


4egialitis dubia (Scop.) 
32. a. d, Laikah, 7. Dec. 


Totanus calidris (L.) 
39. a. d, Shukra, December. 
„Coast line and tidal estuaries near Shukra. — Diet: Chiefly 
marine surface insects.“ 


Vinago waalia (Gm.) 

47. a. 2 ad. Yeshbum, 20. Dec. 
49. b. g ad. Yeshbum, 20. Dec. 

„Pupil black, iris indigo, outer ball pale pink, bill dark 
grey, feet pink, toes dark indigo.“ 

„General, but only found in well-wooded spots Diet: Chiefly 
fruit, particularly that of, „ilb“ [Zizyphus spina christi].* 

[Arabischer Name: „Nafridj“ = geschwätzig.] 


Turtur senegalensis (L.) 
a. 5, Bayhän. 
„Generally distributed.“ 


*Oolumba livia schimperi Bp. 
10. a. @ Shukra, 26. April. 
54. b. $ Yeshbum, 22. Dec. 
Diese Art ist neu für Süd-Arabien; Grant führt C. lwvia 
intermedia Strickl. an. 


Ein Beitrag zur Ornis Süd-Arabiens. 245 


„General throughout S.-Arabia. — Diet: Grain and various 
seeds.‘ 
[Arabischer Name: „Aylah“]. 


Oena capensis (L.) 
75. a. d, Ansäb, 30. Dec. 
„Ansäb and neighbourhood. Generally in the vicinity of 
wells.“ 
[Arabischer Name: „Zamzah“]. 


Caccabis melanocephala (Rüpp.) 


44. a. d, El Aräb, 14. Dec. 

„General, Prefers hilly country, but is round at no great 
altitude.“ 

[Arabischer Name: „Yaqüb“]. 


Ammoperdix heyi (Temm). 

34. a. 2, Wtaikah, 7. Dec. 

Kennzeichnet sich durch den mehr isabellfarbigen Ton der 
Oberseite als zu dieser Art gehörig. 
Ä „Mountain distriets of Dathinah and Lower Aulaki. Rare 
and confined to particular localities.“ 

„Localname „gatäh“ = that which runs with short steps 
and describes this bird exactly.“ [,gata“ = kleine Schritte machen]. 

Nach Prof. Müller wird dieser Vogel vielfach von den ara- 
bischen Dichtern beschrieben. 


Die vorstehende Liste enthält 16 bisher für Arabien noch 
nicht bekannte Formen; die Zahl der nunmehr für das Land 
nachgewiesenen Arten beläuft sich auf 211, einschliesslich Pra- 
tincola hemprichi Ehrb. und Lanius assimilis Brm.!), die in der 
Arbeit Grants ausgeblieben sind. 


1) P. Matschie, J. f. Ornith. 1893, 8. 112, über einige von 
O0. Neumann bei Aden gesammelte Vögel. 


246 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 
Von ©. Wüstnei. 


Die hier gegebenen Beobachtungen aus dem Jahre 1900 
sollen eine Fortsetzung der im Jahrgang 1900 S. 314 bis 349 
für das Jahr 1899 veröffentlichten Aufzeichnungen sein, sie sind 
hauptsächlich im westlichen Mecklenburg und an der Ostseeküste 
sesammelt. 


Motacilla alba L. Weisse Bachstelze. 


Ein Pärchen hatte sein Nest in den Rumpf eines Segelkutters 
gebaut, der öftere Fahrten auf einer etwa 18 km langen Strecke 
zwischen der Insel Poel und Wismar zu machen hatte. Das Paar 
liess sich durch diese Fahrten nicht stören und brachte seine 
Brut glücklich auf. 


Regulus ignicapillus (Brehm, Tem.). Feuerköpfiges Goldhähnchen. 


Hat auch in diesem Sommer wieder an der früher bezeichneten 
Stelle (S. 316 im Journal 1900) im Buchholze bei Schwerin gebrütet. 


Bombyeilla garrulus (L.). Seidenschwanz. 


Wurde auch im Herbst 1900, hauptsächlich im November, 
in verschiedenen Teilen des Landes beobachtet und auch gefangen. 


Lanius excubitor major Pall. Grosser Würger. 


Wenn diejenigen Vögel dieser Art, welche auf den Flügeln 
nur einen einfachen weissen Spiegel besitzen, bei denen also das 
Weiss auf den Armschwingen fehlt, zu der östlichen Form L. 
excubitor major gehören, so kommt diese Form wenigstens in 
den Herbst- und Wintermonaten gar nicht so selten vor, so 
wurde am 17. Okt. ein Männchen bei Lübtheen, am 20. Nov. 
ebenfalls ein Männchen bei Grevismühlen erlegt. Auch aus 
früherer Zeit sind mir mehrere derartige Ex. bekannt, von denen 
ich jedoch nicht mehr die Zeit des Erlegens ermitteln konnte. 
Ferner kam aus der Provinz Hannover (Elbegegend) Syamalla 
ein solcher L. major am 22. Okt. nach hier. 

Bei dem am 17./X. bei Lübtheen erlegten Männchen waren 
die beiden äussersten Schwingen ohne Weiss, dann folgten 8 
Schwingen mit Weiss, während ein früher bei Schwerin erlegtes 
Ex. der gewöhnlichen Form 15 Schwingen mit Weiss hatte, welche 
dann ein doppeltes weisses Schild darstellten. 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 247 


Alauda arvensis L. Feldlerche. 


Auf dem langen Werder bei Poel, wo zwischen den Möven, 
Seeschwalben und verschiedenen Sumpfvögeln auch die Feldlerche 
häufig brütet, wurden 4 Eier mit 4 Eiern der Tringa alpina zu- 
sammen in einem Nest gefunden. Wer von beiden Vögeln der 
Erbauer des Nestes war, ist jedoch nicht ermittelt worden. 


Pyrrhula europaea Vieill.e Dompfaff. 


Ein Paar hielt sich den ganzen Sommer hindurch in einem 
kleinen Fichtenbestande des Schelfwerdergehölzes in der Nähe 
von Schwerin auf und hat dort jedenfalls gebrütet. 


Siurnus vulgaris L. Star. 


Der Star hat sich in letzter Zeit durch die Brutkästen sehr 
vermehrt, in ungeheuren, jeder Schätzung spottenden Schwärmen 
versammelt er sich im Frühjahr und Herbst an den Ufern des 
Schweriner Sees und zwar seit vielen Jahren immer an denselben 
Stellen, um daselbst im Rohr zu übernachten. Leider entzieht 
er manchem Höhlenbrüter die Nistgelegenheit, da er schon 
zeitig im Frühjahr nicht nur die Brutkästen, sondern auch alle 
möglichen anderen Höhlen mit Beschlag belegt. Selbst die 
Sperlinge vertreibt er aus ihren Nistkästen, die sie jahrelang un- 
gestört im Besitz hatten. Ergötzlich war es zu sehen, wie sich 
die Starenfamilie in einer solchen engen Proletarierwohnung be- 
helfen musste, nur mit Mühe konnte sich das Weibchen durch die 
enge Oefinung hineinzwengen, und deutlich konnte man wahr- 
nehmen, als die Jungen heranwuchsen, wie sich die Verlegen- 
heiten mehrten, jedem sein Recht zukommen zu lassen. 


- 


Oorvus corax L. Rabe. 


Ein verendeter Rabe wurde hier zum Ausstopfen einge- 
. liefert, welcher 35 Jahre in der Gefangenschaft zugebracht hatte. 


Nucifraga caryocatactes macrorhynchu Brehm. Tannenhäher. 


Wie im übrigen Deutschland, so war in diesem Jahre der 
Zug des schmalschnäbligen Tannenhähers auch in Mecklenburg 
ein sehr starker, weit stärker als im Vorjahre; es sind hier wohl 
an 100 Ex. allein zum Ausstopfen eingeliefert worden, auch setzte 
der Zug früher ein, während im Vorjahre die ersten im Oktober 
erbeutet wurden, erhielt ich in diesem Jahre den ersten am 22. 


248 C. Wüstnei: 


August aus hiesiger Umgegend. Die meisten kamen im Oktober 
und November und einzelne noch bis Ende Dezember. 


Alcedo ispida L. Eisvogel. 

Auf der im Jahrgang 1900 S. 320 erwähnten Stelle hatte 
der Eisvogel wieder wie im Vorjahre seine Brutröhre inmitten 
des Schelfwerdergehölzes weit ab vom Wasser angelegt. Das 
Nest, welches Eier enthielt, wurde gefunden, ist aber leider zer- 
stört worden. 


Coracias garrula L. Mandelkrähe. 


Die Mandelkrähe scheint nicht nur in letzter Zeit, sondern 
auch schon früher im westlichen Mecklenburg, namentlich in der 
Schweriner Umgegend, recht. selten gewesen zu sein, denn schon 
in den fünfziger Jahren wurde sie durch v. Preen sowohl bei 
den Brutvögeln wie auch bei: den Durchzugsvögeln der hiesigen 
Umgegend nicht mit aufgeführt. (Naumannia Jahrgang 1858). 
Um so auffallender war es mir, als ich am 12. August d. J. ein 
im Wittenfördener Forste, eine Meile westlich von Schwerin, er- 
legtes Ex. zugeschickt erhielt. 


Haliaötus albieilla (L.). Seeadler. 


Fast den ganzen Winter hindurch hielten sich drei See- 
adler auf dem Schweriner See auf, die zu beobachten ich wieder- 
holt Gelegenheit hatte. Ungefähr in der Mitte des südlichen 
Teils vom See, jedoch noch über Büchsenschussweite von der 
nächsten Insel entfernt, liegt auf einer flachen Stelle der soge- 
nannte „grosse Stein‘, ein mächtiger erratischer Block, der etwa 
1 Meter aus dem Wasser hervorragt und einige Quadratmeter 
Oberfläche hat. Dieser Felsen, der eine weite Umschau zulässt, 
wird gern von allerhand Seevögeln als Standquartier benutzt und 
auch den Seeadlern diente er zur Warte, da eine unbemerkte 
Annäherung unmöglich ist, und von hier aus ihre Raubzüge auf 
Wassergeflügel und Fische am leichtesten auszuführen waren. 
Während der Monate Januar bis März, als der See zumeist mit 
Eis belegt war, hielten sich in einiger Entfernung von dieser 
Stelle unzählige nordische Tauchenten und Zappen auf, welche 
so lange wie möglich eine grosse Fläche vom Eise offen hielten, 
um hier durch Tauchen notdürftige Nahrung zu suchen. Diese 
Entenscharen, welche sich vom Ufer aus als langer, dunkler 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 249 


Streif auf der Eisfläche markierten, bildeten hauptsächlich den 
Zielpunkt für die Jagden der Seeadler. Merkwürdig war, wie 
sich mit der Zeit ein gewisses Nützlichkeitsverhältnis zwischen 
den beiden Teilen ausbildete, denn die Enten, die nur hier ihr 
Dasein fristen konnten, waren schon aus Not an diese Stelle ge- 
bunden und jede einzelne mochte unter Tausenden sich auch 
ziemlich sicher fühlen und es für einen kaum möglichen Zufall 
halten, dass sie gerade zum Opfer ausersehen sein würde. Da- 
her kam .es auch, dass die Entenscharen sich in der Nähe dieser 
drei grossen Räuber ganz ruhig verhielten und sich willig in das 
Schicksal ergaben, Nutzherde für dieselben zu sein, denn selbst 
wenn die Adler aufflogen und ihre Kreise zogen, kam kaum 
eine Bewegung in die Masse, während die Adler wiederum für 
gewöhnlich die Enten in Ruhe liessen. Nur wenn ein Adler 
näher kam in der Absicht, sich eine Ente zu holen, wurde ein 
Geplätscher bemerkbar, Enten und Zappen legen dann den 
Kopf auf den Rücken, den Schnabel nach oben und halten den 
Räuber scharf im Auge. Der speciell verfolgte Vogel sucht sich 
durch Tauchen zu retten, wird aber beim Emporkommen schliesslich 
ergriffen und der Adler fliegt mit seiner Beute der Warte zu. 
Beim Kreisen im Sonnenschein konnte man deutlich sehen, dass 
auch alte Weisschwänze dazwischen waren, während fast alle in 
Mecklenburg erlegten Vögel das Jugendkleid trugen. Dies mag 
also wohl auf die grössere Vertrauensseligkeit der Jugend zu- 
rückzuführen sein. 

Es waren auch noch Schmarotzer vorhanden, welche ihren 
- Vorteil von diesen Seeräubern zu ziehen wussten, denn die Eis- 
fläche, welche ihre Felsenwarte umgab, war gewöhnlich von einer 
grösseren Anzahl Krähen umlagert, welche die Reste der Mahl- 
zeiten revidierten. Erhob sich einer der Gewaltigen, so folgte ihm 
gewöhnlich eine Anzahl Krähen krächzend nach, ohne dass er 
sich viel aus diesen Neckereien zu machen schien. Ende 
März verschwanden die drei Adler, ohne dass einer von ihnen 
erlegt werden konnte, jedoch wurden in anderen Teilen Mecklen- 
burgs mehrere Seeadler geschossen, einer sogar noch im Sommer, 
am 16. Juli in Mecklenburg-Strelitz, also tief im Binnenlande. 
Auch gegen Schluss des Jahres wurden mehrere Ex. erlegt, auch 
fanden sich in den Herbstmonaten die Seeadler wieder auf dem 
Schweriner See ein. Ein Ex., welches ganz das dunkle Jugend- 
kleid trug, im Schwanz war wenig Weiss bemerkbar, hatte trotz- 

Journ, f. Orn. XLIX. Jahrg. April 1901. 17 


250 C. Wüstnei: 


dem einen hochgelben Schnabel, bei einem anderen Ex. waren 
sowohl der Schnabel wie auch die Wachshaut hornfarben, während 
die meisten einen hornfarbenen Schnabel und eine gelbe Wachs- 
haut haben. 

Auf den Lewitzwiesen, auf denen viele Saatgänse über- 
wintern, hielten sich auch gleichzeitig mehrere Seeadler auf, von 
denen einer in einer Schlagfalle gefangen wurde, und auf Poel 
wurden bei einer Beute z. B. bei einer geschlagenen Gans öfter 
5 bis 6Seeadler gleichzeitig gesehen, die sich um diese Beute stritten. 


Archibuteo lagopus (Brünn). Rauhfussbussard. 

Aus einer älteren Sammlung erhielt ich ein Raubvogelei mit 
der Bezeichnung ‚Duteo lagopus Laage. Da Laage im nord- 
östlichen Mecklenburg liegt, so ist es immerhin möglich, dass der 
Rauhfussbussard hier einmal sein Brutgeschäft betrieben haben 
mag, da derselbe im benachbarten Vorpommern schon brütend. 
konstatiert wurde. Der Rauhfussbussard ist bei den Jägern viel 
besser bekannt als der Wespenbussard, es kann daher sein, dass 
die Bestimmung des Eies nach Erlegung des Vogels erfolgt ist. 
Was das Ei selbst anbetrifft, so hat dasselbe sehr rundliche Form 
mit den Massen 52:45 mm, und ist auf weisslichem Grunde mit 
vielen kleinen unregelmässigen Flecken über und über besäet, 
ausserdem umgeben einige grosse Flecken das stumpfe Ende 
kranzartig. Die Farbe der Flecke ist nicht wie bei anderen 
Bussardeiern rotbraun oder lehmfarbig, sondern olivenbraun, die 
Schale ist glanzlos. Es weicht daher von dem allgemeinen Typus 
der BDuteo vulgaris- Eier etwas ab, doch wage ich es nicht, 
lagopus-Eier sicher zu unterscheiden, obgleich ich von Schlüter 
bezogene besitze. 


Milvus korschun (Gm.). Schwarzbrauner Milan. 


Ich erhielt ein Gelege von 3 Eiern aus hiesiger Umgegend 
mit den Massen 55 : 42; 56 : 43; 54 : 40 mm; sie waren also 
von einer etwas länglichen Form. Die Eier hatten eine grau- 
weisse Grundfarbe, zwei derselben waren schmutzig lehmgelb ge- 
wölkt, ohne dass diese Farbe markante Flecken bildete, und nur 
das eine Ex. hatte am stumpfen Ende die charakteristischen 
dunkelbraunen Klexe und Schnörkel. 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 251 


Falco peregrinus Tunst. Wanderfalke. 


Wurde recht häufig erlegt, ein Weibchen im Jugendkleid, 
welches hier aus Schleswig einging, es war bei Eckernförde er- 
legt worden, hatte blaue Fänge, war im übrigen einem anderen 
jungen Weibchen, welches gleichzeitig in der Rostocker Gegend 
geschossen wurde, ganz gleich gefärbt, nur dass bei letzterem 
die Fänge grünlichgelb waren. Die Ausmessungen waren eben- 
falls dieselben. Wenn dieser Vergleich nicht zufällig vorhanden 
war, hätte ich fast an F. lanarius glauben mögen, da immer nur 
diesem blaue Fänge zugeschrieben werden. Ein ausgefärbtes 
Männchen wurde in der Nähe der Stadt tot aufgefunden, welches 
sich an den Telegraphendrähten verletzt hatte. Das bereits 
früher erwähnte Paar im Buchholze hatte in diesem Sommer 3 
Junge aufgebracht, von denen eins erlegt wurde; das Paar stellte 
sich schon am 3. März beim Horste ein. Aus der Grabower 
Gegend erhielt ich ein Ei mit den Massen 49 : 40 mm. 


Falco subbuteo L. Lerchenfalke. 


Ein Lerchenfalke wurde am 13. August vom Präparator 
Knuth mit einer Uferschwalbe (Coiyle riparia) in den Fängen 
über den Schweriner See fliegend, vom Boot aus erlegt. Der 
Falke wurde von einem Schwarm Möven schreiend verfolgt. 


Falco aesalon Tunst. Zwergfalke. 


Wurde einige Male zum Ausstopfen eingeliefert, als Selten- 
heit auch ein ausgefärbtes Männchen, welches in der ersten Hälfte 
des September bei Wismar erlegt wurde. Es ist dies das zweite 
mir bekannte in Mecklenburg erlegte derartige Männchen, das 
erstere hefindet sich in der v. Preen’schen Sammlung und wurde 
am 29. Nov. 58 bei Lübtheen geschossen. 


Circus aeruginosus (L.). Rohrweihe. 


Ich erhielt ein Gelege von 3 Eiern vom Ramper Moor im 
Schweriner See mit den Massen 48 : 39; 47:39 mm. Es be- 
fanden sich doıt in nicht zu grosser Entfernung 3 Horste. Auf 
einer Stelle daselbst am Ufer des Sees zwischen ausgefressenen 
Eierschalen von Enten, Zappen und Steissfüssen fand ich auch 
solche von der Rohr- und Kornweihe. Diese Eierräuber erleiden 
demnach auch dasselbe Schicksal, welches sie anderen Vögeln so 


oft bereiten. 
17* 


2352 GC. Wüstnei: 


Asio aceipitrinus “(Pall.) Sumpfohreule. 


Ein Ex. wurde am 13. Mai, also während der Brutzeit, bei 
Teterow in einer Schlagfalle gefangen, sie mag also dort wohl 
gebrütet haben. Aus früherer Zeit sind Nestfunde aus jener Gegend 
schon bekannt. 


Glaucidium passerinum (L.) Sperlingseule. 

Von Dr. Häse Grabow wurde mir ein kleines Eulenei zur 
Bestimmung vorgelegt, welches seiner Kleinheit wegen entweder 
zu Gl. passerinum gehören oder ein sogenanntes Sparei einer 
anderen kleinen Eule sein muss. Dasselbe ist in der Umgegend 
von Grabow in einer Baumböhlung gefunden, aus welcher eine 
kleine Eule herausflog. Das betreffende Ei, von dem nur leider 
das eine sich vorfand, misst 25 : 20 mm und ist nach Ansehen 
und Korn unzweifelhaft ein Eulenei. Da die Eier von passerinum 
mit 30:25 mm angegeben sind, so wäre es selbst für diese kleinste 
aller Eulen noch zu klein, wenn nicht doch Eier von dieser 
Grösse vorkommen sollten, denn soviel mir bekannt ist, sind 
sichere Eiergelege der Sperlingseule überhaupt sehr selten, auch 
dürften nach der Grösse des Vogels, der nur Sperlingsgrösse hat. 
Eier mit den Massen 30 : 25 nicht recht wahrscheinlich sein, 
Eine Klarstellung und Beschreibung echter Eier in diesem Blatte 
wäre sehr erwünscht. In Mecklenburg ist diese Eule bisher als 
Brutvogel noch nicht bemerkt, im übrigen nur einmal in früherer 
Zeit erlegt worden. 


Numenius arquatus (L.) Grosser Brachvogel. 


Ich erhielt aus der Grabower Gegend ein Gelege von 4 
Eiern, von denen das eine sehr rundlich oval war, ganz ohne die 
übliche Kreiselform. 


Limosa aegocephala (L.) Schwarzschwänzige Uferschnepfe. 


Am 24. April beobachtete ich zwei Ex., wohl ein zusammen- 
gehöriges Paar am Ufer des Schweriner Sees und zwar in der- 
selben Gegend, in welcher im vorigen Jahre in den ersten Tagen 
des Mai aus einer Schar von 6 Stück ein Vogel erlegt wurde, 
welchen ich damals erhielt. Auch auf Poel wurde im Frühjahre 
ein Ex. beobachtet. 

Die im vorigen Jahre durch Clodius auf den Lewitzwiesen auf- 
gefundenen Brutplätze, haben wir gemeinschaftlich am 9. u. 10. Mai, 


* 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenbur.s im Jahre 1900. 253 


und ich später am 10. Juni besucht, um womöglich auch Nester 
und Eier dieser Art zu finden. Wenn uns dies nun auf den sehr 
weitläufigen nassen Wiesen auch nicht gelungen ist, so habe 
auch ich mich davon überzeugt, dass diese Schnepfe hier un- 
zweifelhaft brütet, da wohl an 10 Paar beobachtet wurden, die 
uns mit Jämmerlichem Geschrei umflogen. Aus letzterem konnten 
wir nun allerdings nicht die von Naumann angegebenen Silben 
„djodjo“ oder „lodjo“ entnehmen, auch nicht das anderweit ver- 
merkte „gretav, gretav“, sondern die Töne schienen mehr kiebitz- 
artig zu sein, etwa wie „kih, kihwih“, dem sich eine Art Gelächter 
wie „te he he he“ anschloss. Diese Vögel geben ein ausgezeich- 
netes Flugbild, die nach hinten gestreckten langen Füsse, die 
den Schwanz, der zeitweise fächerförmig ausgebreitet wird, weit 
überragen, der lange Schnabel, die rötliche Farbe mit dem deut- 
lich bemerkbaren weissen Spiegel in den Flügeln, dies Alles 
giebt ein markantes Bild, das mit demjenigen irgend eines an- 
deren Schnepfenvogels nicht zu verwechseln ist. 

Ich kann nicht umhin, hier eines merkwürdigen Zusammen- 
treffens zu gedenken. Von dem Suchen nach Limosennestern 
soeben zurückgehrt in das einsame Gast- und Schleusenhaus, 
welches inmitten dieser weiten, fast bis an den Horizont reichen- 
den Wiesenflächen gelegen ist, wurde mir durch den Wirt die 
Ankunft noch eines Ornithologen triumphierend angezeigt. Meine 
Überraschung war natürlich gross, verwandelte sich aber in freu- 
diges Erstaunen, als dieser Ornithologe sich als ein eifriges Mit- 
glied unserer Gesellschaft darstellte und zwar als der mir dem 
Namen nach schon längst rühmlichst bekannte Herr Dr. Parrot 
aus München. Man wird dieses Erstaunen begreifen können, 
wenn man weiss, dass in dieser Weltabgeschiedenheit wochenlang 
nur Leute, die mit der Heuernte zu thun haben, oder Forstleute 
aus den benachbarten Lewitzwaldungen anzutreffen sind. Trotz 
einiger Zweifel musste ich annehmen, dass die ornithologischen 
Schätze der Lewitz den eifrigen Forscher aus dem fernen Süden 
des deutschen Reiches bewogen hatten, hierber zu kommen, es 
hatte aber diesmal einen anderen Grund. Alsbald wurde natür- 
lich die Fauna der Lewitz besprochen, einiges war schon bekannt 
und auf der Wagenfahrt nach hier bemerkt worden, dann kam 
ich mit meinem Trumpf: „Limosa als Brutvogel und zwar ganz 
in der Nähe.“ Nach dem Mittagsmahl ging es trotz der grossen 
Hitze sofort hinaus, ich konnte meiner Sache vermeintlich ganz 


254 C. Wüstnei: 


sicher sein, denn mehrmals und zuletzt ein Paar Stunden vorher 
hatte ich auf der genau vermerkten Stelle mehrere Paare in 
ihrem Treiben beobachtet. Aber wie das Fatum auch seine 
Launen hat, namentlich wenn man etwas gar zu intensiv wünscht, 
diesmal liess es uns im Stich, und soweit wir auch horchten und 
blickten, keine Limosa liess sich hören und sehen, bis die Zeit 
um war, und wir unverrichteter Sache zurückkehren mussten. 
Die Vögel mussten sich bei der grossen Hitze wohl allzufest 
ihrem Mittagsschlafe überlassen haben. Ich hoffe, Herr Dr. Parrot 
wird trotz dieses Missgeschickes mir und Herrn Pastor Clodius 
doch Glauben schenken, denn gegen Abend als ich wieder allein 
dort war, waren mehrere Paare wieder zur Stelle, ferner hoffen 
wir später noch Nest und Eier zu finden, um den Beweis nach- 
träglich zu liefern. 


Totanus fuscus (L.) Dunkler Wasserläufer. 


Ich erhielt mehrfach Erleste von Poel, so am 11. Mai ein 
Ex. im Übergangskleid, am 28. Juni ein ausgefärbtes sehr dunkles 
Ex., anscheinend ein Männchen und am 15. August einen Vogel 
im Jugendkleid. Die beiden letzterwähnten Vögel befanden sich 
unter Scharen von Numenius arquatus. Auffallend ist das Er- 
scheinen des einen alten Vogels in der letzten Hälfte des Juni, 
derselbe wurde am 26. VI. erlegt. Hier kann man zweifelhaft 
sein, ob man es mit einem Vogel zu thun hatte, der sich als 
einer der letzten noch auf dem Frühjahrszuge befand, oder was 
wohl wahrscheinlicher ist, dass es sich um ein ausnahmsweise 
frühes Erscheinen eines Herbstzüglers handelt, der nicht zum 
Brüten gelangte und aus seinem Wohngebiete, wahrscheinlich 
Lappland, sich so früh auf die Reise gemacht hatte. 


Totanus littoreus (L.) Grünfüssiger Wasserläufer. 
Ich erhielt am 19. Sept. einen Vogel im Jugendkleid von 


Poel. Während 7. fuscus oft kleine Gesellschaften bildet, zieht 
T. hittoreus meist einzeln. 


Machetes pugnax (L.) Kampfhahn. 


Während der Kampfläufer im Binnenlande meist überall 
seltener geworden ist, ist er auf den Lewitzwiesen noch ein recht 
häufiger Brutvogel, wir fanden am 9. Mai daselbst auf einer 
Tageswanderung in der Nähe des Eldeflusses wohl ein halbes 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 255 


Dutzend Kampfplätze, die alle mit S—-10 kämpfenden Männchen 
besetzt waren. Unter den verschiedenfarbigsten Kleidern that 
sich ein Männchen besonders hervor, das auf dem ganzen Körper, 
einschliesslich des Kragens aus einiger Entfernung ganz weiss 
erchien, nur die nackten Stellen am Vorderkopf und Auge waren 
hell fleischfarben. 


Tringa maritima Brünn. See-Strandläufer. 


Nach einer Beschreibung, die ich von diesem an unserer 
Küste seltenen Strandläufer meinem alten Strandjäger auf Poel 
lieferte, wurde mir erklärt, dass dieser Vogel einzeln in den 
Wintermonaten vorkomme und auch bereits in kleinen Gesell- 
schaften bis zu 5 Stück auf steinigen Stellen der Poel gegenüber- 
liegenden langen Landzunge „Kieler Ort‘ der Halbinsel Wustrow 
gesehen worden sei, wenn auch nicht alle Jahre. Auf meine Be- 
stellung, mir bei erster Gelegenheit einen solchen Vogel zu 
schiessen, erhielt ich am 5. III. 1900 richtig ein Ex. im Winter- 
kleid zugesandt. Dieser Vogel lieferte mir den Beweis, dass 
- jener praktische Vogelkenner, ein einfacher Fischer, auch auf 
seltene Erscheinungen acht giebt und dieselben zu unterscheiden 
weiss, ohne ein Buch in Händen gehabt zu haben, und seine An- 
gaben, soweit eine genaue Verständigung über die Art möglich 
ist, zuverlässig sind. 


Trinya alpina L. Alpenstrandläufer. 


Trotz des ziemlich strengen Winters 1899/1900 haben 5 
bis 6 Vögel dieser Art auf Poel durchgewintert. 


Scolopax rusticola L. Waldschnepfe. 

Am 18. Okt. wurde eine Waldschnepfe in hiesiger Stadt 
lebendig ergriffen, welche sich mit einem gebrochenen Fusse in 
einen Taubenschlag geflüchtet hatte. Wahrscheinlich war die 
Beschädigung durch Anfliegen an einen Telegraphendraht hervor- 
gerufen. Das Ex. war sehr wohlbeleibt. 


Grus communis Bechst. Kranich. 

Am il. Okt. vorm. 81/), Uhr flog eine Kranichschar von 
etwa 60 Stück über die Stadt Schwerin nach Südwesten zu. In 
den folgenden Tagen wurden noch mehrfach Kranichzüge bemerkt, 
auch auf den einsamen Feldern auf der Ostseite des Schweriner 


256 C. Wüstnei: 


See rasteten grösserere Scharen. Ferner hat sich der Kranich 
in den letzten Jahren als Brutvogel wieder in hiesiger Gegend 
angesiedelt, so am Nordende des Schweriner Sees, wo er sowohl 
von mir, wie auch von anderen während des Sommers beobachtet 
wurde. Aus dem südöstlichen Mecklenburg erhielt ich ein Ei, 
welches zwar nicht aus dem letzten Jahre stammt, aber wegen 
seiner Grösse, 102: 66 mm, bemerkenswert war und fast einem 
Schwanenei gleichkommt. Auf den Lewitzwiesen wurde vor zwei 
Jahren ein Nest mit zwei Eiern gefunden, das sich merkwürder- 
weise ganz frei auf der Wiese befand. 


Oedienemus scolopax (Gm.) Triel. 


Mitte April wurde ein Fx. in der Nähe von Parchim bei 
Spornitz, und Mitte Oktober wurden 2 Ex. bei Neustadt erlegt. 


Charadrius morinellus L. Mornellregenpfeifer. 


Ich erhielt einen Balg dieses Vogels, der im Oktober 1899 
auf dem langen Werder bei Poel erlegt war. 


Charadrius alexandrinus L. Seeregenpfeifer. 


Ein Vogel im Jugendkleid wurde Mitte August bei Bolten- 
hagen erlegt und dürfte an unserer Küste wohl ausgebrütet sein. 
Es ist dies insofern bemerkenswert, als Nester in den letzten 
Dezennien nicht gefunden sind. 


Anser ferus Brünn. Graugans. 

Ich erhielt ein Ei, welches Ende April freiliegend auf den 
Lewitzwiesen gefunden wurde und zwar auf einer Stelle, wo 
kurz vorher eine Herde Wildgänse sich aufgehalten hatte. 

Von den auf der Ostsee mausernden Gänsen wurden zwei 
Vögel im flugunfähigen Zustande durch Fischer ergriffen und auf 
dem Hofe bei zahmen Gänsen gefüttert. Dieselben wurden bald 
ganz zahm, gingen mit auf den Dorfteich und nahmen das Futter 
aus der Hand. Wenn Scharen wilder Gänse sich hören liessen, 
gingen sie davon und besuchten deren Versammlungen auf den 
nahe gelegenen Feldern. Da ihnen die Flügel gelähmt waren, 
so mussten sie zurückbleiben, wenn ihre Kameraden weiterzogen. 
Die eine dieser Gänse ist bei einer solchen Gelegenheit zu 
Schaden gekommen, man fand ihre Reste am Strande, wahr- 
scheinlich war sie von einem Seeadler. verzehrt. 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 257 


Auf dem nördlichen Teile des Schweriner Sees versammelten 
sich in diesem Sommer Wildgänse in grösserer Anzahl als ge- 
wöhnlich, es müssen sich wohl die Brutgänse mit ihren Jungen 
auch von den benachbarten Seen hier eingefunden haben, sie 
waren während des Monats August in verschiedenen Scharen 
beobachtet, auch noch später. Ich sah am 29. August 3 Züge 
innerhalb einer Viertelstunde vom See zu Felde ziehen, die zu- 
sammen etwa 200 Stück ausmachten. Im ersten Zuge befanden 
sich 11 Stück, im zweiten zählte ich 90 Stück und der dritte 
war mindestens von derselben Stärke. Auch hier hatten sich die 
Gänse trotz der kurzen Flugstrecke, wenigstens in den beiden 
grossen Zügen, in ungleichschenklige Winkelzüge geordnet, sie 
liessen sich aber bald nach Passieren des Ufers auf die Felder nieder. 


Cygnus olor (Gm.) Höckerschwan. 

Konnte in diesem Jahre feststellen, das auch auf dem un- 
mittelbar an der Ostsee in der Nähe des Bastorfer Leuchtturmes 
belegenen Riedensee schon seit vielen Jahren ein Paar des wilden 
Höckerschwanes brütet. Das Paar duldet jedoch kein zweites 
Paar auf dem nur kleinen Gewässer. Auf dem Schweriner See 
hielt sich eine Schar von 20 Stück während der eisfreien Periode 
eine Zeit lang auf. Ein bei Bützow im April erlegtes Männchen 
hatte eine Länge von 1,65 m, eine Flugbreite von 2,50 m und 
ein Gewicht von 23 Pfund. 


Uygnus musicus Bchst. Singschwan. 

War an der Küste nicht selten, ist dort mehrfach erlegt, 
auch im Binnenlande, z. B. auf dem Krakower See, Ich bin über- 
zeugt, dass auch der Zwergschwan, ©. bewickii, an unserer Küste 
sich zeigt, wenn dies auch noch nicht endgültig festgestellt 
worden ist. Die Pöler Jäger berichten, dass zuweilen zwischen 
den Scharen sehr kleine Ex. sich befinden, die sie des Schiessens 
nicht wert hielten, da sie ihnen kaum grösser wie eine Gans 
erschienen seien. Dies erscheint um so wahrscheinlicher, als der 
Zwergschwan bereits in Vorpommern erlegt wurde. So kam noch 
am 19. Okt. v. J. ein Ex. von Rügen zum Ausstopfen nach hier, 
welches mir vorgelegen hat und genau die Artkennzeichen bei 
Naumann aufwies, das Gelbe war noch 2 cm vom Nasenloch 
entfernt. Die Länge war 1,22 m, die Breite 2 m bei einem 
Gewicht von nur 11 Pfund, also noch nicht die Hälfte des oben 
erwähnten Höckerschwanes. 


258 GC. Wüstnei: 


Tadorna damiatica (Hasselq.) Brandente. 


Von der Brandente wurden Ende Mai auf einem Eisenbahn- 
damm in der Gegend von Wismar sieben Dunenjunge ergriffen, 
welche dem Präparator Knuth hierselbst zugeschickt wurden. 
Bei der Aufzucht gingen 3 Stück ein, während 4 zur Zeit noch 
wohlgemut und so zahm wie Hausenten sind. 


Mareca penelope (L.) Pfeifente. 


Die Pfeifente, die auf den bei Schwerin belegenen Seen 
während der Zugzeit sich äusserst selten zeigt, war auf dem 
diesjährigen Herbstzuge merkwürdigerweise recht häufig. Ende 
September und October wurden mehrfach Ex. im ausgefärbten 
wie im Jugendkleide hier in der niheren und weiteren Umgebung 
erlegt, welche mir vorgelegen haben. Am 17. X. beobachtete 
ich eine Schar von etwa 40 Stück auf dem Pinnower See. Die 
Schar befand sich zum grössten Teile weidend am Ufer. 


Anas boschas L. Märzente. 


Trotz des zeitweise recht strengen Frostes überwinterten 
eine grosse Anzahl Märzenten, und ganze Scharen hielten sich 
während der strengen Kälte auf‘ dem Eise des nahe bei der 
Stadt belegenen Burgsees auf, um auf den offenen Stellen der 
Strömungen notdürftig ihr Leben zu fristen. Sie wussten sich 
aber dadurch zu helfen, dass sie die hier ebenfalls überwinternden 
Reiherenten und schwarzen Wasserhühner für sich arbeiten liessen 
und sich deren Tauchkünste zu Nutzen machten, welche ihnen 
von der Natur leider nicht verliehen sind. Sobald ein solcher 
Vogel wieder auftauchte warteten schon die Enten und nahmen 
die Beute ohue Weiteres für sich in Anspruch, wenn es nicht 
gelang dieselbe rechtzeitig hinunterzuschlucken. Auch kamen 
die Enten von allen Seiten herbei, wenn ein Blässhuhn ein 
grösseres Beutestück auf das Eis brachte um es hier zu zerstückeln, 
und meistens musste es den Enten überlassen werden. Die März- 
enten verschmähten in dieser harten Zeit auch anderes schwer- 
verdauliches Futter nicht. So konnte man sie allabendlich bei 
Beginn der Dunkelheit scharenweise unter den Eichen des hie- 
sigen Schlossgartens antreffen, um hier die Eichelmast aufzu- 
lesen. Präparator Knuth fand ebenfalls wiederholt ganz ver- 
schluckte Eicheln im Kropfe der Märzente. 


ae Pa 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 259 


Anas strepera L. Mittelente. 
Da mir seit Decennien von einem Vorkommnisse der Mittel- 


ente bei Schwerin nichts bekannt ist, so möchte ich erwähnen, 
dass ich am 9. Oct. ein Weibchen zugeschickt erhielt, welches 
etwa 4 km nördlich von Schwerin am Ziegelsee erlegt wurde. 


Länge 0,49 m, Breite 0,82 m. 


Spatula elypeata (L.) Löffelente. 


Wie schon erwähnt, ist diese Ente bei Schwerin äusserst 
selten, es war mir daher auffallend, als ich sie auf den etwa 20 
km südlich gelegenen Lewitzwiesen antraf, auch ist sie daselbst 
ein gar nicht seltener Brutvogel. Auch diese Ente scheint zu- 
weilen auf Kopfweiden zu brüten, ich fand ein Nest auf einer 
solchen, welches ein Ei enthielt, das bei den Massen 52 : 36 mm 
wohl nur der Löfielente zugehören konnte. 


Fuligula eristata (Leach) Reiherente. 


Auch in diesem Jahre am 17. Juni fand ich ein Nest dieser 
Ente mit 9 leicht bebrüteten Eiern. Das Weibchen befand sich 
auf dem Neste, ging dann auf den See und wurde dort mit dem 
Fernrohr genau erkannt. Das Nest stand unmittelbar am Ufer 
auf einer Insel des Pinnower Sees zwischen Schilfgräsern, jedoch 
noch auf trockenem Boden. Die Eier glichen den früher be- 
schriebenen. 

Fuligula ferina (L.) Tafelente. 

Auf der vorhin erwähnten Insel fand ich am 27. Mai ausser 
mehreren andern mit 8 bis 9 Eiern, ein Nest der Tafelente, welches 
die grosse Anzahl von 15 Eiern enthielt, am 17. Juni ebendaselbst 
eine grössere Anzahl Nester, von denen eins 13 Eier enthielt. 
Bisher waren 11 Stück das Maximum, welches ich gefunden habe. 
Alle diese Nester befanden sich im Grase der Wiese, die meisten 
zwischen den Nestern von Larus ridibundus und Sterna hirundo. 


Fuligula rufina (Pall.) Kolbenente. 


Am 15. Januar 1900 erhielt Steenbock in Rostock ein schönes 
Männchen der Kolbenente von Warnemünde. Es ist nicht anzu- 
nehmen, dass diese Ente im Winter aus dem südlichen Russland hier- 
her gekommen ist, vielmehr glaube ich bestimmt, dass dieselbe von 
dem einige Meilen südlich gelegenen Krakower See stammt, der 
um diese Zeit zugefroren war, und diese Ente hier das nächste 


260 C. Wüstnei: 


offene Wasser gefunden hat. Es bestätigt dies meine frühere Ver- 
mutung, dass F. rufina auch jetzt noch auf dem Krakower See 
heimisch ist und dort brütet. 


Clangula glaucion L. Schellente. 


Durch die Gefälligkeit des Herrn Jagdjunker von Strahlen- 
dorf zu Mirow bin ich in den Stand gesetzt, über das Brüten 
der Scheilente im südlichen Teil des Grossherzogtums Mecklen- 
burg Strelitz und zwar aus neuerer Zeit einige interessante An- 
gaben zu machen. Auch erhielt ich zwei Eier dieser Ente aus 
der Feldberger Gegend zugeschickt, welche ganz den grünlich 
blauen Farbenton zeigten wie die aus dem Norden bezogenen 
Eier. Die Eier sind von ovaler Form, das eine an beiden Enden 
von ziemlich stumpfer Abrundung mit den Massen 60:45, 
58:44 mm. Die Schale hat etwas Glanz und der bläuliche 
Farbenton ist bei dem einen Ei etwas trüber wie bei dem anderen. 


Der obengenannte Herr schreibt mir über die gemachten 
Beobachtungen wie folgt: „Während meiner zehnjährigen forst- 
lichen Thätigkeit in dem prachtvoll zwischen Seen und Buchen- 
wäldern gelegenen Landstädtchen Feldberg hatte ich ausgiebige 
Gelegenheit, die Schellenten zu beobachten, sie zeigten sich, so- 
wie das Eis von den Seen geschmolzen war, in grösseren Zügen 
auf dem Wasser, dann wenn die alten Buchen anfıngen sich mit 
frischem Grün zu schmücken, paarweise im Walde, wobei sich 
das Männchen im glänzend weissen Hochzeitskleide und dem 
klingelnden Flug mit unglaublicher Schnelligkeit durch die frisch- 
belaubten Zweige hindurch fand. Die Gelege in meiner Sammlung 
fand ich am 3. und 8. Mai, andere jedoch bereits Ende April, 
und Mitte Mai sah man bereits die jungen Züge auf den kleinen 
Waldteichen umhertauchen ; auch haben meine Förster mehrfach 
gesehen, dass die Mutter ein Junges im Schnabel aus dem Nest 
auf die Erde beförderte. Das Nest habe ich nur in alten Buchen, 
Eichen und Aspen gefunden, meistens hoch oben im Wipfel, wo 
der Sturm die Krone oder einen Ast vom Baume herunter- 
gebrochen hatte; doch fand ich auch andere Nester in Mannshöhe 
in einem alten Schwarzspecht- oder Eichhorn-Neste, dessen Eingang 
durch Verwitterung etwas erweitert war. Auf dem Baummulm 
lag eine ungeheure Schicht weicher, weisser Daunen, welche die 
Leute leider zu finden wissen und ebenso nutzen wie im hohen 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 261 


Norden die der Eiderenten. Die Nester werden, da die alten hohlen 
Bäume leider immer seltener werden, mehrfach wieder bezogen. 
Auch hier in einem Buchenrevier der Oberförsterei Mirow scheint 
die Schellente zu nisten, da sie hier ebenfalls häufig ist, doch 
erlaubte mir meine Zeit bisher noch nicht, mich mit ihr zu 
beschäftigen.“ 

Hierzu bemerke ich, dass im Grossherzogtum Mecklenburg- 
Schwerin seit langer Zeit nichts Sicheres über das Brüten der 
Schellente beobachtet ist, obgleich ich es in der Schweriner Um- 
gegend vermute, die bezüglichen Beobachtungen habe ich in 
diesem Journal Jahrgang 1899 Seite 147 veröffentlicht. 


Somateria mollissima (L.) Eiderente. 


Seit vielen Jahren ist mir diese Ente von Poel nicht zu 
Gesicht gekommen, im December d. J. wurden jedoch eine grössere 
Anzahl von den Fischern daselbst in den Netzen gefangen. Aus- 
gefärbte Männchen habe ich nicht dazwischen gefunden. 


Oedemia fusca (L.) Sammetente. 


Diese Ente, eigentlich nur Seevogel, hatte ich bisher noch 
nicht auf den Landseen angetroffen, erst in diesem Jahre be- 
merkte ich 3 Exp., lauter Weibchen, die sich während des Monats 
November auf dem Schweriner See’ in der Nähe der Stadt auf- 
hielten. Ich nehme wenigstens an, dass diese 3 oft bemerkten 
Enten immer dieselben Vögel waren. Bei Poel wurde sie, ebenso 
wie nigra, besonders häufig gefangen, auch fand ich oft die 
Männchen im Prachtkleide dazwischen. 


- 


Mergus serrator L. Mittlerer Säger. 


Dieser Vogel sitzt sehr fest auf dem Neste, ich konnte das 
Weibchen mehrfach aus nächster Nähe bei zurückgebogenen 
Zweigen des das Nest schützenden Busches längere Zeit beob- 
achten, ohne dass es davonflog, sodass ich die Anzahl der Eier 
nicht feststellen konnte. Diese Eigenschaft machte sich ein 
Pöler Fischer zu Nutze, der einem brütenden Weibchen für einen 
Teil der eigenen Eier Hausenteneier zum Ausbrüten ins Nest 
legte. Die jungen Enten kamen aus, wurden rechtzeitig abgefasst 
und auf dem Hofe des Fischers weiter gefüttert. Im October 
d. J. stellte er sich in grosser Anzahl auf dem Schweriner See 
ein, ich beobachtete Scharen bis zu 100 Stück. Bei so grosser 


262 C. Wüstnei: 


Anzahl war es interessant, ihre Fischjagden zu beobachten. Wie 
auf Commando taucht die ganze Schar gleichzeitig unter und 
erscheint auch ziemlich gleichzeitig auf einer anderen Stelle 
wieder auf der Oberfläche, ein Teil der Schar mit der Beute 
im Schnabel. Gewöhnlich war die Zeit, die vom Untertauchen 
bis zum Wiederauftauchen verstrich, nicht ganz eine Minute. 


Mergus merganser L. Grosser Säger. 


Der Gänsesäger war in den ersten Wintermonaten des Jahres 
1900 auf den eisfreien Stellen des Schweriner Sees in starken 
Gesellschaften vertreten, in einer Schar zählte ich am 28. Januar 
sogar über 100 Stück, und da sich in dieser Herde mehr Männchen 
als Weibchen befanden, so gewährte dieselbe einen überaus 
prächtigen Anblick. Auch die einjährigen, noch nicht ausgefärbten 
Männchen waren schon in der Ferne an ihrer bedeutenden Grösse 
sowie an der Rosafarbe des Unterkörpers zu erkennen, 


Sterna macrura Naum. Küstenseeschwalbe. 


Um sichere Aufschlüsse über die Artverschiedenheit zwischen 
den auf dem Schweriner See und den nur wenige Meilen nördlich 
auf dem langen Werder bei Poel-brütenden Seeschwalben zu er- 
halten, wurden von beiden Arten einige Vögel erlegt. Der Ver- 
gleich ergab unzweifelhaft für die Seeküste 81. macrura, für den 
Schweriner See 82. hirundo. Die erstere hatte genau die von 
Naumann angegebenen Artkennzeichen: Den weniger schlankeren 
Schnabel ohne schwarze Spitze, die mehr dunkelrote Farbe von 
Schnabel und Füssen, den schmaleren dunklen Streif an der Innen- 
fahne der ersten Schwungfeder und den um etwa 3 cm tiefer 
gegabelten Schwanz, während die auf dem Schweriner See er- 
legten Ex. die richtigen Farben und Verhältnisse der 8%. hirundo 
aufweisen. 


Sterna caspia Pall. Raubseeschwalbe. 


Dem vorjährigen Berichte habe ich hinzuzufügen, dass dieser 
Vogel sich während des Frühjahrszuges wiederum bei Poel zeigte, 
am 22ten April beobachtete ich ein Ex. gemeinschaftlich mit 
dem früheren Beobachter über den langen Werder fliegend, 
welches auch seine krächzende Stimme hören liess. Auf weiteres 
Forschen konnte ich nicht ermitteln, dass die Raubseeschwalbe 
in frühern Jahren je bemerkt wurde. 


Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 263 


Larus canus L. Sturmmöve. 


Die Sturmmöve hat in diesem Sommer mehrfach auf den 
in der See beziehungsweise in den Binnengewässern liegenden 
grossen Steinen genistet, wahrscheinlich weil ihr auf dem langen 
Werder die Eier oft geraubt werden. Sie sucht sich hierzu 
solche Steine aus, bei denen der Wellenschlag die Nester nicht 
gefährden kann, und sind letztere etwas grösser und fester gebaut 
wie auf dem Lande, damit die Eier eine sichere Unterlage haben. 

Wie bei Mergus serrator hat ein Pöler Fischer auch diese 
Möve als Bruthenne verwertet und von ihr Hühnereier ausbrüten 
lassen. Die Möve hat die von ihren eigenen in der Farbe so 
sehr abweichenden Eier sofort angenommen und genau in 21 
Tagen ausgebrütet. 


Urinator arcticus (L.) Polartaucher. 


Ein schönes Ex. im Hochzeitskleide ging hier zum Aus- 
stopfen ein, dasselbe war Ende Mai in der Nähe des Seebades 
Boltenhagen von Fischern erlegt worden. 


Uria grylie (L.) Gryllumme. 

Am 11. August und 25. Sept. wurden bei Poel Exemplare 
gefangen und mir zugeschickt, welche noch nicht ganz ausge- 
wachsen waren und noch ein ziemlich rauhes Aussehen von dem 
noch nicht ganz abgelegten Dunenkleide hatten. Die Länge be- 
trägt 30 cm die Breite 54 cm: Wahrscheinlich waren diese Vögel 
von ihrem nächstgelegenen Brutplatze, der Insel Bornholm, so 
frühzeitig nach hier verschlagen worden. 


- 


Fratercula arctica (L.) Papageitaucher. 


Als neu für die mecklenburgische Fauna ist dieser Vogel 
nachzutragen. In der kleinen Sammlung des Doberaner Gym- 
pasiums wurde ein Ex. aufgefunden, welches vor mehreren Jahren 
am Doberaner Seestrand von einem Fischer gefangen wurde. 


Nachschrift. Aus andern ÖOstseeländern Sind ausser den 
oben bereits erwähnten beiden Vögeln : Falco peregrinus mit blauen 
Füssen von Eckernförde und Oggnus bewickii von Rügen, von 
bemerkenswerten Vögeln nach hier gelangt: 


264 C.Wüstnei: Beobachtungen aus der Ornis Mecklenburgs im Jahre 1900. 


Aguila chrysaötus (L.). Ein starkes Weibchen von 0,90 m 
Länge und 2,10 m Flugweite im Nov. 1900 bei Greifswald erlegt, 
mit braungeflecktem Oberkörper und weisslichen Flügelbinden. 

Aquila clanga Pall. Ein Weibchen im Jugendkleid in der 
ersten Hälfte des Novembers in Ostpreussen erlegt. Gegen die 
hiesigen Schreiadler ist dieser Vogel ein grosses starkes Tier von 
0,72 m Länge und 1,75 m Breite, er hatte jedoch als junger 
Vogel etwas schwächere Fänge und Schnabel als die beiden 
früher beschriebenen in Mecklenburg erlegten Schelladler, welche 
ich nach diesem Vergleich auch bezüglich ihrer Färbung jetzt 
umsomehr als ältere Vögel ansprechen möchte, da ihnen die 
dem Jugendkleide charakteristische rostgelbe Fleckung der Ober- 
flügel fehlte, sondern die Fleckung des Oberkörpers nur aus 
einigen schmutzigweissen Schaft- und Spitzenflecken bestand, die 
wenig hervortraten. Die Hauptfärbung des jungen Vogels ist ein 
sehr dunkles Schwarzbraun, namentlich fehlt dem Kopf jede 
Zeichnung, auch fehlt der Nackenfleck. Die Schulter- und Flügel- 
deckfedern sind mit vielen rostgelben Schaftflecken geziert, auf 
den grossen Deckfedern finden sich grosse rostgelbe Lanzett- . 
und Spitzenflecke, welche 2 sehr ausgeprägte Flügelbinden dar- 
stellen. Der Schwanz ist ungebändert, die untern Schwanzfedern 
weisslich mit Rostgelb überflogen. Erwähnenswert möchte auch 
die Erlegungszeit im November sein, da der hiesige Schreiadler 
nur Sommervogel ist. 

Nyctala tengmalmi (Gm.). Ein Ex. des Rauhfusskauzes kam 
aus Zingst in Vorpommern nach hier. 


Schwerin, den 30. Januar 1901. 


265 


Einige Bemerkungen über die Verbreitung und Systematik 
der Kasuare. 


Von Paul Matschie. 


The Honorable Walter Rothschild hat in den Trans- 
actions of the Zoological Society of London, vol. XV. Theil 5, 
December 1900, p. 190—248, Taf. XXII—XLI eine monographische 
Bearbeitung der Kasuare veröffentlicht, welche einen grossen 
Fortschritt in der Kenntnis dieser schwierigen Gattung bedeutet. 

Rothschild glaubt, dass man drei verschiedene Gruppen 
unterscheiden muss: 1. die typischen Kasuare, 2. die Einlapp- 
Kasuare, 3. die Mooruks. 

Bei den ersteren ist der Helm hinten zusammengedrückt 
und es sind zwei Hautlappen am Halse vorhanden; bei den Ein- 
lapp-Kasuaren ist der Helm hinten abgeflacht und am Halse 
befindet sich nur ein Hautlappen; die Mooruks endlich haben 
ebenfalls einen hinten abgeflachten Helm und am Halse keine 
Hautlappen. 

Pycraft hat (l. c. p. 275—276) nachgewiesen, dass diese 
drei Gruppen auch in der Gestalt des Sternum erhebliche Unter- 
schiede zeigen. 

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass noch ein 
anderes Merkmal für diese Trennung spricht. 

Die Zweilapp-Kasuare und die lappenlosen Kasuare haben 
zwischen dem Ohr und dem Schnabel einen wenig auffallenden, 
kleinen Hautwulst, alte Einlapp-Kasuare besitzen dagegen an 
dieser Stelle eine, vom Ohr schief nach unten verlaufende, wul- 
stige, in der unteren Hälfte ovale Karunkel, die vor der Mitte 
etwas eingeschnürt ist. 

Unter den Zweilapp-Kasuaren unterscheidet Rothschild 
zwei Arten: ©. bicarunculatus und casuarius, teilt aber diese 
letztere in 7 Subspecies. Ich halte ©. böicarunculatus für eine 
geographische Abart von ©. casuarius, ebenso wie Ü. australis, 
©. sclateri und die übrigen als solche aufzufassen sind. Dass 
©. bicarunculatus durch seine weit von einander getrennten Hals- 
lappen von ©. casuarius leichter zu unterscheiden ist als vielleicht 
violicollis, giebt ihm noch nicht die Berechtigung für den Species- 
Rang. 

Wir werden niemals im Stande sein, die natürliche Verwandt- 
schaft durch die Nomenclatur auszudrücken, wohl aber können wir 

Journ, £. Orn. XLIX, Jahrg. April 1901. 18 


266 Paul Matschie: 


gleich berechtigte Individuen-Kreise durch eine gleichmässige 
Benennung kennzeichnen. 

Der Zweilapp-Kasuar lebt in Non On auf den Aru- 
Inseln und Ceram und ist wahrscheinlich über das gesamte Neu- 
Guinea verbreitet, da man ihn aus dem äussersten Nordwesten 
und dem äussersten Südosten kennt. Es sind mehrere gut zu 
unterscheidende Formen dieser Kasuare beschrieben worden, von 
denen jede ein gesondertes Gebiet bewohnt. Man darf also wohl 
annehmen, dass in jeder faunistischen Provinz des Verbreitungs- 
gebietes eine durch besondere Merkmale ausgezeichnete Abart 
des Zweilapp-Kasuars lebt. Alle verdienen aber eine gleich- 
mässige Benennung; entweder bezeichne man sie alle ternär als 
Abarten von Casuarius casuarius oder man führe für die drei 
Gruppen der Kasuare, die Zweilapp-Kasuare, die Einlapp-Kasuare 
und die lappenlosen Kasuare je einen Untergattungsnamen ein 
und benenne alle Abarten binär. 

Der Queensland-Kasuar ist leicht kenntlich durch seine 
sehr langen und in ihrer ganzen Länge getrennten Hals- 
lappen, durch den im rechten Winkel zur Basis aufsteigenden, 
vorn gewölbten Helm, durch die dunkelblauen nackten Seiten 
des Oberhalses und durch den am Vorderrande violett gesäumten 
Hinterhals. Drei Exemplare dieser prächtigen, grossen Abart 
leben augenblicklich im Berliner ZoologischenGarten. ©. australis 
kommt im nördlichen Queensland vor. 

Bei ©. beccarit und C. sclateri sind die Halslappen an der 
Basis breit verwachsen. Der Helm des C. beccarii von Wokam, 
der nördlichsten Aru-Insel ist hinten gewölbt, während er bei 
©. sclateri von Südost-Neu-Guinea hinten gerade oder ausgehöhlt 
ist. Bei ©. beccarii ist der untere Teil der nackten Hinterhalsbinde 
in der vorderen Hälfte blau, in der hinteren Hälfte rot gefärbt, 
bei U. sclateri nur im vorderen Drittel blau, in dem übrigen 
Verlaufe rot gefärbt. 

Rothschild hält ©. Zrecarunculatus für eine Ausartung von 
©. saWwadori. Ich bin nicht davon überzeugt, dass beide zu 
einer und derselben Abart gehören. Der von Salvadori auf Tafel 
I. Fig. 5 (Mem. R. Accad. Scienze Torino, 2. ser. XXXIV) ab- 
gebildete Ü. salvadorii hat einen sehr hohen, hinten rechtwinklig 
über der Basis aufsteigenden Helm, Rothschild’s Abbildung auf 
Taf. XXIV zeigt einen Kasuar, dessen Helm hinten gewölbt auf- 
steigt. C. salvadorii hat 2 getrennte Halslappen, auf Rothschild’s 


Bemerkungen über Verbreitung und Systematik der Kasuare. 267 


Tafel befindet sich zwischen den beiden Lappen ein kleinerer, 
dritter. 

C. salvadorii ist von Warbusi im Norden der Geelvinck-Bai 
beschrieben worden, C©. tricarunculatus aber von Wandammen 
im Süden derselben Bai. 

Ich schlage vor, beide Formen zunächst noch nicht zu ver- 
einigen, solange ihre Übereinstimmung nicht sicher nachge- 
wiesen ist. 

Der Helm des Ceram Kasuars, C. casuarius, steigt hinten 
rechtwinklig zur Basis auf; die roten nackten Stellen des Hinter- 
halses sind vorn sehr schmal blau gerandet. 

Bei C. violicollis ist die Hinterkante des Helmes gewölbt 
und der untere Teil der nackten Halsgegend ist nur hinten 
schmal rot eingefasst. 

Bei C. intensus steigt die Hinterkante des Helmes fast recht- 
winklig zur Basis auf, ist aber etwas ausgehöhlt; der untere 
Teil der nackten Halsseiten ist blau. 

Das Vaterland von O. veolicollis ist nicht genau bekannt; Roth- 
schild glaubt, dass er auf Terangan, der südlichsten Aru-Insel 
zu Hause ist. Zwei jüngere Kasuare des Berliner Zoologischen 
Gartens scheinen dieser Abart anzugehören. 

Für CO. intensus ist kein sicherer Fundort nachgewiesen. 

Rothschild nimmt in der Gruppe der Einlapp-Kasuare 
zwei Arten an, O©. philipi und ©. unappendiculatus, und beschreibt 
von letzterer vier Abarten. 

Die Einlapp-Kasuare sind bis jetzt nur aus Nord-Neu-Guinea 
nördlich vom centralen Gebirgszuge bekannt geworden. 

Meiner Ansicht nach empfiehlt es sich, alle Einlapp-Kasuare 
als Abarten einer einzigen Form zu benennen, da sie sich offen- 
bar geographisch ersetzen. 

C. rufotinctus Rothschild kann ich nicht von ©. aurantiacus 
Rothschild unterscheiden. Das jetzt im Berliner Zoologischen 
Museum aufbewahrte Original-Exemplar der letzteren Abart hatte, 
wie eine sofort nach seinem Tode angefertigte Farbenskizze 
beweist, den Vorderhals blau. Es sah also später wesentlich 
anders aus, als es Keulemans’ Tafel darstellt. Die Gestalt des 
Helmes scheint bei rufotinctus auch dieselbe zu sein, wie bei 
aurantiacus; beide haben einen sehr niedrigen Helm. Jedenfalls 
ist eine Gegenüberstellung der Unterschiede beider Formen sehr 


erwünscht. 
18* 


2368 Paul Matschie: 


Der von Rothschild als (©. wunappendiculatus auf 
Tafel XXIX und XXX abgebildete Kasuar stimmt mit Blyth’s 
Original Beschreibung von (©. unappendiculatus nicht überein; 
denn Blyth erwähnt, dass „the cheeks and throat are smalt blue“ 
und sagt nichts von einer gelben Binde über das Hinterhaupt. 

Dagegen entspricht Salvadori’s Abbildung (Taf. II, Fig. 6) 
der Blyth’schen Beschreibung. Auch Casuarius kaupi Rosenberg 
gehört wohl zu ©. unappendiculatus Blyth. 

Bei Rothschild’s Exemplar ist die Schnabelfirste kürzer als 
die Entfernung vom Vorderrande des Auges bis zum Vorder- 
rande des Helmes an der Schnabelfirste; nur das Kinn und die 
Karunkeln sind blau; über den Hinterkopf verläuft eine gelbe 
Binde und die gelbe Halsfärbung erstreckt sich nach oben bis 
dicht an das Ohr. 

Bei dem von Salvadori abgebildeten Individuum ist die 
Schnabelfirste länger als die Entfernung vom Vorderrande des 
Auges bis zum Vorderrande des Helmes an der Schnabelfirste; 
das Kinn und der obere Teil des Halses sind ebenso wie die 
Hals- und Kopfseiten, der Hinterhals und der Hinterkopf blau; 
auf dem Hinterkopf ist eine gelbe Binde nicht vorhanden und 
die gelbe Halsfärbung reicht nach oben nicht bis an die Kopf- 
seiten heran. ; 

Ferner steigt bei Rothschild’s Kasuar die Vorderkante des 
Helmes fast rechtwinklig über die Helmbasis auf und die Helm- 
spitze befindet sich weit vor dem Auge, während sie bei Salvadori’s 
Exemplar in spitzem Winkel so nach hinten sich erhebt, dass die 
Spitze des Helms dicht über dem Vorderrande des Auges liegt. 

Ich halte den von Rothschild abgebildeten Vogel für ver- 
schieden von ©. unappendiculatus Blyth und nenne ihn Casuarius 
rothschildi Mtsch. 

Im Berliner Zoologischen Garten lebt ein jüngerer Vogel, 
welcher dieser Abart angehört und als Original-Exemplar anzu- 
sehen ist. 

©. philipi hat ebenfalls einen kurzen Schnabel und keine 
gelbe Hinterhalsbinde; durch den einfarbig blauen Vorderhals 
ist er leicht kenntlich. 

Bei ©. occipitalis reicht die gelbe Halsfärbung nicht bis zur 
Ohrgegend, eine gelbe Hinterhauptsbinde ist vorhanden; der 
Helm ist hoch und bildet ein spitzwinkliges Dreieck von der 
Seite gesehen. 


Bemerkungen über Verbreitung und Systematik der Kasuare. 269 


C. unappendiculatus ist aus dem äussersten Nordwesten 
von Neu-Guinea bekannt, von Salwatti, Tangion-Ram und Sorong- 

Das Vaterland von ©. rothschildi kenne ich nicht. 

C. occipitalis ist in Jobi zu Hause, CO. aurantiacus in 
Deutsch-Neu-Guinea. 

Die dritte Gruppe der Kasuare, die lappenlosen Kasuare, 
umfasst nach Rothschild 4 Arten ©. papuanus, ©. picticollis, 
©. benneiti und Ü. loriae; die ersten drei sind in je 2 Subspecies 
beschrieben. 

C. papuanus und Ü. edwardsi haben einen roten Hinterhals. 
Bei ©. edwardsi befindet sich ein roter Fleck dicht unter und 
hinter dem Schnabelwinkel. CO. papuanus ist von Andai, Amber- 
baki und Dorei, ©. edwardsi von Dorei bekannt. Ob beide sich 
von einander trennen lassen, wird erst durch Untersuchung 
weiteren Materials entschieden werden können. 

Rote Halsseiten haben (©. picticollis und CO. hecki. Bei picti- 
collis ist am Vorderhalse und zuweilen auch am Kinn eine rote 
Färbung vorhanden. Ü. hecki hat einen roten Fleck hinter dem 
 Schnabelwinkel, der übrigens von Rothschild nicht erwähnt wird. 

Der Helm ist bei ©. picticollis oben rechtwinklig, bei C. 
hecki stumpfwinklig. 

©. picticollis lebt an der Discovery Bai in Süd-Neu-Guinea, 
©. hecki in Deutsch-Neu-Guinea. (. bennetti von Neu-Pommern 
hat die nackten Halsseiten tief purpurfarbig. CO. maculatus ist ihm 
sehr ähnlich, hat aber auf dem Vorderhalse einen roten Fleck. 
©. loriae ist durch den roten Vorderhals leicht kenntlich und 
würde, selbst wenn sich O©. picticollis in ähnlicher Weise aus- 
färbte, durch den niedrigen, aber nicht spitzwinkligen, sondern 
rechtwinkligen Helm und die längere Schnabelfirste sich unter- 
scheiden. 

Die lappenlosen Kasuare scheinen über ganz Neu-Guinea 
verbreitet zu sein. 


270 


Vogelwarte Rossitten 
der 
Deutschen Ornithologischen 6esellsehaft. 


Nachdem durch Frlass des Königlichen Ministeriums der 
geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten vom 18. 
Dezember 1900 und uuter Beteiligung des Königlichen Minis- 
teriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten der Deutschen 
Ornithologischen Gesellschaft geeignete Mittel zur Verfügung ge- 
stellt sind, hat die Gesellschaft die Einrichtung einer ornitho- 
logischen Beobachtungsstation in Rossitten auf der kurischen 
Nehrung beschlossen und folgende Satzungen und Geschäftsord- 
nung für die Station aufgestellt: 


I. Satzungen. 


Sk 
Die Station führt den Namen „Vogelwarte Rossitten der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft.“ 
822. 
Zweck der Vogelwarte ist: 

1. Beobachtung des Vogelzuges, wobei insonderheit zu berück- 

sichtigen ist: 

a. Zugzeit der einzelnen Arten (Jahres- und Tageszeit), 

v. Richtung der Wanderzüge. 

c. Stärke der einzelnen Wanderscharen und Anordnung der 
Züge, 

d. Sonderung der Vogelarten innerhalb der Wanderscharen 
nach Geschlecht und Alter, 

e. Wind- und Wetterverhältnisse während, vor und nach 
der Zugzeit und Einflüsse derselben auf das Wandern, 

f. Höhe des Wanderfluges, 

g. Schnelligkeit des Wanderfluges und Geschwindigkeit des 
Vogelfluges überhaupt, 

h. Rasten der Wanderscharen und Rückflug, 

i. Herkunft der Vögel. 

2. Beobachtung der Lebensweise der Vögel und ihrer Ab- 
hängigkeit von der Nahrung. Unterschiede in der Lebens- 
weise der Brut-, Strich- und Zugvögel. 

3. Untersuchungen über Mauser und Verfärbung. Alters- und 
Jahreskleider der Vögel, Zeit und Art ihrer Entstehung. 


Vogelwarte Rossitten. 271 


4. Untersuchungen über den wirtschaftlichen Wert der Vögel 
und zwar: 

a. Nahrung der Vögel zu verschiedenen Zeiten und an ver- 
schiedenen Orten, 

b. Nutzen und Schaden, der sich aus der Nahrungsweise 
der einzelnen Vogelarten für Land- und Forstwirtschaft, 
Gartenbau und Fischerei ergiebt, 

c. Verbreitung von Pflanzen und niederen Tieren durch Vögel. 

5. Untersuchungen über zweckgemässen Vogelschutz und zwar: 
a. Erhaltung und Vermehrung des Vogellebens durch An- 

pflanzungen und Aufhängen von Nistkästen. 

b. Versuche mit Winterfütterung zur Erhaltung des Vogel- 
lebens, insonderheit auch zur Erhaltung des Jagdgeflügels. 

c. Massnahmen zur Erzielung gesetzlicher Bestimmungen 
zum Schutze der Vogelwelt. 

6. Einrichtung einer Sammlung der auf der Nehrung und in 
nächster Umgebung vorkommenden Vögel auf der Vogel- 
warte Rossitten. 

7. Beschaffung von Untersuchungsmaterial für die wissenschaft- 
lichen Staatsinstitute. 

8. Bei den unter 2, 4 und 7 genannten Aufgaben soll die 
Thätigkeit der Vogelwarte sich nicht auf die Vögel beschränken, 
sondern auch auf andere Tierklassen erstrecken. 

9. Verbreitung der Kenntnis des heimatlichen Vogellebens im 
allgemeinen und des wirtschaftlichen Wertes der Vögel im 
besonderen durch Wort und Schrift. 


ges: 

Die Vogelwarte Rossitten untersteht einer Verwaltung, die 
sich aus dem jeweiligen Vorstande der Deutschen Ornithologi- 
schen Gesellschaft, aus 3 vom Vorstande zu wählenden Mitgliedern 
der Gesellschaft, unter denen ein Jurist sein soll, und aus je 
einem Vertreter der Königlichen Ministerien der geistlichen, Unter- 
richts- und Medizinal-Angelegenheiten und für Landwirtschaft, 
Domänen und Forsten zusammensetzt. 


84. 
Die ornithologischen Ergebnisse der Vogelwarte Rossitten 
werden im Organ der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, 
Journal für Ornithologie, veröffentlicht. 


272 Vogelwarte Rossitten. 


85. 
Die Ausführung der in den Satzungen enthaltenen Aufgaben 
wird durch eine Geschäftsordnung geregelt. 
S 6. 
Änderungen und Erweiterungen der Satzungen bleiben der 
Verwaltung jederzeit vorbehalten. 


Die Verwaltung der Vogelwarte besteht zur Zeit aus fol- 
genden Herren: 


Professor Dr. R. Blasius, Braunschweig, Präsident 
Herman Schalow, Berlin, Vice-Präsident Vortanı 
Professor Dr. Reichenow, Berlin, Generalsekretär der 
ABRS -. * Deutschen 
P. Matschie, Kustos am Königl. Museum für f ke 
Naturk. in Berlin Stellvertret. Sekretär | Ornitholog. 
Gesellschaft. 


Öberpostsekretär C.Deditius, Berlin, Kassenführer ) 
Regierungsrat Professor Dr. G. Rörig, Berlin Beigeordnete 
Rechtsanwalt und Notar P. Kollibay, Neisse Mitglieder 
Dr. A. Jacobi, Berlin | der Gesellschaft. 


Ein Vertreter des Königl. Ministeriums der Geistlichen, Unter- 
richts- und Medizinal-Angelegenheiten (Ernennung noch 
ausstehend). 

Ein Vertreter des Königl. Ministeriums für Landwirtschaft, Do- 
mänen und Forsten UEnUuUE noch ausstehend). 


Mit der Leitung der Vogelwarte ist Herr J. Thienemann 
betraut worden. 


II. Geschäftsordnung. 
Sk 
Der Leiter der Vogelwarte übernimmt auf Grund eines 
Vertrages die Ausführung der in den Satzungen ausgesprochenen 
Aufgaben. 
Sa 
Am Schlusse eines jeden Kalenderjahres hat der Leiter der 
Vogelwarte einen Verwaltungsbericht und einen wissenschaftlichen 
Jahresbericht zu liefern und der Verwaltung bis spätestens zum 
3l. Januar des folgenden Jahres einzusenden. Die Berichte 
werden im Journal für Ornithologie veröffentlicht. Auch soll der 
Leiter der Vogelwarte über Beobachtungen und Untersuchungen, 


Vogelwarte Rossitten. 273 


deren schnelle Veröffentlichung zur Wahrung des Zeitvorrechtes 
oder, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf ein Vorkommnis 
zu lenken, wünschenswert ist, während des Kalenderjahres Be- 
richte einschicken, für deren schleunige Bekanntmachung durch 
Zeitschriften oder Flugblätter die Verwaltung Sorge tragen wird. 


83. 
Die sonstige litterarische Thätigkeit des Leiters der Vogel- 
warte ist insoweit unbeschränkt, als dadurch die amtlichen Be- 
richte nicht beeinträchtigt werden. 


84. 


Zur Verfolgung aller unter $ 2 der „Satzungen“ genannten 
Aufgaben der Vogelwarte Rossitten ist die Kraft eines Einzelnen 
selbstverständlich nicht ausreichend, vielmehr soll mit der Anstalt 
ein Mittelpunkt für die genannten Bestrebungen geschaffen werden. 
Es wird Aufgabe des Leiters der Anstalt sein, für die verschie- 
denen Zwecke und Ziele Mitarbeiter in allen Teilen Deutschlands 
(Flachland, Mittel- und Hochgebirge) zu werben, die dann ge- 
wonnenen Einzelbeobachtungen und Ergebnisse aber einheitlich 
zu verarbeiten oder für deren Bearbeitung durch geeignete Fach- 
leute Sorge zu tragen. 

Die Vogelwarte wird zur Förderung ihrer Zwecke u. a. 
auch mit den Wetterwarten auf Zugspitze, Schneekoppe und 
Brocken, mit den Leuchtturmwächtern und ‚den Vereinen für 
Luftschiffahrt in Verbindung treten. 


274 Bericht über die Dezembersitzung 1900. 


Bitte an alle Ornithologen. 


Nachdem die Vogelwarte Rossitten in Thätigkeit getreten 
ist, richten wir an alle Fachgenossen und Freunde der deutschen 
Vogelkunde die Bitte, zur Begründung einer ornithologischen 
Bibliothek, die sich für die Arbeiten in der Station als dringend 
nötig erweist, hilfreiche Hand zu bieten. In Hinblick auf die zu 
lösenden Aufgaben wird es sich in erster Reihe um die Be- 
schaffung von Büchern über die Vögel Deutschlands und alsdann 
um solche über die Vögel des gesamten europäisch-sibirischen 
Gebietes handeln. Erwünscht sind ferner Arbeiten über den Zug 
der Vögel, über Lebensweise und ähnliches. Wertvolle Schriften 
sind uns bereits zur Verfügung gestellt worden. Wir bitten 
die Verfasser ornithologischer Arbeiten, der Vogelwarte ihre Ver- 
öffentlichungen, seien diese nun in Buchform erschienen oder in 
Sonderabzügen vorhanden, gütigst überweisen zu wollen. Ebenso 
wird um Überlassung fremder Arbeiten, die doppelt im Be- 
sitze des Einzelnen sind, freundlichst gebeten. Die Sendungen 
sind an den Leiter der Vogeiwarte, Herrn J. Thienemann, 
Rossitten, Kurische Nehrung, zu richten. Ein Verzeichnis der 
Eingänge und der Geber wird s. Z. in dem Jahresbericht der 
Station gegeben werden. Im voraus sei aber allen Spendern für 
ihre gütigen Zuwendungen von der Verwaltung der Vogelwarte 
der herzlichste Dank an dieser Stelle bereits ausgesprochen. 


Der Vorstand der Deutschen Ornithologischen Gresellschaft, 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Dezembersitzung I900. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 3. Dezember 1900, Abends 
8 Uhr im Bibliothekzimmer des Architekten - Vereinshauses 
Wilhelmstr. 92. 11. 

Anwesend die Herren Reichenow, Schalow, Deditius, 
Grunack, Thiele, Kosegarten, Haase, Matschie, von 
Lucanus, Jacobi und Pascal. 

Vorsitzender: Herr Schalow. Schriftf.: Herr Matschie. 

Vor dem Eintritt in die Tagesordnung teilt der Vor- 
sitzende mit, dass Herr Generalleutnant z. D. Excellenz Nernst, 
seit 1890 Mitglied unserer Gesellschaft, gestorben ist. 


Bericht über die Dezember-Sitzung 1900. 275 


Die Anwesenden ehren das Andenken an den Heimgegangenen 
durch Erheben von den Sitzen. 

Herr Reichenow bespricht nunmehr die erschienenen 
und eingesandten Schriften. 


Auch die Herren Matschie und Schalow Iegen einige in- 
teressante ornithologische Arbeiten vor und weisen auf den In- 
halt derselben hin. 

Herr Deditius giebt einen ausführlichen Bericht über die 
Arbeit von V.Häcker: Der Gesang der Vögel, seine anatomischen 
und biologischen Grundlagen. 

Herr Reichenow verliest einen Brief unseres Mitgliedes 
Baron von Erlanger über die Ergebnisse seiner Forschungen 
in Abessinien und legt alsdann drei Entenvögel vor, die Herr 
Dr. Bartels von Jaluit eingesendet hat. Der hieran sich 
knüpfende Bericht über eine Vogelzugstrasse vom nordwestlichen 
Nordamerika nach Polynesien über die Marshallinseln ist bereits 
in den Orn. Monatsb. 1901 S. 17 veröffentlicht. 


Herr von Lucanus legt eine Amsel mit partiellem Albi- 
nismus vor. Der Vogel zeigt folgende Färbung: 


Kopf, Hals, Rücken, obere Schwanzdecken weiss, Bauch 
weiss gefleckt. Flügel und Schwanz schwarzbraun, Kehle und Ober- 
brust rotbraun. Diese Teilehaben aber die Farbe des Amselweibchens; 
der Schnabel dagegen ist wie beim Amselmännchen orangegelb 
gefärbt, nur die Spitze graubraun. Füsse orangegelb. Durch 
Section ist festgestellt, dass der Vogel weiblichen Geschlechts ist. 
Der Vogel zeigt daher partiellen Albinismus in Verbindung mit 
Hahnenfedriekeit in Bezug auf die Schnabelfärbung. Farbe der 
Iris dunkelbraun, nicht rot wie bei eigentlichen Albinos. Die 
erlegte albinotische Amsel hielt sich zusammen mit 3 normal 
sefärbten Vögeln auf und zeichnete sich vor diesen durch besonders 
vorsichtiges, scheues Wesen aus. Es erweckte den Eindruck, als 
ob der Vogel sich bewusst war, infolge seiner abnormen, auf- 
fallenden Färbung einer grösseren Gefahr ausgesetzt zu sein. 
An derselben Stelle, wo diese Amsel erlegt war, zeigte sich 
später wieder eine mit weiss gesprenkeltem Gefieder. 


Über diesen merkwürdigen Vogel erhebt sich eine lebhafte 
Unterhaltung, an welcher namentlich die Herren Matschie, 
Schalow, Reichenow, Pascal und Kosegarten sich 
beteiligen. 


276 Bericht über die Januarsitzung 1901. 


Herr Pascal sieht in dem häufigen Auftreten albinotischer 
Exemplare bei Amseln den Einfluss der veränderten Lebensweise. 

Herr Schalow macht darauf aufmerksam, dass in einzelnen 
Monaten, namentlich im September, innerhalb Berlins keine Amsel 
zu sehen ist. 

Herr Reichenow vermutet, dass sie zu dieser Zeit sich von 
Beeren ernähren und darum weitere Ausflüge machen. 

Herr Kosegarten berichtet über einen weiss vermauserten 
Sprosser. 

Herr Jacobi spricht über einen Erpel, der an der Moabiter 
Brücke in Berlin sich auf dem Kanal aufhält: „Seit zwei Wintern 
beobachte ich unter den halbzahmen Stockenten, die sich auf dem 
Spreelaufe innerhalb der Stadt Berlin aufhalten, an der Lessing- 
brücke in Moabit einen Erpel, der ein sehr abweichendes, aber 
regelmässig und schön gezeichnetes Federkleid trägt. Die 
Schulter- und Tragefedern oder Weichen sind nämlich nicht von 
dem gewöhnlichen Grau mit zarter Wässerung, sondern schön 
kastanienbraun mit rostfarbener Beimischung, also von der Farbe 
des Kropfes und der Öberbrust. Auch Unterseite und Bürzel 
zeigen einen abweichenden, weit dunkleren Ton. Obwohl die 
Vermutung nahe läge, dass dieser Vogel seine abweichende 
Färbung einer Blutmischung mit irgend einer Hausentenrasse 
verdanke, ist er doch nach Grösse, Bau und Stimme ein echter 
Märzerpel — übrigens ein kräftiges, munteres Tier, dass bei den 
üblichen Beissereien um Futterbrocken seinen Mann steht. Ob- 
wohl der Erpel im Frühjahr und Herbst mit einer Ente gepaart 
gesehen wurde, konnte irgend eine ähnelnde Nachkommenschaft 
nicht beobachtet werden.“ 

Herr Schalow legt zum Schluss Photographien vom inter- 
nationalen Ornithologen-Congress in Paris vor. 

Matschie. 


Bericht über die Januarsitzung 1901. 

Verhandelt Berlin, am Montag, den 7. Januar 1901, Abends 
8 Uhr im Bibliothekzimmer des Architekten - Vereinshauses, 
Wilhelmstrasse 92. Il. 

Anwesend die Herren Reichenow, Grunack, von 
Treskow, Deditius, Pascal, Heck, Jacobi, von Lu- 
canus, Gottschlag, Kosegarten, Schalow, Matschie 
und Sokolowsky. 


Bericht über die Januarsitzung 1901. 277 


Von auswärtigen Mitgliedern Herr von Quistorp-Crenzow. 

Als Gast Herr von Kügelgen. 

Vorsitzender: Herr Reichenow. Schriftf.: Herr Matschie. 

Herr Reichenow bespricht eine grössere Anzahl von 
Arbeiten, die im vergangenen Monate hier eingelaufen sind und 
hebt besonders einige Untersuchungen Hartert’s über neue 
geographische Formen europäischer Vögel hervor. 

Herr von Quistorp erwähnt hierzu, dass in Pommern 2 
Ardea purpurea geschossen worden sind. 

Herr Jacobi weist auf das Brutvorkommen von Tichodroma 
im sächsischen Erzgebirge bei den Schrammsteinen hin. 

Die Herren von Quistorp und Reichenow machen einige 
Mitteilungen über das Auftreten des Mauerläufers in der Ortler- 
. Gruppe, bei Trafoi, in Graubünden und am Soemmering. 

Herr Matschie spricht die Vermutung aus, dass die von 
Herrn Hartert beschriebenen Formen nicht gleichwertig sind und 
dass einige von ihnen als Standortsvarietäten, andere aber als 
geographische Abarten gedeutet werden müssen. Letztere sind 
‘ durch gut bestimmte Merkmale constant zu unterscheiden; Über- 
gänge zwischen ihnen giebt es nicht; jedes Individuum, welches 
Charaktere zweier geographischen Abarten vereinigt, ist als 
Bastard anzusehen und kann nur in den Grenzgegenden zwischen 
den Gebieten beider vorkommen. 

Standortsvarietäten nennt er Abänderungen, welche in mess- 
baren Zeiträumen durch klimatische und Nahrungseinflüsse her- 
vorgerufen sind und in allen Übergängen von der Stammform 
zur fertigen Varietät auftreten; sie fallen sofort wieder in die 
Stammform zurück, sobald die äusseren Einflüsse sich entsprechend 
geändert haben. Laubholz- und Nadelholzformen gehören hier- 
her, ebenso Wald- und Feldformen einer und derselben geo- 
graphischen Abart. 

Herr Jacobi glaubt, dass diese Ansicht vielleicht durch 
die Thatsache eine Bestätigung erfährt, dass im Mischwalde auch 
eine Mischform der Certhia auftrete. 

Herr von Quistorp macht auf die Verschiedenheiten 
zwischen den sogenannten Eulenköpfen und den Dornschnepfen 
aufmerksam und glaubt, dass nur die Eulenköpfe in Pommern 
brüten, während die Dornschnepfen weiter nach Norden ziehen. 

Herr Reichenow hält diese beiden Formen der Schnepfe 
für geographische Abarten. 


278 Bericht über die Januarsitzung 1901. 


Herr von Kügelgen zeigt vor und bespricht eine von ihm 
gemachte Skizze, die den im hiesigen Zoologischen Garten lebenden 
Paradiesvogel in verschiedenen Balzstellungen darstellt. 

Der Vogel singt eifrig, schlägt mit den Flügeln, biegt den 
Kopf weit nach vorn und unten, klappt den Schwanz abwärts 
und kippt die weit gespreizten Prachtfedern nach vorn über, 
während die Flügel halb ausgebreitet nach unten hängen. Die 
starren geraden Schmuckfedern sind dabei nach oben gerichtet. 

Herr Jacobi erwähnt, dass die Herren Stoll und Zeh- 
fuss diese Balzstellung ebenfalls im hiesigen Zoologischen Garten 
beobachtet haben. 

Ferner zeigt Herr von Kügelgen Skizzen eines Auer- 
hahns in der Balz vor, der dabei den Kopf nach oben gerichtet hält. 

Herr von Quistorp giebt zu, dass diese Stellung ge- 
legentlich vorkomme, dass aber der Auerhahn in voller Balz ge- 
wöhnlich den Kopf senke. 

Über diese Frage kommt es zu einer längeren Discussion, 
an welcher die Herren von Lucanus, Heck, von Quistorp 
und v. Kügelgen sich beteiligen. 

Es ergiebt sich hieraus die Wahrscheinlichkeit, dass beide 
Stellungen vom balzenden Auerhahn angenommen werden je nach 
der Örtlichkeit. 

Herr Reichenow berichtet nunmehr über die Einrichtung 
der von der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft geplanten 
Biologischen Station in Rossitten und giebt bekannt, dass die 
Staatsregierung das Unternehmen durch Bewilligungeiner grösseren 
Geldsumme zu unterstützen geneigt Sei. Der Vorstand hat be- 
reits in Verbindung mit einigen hierzu herangezogenen Mitgliedern 
die Satzungen und Instruktionen für den Leiter der in Aussicht 
genommenen Vogelwarte ausgearbeitet. Diese werden an die 
Mitglieder verteilt mit der Bitte, irgendwelche nützliche Ab- 
änderungen derselben dem Vorstande vorzuschlagen. 

Herr von Quistorp weist auf den Peenemünder Haken an 
der Nordwestspitze von Usedom gegenüber von Ruden hin und 
empfiehlt diese von Zug- und Wintervögeln in grossen Scharen 
aufgesuchte Stelle als besonders geeigneten Platz für eine 
Beobachtungsstation. 

Herr Reichenow knüpft hieran eine Besprechung der- 
jenigen Beschlüsse, welche die diesjährige Hauptversammlung 


Bericht über die Februarsitzung 1901. 279 


der Gesellschaft in Leipzig über den Schutz der Vogelwelt ge- 
fasst hat. 

Über die Zweckmässigkeit eines Antrages an die Reichs- 
regierung erhebt sich eine rege Debatte, an welcher die Herren 
von Quistorp, Heck, Reichenow, Kosegarten, von 
Lucanus und Jacobi sich beteiligen. 

Der Vorstand wird die nötigen Schritte thun. 


Matschie., 


Bericht über die Februarsitzung. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 4. Februar 1901, Abends 
8 Uhr im Architekten-Vereinshause, Wilhelmstr. 9211. 

Anwesend die Herren: Reichenow, Grunack, von Tres- 
kow, Pascal, Deditius, Haase, Heck, von Lucanus, Mat- 
schie und Sokolowsky. 

Von auswärtigen Mitgliedern: Herr von Quistorp-Crenzow. 

Als Gast nahm Teil: Herr Schüll. 

Vorsitzender: Herr Reichenow. Schriftf.: Herr Matschie. 

Zunächst wird (der Bericht über die Januar-Sitzung ver- 
lesen. Herr von Quistorp wendet sich gegen eine falsche 
Auffassung seiner Bemerkungen. Der Auerhahn nehme beim 
Balzen nicht je nach dem Standort der Hennen eine verschiedene 
Stellung ein, sondern er balze in der Frühe, wenn noch keine 
Hennen zugegen Seien, und stehe erst bei Tagesanbruch vom 
Baume ab, um sich zu den Hennen zu gesellen. 

Herr Reichenow wendet sich gegen die von Herrn Mat- 
schie vorgetragene Unterscheidung von Standorts- und geogra- 
phischen Varietäten und ist der Ansicht, dass in der Natur auch 
Übergangsformen vorkummen, welche nicht als Bastarde anzu- 
sprechen sind. 

Die zwischen beiden Herren sich entspinnende Debatte 
führt nicht zu einer Einigung. 

Hierauf wird das Protokoll mit einer kleinen Änderung 
angenommen. 

Die Herren Reichenow und Matschie legen nunmehr 
eine Anzahl von neu erschienenen Schriften vor und besprechen 
diese. 

Alsdann erhält Herr Sokolowsky das Wort zu einem 
Referat über die mit prächtigen Tafeln geschmückte Arbeit von 


280 Bericht über die Februar-Sitzung 1901. 


The Honorable Walter Rothschild: A Monograph of the 
Genus Casuarius, welche in den Transactions of the Zoological 
Society of London, vol. XV, Part V, Dezember 1900 erschienen ist. 

Graf Tommaso Salvadori hat in seiner Monografia del Genere 
Casuarius Briss. (Mem. Accad. Sc. Torino, 2. ser, Tome XXXIV 
p. 174 ff.) die Kasuare in 2 Gruppen eingeteilt und zwar nach der 
Form des Helmes: Er unterscheidet Formen mit seitlich zu- 
sammengedrücktem Helm und solche mit dreiseitig pyramiden- 
förmigem Helm. Innerhalb dieser Abteilungen unterscheidet 
er die einzelnen Arten nach der Zahl der Halslappen. Er führt 
10 Arten auf. Rothschild gelangt zu einem ganz anderen Er- 
sebnis. Nach ihm zerfallen die Kasuare in drei Gruppen, die 
er nach der Form des Helmes, sowie nach dem Vorhandensein, 
der Zahl und dem Fehlen der Halslappen kennzeichnet. 


In der I. Gruppe finden sich Formen mit seitlich zu- 
sammengedrücktem Helm, sowie mit zwei Halslappen. 
Sie umfasst nur 2 Spezies, deren eine aber in 7 Subspezies 
zerfällt. 


Die II. Gruppe zeigt den Helm hinten eingedrückt und 
umfasst nur einlappige Formen. Sie enthält ebenfalls 2 Arten, 
die eine von diesen aber 4 Subspezies und eine Varietät, von 
welchen eine, ©. uniappendiculatus rufotinctus, neu beschrieben 
wird, und eine Varietät O©. occipialis laglaizü. 

Die IlI. Gruppe zeigt die Form des Helmes. wie bei der 
vorigen; Halslappen fehlen gänzlich. Sie umfasst vier Arten, 3 
von diesen treten in 2 Subspezies auf, eine von den letzteren 
ist neu, Ü©. bennetti maculatus. Mithin unterscheidet Rothschild 
8 Arten mit 20 Formen und eine Varietät. 


Rothschild konnte zu seinen Untersuchungen ein ziemlich 


umfangreiches Material benutzen, es stand eine beträchtliche 


Zahl von lebenden Vögeln und Bälgen zur Verfügung. 


Die alten Vögel sind schwarz, die Jungen braun, die eben 
ausgeschlüpften dagegen längsstreifig. Die Eier, 6—8 an der 
Zahl, sind, wenn frisch, hellgrün gefärbt, sobald sie dem Lichte 
ausgesetzt werden, erhalten sie zuerst eine bläuliche, sodann 
eine graue und zuletzt eine gelbliche Farbe. Nur die Männchen 
brüten. Rothschild weist darauf hin, dass Herr Schalow den 
Versuch machte, auf Grund der Farbe und Beschaffenheit die 
Eier der verschiedenen Arten zu kennzeichnen, hält aber diesen 


Bericht über die Februar-Sitzung 1901. 281 


Versuch für verfehlt, da nach ihm die Farbe der Eier sowie die 
Beschaffenheit der Schale bei allen Formen die gleiche ist. 


Im Gegensatz zu den Straussen, die Steppen und Wüsten- 
bewohner sind, leben die Kasuare in Wäldern. Ihre Nahrung 
scheint aus pflanzlichen Stoffen und Früchten zu bestehen, doch 
werden sie auch gelegentlich Insekten und andere kleine Tiere, 
die ihnen gerade in den Weg laufen, zu sich nehmen. Gleich 
den Straussen nehmen sie auch geringe Quantitäten von Sand 
und Steinen zur Beförderung der Verdauung auf. Die Kasuare 
sind Tagtiere, welche die Nacht durch schlafen. Die Stimme 
der Kasuare ist ein sonderbares Gemisch von Schnarchen, Grunzen 
und Bellen, gewöhnlich nicht sehr laut, bei den einzelnen Arten 
verschieden. 


Ihr Temperament ist sehr kampfsüchtig, die Geschlechter 
vertragen sich ausser der Brutzeit sehr schlecht. Ausnahmen 
hiervon sind sehr selten. 


Es scheint, dass deutsche Schiffer im Jahre 1596 zuerst 
mit den Kasuaren bekannt wurden, wenigstens verlautet nichts, 
dass die Portugiesen, die den ostindischen Archipel lange vorher 
besuchten, Kenntnis von den Tieren hatten. 21/, Jahrhundert 
lang kannte man nur eine einzige Form, bis im Jahre 1854 
Thomas Wall eine neue Form vom Cape York brachte, es ist 
dies ©. c. australis. 1857 beschrieb Gould eine Form aus Neu- 
pommern, 1860 Blyth 2 neue Spezies, während die Zahl der 
heute bekannten Formen 20 beträgt. 


In der I. Gruppe ändern Spezies und Subspezies ausser- 
ordentlich in Höhe und Form des Helmes ab. Es ergeben sich 
daher oft grössere Verschiedenheiten zwischen den Vögeln einer 
Subspezies als zwischen zwei Subspezies. Auch lässt sich häufig 
die Thatsache nachweisen, dass die Männchen derselben Sub- 
spezies einen höheren und mehr aufgerichteten Helm tragen als 
die Weibchen. 


Nach Rotbschild besteht kein Zweifel, dass gewisse Unter- 
schiede in der Helmform zwischen Subspezies und Spezies vor- 
handen sind, doch darf nach ihm nicht zuviel Gewicht darauf 
gelegt werden, da die verschiedene Form des Helmes erstens auf 
individueller Variation beruht, zweitens auf geschlechtlicher, 
drittens auf Altersunterschieden, namentlich unter dem Einfluss 
der Gefangenschaft. 

Journ. f, Orn. XLIX, Jahrg. April 1901. 19 


282 Bericht über die Februar-Sitzung 1901. 


Der Autor sah junge Tiere mit noch braunem Federkleide, 
aber ausserordentlich hohem Helm, aber auch alte mit schwarzem 
Federkleide fast ohne jegliche Spur eines Helmes. Der Autor 
giebt eine ausführliche systematische Schilderung der einzelnen 
Spezies und Subspezies und berücksichtigt namentlich auch die 
Jugendformen in verschiedenen Altersstufen. 


Im Berliner zoologischen Garten befinden sich zur Zeit 
10 Exemplare von Kasuaren, darunter drei prächtig ausgefärbte 
©. c. australis, ferner gehören zwei junge Vögel wahrscheinlich 
der Abart ©. ec violicollis an, ein junges, noch nicht ausgefärbtes 
Tier ist O. unappendiculatus aurantiacus. Ausserdem sind einige 
junge ©. pieticollis hecki vorhanden. 

Dem Werke sind zwei Karten angefügt, worauf die Ver- 
breitung der einzelnen Arten sehr anschaulich dargestellt wird. 


Herr Matschie ergänzte diesen Bericht durch einige zoo- 
geographische und systematische Bemerkungen, welche gesondert 
zum Abdruck im Journal gekommen sind. 


Herr Reichenow machte darauf aufmerksam, dass die 


Kasuare sumpfige Gegenden lieben und hob die gewaltige Kraft 


dieser Vögel hervor. 

Alsdann hielt Herr Reichenow einen Vortrag über die Ver- 
breitung und Systematik der Schwalben Afrikas und beschrieb 
eine neue Abart: Hirundo neumanni: Zwischen H. semirufa und 
gordoni stehend, von der Grösse der ersteren, aber unterseits 
heller, mehr wie H. gordons gefärbt; Unterseite vom Kropfe bis 
zum Steiss hell rotbraun, aber etwas dunkler als bei H. gordons, 
Kehle und Unterschwanzdecken wesentlich heller als die übrige 
Unterseite und wenig mehr ins Rotfarbene ziehend als die 
isabellgelben Unterflügeldecken. Flügel 123, Schwanz 155 mm. 

Vom Massailande. 

Herr Grunack erwähnt, dass Girtanner über einen in 
Tirol erlegten Kondor berichtet hat. Nach der Meinung der 
Anwesenden ist dem dortigen Auftreten dieser Art kein beson- 
derer Wert beizumessen, da man es offenbar mit einem Exemplar 
zu thun habe, welches aus einer Menagerie oder von einem 
Schiffe entflohen sei. 


Herr Pascal machte auf die gelungene Einbürgerung 
schottischer Lagopus in der Hohen Fenn aufmerksam. 


Bericht über die März-Sitzung 1901. 288 


Herr von Quistorp teilte hierzu mit, dass auch in der 
Lüneburger Heide durch Graf Berg Schneehühner ausgesetzt sind. 


Matschie. 


Bericht über die Märzsitzung. 


Verhandelt Berlin, Montag den 4. März 1901, Abends 
8 Uhr im Architekten-Vereinshause, Wilhelmstr. 92, II, 

Anwesend die Herren: Schalow, Reichenow, Dedi- 
tius, Grunack, Ehmcke, Kosegarten, von Treskow, 
Freese, Pascal, Haase, Matschie, von Lucanus, Soko- 
lowsky und Jacobi. 

Von auswärtigen Mitgliedern: Herr von Quistorp-Crenzow. 

Als Gäste die Herren: Staudinger, von Kügelgen und 
von Loebenstein. 

Vorsitzender: Herr Schalow. Schriftf.: Herr Matschie. 

Der Bericht über die Februar -Sitzung wird verlesen und 


. angenommen. 


Herr von Quistorp bemerkt hierzu, dass die in einzelnen 
Teilen Deutschlands mit Erfolg ausgesetzten Schneehühner durch 
ein Schongesetz geschützt werden sollen. 

Herr Matschie teilt mit, dass der bekannte Dr. Wurm in 
der Deutschen Jäger-Zeitung vorgeschlagen hat, in diesem Ge- 
setzentwurfe die Worte: Grouse und „schottische“ zu streichen, 
weil auch andere Schneehühner sich zur Einbürgerung in Deutsch- 
land eigneten. 

Herr Reichenow hält dieses nicht für zweckmässig, da die 
-ostpreussischen Schneehühner Bewohner von Tiefmooren seien 
und auf Hochmooren kaum fortkommen werden. 

Herr von Quistorp macht darauf aufmerksam, dass der 
Bestand dieser Vögel in der Eifel schon weit über Tausend Stück 
hinausgehe. 

Herr Reichenow bringt zur Kenntnis der Anwesenden, 
dass die Vogelwarte in Rossitten nunmehr in Thätigkeit ge- 
treten sei. 

Mit der Wetterwarte auf der Zugspitze ist eine nähere 
Verbindung angeknüpft worden. In bereitwilliger Weise ist die 
meteorologische Centralstation in München den Wünschen der 
Gesellschaft entgegengekommen. Auch die übrigen deutschen 

19* 


284 Bericht über die März-Sitzung 1901. 


Wetterwarten sollen auf die Wichtigkeit ornithologischer Zug- 
beobachtungen aufmerksam gemacht werden. 

Herr von Lucanus berichtet über seine Thätigkeit im 
Interesse der Erforschung des Vogelzuges. Es ist ihm gelungen, 
das Kommando der Luftschiffer-Abteilung für die Sache zu in- 
teressieren. In die Instruktionen der Luftschiffer ist eine Auf- 
forderung zur Berichterstattung über die während der Fahrt 
beobachteten Vögel aufgenommen worden. 

Herr von Lucanns wird versuchen, auch die Münchener 
Luftschiffer-Abteilung für die Behandlung dieser wichtigen Fragen 
zu gewinnen. 

Der Vorsitzende dankt dem Redner für seine erfolgreichen 
Bemühungen. 

Die Herren Reichenow, Schalow und Matschie be- 
sprechen die neu erschienenen und eingesandten Schriften. 


Herr Matschie geht u. a. näher auf die Arbeit von Klein- 
schmidt: Der Formenkreis Falco Hierofalco und die Stellung 
des ungarischen Würgfalken in demselben ein. Eine sorgfältige 
Untersuchung geographischer Abarten sei mit Freude zu begrüssen. 
llerr Kleinschmidt betont wiederholt die grosse Wichtigkeit, 
welche die Vergleichung von Vögeln ein und desselben Formen- 
kreises aus verschiedenen Tiergebieten habe. Die von dem Ver- 
fasser angewendete Nomenklatur könne Referent jedoch nicht als 
Verbesserung betrachten, sondern fürchte, dass nur Verwirrung 
durch sie geschaffen werde. Ferner vermisse er eine übersichtliche 
Zusammenstellung der einzelnen Abarten nebeneinander und eine 
genauere Abgrenzung ihrer Brutgebiete. 

Herr Ehmcke erwähnt, dass auch bei Carduelis und Alauda 
geographische Varietäten auftreten, ein Stieglitz aus dem Altai 
sehe wesentlich anders aus als ein solcher aus Siebenbürgen. 


Herr von Loebenstein spricht über einen alten, von ihm 
erlegten ausgefärbten Birkhahn, an dessen Halse eine Stelle die 
lärbung des Hennengefieders trug. 

Ilerr Schalow entsinnt sich eines ähnlichen Falles, der 
seiner Zeit durch Pleske bekannt gemacht worden ist. 

Herr Reichenow hält derartige Fälle von unvollendeter 
Mauser für pathologisch ; das Gefieder werde an solchen krank- 
haft veränderten Stellen nicht gewechselt. 


Bericht über die März-Sitzung 1901. 285 


Herr Staudinger legt einige interessante Kupferstiche 
von afrikanischen Vögeln aus einem alten Werke von Bosman 
aus dem Jahre 1714 vor. 


Herr Sokolowsky hält einen Vortrag über die in dem 
Reisewerke von Chun: „Aus den Tiefen des Weltmeers“ enthaltenen 
ornithologischen Beobachtungen. 

Herr Reichenow erwähnt, dass die ornithologische Aus- 
beute der Deutschen Tiefsee - Expedition sehr bedeutend sei. 
Dr. Vanhoeffen, der Biologe der Expedition, hat ein genaues 
Tagebuch geführt, welches im Journal zum Abdruck gelangen 
wird. Die von Herrn Sokolowsky zusammengestellten Mitteilungen 
sollen ebenfalls zur Veröffentlichung gelangen. 


Herr Reichenow beschrieb sodann einige afrikanische 
Fliegenfänger: Tehitrea melanura: Kopf und Hals glänzend 
schwarz; Unterkörper und Unterschwanzdecken schiefergrau; 
Rücken- und Schulterfedern an der Wurzel grau, am Ende rot- 
braun; Öberschwanzdecken grauschwarz mit einigem Glanz; 
Schwanz schwarz; kleinste Flügeldecken glänzend schwarz, die 
mittleren und grösseren mattschwarz mit weissen Saum oder 
weisser Aussenfahne; Schwingen schwarz, die innern mit weissem 
Aussensaum; Unterflügeldecken grau, mit weiss gemischt. Fl. 
83, Schw. 200 mm. Von Emin am Duki gesammelt. — Tehitrea 
ignea: Der T. nigriceps sehr ähnlich, aber die Oberkopffedern 
länger, das Körpergefieder feuerrotbraun; Schwanzfedern düster- 
grau, rotbraun verwaschen. Von Schütt in Angola gesammelt, 
— Diaphorophyia hormophora: $ von D. castanea durch weisses 
Nackenband unterschieden, @ nicht unterschieden. Liberia bis Togo. 
— Ferner stellt Herr Reichenow zwei neue Gattungen auf: 
Empidornis für Muscicapa semipartita Rüpp. und Myopornis für 
Bradyornis böhmi Rehw. 

Herr Staudinger empfiehlt die an der Küste Deutsch-Süd- 
west-Afrikas vorhandenen Guanogebiete der ornithologischen 
Durchforschung. 

Herr Reichenow spricht über die Schnelligkeit des Vogel- 
fluges und die Höhe, in welcher der Zug ausgeführt wird. 

Herr Matschie glaubt, dass die Wärme der Sonnenstrahlen 
bei Erwägungen über die Möglichkeit des Aufenthaltes der Vögel 
in grossen Höhen sehr in Betracht gezogen werden müsse. Die 
Fahrten der Registrierballons haben den Nachweis gebracht, dass 


286 Bericht über die Märzsitzung 1901. 


jeder Körper dort in viel grösserem Masse erwärmt werde als 
dicht über der Erde. 

Über die Annahme eines Orientierungssinnes bei Vögeln 
erhebt sich eine längere Diskussion, an welcher sich die Herren 
Reichenow, Schalow, von Lucanus und Matschie be- 
teiligen. 

Herr von Lucanas teilt eine sehr wertvolle Beobachtung 
des Herrn von Siegsfeld über den Einfluss der Wolken- 
schichten auf ziehende Vögel mit. In der Höhe von 2400 Metern 
sah Herr von Siegsfeld über einer dichten Wolkenschicht einen 
Vogel, welcher offenbar jede Orientierung verloren hatte und 
sich auf dem Ballon niederliess. Sobald der Ballon die Wolken- 
schicht nach unten durchflogen hatte, verliess der Vogel seinen 
Platz, um angesichts der Erde eine bestimmte Richtung einzu- 
schlagen. Die Vögel vermeiden es jedenfalls, durch Wolken zu 
fliegen, weil sie dann den Anblick der Erde verlieren. 

Herr von Quistorp teilte mit, dass auf Rügen bei hellem 
Wetter keine Schnepfen einfallen, bei bedecktem Himmel aber 
viele sich zeigen. Auch hier scheine es, als ob die Schnepfen 
über die erste Wolkenschicht nicht hinausgehen. 

Herr von Lacanus wird Vögel verschiedener Art aus 
grosser Höhe vom Ballon fliegen lassen, um Beobachtungen 
über den Flug zu machen. 

Herr Reichenow legt zwei von Herrn Hocke einge- 
sendete Krähenfüsse vor, welche Wucherungen aufweisen. 

Herr von Quistorp berichtet über eine Anser segelum 
mit 26 Steuerfedern, welche im Besitze des Herrn Sass in An- 
klam sich befindet. 

Herr Reichenow erwähnt, dass die Zahl der Steuerfedern 


bei den Gänsen wechsele. i 
Matschie. 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology. Vol. XVII. 
No-21. 21902 


Aquila. Zeitschrift für Ornithologie. VIH. No. 1—2. 1901. 


Bulletin of the British Ornithologists’ Club LXXVI—LXXVI 
Nov. 1900 bis Februar 1901. 


The Ibis. A Quarterly Journal of Ornithology. (8.). I. No.1. 1901. 


Zu 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 287 


Örnithologisches Jahrbuch. Organ für das palaearktische Faunen- 
gebiet. Herausgegeben von Victor Ritter von Tschusi zu 
Schmidhoffen. XI. Jahrg. 1900 Heft 6 und XIL 1901 
keit l. 


ÖOrnithologische Monatsschrift d. Deutsch. Ver. z. Schutze der 
Vogelwelt. No. 3. 1901. 


L. B. Bishop, Results of a Biological Reconnaissance of the 
Yukon River Region. (North American Fauna No. 19: U. S. 
Dep. of Agric. Div. of Biol. Survey. Washington 1900). 


R. Blasius, Dr. Gustav Hartlaub. — Dunenkleider entenartiger 
Vögel. — Wanderzug des schlankschnäbeligen Tannenhähers. 
(Abdruck aus: Zeitschr. f. Orn. und Geflügelzucht. No.1. 1901). 


W.Brewster, An undescribed Clapper Rail from Georgia and 
East Florida. (Abdruck aus: Proc. New England Zool. Club 
121899). 


W. Cooke, Further Notes on the Birds of Colorado: The Agri- 
culture Experiment Station of the Agric. College of Colorado. 
Bulletin 56. 1900. 


K. Eckstein, Beiträge zur Nahrungsmittellehre der Vögel. 
(Aus dem Walde XVII. No. 43. 1900). 


D. G. Elliot, In Memorian: Elliott Coues. (Abdruck aus: The 
Auk XVII. No. 1. 1901). 


O. Finsch, Meine Beobachtungen über Fregattvögel (Fregata 
aquila). (Abdruck aus: Monatsschr. D. Ver. z. Schutze der 
Vogelw. XXV. No. 11. 1900). 


L. Fischer, Ornithologische Beobachtungen 1897—99. (Mitt. 
Badisch. Zool. Ver. No. 2—7. 1900). 


C. E. Hellmayr, Einige Bemerkungen über die Graumeisen. 
(Abdruck aus: Ornith. Jahrbuch XI. Heft 5—6. 1900). 


F. Henrici, Besuche auf dem Karraschsee in Westpreussen. 
(Abdruck aus: Mntschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVI. 
No. 4). 


G. Janda, Der Rötelfalke (Tinnunculus naumanni Fleisch.) in 
Süd-Mähren. (Abdruck aus: Ornith. Jahrb. XI. Heft 4—5. 
1900). 


O0. Kleinschmidt, Der Formenkreis Falco Herofalco und die 
Stellung der Ungarischen Würgfalken in demselben. (Ab- 
druck aus: Aquila VIIL. No. 1—2. 1901). 


T. Kormos, Utazäs Tuniszon ät. Irta Bärö Erlanger Käroly. 
Budapest 1901. 


288 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


Madaräsz Gyula, Magyarorszäg Madarai. A Hazai Madärviläg 
Megismere-Senek Vezerfonala. IV.— VI. Füzet. Budapest 
1900— 1901. 


G. Martorelli, Nota ornitologica sopra l’Ardeola idae (Hart!l.) 
e cenno sul dicroismo di varii Ardeidi. (Abdruck aus: Atti 
Soc. Ital. sc. nat. XXXIX. 1900). 


C. H. Merriam, Results of a Biological Survey of Mount Shasta, 
California. Birds. (North American Fauna. No. 16. U.S. 
Dep. of Agric. Div. of Biol. Survey, Washington 1899). 


T. Salvadori, Uccelli della Guinea Portoghese raccolti da Leo- 
nardo Fea. (Abdruck aus: Ann. Mus. Civ. Genova (2.) XX. 
1901). 


H. Schalow, Rede zur Fünfzigjahrfeier der Deutschen Ornitho- 
logischen Gesellschaft in der Festsitzung am 6. Oktober 1900 
in Leipzig gehalten. (Abdruck aus: Journ. f. Ornith. Januar- 
heft 1901). 


R. W. Shufeldt, On the Osteology of the Striges (Strigidae 
and Dubonidae). (Abdruck aus: Proc. Amer. Philos. Soc. 
XXXIX. No. 164). 


R. W. Shufeldt, On the Osteology of the Woodpeckers. (Ab- 
druck aus: Proc. Amer. Philos. Soc. XXXIX. No. 164). 


R. W. Shufeldt. On the Systematik Position of the Sand- 
Grouse (Pterocles; Syrrhaptes). (Abdruck aus: American 
Naturalist XXXV. No. 409. 1901). 


L. Stejneger, On the Wheatears (Sazxicola) occuring in North 
America. (Abdruck aus: Proc. Un. St. Nat. Mus. XXI. 
1901. 8. 473-481). 


V. v. Tschusi, Neuere Nachrichten über den Bartgeier (Gypa- 
etus barbatus) in Tirol. (Abdruck aus: Ornith. Jahrbuch 
XI 5. 6. Hit. 1900). 


V. v. Tschusi, Sibirische Tannenheher auf der Wanderung. 
(Abdruck aus: Ornith. Jahrbuch XI. Heft 5—6. 1900). 


V. v. Tsehusi, Ornithologische Notizen. (Abdruck aus: Ornith. 
Jahrb. XI. Heft 5-6. 1900. 


Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. 


JOURNAL 


ORNITHOLOGIE. 


Neunundv\vierzigster Jahrgang. 


No. 3. Juli 1901. 


Weitere Betrachtungen über die Beweise Gätkes für die 
Höhe!) und Schnelligkeit des Wanderfluges der Vögel. 
Von F, Helm. 

(I. Teil im Octoberheft 1900 derselben Zeitschrift.) 


Wie schon aus der an meinen in Leipzig gehaltenen Vor- 

trag sich anschliessenden Debatte zu ersehen war, konnten that- 
 sächliche Gegenbeweise für die von mir aufgestellte Behauptung, 
Gätke habe sich bei der Bestimmung über Höhe und Schnelligkeit 
des Wanderfluges bei dem rotsternigen Blaukehlchen geirrt, 
nicht erbracht werden, denn Aussprüche wie: „Die Vögel fliegen 
aber ungeheuer schnell“ oder „Die Vögel zeigen mitunter eine 
ungeahnte Schnelligkeit!“ müssen, wenn sie Geltung erlangen 
sollen, durch Thatsachen belegt sein. Von einer Seite wurde 
auch der Einwand erhoben: „Wer weiss, ob das richtige rot- 
sternige Blaukehlcher gewesen sind, die man überall beobachtet 
hat.“ Mit demselben Recht kann man natürlich diesen Einwand 
den Gätkeschen Behauptungen gegenüberstellen. Von einer 
andern Seite wurde schliesslich noch darauf hingewiesen, dass 
„die ungeheuere Schnelligkeit des Fluges mancher Vogelarten 
auf gewaltige Strömungen in den oberen Luftschichten zurück- 
zuführen sei.“ Nun, wie es in den „oberen Luftschichten“ aus- 
sieht, hat zwar bis heute noch kein menschliches Auge wahr- 
nehmen können, aber dank der internationalen Luftballonfahrten 
sind wir wenigstens einigermassen darüber orientiert, wie die Luft- 
schichten bis zu ca. 10,000 m beschaffen sind, also ungefähr 


1) Durch ein Verseher meinerseits wurde im I. Teile hinter Höhe 
weggelassen „und Schnelligkeit“. D. Verf. 


Journ. f. Orn. XLIX, Jahrg. Juli 1901. 20 


° 


290 F. Helm: 


die Strecken, in denen Gätke die Vögel mit reissender Schnelle ihre 
Reise zurücklegen lässt und unter anderm das rotsternige Blau- 
kehlchen in der Secunde 90 m weit sich fortbewegt. Professor Her- 
gesell hat kürzlich in Petermanns Mitteilungen, Jahrg. 1900 unter 
dem Titel: „Die Temperatur der freien Atmosphäre“ die diesbezüg- 
lichen Ergebnisse von 30 internationalen Ballonfahrten veröffentlicht 
und überdies in der Meteorologischen Zeitschrift 1899, XII, 1900 
Iu.Ilüber die Ergebnisse dieser Fahrten überhaupt Bericht erstattet. 
Weil wir nun gerade durch die sich auf diese Weise ergebenden 
Thatsachen einen Einblick in die Temperaturverhältnisse der hier 
in Frage kommenden Luftschichten erhalten, was für die Beur- 
teilung des Vogelzuges jedenfalls mit ausschlaggebend ist, seien 
im folgenden die Hauptresultate Hergesells kurz skizziert. Bevor 
ich aber dies thue, will ich noch einige meine veröffentlichte 
Zusammenstellung über das Auftreten des rotsternigen Blaukehl- 
chens ergänzende Beobachtungen anführen, welche ich gelegentlich 
der für andere Zwecke vorgenommenen Litteraturstudien auffand. 


Aus dem Südharz liegt folgende Mitteilung vor: 

In dem Jahresbericht und den Abhandlungen des Natur- 
wissenschaftl. Vereins in Magdeburg für 1898—1900, S. 53 sagt 
L. v. Minnigerode vom Tundrablaukehlchen: „Früheste Ankunft 
25. März 1853; Ankunft: Ende März regelmässig. Abzug: Anf. Sept.“ 


Steiermark. 


Aus Mariahof berichtet der Nachfolger von Bl. Hanf, A. 
Schaffer: „6/V 1881, 1/1V 1882 beobachtet“. (Ornith. Jahrb. 
1900, 8. 152.) 

Über Böhmen, 

Schwalbe 1889, S. 186 — 137, sagt Schier: „Kommt im günstigen 
Frühjahr schon in den letzten Tagen des März an, gewöhnlich 
jedoch erst anf. April, zieht im September fort; ist viel seltener 
als Luscinia vera; im Taborer und Piseker Kreis wird von ihm 
fast gar keine Erwähnung gemacht; in den andern Kreisen sind 
zusammen etwa 100 Plätze bekannt, an welchen 1—2 Paare nisten.“ 


Aus dem Elbethal im deutsch-böhmischen Mittelgebirge 
berichtet Peiter (Journal f. Ornith. 1900, S. 383): „Das rotsternige 
Blaukehlchen findet sich auf dem Frühjahrszuge in starken 
Flügen im Elbethale ein, nistet jedoch nach meiner Feststellung 


Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges 291 


nicht daselbst. Wahrscheinlich war das Vögelchen zur Zeit, als 
der Mensch den Strom noch nicht in dem Masse beherrschte 
wie heute, wo es noch keine Correcturen des Flusslaufes, keinen 
so regen Dampfschiff- und Uferverkehr gab, ein nicht seltener 
Brutvogel hier, denn alljährlich kann man beobachten, 
dass viele Vögel im Elbethal ihre Liebeslieder verstummen lassen 
und verschwinden, wenn der Flussverkehr reger wird. Seltener 
wird das rotsternige Blaukehlchen im Herbste gesehen, entweder 
zieht es einzeln oder sind ihm die Uferflecken noch zu belebt. 
Sein liebster Aufenthalt sind die Weidengebüsche, worin man 
auch schon hie und da ein Nest angetroffen. Dasselbe ist schwer 
auffindbar, da es gewöhnlich zwischen dem Wurzelwerk der 
Stöcke versteckt. Bei der Verborgenheit seiner Lebens- 
weise wird es wahrscheinlich für viel seltener ge- 
halten, alses wirklich ist. Dazuist das Vögelchen noch 
ungemein scheu und verlässt sogleich seinen Standort, 
um im Gebüsch zu verschwinden, wenn man sich ihm 
nähern will. Am leichtesten lässt sich auch sein Vorkommen 
an seinem wohlklingenden, durch kurze Pausen unterbrochenen 
Gesange feststellen, den es, begleitet von leichtem Flügel- und 
Schwanzwippen und Schnabelwetzen, gewöhnlich auf der Spitze 
einer starken Weidenrute sehr oft des Tages hören lässt.“ 


In Holland wurden nach Albarda rotst. Blaukehlchen 
gefangen: 

1885 den 20. Mai 1 Weibchen bei s’Gravenhage. 

1891 den 10. Mai 1 Männchen bei Loosduinen. A. bemerkt 
bei dieser Gelegenheit, ‘dies sei das 3. Mal gewesen, dass 
man diese Art in Holland angetroffen habe, nämlich das erste 
Mal am 20. Mai 1885 ein Weibchen, wie oben angegeben, das 
2. Mal am 18. Mai 1890 bei Wassenaar ein junges Männchen. 

(Tidschrift der Nederlandsche Dierkund. Ver.) 

Gelegentlich der Debatte, welche sich an meinen Vortrag 
in Leipzig anschloss, wurde es auch als sehr notwendig bezeichnet, 
genaue Beobachtungen über die Schnelligkeit des Vogelfluges 
anzustellen. Das ist natürlich viel leichter gesagt als gethan, 
lässt sich aber unter Umständen bewerkstelligen. Wie? Das 
werde ich vielleicht später näher an dieser Stelle erörtern, da 
ich selbst diesem Gegenstande meine besondere Aufmerksamkeit 
zugewendet und dies auch in Zukunft fortzusetzen gedenke. 

20* 


292 F. Helm: 


Es liegen aber auch schon einige genaue einwandfreie An- 
gaben darüber vor, welche ich nur anführen will. 

Schon im 1872er Jahrgang der Blätter für Geflügel- 
zucht (S. 169) wurde folgender Versuch veröffentlicht: 

„Ein Mann in Antwerpen fing eine Schwalbe, die an einem 
Dachsimse nistete, verschnitt ihr eine Schwanzfeder und liess sie 
nach Gent bringen, um sie dort zu einer bestimmten Zeit fliegen 
zu lassen. 121/, Minute nach dem Ausfliegen in Gent 
kam sie in Antwerpen bei ihrem Neste an. Sie hatte 
also 1 Wegstunde (5 km) in 1 Minute zurückgelegt.“ 

In der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift 1896, 
S. 419 wird über folgenden in „Ciel et Terre“ veröffentlichten 
Versuch referiert: 

„Einer Sendung Brieftauben, welche von Antwerpen nach 
Compiegne a. d. Oise geschickt wurden, gab man eine in Ant- 
werpen nistende Schwalbe bei, welche durch Farbe kenntlich 
gemacht war. Die Schwalbe wurde in Compiegne gleichzeitig 
mit den Tauben am 17. Mai 7.15 a. m. losgelassen, und sofort 
nahm sie die Richtung nach N, während die Tauben erst 
mehrere Bogen beschrieben, um sich über die Richtung zu orien- 
tieren. Schon 8.23 a.m: kam die Schwalbe in Antwerpen 
an und suchte sofort ihr Nest auf. Die ersten Tauben 
trafen erst 11.30 a. m. in ihrer Heimat ein. Die Schwalbe 
hatte also den Weg zwischen Compiegne und Antwerpen, eine 
Strecke von 236 km, in 1 Stunde und 8 Minuten zurückgelegt, 
das macht auf 1 Stunde 207 km, oder auf die Secunde 58 m. 

Die Tauben hatten nur eine Schnelligkeit von 57 km pro 
Stunde oder 15 m in 1 Secunde. Daraus ergiebt sich, dass 
die Schwalbe kaum !/, Tage braucht, um ihre Reise von 
Belgien bis nach Nordafrika zurückzulegen.“ 

Über die Geschwindigkeit der Brieftauben macht Ziegler- 
Freiburg in den „Zoologischen Jahrbüchern“ folgende Angaben 
auf Grund eigener Untersuchungen: 

„Der Wind, welcher in der Richtung des Fluges des Vogels 
geht, ist dem Fluge des Vogels am günstigsten, und es addiert 
sich die Windgeschwindigkeit zu der Eigengeschwindigkeit des 
Vogels. Bei Gegenwind ist die Windgeschwindigkeit von der 
Eigengeschwindigkeit des Vogels zu subtrahieren. 

Bei Flügen auf grosse Entfernungen (100 bis 600 km) 
beträgt die durchschnittliche Eigengeschwindigkeit der 


Be. 


Höhe und Schnelligkeit der Wanderfluges. 293 


besten Brieftaube nicht mehr als etwa 1100 bis 1150 m per 
Minute (diejenige der Schwalben ist mehr als 3 mal so gross). 
Bei günstigem Winde erreichen gute Brieftauben je nach der 
Stärke des Windes Geschwindigkeiten von 1300 bis 
1600, selten 1600 bis 1950 min der Minute. 

Bei ungünstigem Winde wird der Flug verzögert und 
erreicht dann bei den besten Tauben je nach der Stärke 
des Windes500bi1s800 m inder Minute oder weniger. 

Gewitter, Regen, Nebel und niedrig stehende Bewölkung 
des Himmels können die Tauben in ihrer Orientierung hemmen 
und ebenfalls ein schlechteres Resultat des Fluges zur Folge 
haben. Die Brieftauben steigen nieht zu sehr grossen Höhen 
auf; sie benützen die grossen Windgeschwindigkeiten nicht, 
welche in den Luftschichten von über 2000 m Höhe häufig 
bestehen. 

Es ist anzunehmen, dass die Brieftauben bei Flügen in 
Deutschland nicht viel höher als in der Höhe der 
Spitzen der deutschen Mittelgebirge (1000 — 1500) fliegen; 
wahrscheinlich nehmen sie ihren Flug oft niedriger, namentlich 
bei Gegenwind.‘ Was das Orientierungsvermögen der Brieftauben 
anlangt, so ist Ziegler der Ansicht, „dass dasselbe allein auf dem 
Gedächtnis beruht und dass die Annahme eines geheimnisvollen 
Richtungssinnes der Tiere unnötig ist.“ Es seien bei dieser 
Gelegenheit auch gleich noch einige andere Ansichten über die 
Art und Weise der Orientierung der Brieftaube auf ihrem Fluge 
angeführt. Ede Cyon sagt (Revue scientifique 1900, S. 353 u. f.): 
„Die Orientierung der Taube auf weite Entfernung ist eine zu- 
sammengesetzte Erscheinung, bei welcher die Sinnesempfin- 
dung der Netzhaut des Auges und der Nasenschleim- 
häute, vielleicht auch die Schleimhäute der Hirnhöhle 
eine wichtige Rolle spielen, dazu kommt noch ein ausserordent- 
lich starkes Ortserinnerungsvermögen. Die halbkreis- 
förmigen Kanäle des Labyrinths spielen dabei nur eine 
Hilfsrolle, indem sie dem Tiere gestatten, die nötigen, schnellen 
und wechselnden Bewegungen auszuführen. (Wie schon Cuvier 
zeigte, besitzen alle Tiere, die einer besonderen schnellen Bewegung 
fähig sind, wie Brieftauben, Fledermäuse, Hasen, Kaninchen, Anti- 
lopen, Hirsche etc. ein ausserordentlich entwickeltes Labyrinth).“ 

Prof. Wilhelm Förster, welcher in der Naturwissenschaftl. 
Wochenschrift 1900 S. 395 und folg. die Ansicht Cyons las, 


294 F. Helm: 


schickte darauf der Redaktion dieser Zeitschrift das nachfolgende 
Elaborat: „Ich war verwundert, von den uralten Wahrnehmungen 
über die Orientierungsgabe der Tauben, Raben etc. keinerlei 
Erwähnung zu finden. Aus der Geschichte der Schiffahrt und der 
Geographie ist doch längst bekannt, dass solche Vögel, die der 
Flug in grosse Höhen führt, die Pfadfinder der ältesten Schiffahrt, 
aber auch bei den Fahrten der Wikinger nach America hinüber 
sewesen sind, und zwar auf Grund des ausserordentlich weiten‘ 
Umblicks, den sie in so grossen Höhen geniessen, und der Ver- 
wertung dieses Umblicks durch ihren sehr scharfen Gesichtssinn 
und ihr ausgezeichnetes Ortsgedächtnis. Es ist erwiesen, dass 
der Condor bis in Höhen von 10 km und die Tauben und Raben 
auch bis in Höhen von nahezu 9 km emporsteigen können. Von 
dort aus haben sie ein Gesichtsfeld, dessen Durchmesser nahezu 
700 km beträgt, und entfernte Berge, deren Spitzen selber 
einen Umkreis von einigen 100 km. Durchmesser beherrschen, 
vermögen solche Vögel in jenen Höhen bis zu Abständen (Halb- 
messern des Gesichtsfeldes) von etwa 500 km zu erkennen. In 
solchen Höhen ist ja auch die Lichtfortpflanzung viel ungetrübter, 
und darunter liegende Wolkenschichten vereinfachen sogar die 
Orientierung nach den darüber hinausragenden fernen Bergen, 
die wie dunkle Inseln aus dem lichten Wolkenmeer emporkommen. 
Es kann doch eigentlich nicht der geringste Zweifel 
bestehen, dassin Umblicken solcher Art, die, wie 
sesagt, schon vor vielen, vielen Jahrtausenden von 
der Schiffahrt verwertet wordensind, dieLösung der 
Rätselder Orientierung von Wandervögeln im wesent- 
lichen gegeben ist.“ (Naturw. Wochenschrift 1900, S. 331.) 

In dem Archiv für Post und Telegraphie 1882, S. 282 
findet sich ein Artikel über die „Verwendung der Brief- 
tauben zur Sicherung der Küstenfahrt“. 

Unter anderem wird darin folgendes gesagt: „Seit 1876 sind 
an der Nordseeküste durch die preussische Regierung Versuche 
angestellt worden, um die Leuchtschiffe mit dem Festlande und 
den Lotsenstationen durch Brieftauben zu verbinden. Trotz an- 
fänglicher Misserfolge ist man doch wirklich zu günstigen Re- 
sultaten gekommen, wozu allerdings grosse Ausdauer nötig war, 
denn die im Binnenlande gezüchteten Tauben eignen 
sich für den Flug in der Seeluft nicht, sie sind zu 
schwach und ermatten bald. Daher fielen die in der 


Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges. 295 


ersten Zeit angestellten Versuche nichts weniger als 
ermutigend aus. So wurde 1877 in der Nähe von Borkum 
ein Probefliegen von der See aus veranstaltet. Man liess unge- 
fähr 1 Seemeile vom Lande entfernt einen ganzen Taubenschwarm 
auf, welcher seine Richtung auch sofort auf den Leuchtturm 
nahm und wohlbehalten anlangte. Dagegen hatte der wenige 
Tage später aus einer Entfernung von 7 Seemeilen unternommene 
Versuch einen schlechten Erfolg: von 30 Tauben, die aufgelassen, 
kamen, obschon der grösste Teil die Richtung auf den Borkumer 
Leuchtturm eingeschlagen, nur 8 Stück im dortigen Taubenschlage 
an, die übrigen sind wahrscheinlich im Wasser umgekommen 
(da auf den benachbarten Inseln sich keine zeigten). Die Tauben 
waren aus Belgien, Antwerpen, bezogen und an die Seeluft nicht 
von Jugend auf gewöhnt. 

Im August 1887 veranstaltete man ein Probefliegen an der 
Eidermündung mit solchen Tauben, die an der Seeküste selbst 
gezüchtet oder durch mehrjährigen Aufenthalt an Klima und 
Seetouren gewöhnt waren: „Die Tauben wurden vom äusseren 
Feuerschiff, also 36 Seemeilen von Tönning entfernt, abgelassen 
und während beim 1.Versuche vor 4 Jahren eine 7 Meilen betragende 
Entfernung nur von wenigen Tauben zurückgelegt wurde, kamen 
jetzt sämtliche 36 Tauben glücklich an. Die besten Flieger 
hatten die 36 Meilen (Seemeilen) in 30 Minuten zurückgelegt.“ 

Daran möge sich eine erst ganz vor kurzem in einer Tages- 
zeitung gefundene Notiz, welche sich auf einen ähnlichen Zweck 
bezieht, schliessen. Dieselbe lautet: „Mitte nächsten Monats (d. i. 
des März) soll die atlantische Taubenpost, die im vorigen Jahre 
auf einigen transatlantischen Dampfern eingerichtet wurde, aber 
am 1. November eingestellt werden musste, wieder in Thätigkeit 
gesetzt werden. Sie hat sich sehr gut bewährt. Von den 
36 Tauben, die im vorigen Sommer von den Dampfern aufgelassen 
wurden, sind nur 2 nicht auf ihrem Schlage eingetroffen. Man 
hat einige mehr als 300 Meilen von der französischen Küste 
aufgelassen, und eine legte die Strecke von 324 englischen 
Meilen in 9 Stunden zurück. Die Schläge der Taubenpost 
befinden sich in Rennes und Cherbourg. Die nach Amerika aus- 
laufenden Dampfer senden die Tauben nach Rennes, die nach 
Europa heimkehrenden nach Cherbourg.“ 

Später fand ich dann in einer hiesigen Zeitung noch über 
diesen Gegenstand folgendes ; 


296 F. Helm: - 


„Diese Taubenpost wurde von dem Direktor der Compagnie 
transatlantique auf den nach New York fahrenden Dampfern 
am 1. April 1899 eingerichtet, ergab von Anfang an günstige 
Resultate und erzielte im Laufe des Jahres 1900 wirkliche Erfolge. 
Vom 15. März bis 31. December 1900 wurde in Le Havre jede 
Woche eine Anzahl Brieftauben eingeschifft. Von 36 Ausflügen 
glückten 34, und nur 2 mal erreichte keine Taube den Schlag, 
sodass die Depeschen verloren gingen. Der von den Tauben 
zurückgelegte Weg schwankte zwischen 120 und 130 Seemeilen. 
Besonders bemerkenswert war ein Flug, der am 29. Juli 1900 
auf der „Iouraine“ veranstaltet wurde. Die Tauben verliessen 
den Dampfer um 5 Uhr morgens, und die erste langte am Schlage 
um 2 Uhr nachmittags an. Sie hatte in 9 Stunden 324 Seemeilen 
zurückgelegt. Nicht weniger hervorragend war ein am 9. Sept. 
auf der „Lorraine“ stattgehabter Flug. Die Tauben wurden um 
5 Uhr früh aufgelassen und erreichten den Schlag am Abend 
desselben Tages, nachdem sie einen Weg von 350 Seemeilen 
oder 650 km zurückgelegt. Demgegenüber ist eine Behauptung 
interessant, die im Jahre 1877 in St. Nazaire nach Ablauf einer 
1 Jahr dauernden Periode von Brieftaubenversuchen aufgestellt 
wurde Man kam damals zu dem Schlusse, die Brieftauben 
verlören 50 Seemeilen vom Lande ihr Orientierungsvermögen. 
Von 261 Tauben der Kompagnie kehrten im Jahre 1900 nur 153, 
also 56°/, zurück. Die Zahl der von den Passagieren beförderten 
und bezahlten Brieftaubendepeschen betrug 190 während des 
Jahres 1900.“ 

Schliesslich sei auch noch eine Beobachtung über die 
Schnelligkeit fliegender Enten angeführt: „Clayton und Fergusson 
entdeckten einen Zug .‚Enten‘“ in einer Höhe von 292 m, die 
Flugschnelligkeit derselben war 76,4 km pro Stunde (!/, der 
Fluggeschwindigkeit der Schwalbe). Die Enten flogen von SO 
nach NW, während von Norden ein leichter Wind von 3 km 
pro Stunde wehte.“ (Naturwissensch. Wochenschrift 1897, 8. 164). 

Schon gelegentlich meines Vortrages in Leipzig habe ich 
darauf hingewiesen, dass bei der Bestimmung, wieweit ein Vogel 
vom Beobachter entfernt sei, man sich sehr täuschen könne, 
wenn man dies mit dem Ohr und Auge allein thun wollte; von 
einer Seite wurde ja überdies gelegentlich der Debatte über 
diesen Gegenstand darauf aufmerksam gemacht, dass G. auf die 
Frage, wie er so grosse Höhen abschätze, die Antwort schuldig 


Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges. 297 


blieb. Doch ich will jetzt nicht auf die Beweisführung Gätkes 
eingehen, sondern nur die Frage kurz erörtern: „Welche Tempe- 
ratur herrscht in grossen Höhen ?“ 

Wir sind, wie schon eingangs betont, dank der in letzter 
Zeit angestellten internationalen Ballonfahrten heute wenigstens 
einigermassen darüber orientiert; im folgenden seien nur einige 
der Angaben angeführt, welche Hergesell aus den Ergebnissen 
von 30 Ballonfahrten in Petermanns Mitteilungen 1900, V. 
S. 150 u. ff. veröffentlicht. 

Die nachstehende Tabelle auf Seite 298 veranschaulicht 
die Temperaturverteilung nach Höhenschichten von 500 zu 500 m. 

Zu diesen Angaben macht Hergesell folgende Bemerkungen: 
Die Tabellen — in der Originalabhandlung sind deren noch 
viel mehr als von mir citiertt — enthalten sämtliche mir zur 
Verfügung stehende Fahrten von Registrierballons, bei welchen 
ein und dasselbe Instrumentarium zur Verwendung gelangte; 
dadurch hat man es mit durchaus homogenem Beobach- 
tungsmaterial zu thun. 

Es wurden nur diejenigen Fahrten bearbeitet, bei welchen 
der Thermometerköper frei dem ventilierenden Luftstrom ausge- 
setzt war. Im ganzen wurden 30 Fahrten, die in ver- 
schiedenen Jahreszeiten und von verschiedenen Stellen 
des Kontinentes ausgeführt wurden, benutzt.“ Was 
beweisen nun diese Tabellen? Nach Hergesell: „Dass die At- 
mosphäre in allen Niveaus bis zu 10000 m hinauf einer 
äusserst wechselnden Temperierung unterworfen ist. 
Nicht nur die unteren Schichten zeigen je nach der Jahreszeit 
und Wetterlage ein bedeutendes Schwanken der Temperaturzahlen, 
auch in-den höchsten Schichten ist ein beständiger Wechsel der 
Wärmeverhältnisse vorhanden.“ Die folgenden Angaben von H. 
mögen das eben Gesagte näher erläutern: 

In dem Niveau von 5000 m betrug am 26/X 1895 

die höchste Temperatur —6° 

„ tiefste ss — 45° (in St. Petersburg), 
demnach fand sich in dieser Höhe eine absolute Temperatur- 
schwankung von 39°; 

in dem Niveau von 7000 m belief sich 

die höchste Temperatur auf —17,5° 
„tiefste a 59% 
demnach beträgt hier die absolute Schwankung 41,5°; 


"Pyey 'yeusayu] "Al 


"qsı9j94 'Sasseiıjg '3qs19}9g Zınasseng 
"Myeg "uolreugajug I] 


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97— #— G— (6.—) (-) (U)  (89--) LE—-  79— 23—  000°01 

(dl iR 88— _ = — - ge IC L°— 0086 

68— ge — gE— (0.1) Ge er (ee) 1e- 8 2—  000°6 

Ve de = g7— = = 66 =., Cy= 17 0088 

18 — Ge 63— (89—) Se 81— er— LE —  8— e— 0008 

Mo 08-—- = — Te — 68— Go 0 07— 00€ 

do 1L3— — (77—) ie 17 — 70— 82 -  9— 9E— 000% 

1° 7° — 61— 09-- 70— 07 — 6°— 1Ie—-  2- gge— 0089 

8I— 1a — 9I— #7 — 0°— 60 0— 6I- 8— 6°—  000'9 

GI SI— ol 68— 91 — 9— (A MI. - Me s— 008g 
ec rn 6 HE ee les Gl I Abe 0°.— 000% 
© 6— 0I— 0— Ge geI— Di Li— > LI 2008 
E 9— 6 = oe I 01I— 6— N 71 000% 
8— 8— I-- 61— 6— I — 9— I— Be 11  0o«'g 

co r— c+ cGI— L— 7— = 9+ 9— L— 000° 

+ sI— r— °— 0I-+ sı+ (de 07— 008% 

11+ 01— Ii-  eo+ 0'°+ 9I+ I 0°0 000° 

gI+ = + = = LI Fr = 008° 

#+ ge— + °- + 8I+ Dr = 000°1 

HI + c0— 0 — — 6 014 = 008 

cı+ + Ir 00 0°c+ 0 + 8m = 0 
2681 "2/23 L68T 'G/EL 2681 'Z/8T 9681 ’8/C Y6SLT'E/EZ C6SLT’01/9g SUCH 


Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges. 299 


im Niveau von 10,000 m war 
die Maximaltemperatur —36°, 
die, Minimal a —83°, 
sodass also hiersogareineSchwankungvon47°sichergiebt. 

Durch diese und ähnliche Betrachtungen kam H. dann zu 
der nachstehenden Folgerung: 

„Die Atmosphäre zeigt demgemäss in allen Höhenlagen bis 
zu 10000 Temperaturschwankungen, die innerhalb eines 3jährigen 
Zeitraumes in sämtlichen Niveaus den Betrag von 40° erreicht 
oder überschritten haben.“ Ob diese grossen Temperaturschwan- 
kungen, die in den höchsten uns erreichbaren Schichten auftreten, 
an einen gewissen regelmässigen Gang gebunden sind oder ob 
sie regellos verlaufen, ist nach H. schwierig zu entscheiden; die 
Wahrscheinlichkeit spricht aber für die Existenz eines jährlichen 
Ganges.“ Zu ähnlichen Resultaten wie H. kam auch der franzö- 
sische Meteorolog Teisserence de Bort, welcher in nicht ganz 
15 Monaten in kurzen Zwischenräumen 90 Registrierballons 
ausgesendet, die fast ausnahmslos wieder gefunden wurden. Nach 
ihm scheinen in den oberen Regionen 

die höchsten Temperaturen am Ende des Sommers, 

„ tiefsten “ gegen Ende des Winters 
einzutreten, jedoch wird die regelmässige Erscheinung durch 
plötzliche Temperaturschwankungen oft gestört. 

Cleveland Abbe (in Washington) machte den Versuch, auf 
Grund der de Bortschen Resultate, diemittleren Monatstem- 
peraturen der freien Atmosphäre abzuleiten. Von den 
so erhaltenen Ergebnissen seien nur die daraus sich ergebenden 
Jahresmittel angeführt: 

Jährlicher Gang der Temperatur in der freien Atmosphäre 
in verschiedenen Höhen: 
Winter Frühling Sommer Herbst 


10,000 m — 529 — 590! — 45° — 52° 
7,000 „, — 300 so — 990 — 290 
5,000 „, — 20° — 20 — 9 — 13° 
3,095 „, — 180 uns 9 2,50 

(Sonnenblick) 


Wir erkennen daraus, dass über 5000 m das Temperatur- 
minimum thatsächlich im Frühlingeintritt, während 
das Maximum der Temperatur im Spätsommer sich 
einstellt. Die Schicht in der Höhe von 5000 m stellt gewisser- 


300 F. Helm: 


massen den Übergang zu den Bodenschichten dar, wo, wie 
der Sonnenblick zeigt, das Temperaturminimum schon im 
Winter vorhanden.“ 

Auch Hergesell benutzte seine Tabellen, um durch Mittel- 
bildung im gewissen Sinne Normalzahlen für die Tempera- 
turverteilung in der freien Atmosphäre abzuleiten. 
Die folgende Tabelle enthält die so ermittelten Zahlen unter 


„Hergesell“. 
Temperatur der freien Atmosphäre nach 
Höhe Hergesell Teisserence d. B. Glaisher 

m (Cleveland Abbe) 

0 8 9 +8 
1000 44 +5 | 
2000 0 0) —6 
3000 —7 —4 —11 
4000 —135 —)I — 16 
5000 —18 —16 —19 
6000 —26 —21 (21) —22 
7000 —33 —29 —24 
8000 —40 —58 —26 
9000 .—48 . —42 _ 

10,000 —54 —5l — 


Aus verschiedenen Gründen, auf welche näher einzugehen 
aber für unsere Zwecke nicht nötig ist, glaubt H., dass die von 
ihm gegebenen Zahlenreihen die mittleren Temperaturver- 
hältnisse über Europa mit nicht allzugrossen Abwei- 
chungen darstellen. 

Die Tabellen H.s enthalten nun aber nicht nur die zeitlich 
aufeinander folgenden Ballonfahrten, sondern auch die 
verschiedenen Simultanfahrten, d.h. Auffahrten, die zur 
selben Stunde von mehreren Punkten Europas aus unternommen 
wurden (sie bringen also die Temperaturverteilung in 
der Atmosphäre im selben Zeitpunkt in verschie- 
denen Höhenin einer mehr oder weniger grossen 
Ausdehnung zur Anschauung. 

„Wir erkennen aus den einzelnen Fahrten, so fährt H. dann 
fort, dass die Beweglichkeit, welche die Temperatur in allen 
Höhenlagen in zeitlicher Beziehung besitzt, auch in örtlicher 
Hinsicht existiert. Zu derselben Stunde können auch in 
den höchsten von uns erreichten Schichten nur einige 


Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges. 301 


100 km voneinander entfernt Temperaturen vorhanden 
sein, die sich um mehr als 30° bis 40° voneinander unter- 
scheiden. Die Simultanfahrten vom 13. Mai 1897, 24. März 
1899 und 3. Oct. 1899 ergaben bis zu den höchsten Schichten 
hinauf Temperaturdifferenzen, die nach früheren Anschau- 
ungen in diesen Höhen einfach für unmöglich gehalten 
wurden. Z. B.: 

am 13. Mai 1897 herrschte in 5000 m Höhe im W. des 
Kontinentes eine Temperatur, die um 20° tiefer lag als im 
selben Niveau im NO über Petersburg; 

am 24. März 1899 flutete über Finnland in 10000 m Höhe 
eine Luftschicht, welche die tiefste Temperatur von — 90° auf- 
wies, während in Italien und auf der Balkanhalbiusel 
inderselben Höhe nur die Temperatur von — 50° herrschte.“ 

An diese Betrachtungen anschliessend, giebt dann Hergesell 
noch einige Resultate, welche sich auf den Luftdruck und die 
Temperaturverteilung beziehen. Hieraus nur soviel: „Am wärmsten 
waren die Luftmengen (der Cyklone) am 3. Oktober 1899, wo 
auch in 10000 m Höhe — 70° nirgends überschritten wurde. 
Weit tiefere Temperaturen lieferten die Fahrten am 13. Mai 1897 
und am 24. März 1899. Am 13. Mai befanden sich über 
Deutschland Luftmengen in Höhen von 10,000 m, 
deren Temperatur auf — 80° gesunken war, und am 
24. März kühlte sich die Atmosphäre über Finnland in 
derselben Höhenschicht sogar auf — 90° ab.“ 

Es ist heute nicht meine Absicht, wieder näher auf Gätkes 
Behauptungen betreffs der Schnelligkeit und Höhe des Wander- 
fluges unserer Vögel einzugehen, aber es würde jedenfalls von 
allgemeinem Interesse sein, wenn diejenigen Herren, welche Ver- 
teidiger der Gätkeschen Behauptungen sind, ihre Ansichten darüber 
Äusserten, wie 'beispielsweise die am 13. Mai 1897 Deutschland in 
einer Höhe von ungefähr 10000 m überfliegenden und in Helgo- 
land dann einfallenden Vögel und speziell die rotsternigen 
Blaukehlchen eine derartige Temperatur (von — 80%) ertragen 
konnten, weshalb sieüberhaupt in derartigen Höhen wandern. 

Als Erklärung für diese tiefen Temperaturen fügt Hergesell 
folgendes hinzu: „Man wird nicht fehlgehen, wenn man dieses 
Verhalten der Temperatur auf die mit den Jahreszeiten wech- 
selnde Temperierung der polaren Luftmassen zurückführt; 
die Frühjahrsauffahrten fanden in den mittlern und höchsten 


302 F. Helm: 


Höhen auf den Rückseiten und dem Zentrum der Luftwirbel noch 
die eisige, durch keine Sonnenstrahlen und Konvektionsströme 
erwärmte Luft des Polarwinters vor, während die Ballonfahrten im 
Herbst auch in den höchsten Luftschichten noch die directen und 
indirecten Einwirkungen des hohen Sommerstandes der Sonne 
verzeichnen konnten. Diese Erklärung giebt auch eine nähere 
Einsicht in den jährlichen Gang der Temperatur der höheren 
Luftschichten über Europa. Das Minimum des Frühjahrs 
ist auf die Einwirkung des Polarwinters zurückzu- 
führen, während die hohen Temperaturen des Spät- 
sommers den sommerlichen Luftströmungen aus dem 
Süden ihr Dasein verdanken.“ Zum Schluss sei auf 
folgende durch die Simultanfahrt am 13. Mai 1897 bestätigte 
Thatsache hingewiesen: „Die Temperaturgegensätze haben sich 
mit zunehmender Höhe nicht ausgeglichen, sondern in Gegen- 
teil verstärkt. Im Meeresniveau betrug die Temperatur- 
differenz zwischen Petersburg und Strassburg 123°, dieselbe 
stieg in 5000 m Höhe auf 25°, in 7000 m auf 32°, in 10000 m 
Höhe gar auf 37 “1! 

Ich hoffe aus den vorstehenden Angaben wird ohne Zweifel 
sich ergeben, dass die internationalen Ballonfahrten auch für die 
praktische Ornithologie nicht bedeutungslos sein werden und wir 
mit Hülfe derselben vielleicht endlich doch über den Verlauf des 
Vogelzuges näheren Aufschluss erhalten können, denn ziehende 
Vögel können doch wohl kaum den Luftschiffern entgehen, wenn 
sie an dem Ballon vorbeifliegen. Es liegt gegenwärtig meines 
Wissens allerdings nur eine derartige von einem Luftschiffer 
herrührende Beobachtung vor. Dieselbe machte ein österreichischer 
Offizier, der Oberleutnant Hinterstösser, Commandant der militä- 
rischen Luftschiffer - Abteilung; sie ist veröffentlicht in der 
Schwalbe, Jahrg. 1898/99, S. 144. Unser Gewährsmann berichtete, 
dass er am 1. Februar einen Vogel, wahrscheinlich eine Larus 
ridibundus, in einer Höhe von 800 m über einer Wolkenschicht 
vom Ballon aus beobachtet habe. Nach ca. 5 Minuten tauchte 
der Vogel in das Wolkenmeer hinab und verschwand. Gleich- 
zeitig bemerkt aber an dieser Stelle der Berichterstatter, dass 
er während seiner sonstigen zahlreichen Freifahrten seit 1890 
niemals Vögel in höheren Regionen vom Ballon aus bemerkt 
habe, und es jedenfalls auffallend sei, dass nicht mehr Anzeigen 
von in höheren Regionen ziehenden Vögeln zur Wahrnehmung 


Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges. 303 


zu kommen pflegen. Erkundigungen bei andern Luft- 
schiffern seien, wie er dann hinzufügt, bisher nur verneinend 
beantwortet worden. 

Weil nur für die hier in Frage kommende Angelegenheit 
die von Hinterstösser angeführten Thatsachen, wie mir scheinen 
will, von allergrösster Bedeutung sind, so erlaube ich mir der 
Redaction dieser Zeitschrift folgende Vorschläge zu machen: 

Es sind unsere deutschen Luftschiffer, welche wissenschaft- 
liche Fahrten ausführen, also in erster Linie Berson, Gross, Her- 
gesell etc. zu bitten, in dieser Zeitschrift darüber zu berichten: 

1. ob sie jemals Vögel in grösseren und grossen Höhen 
ziehend beobachtet haben; 

a. welche Arten dies eventuell gewesen sein können, 

b. ob die ziehenden Vögel mit dem Winde oder umgekehrt 

geflogen sind, 

c. mit welcher Schnelligkeit sie ihre Reise zurücklegten ; 

2. a. welche Winde im Frühjahr und Herbst in den 

höheren Regionen vorherrschen, 

b. welche Geschwindigkeit dieselben haben; 

3. ob man von grösseren und grossen Höhen aus in der 
Regel die Erdoberfläche deutlich sehen kann oder ob die- 
selben meist infolge Wolken, Dünste etc. unsichtbar ist. 

4. Um darüber Klarheit zu erhalten, ob die Vögel überhaupt 
sehr verdünnte Luft und sehr niedrige Temperaturen ohne 
Beschwerden längere Zeit vertragen können, wäre es vielleicht 
sehr angebracht, bei Hochfahrten solche, wie beispielsweise 
rotsternige Blaukehlehen mitzunehmen. 


304 


Bericht über die bei der deutschen Tiefseeexpedition 
beobachteten Vögel. 


Von Dr. E. Vanhöffen, Kiel Zool. Institut. 
(Hierzu eine Karte.) 


Während der Fahrt der Valdivia, die den Atlantischen 
Ocean von 62° N. Br. bis 58° S. Br. durchfuhr, dann der Eis- 
kante des antarktischen Meeres vom 7. bis zum 63. Längengrad 
folgte und schliesslich den indischen Ocean der Länge und Quere 
nach durchmass, auch an selten von Zoologen besuchten Küsten 
landete, schien es von Wert, tägliche Aufzeichnungen über das 
Erscheinen der Vögel zu machen. Einer Aufforderung von Herrn 
Professor Reichenow folgend, der die von uns mitgebrachten 
Bälge bestimmte,!) erlaube ich mir diese Beobachtungen hier 
mitzuteilen. 

Den ersten grossartigen Eindruck von der reichen Vogel- 
welt des Meeres erhielten wir am Nachmittag des 3. August 1898 
bei der Annäherung an die schottische Küste, als wir am Ein- 
gange zum Firth of Forth nahe am Bass Rock, der wichtigsten 
Brutkolonie des Tölpels, Sula bassana, vorüberfuhren. Wie ein 
gewaltiger Kasten mit niedriger dachförmiger Kuppe hebt sich 
der allseitig steil abfallende Fels aus dem Meer. Nur an den 
steilsten Abstürzen war unter dem grünen Dach, das kurzer Rasen 
bedeckte, noch die dunkle Farbe des Gesteins erkennbar, im übri- 
gen erschienen seine Seiten weiss von den in langen Reihen 
auf allen Vorsprüngen dicht über einander sitzenden Vögeln. 
Ein Schuss, der die Vögel nur erschrecken sollte, störte viele 
Hunderte von ihnen auf, ohne dass ihre Reihen gelichtet er- 
schienen. Die Tölpel beherrschen den Fels; neben ihnen wurden 
nur in geringer Menge noch die beiden Lummen Uria grylle 
und Uria lomvia sowie die dreizehige Möve Rissa tridactyla 
bemerkt. 

Als wir dann am 5. August längs der Ostküste Schottlands 
nach Norden dampften, erschien ein Steinschmätzer, Sazxicola 
oenanthe*, an Bord, und am 6., nachdem Foul Island passiert 
war, zeigten sich die ersten Eissturmvögel oder Mallemucken, 
Fulmarus glacialis, beim Schiff. Angesichts Far Öer und bei 


1) Die Vögel, deren Bälge Herrn Professor Reichenow vorgelegen 
haben, sind mit einem * bezeichnet. 


Deutsche Tiefseeexpedition. 305 


der Rundfahrt um Suderö wurden dunkle Lummen, Uria arra(?) 
mit ihren Jungen angetroffen und Papageitaucher, Mormon fraier- 
cula, die über die Wellen hüpfend, sich aus dem Bereich des 
Schiffes zu retten suchten. Auch einige Kormorane, Phalacroco- 
rax carbo, und die Mantelmöve, Larus marinus, liessen sich sehen 
ausser den Eissturmvögeln, die dem Schiff folgten und in kleinen 
Colonien die Steilwände der Ufer bewohnten. Auch am 9. und 
10. August auf hoher See im Westen von Schottland begleiteten 
uns Fulmare noch bis 55° N. Br., dann wurden sie nicht mehr 
gesehen. Dafür fand sich nach stürmischer Nacht und bei un- 
ruhiger See am 12. August westlich von Irland ein anderer 
dunkler Sturmvogel ein, mit weisser Unterseite, den ich für einen 
Puffinus hielt. Am 13. wurden mehrere Exemplare derselben 
Art zwischen den noch hochgehenden Wellen hinschwebend 
bemerkt. 
Nachdem sich die See etwas beruhigt hatte, stellten sich 
etwa unter 45° N. Br. die kleinen Sturmschwalben, Oceanites oce- 
anicus, ein, die, abgesehen von unserem Aufenthalt bei den 
Kanaren (vom 20.—23. August), täglich vom 15. bis zum 25. August, 
bis 25° N. Br., beobachtet werden konnten. 

Auf den Kanaren fielen bei der Fahrt von Orotava nach 
Icod nur ein Raubvogel und im Hafen von Las Palmas grosse 
Blaumöven, Larus glaucus (?), auf. Während wir dann an der 
Westküste Afrikas in der Richtung von Kap Bojador nach Boa- 
vista entlang fuhren, kamen mit einem Schwarm kleiner Nacht- 
falter zahlreiche Landvögel an Bord. Ein am 24. August gefangener 
Singvogel wurde provisorisch als Acrocephalus bestimmt und an 
demselben Tage soll sich ein Wiedehopf gezeigt haben. Am 25. 
wurden nur Petersvögel, Oceanites oceamicus*, gesehen, am 26. 
aber waren wieder Landvögel vorhanden, unter denen wir eine 
Hypolais zu erkennen glaubten. Die Zahl der Landvögel war 
am 27. und 28. August besonders reich, nachdem am 26. der 
Passat an der Grenze des Guineastroms eingesetzt und einen See- 
sang von Stärke 6 erzeugt hatte. Mit Sicherheit konnte nur 
Lanius senator* bestimmt werden; ausser ihm glaubten wir noch 
die vorhererwähnten Acrocephalus und Hypolais zu erkennen, 
ferner einen grossen Vogel, der an einen Kukuk oder kleinen 
Raubvogel erinnerte, aber nicht genau beobachtet werden konnte. 
Wie es schien, zogen alle diese Vögel mit uns den Kap Verde- 
schen Inseln zu, die am 29. Morgens in Sicht kamen. Am 

Journ, f. Orn. XLIX, Jahrg. Juli 1901. 21 


306 Dr. E. Vanhöffen: 


31. August zeigte sich im Süden dieser Inseln über einer Heerde 
von Zahnwalen, ruhelos hin und her fliegend, ein: einsamer 
dunkelbrauner Vogel mit weisser Unterseite, der mir ein Puffinus 
zu sein schien. Auch am 12. August wurde dieselbe Art in 
Gesellschaft von Delphinen bemerkt. Es sind weitere Beobach- 
tungen darüber nötig, ob hier ein zufälliges oder ein regel- 
mässiges Zusammentreffen vorliegt. 

Auf der Fahrt von 10° N. Br. bis zum Äquator, parallel 
der afrikanischen Küste, vom 2. bis 8. September, wurden keine 
Vögel bemerkt; am 9. aber fielen bei etwa 1° N. Br. und 3° W.L,., 
an der Grenze zwischen Südäquatorialstrom und Guineastrom, 
kleine Sturmschwalben, Oceanodroma eryptoleuca*, auf, die ich mit 
ausgebreiteten Flügeln auf dem Wasser laufen sah. Am Abend 
hörten wir wiederholt ihren Schrei: „Kerr kwi,“ wenn sie sich 
den erleuchteten Fenstern näherten, oder um die Laternen am 
Mast flatterten, und am 12. wurde einer dieser St. Petersvögel 
gefangen, der durch die offenen Fenster in den Salon geflogen 
kam. Sie begleiteten das Schiff noch einige Tage, wurden aber 
am 13., als wir uns der Kamerunbucht näherten, nicht mehr 
gesehen. Am 9. soll sich zum ersten Male ein Tropikvogel 
Phaeton gezeigt haben. ° 

Vom 15. bis 25. September waren wir in Kamerun. Der 
auffallendste Vogel ist dort Gypohieraw angolensis*, der Geieradler, 
der häufig im Mangrovegebiet zu beobachten war, doch kamen 
nur junge, noch nicht ausgefärbte Vögel zum Schuss. Ausser ihm 
wurden dort noch Charadrius tenellus,* Barbatulu subsulphurea,* 
Vidua principalis,* Spermestes poensis* und zwei Webervögel, 
Ploceus nigerrimus* und Ploceus collarıs*, erlegt, die an den 
Blättern der Ölpalmen ihre Nester aufhängen und das Material 
für ihr Flechtwerk aus den zerzupften Fiederblättchen gewinnen. 
Solche zerzausten Palmen mit Weberkolonieen fanden sich nicht 
selten bei Victoria und an den Ufern des Wuri bei der Fahrt 
nach Jambassi. Sonst wurden bei dieser Fahrt noch graue Papa- 
geien, Eisvögel, Tauben, sogenannte „Wurivögel,“ wohl Wasser- 
hühner mit langen, roten Beinen und schöne weisse Reiher 
gesehen. 

Zwischen Kamerun und der Kongomündung sahen wir 
keine Vögel. Auf dem Kongo und an seinen von Mangrove 
und Schilf bewachsenen Ufern zeigten sich schwalbenähnliche 
Vögel, der Schattenvogel Scopus umbretta und Eisvögel, Ceryle 


Deutsche Tiefseeexpedition. 307 


rudis, die, in schnellem Fluge dicht über dem Wasser hin- 
sehwebend, von einem Ufer zum andern eilten, ein grosser, 
grauer Reiher, -ein storchartiger Vogel, vielleicht Mycteria sene- 
galensis (?), der Schildrabe, Corvus scapulatus, mit weissem Brust- 
ring und in der Nähe von Boma, ein grosser Flug Seeschwalben 
Sterna sp. Erlegt wurden dort Gypohierex angolensis, der Geier- 
adler, ebenso wie in Kamerun nur in jungen Exemplaren, die 
sich hauptsächlich ‘von Krabben und Einsiedlerkrebsen zu 
ernähren scheinen, Anhinga rufa der Schlangenhalsvogel, den 
wir geschickt tauchen oder mit ausgebreiteten Flügeln am Ufer 
sitzend sich Kühlung zufächeln sahen, und der zierliche Silber- 
reiher, Ardea garzetta. Bei Boma bemerkten wir eine Nacht- 
schwalbe (?), die aus dem dichten Savannengras geräuschlos auf- 
flog, kleine, einem Rotschwänzchen ähnliche Singvögel und den 
Schildraben, und bei Banana wurden Passer diffusus* und Turdus 
bocagei® erbeutet. Am 5. Oktober morgens lichteten wir in 
Banana die Anker, um in südlicher Richtung zur grossen Fisch- 
bai zu dampfen. Bei dieser Fahrt wurden nur am 8. und 9. Oktober 
kleine St. Petersvögel gesehen, die nicht mit Sicherheit bestimmt 
werden konnten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch hier 
diese Vögel die reiche Ansammlung pelagischer Tiere an einer 
Stromgrenze ausbeuteten. 

Am Tage darauf erreichten wir die grosse Fischbai, 
die von völlig vegetationslosen Sanddünen umgeben ist. Sie gab 
uns zum zweiten Male Gelegenheit, eine grossartige Vogelwelt 
zu studieren und gleichzeitig die gewaltige Produktionskraft des 
Meeres zu bewundern. Denn das Meer ernährt hier Tausende 
grosser gefrässiger Vögel, von denen nicht wenige Arten hier 
ihre Nordgrenze erreichen. Schon bei der Einfahrt in den 
Hafen waren wir erstaunt, ähnliche Arten wie bei Schottland 
und den Far Öer zu erkennen. Wir sehen dort den südlichen 
Tölpel, Sula capensis*, senkrecht in’s Wasser herabstossend fischen, 
Erst lässt sich der Vogel mit etwas ausgebreiteten Flügeln fallen, 
dann legt er plötzlich die Flügel dicht an und saust wie ein 
Pfeil in’s Wasser herab. Ferner sassen ganze Scharen dunkler 
Kormorane, Phalacrocoraz capensis*, nebeneinander aufgereiht am 
Strande, und in graziösem Fluge schwebten Seeschwalben und 
die Sturmvögel, Puffinus und Procellaria aequinoctialis*, über 
dem Wasser. Ein dritter Sturmvogel, die Kaptaube, Daption 
capense, fiel dureh ihr buntes, schwarz und weiss geflecktes 

21* 


308 Dr. E. Vanhöffen: 


Gefieder auf. Im innersten Teile der ausgedehnten Bucht 
machten sich Flamingos, Phoenicopterus roseus, bemerkbar, die 
in langen Reihen am Strande zu exercieren schienen, fischend 
-im Wasser standen oder plötzlich auffliegend sich als rosenrote 
Wolke erhoben, und Pinguine, Spheniscus demersus*, von denen 
wir nur wenige, noch nicht völlig ausgewachsene Exemplare 
bemerkten. Auf der flachen, die Bucht absperrenden Tigerhalb- 
insel tummelten sich zahlreiche Strandläufer. Dort gelang es, 
zwei Exemplare eines neuen Regenpfeifers, Oharadrius rufocinctus*, 
neben dem bekannten Charadrius hiaticuld* zu erlegen und am 
Ende der Bucht am Fusse hoher Dünen zeigten sich Schildraben, 
Corvus scapulatus, die durch Reste getrockneter Fische angelockt 
waren. 

Als wir am 12. October die Fischbai verliessen, kamen wir 
in stürmische See. Draussen erschienen am 13. wieder St. Peters- 
vögel, die in der Bucht nicht bemerkt waren, ferner folgten 
Daption capense, Procellaria aequinoctialis und der gelbschnäblige 
Albatross, Thalassogeron chlororhynchus, der hier zum ersten 
Male sich zeigte, dem Schif. Am 14. wurde nur noch dieser 
und dazu zum ersten Male der grosse Albatross, Diomedea exu- 
lans, von uns gesehen. Während dann vom 15.—17. Oktober alle 
Vögel fehlten, gelang es am 18. einen grossen Albatross von 2,90 m 
Flügelspannung mit schwarzen Flügelspitzen, grauem Anflug am 
Halse, blaugrauen Füssen und gelblichem Schnabel zu angeln. 
Auch Procellaria aeguwinoctialis erschien. Am 20. wurden Pro- 
cellaria aeqwinoctialis und Diomedea exulans”, am 23. P. aequi- 
noctialis und Daption capense beobachtet. Am 25. Oktober nä- 
herten wir uns bereits dem Kaplande, doch war das Land noch 
nicht in Sicht, als wir in einer Tiefe von etwa 3000 m. unsere 
Netze auswarfen. Bei dem stillliegenden Schiff fand sich hier 
eine grössere Anzahl von Vögeln ein, die sich mit Geschrei und 
Gepiepse um die mit einer Angel ausgeworfenen Speckstückchen 
stritten. Am eifrigsten war Procellaria aeqwinoctialis dabei, die 
selbst den kleinen Albatrossen, Diomedea melanophrys, den Köder 
wegzunehmen versuchten und die kleineren Kaptauben und 
St. Petersvögel verdrängten. Die Albatrosse waren vorsichtiger. 
Mit schnarrendem, wie „karr“ Klingendem Ruf schafften sie sich 
Platz, doch fassten sie den Köder nur mit der Schnabelspitze 
und liessen beim Anziehen der Angel los, während die braun- 
schwarzen Procellarien mit grünlichem, schwarz gefllecktem Schnabel, 


Deutsche Tiefseeexpedition. ‘309 


schwärzlichen Füssen und weissem Kinn sich leicht fangen liessen. 
Auch 2 Exemplare der Kaptauben wurden geangelt. Vor Kap- 
stadt gesellten sich am 26. Oktober zu Procellaria aeguinoctialis 
und Daption capense noch zahlreiche Mantelmöven, Larus domi- 
nicanus, hinzu, die uns früher nicht begegnet waren. An dem- 
selben Tage noch setzten wir unsere Fahrt nahe an der Süd- 
küste Afrikas fort. Dort wurde am 27. zwischen dem Kap der 
guten Hoffnung und Kap Agulhas nur Procellaria aequinoctialis, 
am 28. in der Plettenberg-Bucht nur Diomedea exulans, am 29. 
in der Francis Bai Larus dominicanus, Procellaria aeqguinoctialis, 
Diomedea exulans, Daption capense und St. Petersvögel, wohl 
Oceanites, und in der Algoa Bai bei Port Elisabeth am 31. Oktober 
Larus dominicanus angetroffen. 

Da wir uns bei der Rückfahrt von Port Elisabeth nach Kap- 
stadt vom 1. bis 5. November etwas ferner vom Lande hielten, 
um auch grössere Tiefen im Gebiet des Agulhas-Stroms zu 
erforschen, so waren keine Dominikanermöven zu sehen. Es 
zeigten sich nur die 3 Albatrossarten Diomedea exulans, D. me- 
lanophrys* und Thalassogeron chlororhynchus. Besonderes Interesse 
erreste am 1. November südlich von der Algoa Bai der erste 
Riesensturmvogel, Ossöfraga gigantea, der sich furchtlos dicht beim 
Schiff niederliess und durch einen Schuss erlegt wurde, da er 
auf die ihm zugeworfene Angel nicht reagierte. 

Im Hafen von Kapstadt wurden nur Dominikanermöven, 
dann bei der Ausfahrt am 13. November Procellaria aequinoctialis, 
Daption capense, Diomedea exulans und kleine Pinguine, Spheniscus 
demersus, bemerkt. 

Das reiche Vogelleben bildet ein Gegenstück zu den Vogel- 
kolonien an den nordeuropäischen Küsten. Während in den 
warmen Meeren von 50° N. Br. bis 15° S. B. nur St. Peters- 
vögel, Puffinus und der Tropikvogel erschienen, finden wir die 
nördlichen und südlichen kalten Gewässer von Tölpeln und Cor- 
moranen belebt und anderen gefrässigen Fischern, da den Fulmarus 
glacialis des Nordens die Procellaria aequinoctialis des Südens, 
den Alken und Lummen die Pinguine und der Mantelmöve des 
Nordens die Dominikanermöve des Südens entsprechen. Dass das 
vogelarme Meeresgebiet so ungleich nördlich und südlich vom 
Aequator verteilt ist, beruht auf dem weiten Vordringen des 
Golfstroms, der die atlantische Küste Europas und des kalten 
Benguelastroms, der die Westküste Südafrikas bespült. 


310 Dr. E. Vanhöffen: 


Als wir dann zur Autsuchung der Bouvet-Insel nach Süden 
dampften, wurden vom 14. bis 16. November keine Vögel ge- 
sehen. Am 17. aber beim Eintritt in die Westwindtrift er- 
schienen wieder Vögel als Vorboten einer neuen Region. Bereits 
am Morgen umkreisten uns viele Exemplare von Prion coeruleus, 
eines kleinen, oben graublauen, unten weissen Sturmvogels mit 
dunkler Schulterbinde, und mehrere kleine Albatrosse, Diomedea 
melanophrys. Nur die letzteren kamen in die Nähe des Schiffes, 
während die ersteren sich durch unser Fischen nicht in ihrem 
heftigen Hin- und Herfliegen stören liessen. Am Tage darauf 
wurden Diomedea exulans und D. melanophrys von folgenden 
Abmessungen geangelt: 

Schnabelspitze— Schwanzspitze.e Flügelspannung. 
D. exulans 1,35 m 3,12 m. 
D. melanophrys 0,95 m 2,14 m. 

Der Schnabel von D. melanophrys war gelbgrün, vorn 
dunkler bis rötlich braun, der Fuss bläulich fleischfarben. Ferner 
zeigte sich ausser Prion coeruleus noch die letzte Procellaria 
aequinoctialis. | 

Besonders interessant in ornithologischer Hinsicht war der 
19. November, der unserer Sammlung 3 neue Sturmvögel brachte: 
Aestrelata mollis* und Priofinus cinereus”, die nur dieses einzige 
Mal in je einem Exemplar beobachtet werden konnten, und einen 
St. Petersvogel Oymodroma melanogaster*. Sonst begleiteten noch 
ein Albatross, D. exulans, und mehrere Prion coeruleus das Schiff. 

Nachdem dann am 20. das Barometer um 22 mm gefallen 
war, erschien bei schwerer See und Windstärke 10 zum ersten 
Male der braungraue Albatross, Phoebetria fuliginosa, der durch 
die weissen Augenlider charakterisiert ist, und der erste ant- 
arktische Pinguin, Pygoscelis antarctica. Am 21. zeigten sich 
nach Südsturm bei noch sehr hoch gehenden Wellen wieder zahl- 
reiche Vögel: Phoebetria fuliginosa, Prion coeruleus, Cymodroma 
melanogaster, Priocella glacialoides, eine neue Erscheinung, und 
Daption capense, die wir seit dem Tage unserer Abfahrt von 
Kapstadt den 13. November nicht mehr gesehen hatten. Am 
22. November bei verhältnismässig ruhiger See und auch am 23., 
als die See nach unruhiger Nacht, in der beigedreht werden 
musste, noch recht hoch ging, wurden keine Vögel bemerkt. 
Am 24. aber fanden sich ausser Daption capense und Phoebetria 
fuliginosa zahlreiche Exemplare von Priocella glacialoides und 


Deutsche Tiefseeexpedition. 311 


eine Schar von Pinguinen ein, FPygoscelis antarctica, kenntlich 
an der schmalen schwarzen Kehlbinde. Das Auftreten eines 
Schwarmes dieser nicht fliegenden Vögel, die wie Delphine über 
die Wellen hüpfen und mehr unter als über dem Wasser zu 
schwimmen scheinen, wurde zusammen mit dem Erscheinen zahl- 
reicher Kaptauben und Sturmvögel als Anzeichen nahen Landes 
gedeutet. In der That kam am 25. Mittags, nachdem wir das 
erste Eis passiert hatten, schon die Bouvet-Insel in Sicht, 
die Kaptauben, Daption capense*, Priocella glacialoides*, Oymo- 
droma melanogaster, FPrion coeruleus und Phoebetria fuliginosa 
umschwirrten. Unter ihnen fielen als neue Ankömmlinge eine 
weisse Eismöve, Pagodroma nivea, und die grosse Raubmöve, 
Lestris antarctica” auf. Eine Landung auf der Insel war nicht 
auszuführen. Am 28. wurden bereits mehrere Eismöven bemerkt 
und am 29., als wir unseren Kurs im Süden der Bouvetinsel 
fortsetzten, kamen zu den bereits an den vorhergehenden Tagen 
bemerkten Arten wie Prion coeruleus*, Pagodroma, Pygoscelis 
antarctica”, Daption, Phoebetria fuliginosa” und Priocella noch 
Ossifraga gigantea*, der Riesensturmvogel, hinzu, der seit der 
Agulhasbank gefehlt hatte, und ein neuer Sturmvogel Thalassoe- 
ca antarctica, der ebenso sicher wie Pagodroma nivea die Nähe 
des Eises verkündet. Mehrere Riesensturmvögel wurden auf einem 
der Eisberge ruhend angetroffen. 

Am 30. November erreichten wir den südlichsten Punkt im 
Gebiet des atlantischen Oceans, da uns das Treibeis am weiteren 
Vordringen hinderte Bis zur Eisgrenze begleitete uns nur 
Pygoscelis antarctica, Fagodroma nivea und Thalassoeca ant- 
arctica. Es lassen sich demnach im südlichsten Teil des atlantischen 
Oceans’ auch 2 Gebiete unterscheiden, die durch die Vögel der 
Westwindtrift, Oymodroma melanogaster, Prion coeruleus und 
Phoebetria fuliginosa, und die Vögel der Eiskante Pygoscelis 
antarctica, Pagodroma nivea und Thalassoeca antarctica charac- 
terisiert werden können. 

Dem Eise ausweichend nahmen wir unter 57° 8. Br. und 
8°0. L. einen östlichen Kurs auf. Am 1. Dezember war das 
Packeis verschwunden, nur einzelne Eisberge rauschten vorüber. 
Zwischen ihnen fiel durch breiteren bläulichen Schnabel, dunkel 
gesäumten Schwanz und mehr graues Gefieder eine neue Prion- 
art auf, die als Prion desolatus* bestimmt werden konnte. Ferner 
zeigten sich noch Prion coeruleus*, Ossifraga gigantea, Oymodro- 


312 Dr. E. Vanhöffen: 


ma melanogaster, Pagodroma nivea* und Thalassoeca antarctica.* 
Am 2. Dezember wurde Sterna macrura* völlig erschöpft, aber 
noch lebend, mit leerem Magen an Bord gefunden und 
ein zweites Exemplar derselben Art in schnellem Fluge hoch 
über dem Schiff hinziehend gesehen. Sonst erschienen, da wir 
immer wieder in das Packeis hineinkamen, nur noch Pagodroma 
und Thalassoeca. 

Da wir uns nun, um vom Eise frei zu kommen, nach Norden 
wandten und so eisfreies Wasser erreichten, in dem nur noch 
einige Eisberge sichtbar blieben, zeigten sich am 3. wieder Prion 
coeruleus und P. desolatus, Thalassoeca aniarctica und die Kap- 
taube, die an den beiden letzten Tagen gefehlt hatte. Am 4. 
Dezember stellte sich dazu noch Priocella glacialoides ein, und 
Pygoscelis antarclica wurde nahe am Schiff vorbeischwimmend 
und auf einem Eisberg ruhend bemerkt. 

In der Nacht trafen wir wieder auf Eis. Am Morgen des 
6. im eisfreien Meer folgten 9 Exemplare von Phoebetria fuligi- 
nosa* ferner Prion coerulens und P. desolatus und Daption ca- 
pense dem Schifi. Fünf Pinguine, Pygoscelis antarctica, die vor- 
bei trieben, machten sich durch Rufe bemerkbar. Auch ein St. 
Petersvogel wurde gesehen. Thalassoeca und Priocella, die am 
Tage fehlten, erschienen am Abend und kündigten Eis an, das 
sich in der Nacht denn auch einstelltee Am 6. begegneten wir 
wieder einem Eisberg mit Pinguinen, und ausser zahlreichen 
Taubensturmvögeln, Frion, wurden mehrere Albatrosse, Phoebetria, 
und Kaptauben, sowie ein Riesensturmvogel und eine Priocella 
glacialoides beobachtet. Da wir uns nun einer Gegend näherten, 
in der das Eis weniger weit nach Norden vordringen sollte, 
fuhren wir in südöstlicher Richtung, um weiter nach Süden zu 
kommen. Bei ziemlich blauem ruhigen Meer zeigten sich am 7. 
einige kleine Eisberge am Horizont und nur wenige Vögel. 
Prion und Khoebetria waren sichtbar. Am 8. stellte sich wieder 
eine grössere Anzahl von ihnen ein. Prion banksi*, ein vorher 
bei der Expedition nicht beobachteter Taubensturmvogel, wurde 
erlegt. Brion coeruleus und BR. desolatus umflogen in grösserer 
Anzahl während des Fischens das Schiff. Während sie sonst, so 
oft wir die Taubensturmvögel beobachtet hatten, stets in hastigem, 
ruhelosem Fluge vorüber eilten, setzte sich hier einer derselben 
für einen Moment aufs Wasser, um ein rotes Flickchen aufzu- 
picken, das von einem unserer Netze herabfiel. Sonst fanden 


Deutsche Tiefseeexpedition. 313 


sich noch mehrere andere braune Albatrosse, von denen einer 
einen helleren Rücken als die übrigen hatte, ein Exemplar von 
Thalassoeca antarctica und ein St. Petersvogel, wohl Oceanites 
oceanicus, bei uns ein. 

Zu den genannten Arten gesellten sich am 9. noch Daption 
capense, und nachmittags kamen mehrere Exemplare von Pago- 
droma niveo und Thalassoeca antarctica hinzu. Bald darauf 
erschienen schon einige Eisstücke und abends musste des Eises 
wegen nach Norden gewendet werden. Am 10. wurden bei 
ruhiger, eisfreier See eine Phoebetria, ein Oceanites und eine 
Thalassoeca bemerkt. Am Abend aber kamen wir wieder in’s 
Eis. Ausnahmsweise fehlten hier auch während der hellen Nacht 
die beiden, sonst so charakteristischen Sturmvögel im Eise. Es 
waren am 11. Dezember nur zwei Daption, eine Phoebetria, einige 
Prion, ein Oceanites und in der Ferne ein anscheinend verirrter, 
weisser Albatross, wohl Diomedea melanophrys, sichtbar. Am 12. 
blieb uns nur Prion desolatus treu, die übrigen Vögel hielten 
sich fern bei Schneetreiben und stürmischem Wetter. Am 13. 
kamen Daption und Phoebetria hinzu, am 14. wurden nur wenige 
Exemplare von Thalassoeca und am 15. Phoebetria fuliginosa 
auf kleinen Eisbergen ruhend bemerkt. 

Am südlichsten Punkt, den wir erreichten, bei 64° 14' 
S. Br. und 53° 30° ©. L., 104 Seemeilen von der für Enderby- 
Land angegebenen Position, gab es wieder eine neue Vögelver- 
sammlung. Da wir des dichten Eises wegen umkehren mussten, 
konnten Thalassoeca und Pagodroma nicht fehlen. Ausser ihnen 
hatten sich Phoebetria, Priocella, Daption, Prion desolatus und 
Oceanites oceanicus* eingefunden. Dieselbe Gesellschaft folgte 
auch noch am 17. dem Schiff. Am 18. und 19. Dezember nahmen 
wir Abschied von den Vögeln des äussersten Südens. Am 20. 
erschien Diomedea melanophrys und am 21. traten bereits .Dio- 
medea exulans, Thalassogeron chlororhynchus und Frocellaria 
aequinoctialis auf. Am 22. Morgens wurde Sierna macrura” an 
Bord gefangen. Ferner zeigte sich D. exulans, Phoebetria, Osst- 
fraga, Procellaria aequinoctialis und Prion coeruleus und am 
23. und 24. wurden D. exulans, P. aeqwinoctialis, Daption, Prion 
coeruleus und Sterna macrura gesehen. 

Obwohl wir während der Fahrt durch das antarktische 
Meer an reiches Vogelleben gewöhnt waren, wurden wir doch 
überrascht durch den Reichtum an Arten und Individuen und 


314 ‘Dr. E. Vanhöffen: 


durch die Harmlosigkeit und Furchtlosigkeit der Vögel auf den 
Kerguelen, die wir am 25. Mittags erreichten. Mit dem Fern- 
glas sahen wir schon im Vorbeifahren an der Küste der am 
weitesten nach Osten vorspringenden Halbinsel brütende Albatrossse 
und Pinguincolonien. Dann machten sich besonders die Comorane, 
Phalacrocorax verrucosus*, bemerkbar, die einzeln oder in kleinen 
Flügen mit lang vorgestrecktem Halse niedrig über das Schiff hin- 
wegstreichend dem Lande zustrebten. In dichten Scharen 
schwärmten vor der Einfahrt zum Gazellehafen Prion und Oceanites 
über den flutenden Büscheln des Riesentangs Macrocystis zahlreiche 
Kaptauben, Phoebetria, und die grosse Raubmöve, Lestris antarctica, 
sowie einige Riesensturmvögel folgten dem Schiff. Bald nachdem 
der Anker im Gazellehafen gefallen war, wurden die Pinguine, 
die interessantesten gefiederten Bewohner der Insel, besucht. In 
den Nischen zwischen schiefkantigen abgestürzten Blöcken, die 
sich an steiler Wand aufgetürmt haben, hausten zahlreiche 
Pärchen von Catarractes chrysocome, dem goldhaarigen Pinguin, 
den wir schon vorher in langen Zügen durch die Wellen tauchen 
gesehen hatten. Sie liessen sich im Bewachen ihrer grünlich- 
weissen bis braungelben Eier durch die Besucher nicht stören, 
steckten nur verwundert schnatternd die Köpfe zusammen. Ebenso 
wenig kümmerten sich die weissen Scheidenschnäbel, Ohionis minor*, 
um den Besuch, die frech herbeikamen, um Pinguineier zu rauben 
und sich selbst mit den Händen fangen liessen. Erstaunt über 
die fremden Eindringlinge zeigte sich die grosse Raubmöve, die 
jedes von uns angelegte Depot untersuchte und kaum aufflog, 
wenn man sie verjagen wollte. Wenig scheu war auch Sierna 
virgata*, die zierliche Seeschwalbe der Kerguelen, und ein kleiner 
St. Petersvogel, der an den Abhängen im Innern der Insel 
schwalbenähnlich umherflog, was eigenartig berührte, da man ihn 
sonst nur auf hoher See anzutreffen gewohnt ist. Unsicher 
scheinen sich die kleinen Enten, Anas eatoni*, zu fühlen, die sich 
an den meisten kleinen Seen und Tümpeln und an der Mündung 
eines Baches zeigten. Nur ein Vogel war so scheu, dass es uns 
nicht gelang, ihn zu erbeuten, Pelecanoides urinatrix. Kaum 
waren wir ihnen auf Schussweite nahe, so erhoben sich die 
kleinen schwarzen Vögel und suchten, im Fluge an die Teiste 
oder Krabbentaucher erinnernd, das Weite. Es wurde allerdings 
auch kein ernstlicher Versuch gemacht, sie zu verfolgen. Von 
häufigeren Vögeln ist dann noch die Mantelmöve, Larus domins- 


Deutsche Tiefseeexpedition. 315 


canus*, zu erwähnen, die besonders auf kleinen, mit üppiger Vege- 
tation bedeckten Inseln brütete, aber dort auch ihre Eier vor den 
zudringlichen -Scheidenschnäbeln schützen musste. In grosser 
Schar fanden sie sich mit Ossifraga giganten und den Raub- 
möven bei den blutigen Körpern der erlegten und abgehäuteten 
Seeelephanten ein. Besonders die Riesensturmvögel waren durch 
ihre kräftigen Schnäbel geeignet, die Cadaver zu Öffnen, zu zer- 
fleischen und für die kleinen Vögel zugänglich zu machen. Bald 
hatten sie sich so voll gefressen, dass sie kaum noch zu fliegen 
im Stande waren. 

Nur in einem Exemplar wurde am Gazellehafen Pygoscelis „ 
forsteri, der Königspinguin angetroffen, der, als er sich verfolgt 
sah, erst aufgerichtet, dann auf allen Vieren laufend, das Wasser 
zu gewinnen suchte, während wir dort den nach seinem Geschrei 
benannten Eselspinguin,“ Pygoscelis papua, in 2 Exemplaren er- 
hielten. Im Weihnachtshafen, wo wir, kurz bevor wir die Insel 
verliessen, am 29. Dezember, anlesten, wurden mehrere Königs- 
und Eselspinguine lebend an Bord gebracht. Am 30. Dezember 
erschienen bei stürmischem Wetter Diomedea melanophrys und 
Procellaria aequwinoctialis beim Schiff und zum letzten Male 
zeigtesich Prion coeruleus als letzter Vertreter derantarktischeVögel. 

Wenn wir nun auf die Verteilung der antarktischen Vögel, 
wie sie sich nach unsern Beobachtungen darstellte, zurückblicken, 
so zeigt sich, dass Daption capense in dem von uns befahrenen 
Gebiet die weiteste Verbreitung hat. Sie wurde im atlantischen 
Ocean von der grossen Fischbei unter 16° S. Br. bis zum Cap, 
dann wieder von 47° S. Br. bis zum Packeise im Süden und im 
indischen Ocean von der Eiskante bis zu den Kerguelen ange- 
troffen. Indessen hat es den Anschein, als ob die südafrikanische 
Daptioncolonie keine direkte Verbindung mit der Bouvet-Insel 
und dem südlichen Eise hat, da auf der ganzen Strecke vom 
14—21 November Kaptauben fehiten. Sie scheinen demnach 
keine besonders guten Flieger zu sein und sich meist nahe am 
Lande oder am Eise zu halten, wo sie ausruhen können. Das 
gilt in noch höherem Grade für Ossifraga gigantea, der ein 
träger Vogel ist und am Cap, dann ganz nahe der Bouvet-Insel, 
auf Eisbergen ruhend und bei den Kerguelen gefunden wurde. 
Interessant ist ferner die Verbreitung der Prion-Arten. Sie 
singen nach Norden nicht über das Gebiet der Westwindtrift 
hinaus und verbreiteten sich bis zur Eiskante nach Süden und 


316 Dr. E. Vanhöffen: 


ebenso schien jene Strömung zur Zeit unserer Fahrt auch die Nord- 
grenze für Phoebetria fuliginosa zu bilden. Ferner ergab sich, dass 
Pygoscelis antarctica dem Gebiet der Bouvet-Insel angehört, da dieser 
Pinguin, obwohl ihm Eisberge, die er ja als Transportmittel be- 
nutzte, dazu Gelegenheit boten, sich nicht weiter als bis 27°O. L. 
nach Osten von jener Insel entfernte, und dass die .Diomedea- 
Arten und auch Procellaria aegquinoctialis unter 60° O. L. weit 
tiefer nach Süden herabsteigen als unter 10° OÖ. L.. dass also 
ihre südliche Verbreitungsgrenze auf einer schrägen Linie zwischen 
46° S. Br. 10° O.L. und 59° S. Br. 65° O. L. verlief. 

Im Norden der Kerguelen wurden bei der stürmischen Fahrt 
nach St. Paul vom 21. Dezember bis 2. Januar keine Vögel be- 
obachtet. Auf St. Paul und Neu Amsterdam trafen wir dann 
am 3. und 4. Januar Colonien von Catarractes chrysocome *, 
die Chun ausführlich schildert, und auf dem Meere fliegend Lestris 
antarctica, Diomedea exulans und Thalassogeron chlororhynchus 
an. Am 5. zeigte sich ausser den beiden Albatrossen noch Pro- _ 
cellaria aequinoctialis und am 6. fuhren wir an der Grenze der 
Westwindtrift und der stromlosen Zone des südindischen Still- 
tengürtels durch eine auf dem ruhigen Wasser sitzende Ver- 
sammlung von Thalassogeron chlororhynchus*, so dass ich auf beiden 
Seiten des Schiffes zusammen etwa 300 Vögel zählen konnte. 
Einige Exemplare des gelbschnäbligen Albatross wurden am 7. 
sesehen und ausser ihnen erschien noch eine einsame Procellaria 
aequinoctialis. Nachdem uns am 8. kein Vogel zu Gesicht ge- 
kommen war, zeigte sich am 9. Januar eine Procellaria aequi- 
nochialis als letzter, am weitesten nach Norden vordringender 
Repräsentant der reichen Vogelwelt der südlichen kalten und 
gemässigten Zone. Von 290°—19° S. Br. durchfuhren wir vom 
10.—14. Januar ein Gebiet, in dem alle Vögel fehlten. In ihm 
traten die ersten Haifische, Boniten und fliegende Fische auf. 
Im Süden der Kokos-Inseln wurde dann am 15. der erste 
indische Tropikvogel Phaeton gesehen; am 16. erschienen zwei 
und am 17., als wir ganz nahe bei den Kokosinseln fischten, 
mehrere Tropikvögel beim Schiff, die in der Mittagsstunde zu 
verschwinden pflegten, während sie am Morgen und Nachmittage 
eifrig, gelegentlich dicht über dem Wasser hinstreichend, fischten. 
Hier wurden auch mehrere Exemplare von Sula piscator* und 
Fregata aguila hoch über dem Schiff ihre Kreise ziehend bemerkt. 
Fregatte und Sula zeigten sich auch am 18. und 19. Januar, 


Deutsche Tiefseeexpedition. 317 


während vom 20.—22. Januar bis zu unserer Landung in Königin- 
Emma-Hafen bei Padang alle Vögel vermisst wurden. An den 
bewaldeten Höhen, die den vorzüglichen Hafen der Südwest- 
küste Sumatras einschliessen, flog nicht selten ein ziemlich 
grosser Raubvogel umher, der nicht genau erkannt werden 
konnte. In Reisfeldern fielen Scharen weisser Reiher auf und 
am Singkarah-See wurden Eisvögel, Halcyon chloris*, und Irena 
crinigera® erlegt. Ferner sahen wir in geflochtenen Käfigen 
Tauben und Wachteln und den sprechenden Beo, Eulabes religiosa ; 
das war Alles, was von Vögeln bei unserem flüchtigen Besuch 
in Padang zu beobachten war. 

Als wir am 30. Januar den Hafen verlassen hatten, um 
zwischen Sumatra und den Mentawei Inseln zu kreuzen, wurde 
eine Feenseeschwalbe, Gygis candida, bemerkt. Dann liessen sich 
keine Vögel blicken bis zum 7. Februar Abends, wo bei der un- 
bewohnten Nicobareninsel Kandul eine grosse Schar sehr 
kleiner Landvögel ganz niedrig über das Schiff hinweg dem Lande 
zu zog. Sie kamen so plötzlich, dass keiner von ihnen erlegt 
_ werden konnte. Auf der Fahrt von den Nicobaren nach Ceylon 
wurde ein einzelner Tropikvogel gesehen, dann erschien vor 
Ceylon am 13. ein Schwarm weisser Seeschwalben in der Ferne, 
und in Colombo selbst zeigte sich ausser einem Raubvogel und 
Seeschwalben, die über dem Colombosee schwebten,, grosse 
Mengen der schönen schwarzen Glanzkrähe Corvus splendens, 
die alle Gebüsche belebten und sich trotz des lebhaften Treibens 
auf den Strassen sicher zu fühlen schienen. 

Von Colombo steuerten wir dem Suadiva Atoll zu, 
Unterwegs wurde am 17. Februar ein Tropikvogel beobachtet 
der ganz ähnlich wie Sula auf seine Beute ins Wasser herab- 
stiess und bei den Suadivainseln selbst flog Gygis candida in 
grösserer Zahl dicht über dem Wasser. Am folgenden Tage 
wurde bei der Landung noch ein Tropikvogel gesehen, eine bis- 
her nicht bestimmbare Corvus-Art* und eine Seeschwalbe, Sierna 
melanauchen*, erlegt. Im Süden dieser Inseln erschienen dann 2 
Fregattvögel beim Schiff und am 22. nahe bei den Tschagos- 
inseln trafen wir zum ersten Male Anous stolidus*, die dunklen 
dummen Seeschwalben an, die in grossen Scharen dicht über dem 
Wasser hin und her flogen und fischten. Wahrscheinlich verfolgten sie 
die blauen Copepoden, Pontelliden, die dort in grosser Menge 
‘ mit dem Oberflächennetz gefangen werden konnten. 


318 Dr. E. Vanhöften: 


Die Tölpelseeschwalben, Anous stolidus, nisteten zahlreich 
auf den Kokospalmen von Diego-Garcia, wo wir am 23. Abends 
eintrafen. Ausser ihnen wurde noch Anous tenuirostris und 
Gygis candida* erbeutet, welche letztere sich schön von den 
dunkelgrünen, die Häuser der Kolonien beschattenden Gallophyllum- 
bäumen abhob. Von den bei Ebbe trockenen Corallenriffen er- 
hielten wir Numenius phaeopus”, den Brachvogel, und Dromas ar- 
deola*, einen kleinen Reiher, die beide ziemlich scheu waren. 
Endlich gelang es uns dort auch, Foudia madagascariensis”, 
einen kleinen roten Webervogel, und zwei neue Vogelarten zu 
erlegen, die Reichenow als Homopelia chuni * und Butorides albo- 
limbatus beschrieb. Die erstere, eine kleine Taube, wurde nur 
in 2 Exemplaren in dem niedrigen Gebüsch bemerkt, das den 
‘ Korallensand vom cultivierten, mit Kokospalmenbestandenen Lande 
trennt. Sie war nicht scheu, suchte sich aber im Laub und 
dichtem Geäst zu verstecken. Der kleine Reiher, Butorides al- 
bolimbatus, schien von einer schräg über das Wasser der Lagune 
herüberragenden Palme Umschau zu halten, als er überrascht 
wurde. Ein zweites Exemplar wurde später auf dem Strandriff 
erlegt, wo sich auch noch grössere graue Reiher zeigten, die aber 
so scheu waren, dass wir nicht auf Schussweite herankommen 
konnten. 

Am 26. Februar nach der Abfahrt von Diego-Gareia kamen 
2 Tropikvögel in Sicht. Nachdem dann am 27. alle Vögel aus- 
geblieben waren, wurde am 28. eine Fregata ariel” erbeutet. 

Am 1. und 2. März waren keine Vögel sichtbar, dann aber 
verrieten am Nachmittag des 3. Sula und Sterna bereits die An- 
näherung an die Seychellen. Am 4. wurden 2 Tropikvögel 
geschossen, die nicht aufgefischt werden konnten. 

Der Aufenthalt auf den Seychellen vom 5.—8. März gab 
Gelegenheit, etwas von der interessanten Vogelwelt der Inseln 
kennen zu lernen. Der auffallendste Vogel auf der Hauptinsel 
Mah& ist Acridotheres tristis, der dort nicht einheimisch ist, sondern 
eingeführt sein soll. Gleich beim ersten Spaziergange auf der 
Insel sahen wir den schwarz und weiss gezeichneten Vogel auf 
der Weide auf und zwischen Rindern unserem Star ähnlich sich 
tummeln. Er wird von den Kreolen geschützt, die ihm den Namen 
„Matin“ beigelegt haben, da er am Morgen mit wohlklingendem 
Ruf die Langschläfer weckt. Als wir am Morgen des 6. März 
einen Ausflug nach dem Urwalde am Mount Harrison unternahmen, 


Deutsche Tiefseeexpedition. 319 


hörten wir seinen Ruf von den hohen Bäumen in der Nähe der 
Häuser. Beim Anstieg in das Gebiet, wo Zimmt, Gewürznelken 
und Vanille angepflanzt sind, zeigte sich ein Zwergfalk, Hierax(?), auf 
hohem kahlen Fels am Wege und Nectarinien flogen pfeilschnell 
vorüber. Zuweilen hörte man auch den Gesang des roten 
Webers. Im Walde verriet sich die Merle, Ixocincla crassirostris*, 
durch lautes Geschrei. An bewaldeten Abhängen über tiefen 
Thälern schwebten graziös in eleganten Wendungen die Pärchen 
der Feenseeschwalbe, Gygis candida, und hoch oben an den steil 
aufragenden höchsten Felsspitzen zogen die Tropikvögel schreiend 
und einander jagend ihre Kreise. Beim Abstieg wurde auf dem 
Wege am Boden sitzend eine kleine Taube, Geopelia siriata”, auf 
Bäumen ein Webervogel, Foudia madagascariensis*, und ein Matin, 
Acridotheres tristis*, für unsere Sammlung erlegt. 

Am 8. März erhielten wir von der Insel Felicite zwei 
Tropikvögel, Phaeton lepturus”, und eine Warzentaube, Alectroenas 
pulcherrima”, und von Praslin mehrere Merlen und einen kleinen 
Reiher, dessen Balg leider nicht präpariert wurde. 

Als wir dann nördlich von den Amiranten der afrikanischen 
Küste zusteuerten, wurden am 9. und 10. März Tropikvögel und 
Fregatten, am 11. Fregatten und Tölpel, Sula cyanops (?), bemerkt. 
Am 12. fehlten die Vögel; am 13. gelang es einen von mehreren 
vorüberfliegenden Tölpeln zu schiessen, der als Sula cyanops* 
bestimmt werden konnte. Am 14. schon in der Nähe von Dar 
es Salam wurde ein Tropikvogel gesehen und eine Fregatte, 
Fregata aquila, erlegt. 

Am 15. März ankerten wir im Hafen von Dar es Salam, 
über dem Raubvögel und eine dunkle Möve schwebten. Dort 
wurden auf von Mangrove freiem Ebbestrand Tringa suburcuata*, 
Tringoides hypoleuca* und Charadrius pecuarius erlegt und Brach- 
vögel gesehen. Im Gebüsch erhielten wir Telephonus senegalus” 
und Monticola saxatilis*. Sonst zeigten sich noch Geier und 
Falken, Schildraben, Tauben, Schwalben und Webervögel. Dort 
wurden die letzten Vögel geschossen. 

Als wir dann längs der Somaliküste nach Aden fuhren, 
zeigten sich am 22. März weisse mövenartige Vögel in der Ferne, 
am 24. wurden schwarze Vögel mit mövenartigem Flug und eine 
weissköpfige Fregatte gesehen. Dann waren erst wieder am 
28. März 4 weisse Vögel (Tropikvögel?) fern sichtbar und am 
29. stiess eine weisse, etwas graue Seeschwalbe (?) tauchend ins 


320 Dr. E. Vanhöffen: 


Wasser. Am 30. März erschien ein Tropikvogel und am 1. April 
ein kleiner Landvogel in der Nähe des Schiffes. 

Am 2. April bei Cap Guardafui und am 4., kurz bevor 
wir Aden erreichten, wurden noch die letzten Tropikvögel be- 
obachtet. In Aden galt die Tiefseeexpedition für beendet. Dort 
zeigte sich der erste nordische Vogel, Larus fuscus oder L. marinus. 
Von der schnellen Heimfahrt, bei der nicht mehr so genaue 
Beobachtungen über Vögel gemacht werden konnten, möchte ich 
noch erwähnen, dass wir etwa in der Mitte des roten Meeres am 
9, einen Wiedehopf, Upupa epops, am 12. im Golf von Suez wieder 
die dunkle Möve, am 16. angesichts von Kreta unter anderen 
kleinen Landvögeln eine gelbe Bachstelze, am 17. vor der Strasse 
von Messina Möven, einen Falk, Saxicola, zwei Schwalben und 
eine Lerche antrafen und im Golf von Biscaya am 25. April 
Larus tridactylus und den ersten Lummen begegneten. 

Schon vorher wurde für den atlantischen Ocean auf den 
Reichtum der kalten Meere an Arten und Individuen im Gegen- 
satz zu den Meeren der Tropen hingewiesen. Noch auffälliger 
tritt der Unterschied im indischen Ocean hervor. Dort waren 
nur 5 Vogelgattungen für das Tropengebiet charakteristisch: der 
Tropikvogel, die Fregätte, Sula, Anous und Gygis, die, abgesehen 
von Anous nicht sehr zahlreich, meist in der Nähe des Landes 
gefunden wurden. Während südlich am 45° S. Br. kaum ein 
Tag verging, an dem nicht Vögel beim Schiff erschienen, zeigten sich 
in den Tropen grosse Lücken, die noch grösser gewesen wären, wenn 
nicht zahlreiche Inseln auf unserm Wege gelegen hätten. Denn selbst 
Tropikvögel und Fregatte scheinen sich nur ausnahmsweise weit vom 
Lande zu entfernen. Den wenigen Vögeln der Tropen bietet dasruhige 
Meer auch in der Nähe der Küsten genügende Nahrung, die Vogel- 
scharen der Antarktis dagegen sind zum Teil daraufangewiesen, weite 
Strecken zu durchfliegen, und haben oft mit schweren Stürmen zu 
kämpfen. Daher haben sich dort die ausdauerndsten Flieger heraus- 
gebildet. Als solche sind Diomedea exulans und D. melanophrys, 
Thalassogeron, Phoebetria, Procellaria, Pagodroma, Thalassoeca, 
Priocella, Priofinus und die Prion-Arten zu nennen. Weniger gut 
fliegen nach meiner Ansicht Daption capense und Oestrelata mollis, 
diezwar nur in einem Exemplar beobachtet werden konnte, aber sich 
in Körperform und Gebaren an die Kaptaube anschliesst. Elegante, 
aber anscheinend wenig ausdauernde Flieger sind Fregatte, Sula 
Tropikvögel und die Seeschwalben Sierna, Anous und Gygis, die 


Deutsche Tiefseeexpedition. 321 


sich in der Regel nicht so weit als jene vom Lande entfernen. 
Zweimal wurde Sierna völlig erschöpft auf dem Schiff angetroffen 
und Anous stolidus, die Tölpelseeschwalbe, hat den Namen „Döskopf“ 
von den Seeleuten zum Teil wohl erhalten, weil ihr Müdigkeit 
und Hunger oft als Dummheit ausgelegt wurde, wenn sie sich 
auf Schiffen mit der Hand fangen lies. Die langen spitzen 
Flügel scheinen wohl zu schnellen Wendungen und zum Schweben 
bei leichter Brise geeignet, aber nicht brauchbar, um bei Sturm 
die Richtung zu halten. Nicht besonders gewandt erwies sich 
Larus dominicanus, die sich auch nicht weit von der Küste 
entfernt, und im Vergleich mit den vorigen müssen Ossifraga 
gigantea, Phalacrocorax und Lestris als schwerfällig bezeichnet 
werden. Entsprechend ihrer Beweglichkeit haben sich die Meeres- 
vögel auch ihre Nahrung gewählt. Der Riesensturmvogel und 
die Raubmöve mästen sich an Cadavern oder leben vom Raube, 
der Kormoran taucht, um Küstenfische und andere Seetiere zu 
erbeuten, die Möve nimmt mit den der Oberfläche sich nähernden 
Fischen, mit Aas, dem Angespül der See und den bei Ebbe am 
Strande zurückgebliebenen Tieren vorlieb. Die Seeschwalben 
scheinen über der Oberfläche schwebend Copepoden und die ein- 
zigen Insekten des Meeres (Halobates) zu jagen, werden aber 
auch wohl andere niedere Tiere nicht verschmähen. Bei an- 
dauernd stürmischem Wetter auf hoher See müssen sie wahrschein- 
lich verhungern. Sula und Tropikvogel sind als echte Fischer, die auf 
erspähte Beute herabstossen, bekannt. Die Fregatte zieht raubvogel- 
artig in der Höhe ihre Kreise, streicht aber zuweilen auch niedrig 
über dem Wasser hin. Wie sie fischt, habe ich nicht beobachten 
können. Die Sturmvögel und Albatrosse endlich nähren sich von 
lebenden oder toten an derOberfläche treibendenTieren. Trotz ihres 
schnellen Fluges müssen sie gut Umschau halten, da wir im 
Albatrossmagen selbst von wenig auffallenden Tieren grössere 
Exemplare fanden, als wir mit unsern Netzen erbeuten konnten. 

Diese Beobachtungen über Vorkommen und Lebensweise 
der Vögel, die ich nach Aufzeichnungen in meinem Tagebuche 
mitgeteilt habe, werde ich bei der Deutschen Südpolarexpedition 
vervollständigen und erweitern, da wir auf anderen Wegen als 
bei der Tiefseeexpedition nach Süden vordringen und von dort 
zurückkehren werden. Vielleicht giebt mir auch die weitere Be- 
obachtung der Vögel zu andern Jahreszeiten Gelegenheit, meine 
Anschauungen über das Hinausfliegen der Vögel auf’s hohe Meer, 

Journ, f, Orn,. XLIX, Jahrg. Juli 1901, 22 


322 Dr. E. Vanhöffen: Deutsche Tiefseeexpedition. 


das in manchen Fällen vom Brutgeschäft beeinflusst sein kann, 
zu ändern. Jedenfalls hoffe ich nach der Rückkehr von der Süd- 
polarexpedition einen ausführlichen Beitrag zur geographischen 
Verbreitung der Meeresvögel insbesondere jener der südlichen 
Breiten liefern zu können. 


Zur Ornis des Thales der Drewenz 
(im Weichbilde der Stadt Neumark i. Wpr.). 


Von Fritz Braun. 


Mag das Wanderleben eines westpreussischen Schulamts- 
kandidaten auch manche Unannehmlichkeiten mit sich bringen, 
der Freund der heimischen Ornis wird diese gern in den Kauf 
nehmen, bringt ihm doch grade der unstäte Wandel eines 
modernen Bildungsreisenden grosse, nicht zu unterschätzende 
Vorteile. Vor anderen lernt er erkennen, dass unser Vaterland 
auch auf kleinerem Raum durchaus kein einheitliches Gebiet ist, 
dass dem Forscher in scheinbar recht ähnlichen Gegenden eine 
gar verschiedene Ornis entgegentritt — eine beherzigenswerte 
Warnung vor vorschnellem Verallgemeinern. Er begreift, wie 
wenig damit gesagt ist, eine Vogelart kommt bis hier und dahin 
vor, er sieht ein, dass die einzelnen Arten inmitten ihres Gebietes 
hier diehter, dort dünner siedeln und grossen Landstrecken in- 
mitten ihrer Verbreitungszone sogar völlig fehlen, ohne dass man 
für ihr Verschwinden sogleich einen nahe liegenden Grund an- 
führen könnte: Die Feststellung der verschiedenen Siedelungs- 
dichte einer und derselben Art wird für die genaue Schilderung 
ihrer Lebensweise, für die Aufklärung der geheimen Zusammen- 
hänge zwischen dem Leben grade dieses Vogels mit der Boden- 
form, der Vegetation und der Wirtschaftsgeographie oft viel, viel 
wichtiger sein, als die zufällige Notierung eines vorschnellen 
Pioniers, der über das Reich seiner Artgenossen hinausstrebte. 

Wie angenehm wäre es für uns, wenn wir z. B. für Frin- 
gilla serinus eine Karte seiner Siedelungen und seiner Siedelungs- 
dichte besässen. Damit wäre für die kausale Erklärung seiner 
Nordwanderung wohl die wichtigste Vorarbeit geleistet. 

Durch solche Arbeiten kann wegen der Gründlichkeit, die 
sie verlangen, auch nicht so leicht gesündigt werden, wie bei der 
isolierten Angabe eines neuen Nistplatzes. In einem der letzten 
Jahrgänge der „gefiederten Welt‘ las ich zu meinem Schrecken 


Zur Ornis des Thales der Drewenz. 323 


die Notiz, dass der Karmingimpel (Loxia erythrina) bei Zoppot 
ein häufiger Brutvogel sei, wovon bei uns in Westpreussen kein 
Mensch etwas weiss. Sicher ein Fall, wo ein fremder Badegast 
erfuhr, dass dort irgendwann einmal brütende Karmingimpel 
gefunden seien und nun schlankweg darauflos dekretierte: „Bei 
‚Zoppot brütet Loxia erythrina.“ Der Deutsche im Reich, der 
dann das Zeug liest, glaubt daraufhin wohl, bei uns dürfe man 
nur in den Wald gehen, um dem Flötensange dieses nordischen 
Gimpels zu lauschen. — 

Im Folgenden wollen wir uns mit dem Thale der Drewenz 
beschäftigen, dem Thale des südlichsten Nebenflusses, der auf 
preussischer Erde der mächtigen Weichsel von rechts her zuströmt. 

In diesem Thale liegt auch die Schulstadt Neumark, der 
Sitz des preussischen Landratamts Löbau. Dieser Ort ist eine 
charakteristische Passstadt. Wollte man das Thal der Drewenz 
überschreiten, so bietet sich hier die letzte Gelegenheit, denn nord- 
wärts treten die Hänge der Randberge weiter auseinander und 
schauen auf breite, sumpfige Wiesen herab, die dem Wanderer 
zur Zeit des Hochwassers und der Schneeschmelze unüberwind- 
liche Hindernisse bereiten, und südwärts treffen wir tief- 
gründiges Moor. 

Durch Wiesen und Felder, Torfbrüche und Hopfenplantagen 
und Kartoffeläcker strömt die Drewenz mit schmalem, tiefem, 
strudelreichem Wasserlauf, von dem sich nur hier und da schmale 
Altwasser abzweigen, in denen geiler Schachtelhalm, selten speer- 
schäftiges Rohr emporstrebt. Je nach dem Gange der Serpen- 
tinen ist das Ufer abwechselnd steil und flach, die Steilhänge 
selten höher als vier bis fünf Fuss, der gelbe Strand nur selten 
breiter als einen knappen Meter. Die Breite des ganzen Erosions- 
thales, das der Fluss sich im Laufe der Jahrtausende schuf, 
beträgt durchschnittlich 1100 m., Wege und Siedelungen folgen 
zumeist rechts und links dem Hange der Randberge. 

Ursprünglich bedeckte diese Höhen rauschender Wald. Aber 
Schlag um Schlag fielen die Forsten der Axt zum Opfer. Wald 
ist Geld und unausgegebenes Geld lässt den Enkel der Schlach- 
zizen nicht schlafen. Jetzt sind die Höhen von Kaluga bis 
Brattian kahl und öde. In den Schluchten kümmern zwar noch 
hier und da kleine Bestände, aber nur die königliche Forst 
Kosten sendet ihre Vorposten bis an das Ufer der Drewenz 


herab. 
22# 


324 Fritz Braun: 


Sogar die wenigen Bäume, die z. B. nördlich von Neumark 
die Drewenz begleiten, dünnzweigige, sperrig belaubte Weiden 
und Pappeln, sind nicht grade geeignet, gefiederte Bewohner 
anzulocken. Zu alle dem sind auch die weidenbestandenen 
Ufergelände, die bei grösseren Flüssen, z. B. der Weichsel, eine 
Fülle insektenfressender Vögel beherbergen, an der Drewenz 
nur Selten und klein. 

Der durch Vernichtung der Wälder bewirkte Holzmangel 
zwang den Bauern, auch die Einzelbäume und das Gesträuch 
arg mitzunehmen, um Herdholz und Heizmaterial zu gewinnen. 
So sehen wir denn an den Hütten der käthner oft Berge von 
Kiefern und Weidengeäst aufgeschichtet, trägt fast jeder Baum 
Spuren der unbarmherzigen Axt, die den misshandelten Bäumen 
Zweig um Zweig geräubt, selbstverschuldeter Not gehorchend. 

Dieser kargen, sonnenhellen Landschaft, reich an Sand und 
Moor, arm an Fruchtbarkeit, Behagen und schattendem Baumwuchs 
entspricht auch die Ornis. Jedoch müssen wir zugeben, dass diese 
trotz der Einförmigkeit der Boden- und Vegetationsform eine 
überaus reiche ist, dass der landfremde Ankömmling fast tagtäglich 
durch eine neue Beobachtung angenehm enttäuscht wird, damit seine 
Erwartungen steigert und sich in ihnen selten getäuscht findet. 

Wandern wir auf sandigem Pfade längs der Höhe dahin, 
so finden wir rechts und links die Vögel der Kultursteppe, der 
Kultursteppe in ihrer sandigen, unfruchtbaren Form. 

Auffallend war es mir, dass die verschiedenen Ammer- 
arten, die weiter im Norden, in den Werdern der Weichsel 
und ihren Grenzgebieten sich gegenseitig zu verdrängen scheinen, 
hier friedlich mit- und nebeneinander hausen. Bei Kaluga 
erschallten mir aus dem geräumigen Wipfel einer und derselben 
Kopfweide die Lieder von Emberiza miliaria, E. citrinella und 
hortulana entgegen und cifrinella und miliarıa fand ich recht 
häufig beisammen. 

Bei weitem am meisten findet man E. miliaria. Sie ist 
der Charaktervogel des Thales. Auf jeder dritten Weide, auf 
jeder boczemecka, wie der Pole die Bildstöckel am Kreuzweg 
nennt, spinnt sie ihren Leiersang., Nahm ich das Tesching zur 
Hand und stellte ich der unschönen Base des Goldammers mit 
den Schroten nach, so war die Beute stets reichlich genug. 
Selbst mitten im Felde, fernab von Strauch und Stein, wirkt 
sie ihr eintöniges, ermüdendes Tongewebe. 


Zur Ornis des Thales der Drewenz. 325 


Wegen ihrer erstaunlichen Häufigkeit wäre diese Ammer 
hier ganz geeignet, ein jagdbares Wild abzugeben. Bei ihrer 
verhältnismässigen Grösse lohnt sie schon den Schrotschuss der 
leichten Büchse. Eine Ausrottung der Art wäre kaum zu be- 
fürchten, dagegen nur wünschenswert, dass in die durch Pulver 
und Blei geschaffenen Lücken ihres Bestandes die schönfarbige 
Goldammer, der hellstimmige Ortolan einrücken. 

Sitzen die Grauammern hoch oben in den Weidenkronen, 
so erkennt man sie — ganz abgesehen von der Färbung und 
dem schrillen, unverkennbaren Getön — schon an der balan- 
zierenden Haltung des Körpers, die den Schwanz selten zur 
Ruhe kommen lässt. Ihre unmässig grossen Füsse sind nicht mehr 
recht geeignet, dem unförmlichen Vogel auf dem schwankenden 
Weidenästchen einen sicheren Sitz zu bereiten. 

Nicht viel minder zahlreich als E. miliaria ist E. citrinella, 
die hier wie anderswo sich von allen Ammern noch am ehesten 
in das Waldleben findet. Ich fand sie mitten im Kosener Walde, 
sofern nur eine mässig grosse Lichtung den Ausflug ins Feld 
ermöglichte, und hörte sie mitten im Buchenwalde, 80—100 m. 
vom Lichten entfernt, ihren Singsang leiern. 

Emberiza hortulana findet man am ehesten an der Weissen- 
burg-Neumark-Strasburger Chaussee; auch sie ist hier viel häufiger 
als in der Danziger Gegend. 

Neben den Ammern treiben die Lerchen ihr Wesen. Alau- 
da ceristata stolziert selbst auf dem Schulhofe einher, um dicht 
an der Thür nach einem verlorenen Brocken zu picken. Trotz 
ihrer grossen Zahl sind die Reviere von Alauda arvensis auch 
hier genau bestimmt, wie ich an einigen zerstreut siedelnden 
Bodensängern feststellen konnte, die ich immer wieder an den- 
selben Punkten fand. 

Von Finkenarten findet man in der Nähe des Städtchens 
Neumark, das mit seinen Gärten und Alleen ein Gebiet für sich 
bildet, zumeist den Grünfinken (Fringilla chloris), der auf engem 
Raum in Dutzenden von Paaren siedelt und uns überall mit 
seinem Leiersange verfolgt. Bei dem stürmischen Wetter einiger 
Maitage hörten wir nur das ewig wiederholte „Schwunsch‘“ ; offenbar 
macht dieser Ruf dem Sänger dann weniger Mühe als die längeren, 
klirrenden Strophen. Bei solcher Siedelungsdichte der Grün- 
finken muss selbst die minnigliche Streitlust zurücktreten, teilen 
drei, vier Männchen mitunter friedlich denselben Sitz, 


326 Fritz Braun: 


Häufig genug ist an dem gleichen Ort auch der Stieglitz 
(Fringilla carduelis), den man oftmals von einem freien Zweig 
der halbwüchsigen Gartenfichten, die der Grünfink fast ängstlich 
meidet, seine kecke Weise zwitschern hört. Der Stieglitz ist der 
schönste Schmuckvogel der Neumärker Gärten; der Hänfling 
(Fringilla cannabina) streicht dagegen mehr in den Feldern 
umher. Noch in der zweiten Maiwoche sah ich die schmucken 
Vögel, Männchen und Weibchen in Flügen miteinander, ohne 
Hader und Zank, gesellig das Land durchstreifen. Fbenso ver- 
hielt sich auch der Stieglitz; noch am 16. Mai sah ich ihn in 
Flügen von 4 bis 6 Köpfen, also noch nicht in paarweiser Ab- 
sonderung. 

Eine besondere Vorliebe hat der Hänfling für die Holzlager 
der grossen Schneidemühlen, wo fast immer einige Hänflinge auf 
den ragenden Holzstapeln ihre flötenden Strophen singen, trotz- 
dem kein grüner Baum zwischen den leuchtenden Dielen wächst. 

Der Buchfink (Fringilla coelebs) ist in dem baumarmen 
Lande verhältnismässig selten und arm an Stimme, gänzlich 
fehlen Zeisig (FPringilla spinus) und Girlitz (FPringilla serinus), 
der Charaktervogel der Gärten im Norden Danzigs. Für den 
Girlitz ist hier in der kahlen Kultursteppe kein Platz und die, 
zumeist noch dazu recht jungen Gärten des Städtchens Neumark 
sind doch eine gar zu bescheidene Oase in der baumlosen Wüste, 
um von fernher heikle Ansiedler anzulocken. So wird wohl noch 
manches Jahr vergehen, ehe sich hier der schwirrende Sang des 
Girlitz in die Strophen der Grünlinge mischt. 

Vielleicht wird ein weiteres Anwachsen der Linden an 
unsern neuen Chausseen die Verbreitung der Girlitze befördern; 
in der Danziger Gegend hat der gelbgrüne Fink eine entschiedene 
Vorliebe für die Nachbarschaft alter, breitkroniger Linden und 
ähnlicher Laubbäume, denen zu Liebe er sogar ..auf die Nähe des 
Waldrandes verzichtet. 


Auffällig ist im Drewenzthal das Fehlen von Star (Sturnus 
vulgaris) und Elster (Corvus pica). Die einheimischen wollen 


zwar des Fehlen des Stars bestreiten; da ich aber auf meinen 
tagtäglichen Wanderungen auch keinen einzigen Starmatz erschaute, 
der doch sonst nicht grade zu den schwer zu erspähenden Ge- 
schöpfen zählt, blieb der Mangel immerhin auffällig genug, zumal 
wenn man aus den Starendorado der Werder kommt. Beiläufig: 
Wenn Friderich den Pirolpfiff ein Besitztum der Waldstare nennt, 


Zur Ornis des Thales der Drewenz. 827 


so irrt er; zu heuriger Osterzeit begleitete mich in dem wald- 
armen Danziger Werder der Pirolpfiff der Starmätze von Dorf 
zu Dorf. 

Das Handwerk des Stars scheint hier ausschliesslich die 
Nebelkrähe (Corvus cornix) zu üben, die mir durch ihr zutrau- 
liches Wesen anfangs besonders auffiel.e. Lange Zeit lebte ich 
des Glaubens, auf dem Gute Weidenau gäbe es zahme Krähen. 
Bisher kannte ich nur das verschüchterte Krähenvolk in dem 
Weichbild der Grossstädte, die in dem Menschen den Mörder 
fürchten, und diese Neumärker Kinder liessen mich getrost bis 
auf zwei, drei Schritt herankommen. Später erst wurde ich 
darüber belehrt, dass ich im Irrtum befangen eine Erscheinung 
als Ausnahme ansah, die hier die Regel bildet. Trotzdem sah . 
ich die Nebelkrähen hier niemals zu so grossen Nistgesellschaften 
vereinigt wie weiter nordwärts, an dem Hange der pommerelli- 
schen Höhen. 

Weil Dohle (Corvus monedula) und Elster fehlen und die 
Saatkrähe (Corvus frugilegus) sich höchstens auf dem Strich und 
der Wanderung erspähen lässt, so ist Corvus cornixz die einzige 
Vertreterin der Rabenvögel. 

Dem Star ist das Drewenzthal wahrscheinlich zu baumarm 
und der Abhang der Randberge zu dürr. Zudem hat das treffliche 
Vorbild des seligen Lenz, die Starmätze durch Nistkästen anzulocken, 
bei den Neumärker Bürgern noch wenig Nachahmung gefunden. 

Neben dem Hänfling treibt sich auf den Holzfeldern das 
Blaukehlchen (Zusciola eyanecula) umher. Der schönbrüstige Vogel 
scheint in unserem Gau recht innig an den Werken und dem 
Besitz des Menschen zu hängen. Im Danziger Werder findet 
man ihn viel seltener draussen in der Feldmark, in dem Weiden- 
gesträuch der Grabenränder, als in der Nähe der Wirtschaftsge- 
bäude, zumal der Strohstaken, die durch Umfang und Höhe von 
dem Segen der Fruchtfelder Zeugnis geben. 

Sein Verwandter, das Rotkehlchen (Lusciola rubecula) be- 
wohnt nicht grade häufig das Unterholz der Neumärker Gärten, 
nachbarlich gesellt dem hellstimmigen Spötter (Sylvia hypolais), 
der Zaun- (Sylvia curruca) und Dorngrasmücke (Sylvia cinerea). 
Auch das Schwarzplättchen (Sylvia atricapilla) fand ich auf dem 
evangelischen Friedhof des Städtchens, dagegen nur äusserst 
selten die graue Gartengrasmücke (Sylvia hortensis), was auch 
wohl auf die Holzarmut der Gegend zurückgeführt werden muss. 


328 Fritz Braun: 


Sie alle findet man zumeist nur in Neumark selbst und in den 
Gärten der grössten Güter. 

Nur die Dorngrasmücke trifft man auch in den zerstreuten 
Weidenbüschen der Drewenzniederung. Geht’s gut, so kann man 
sie fünf, ja zehn Minuten lang auf ein bis zwei Meter Entfernung 
betrachten. Anstatt vor dem Beobachter zu fliehen, spielt der 
Vogel hier mit ihm Versteck und bleibt still und starr im 
Gezweige sitzen. Oftmals ist es allerdings selbst in der gering- 
sten Entfernung schwer, ihn zu entdecken, denn sein braungraues 
Kleid trägt Schutzfarben, die mit der Umgebung wunderbar 
übereinstimmen. 

Über und zwischen diesen Laubbewohnern streifen die 
Meisen durchs Gezweig, vor allem Parus maior und Parus palus- 
iris in etwa gleicher Zahl. Von letzterer besucht ein Pärchen 
wohl tagtäglich den Schulgarten. Ich erkenne die beiden daran, 
dass dem schlanken Weibchen ein dicker, plustriger Gatte gesellt 
ist; vielleicht bedingt eine chronische Krankheit die plumpe 
Haltung des sonst so munteren Geschöpfs. Die beiden unzer- 
trennlichen nisten wahrscheinlich auf einem dem Schulgarten 
benachbarten Friedhof und treffen auf ihrem täglichen Streifzug 
fast „pünktlich zur Sekunde“ in den Baumkronen des Schulhofes 
ein. Blaumeisen (Parus coeruleus) sah ich bei Neumark so gut 
wie garnicht, so dass ich fast ihr Fehlen feststellen könnte. 

Neben den Sumpfmeisen besuchen auch Trauerfliegenfänger 
(Muscicapa atricapilla) von Zeit zu Zeit den Schulgarten. Im 
Tannengrün verborgen, konnte ich die weissbindigen Gesellen 
aus nächster Nähe beobachten. Längere Zeit gingen sie dicht 
vor meinen Augen ihrem rastlosen Gewerbe nach, bis sie mich 
schliesslich doch bemerkten und dann erschreckt von dannen 
stoben. 

Den grauen Fliegenschnäpper (Muscicapa grisola), meinen 
guten Bekannten von Danzig her, der im vorigen Jahre in 
Gr. Walddorf hinter einer Dachrinne seine junge Brut aufzog, 
bekam ich in unserem Schulgarten gleichfalls zu sehen. Zumeist 
sehe ich das Pärchen auf der Nordostecke des Gymnasiums 
sitzen, um von dort unter lebhaftem tschrie-tschrie seine typischen 
Flugbogen zu beschreiben. Hoffen wir, dass es an dem gast- 
lichen Hause auch die Wiege seiner Kinder erbaut. 

Auf den Dächern und Schornsteinen der Stadthäuser, welche 
dieselben Schwalbenarten wie anderswo umgaukeln, sieht man 


Zur Ornis des Thales der Drewenz. 829 


von Zeit zu Zeit das Hausrotschwänzchen (Lusciola titys) am 
ehesten noch in der Nachbarschaft der geräumigen katholischen 
Kirche. Seinem schönen Verwandten, dem Gartenrotschwänzchen 
(Lusciola phoenicurus) begegnete ich am Weidenauer Gutsgarten. 

Die weiten Wiesen zu beiden Seiten der Drewenz beherrschen 
Wiesenpieper (Anthus pratensis), braunkehlige Wiesenschmätzer 
(Pratincola rubetra) und Bachstelzen, die das Krautdickicht der 
Altwasser schwanzwiegend absuchen. Neben Motacılla alba 
findet sich auch Motacilla flava. 

Die Wiesenschmätzer sind hier recht scheu und deshalb 
schwer genau zu beobachten. In Folge ihres freien Sitzes sehen 
sie den Wanderer schon von weitem ankommen und fliegen stets 
ab, wenn der neugierige Störenfried noch etwa 25—30 Schritt 
entfernt ist, sodass man selbst mit dem Opernglase wenig intime 
Momente aus ihrem Leben belauschen kann. An manchen 
Nachmittagen bin ich ihnen wohl eine kleine Weile über die Felder 
nachgelaufen; immer wieder strich ich in denselben Zickzacklinien 
durch ihr geräumiges Revier und immer wieder erlebte ich 
denselben Misserfolg. 

An dem Standort eines Pärchens von Motacilla flava wurde 
ich wiederholt Zeuge eines absonderlichen Vorgangs. Von ferne, 
jenseits der Häuser Neumarks, die allerdings nicht grade ein 
Meer bilden, erschien leichten Fluges eine männliche Kuhstelze, 
stürzte sich auf den harmlosen Artgenossen, der beschaulich im 
Kraute einhertrippelte, und flog mit ihm zankend und beissend 
empor, um dann eben wieder so schnurstracks, wie sie gekommen, 
in der blauen Ferne zu verschwinden. Ankunft, Kampf und Abzug 
machten einen eigentümlichen Eindruck, als läge dem Thun des 
fremden Ankömmlings ein strategischer Plan zu Grunde. 

In den Weiden am Flusse nistet der edelste Gast dieser 
Fluren, der Sprosser (Lusciola philomela), der im heurigen Mai 
wegen der kalten Witterung seinen Gesang leider recht lange 
unterbrechen musste, und neben ihm erblickt man bisweilen auch 
einen Neuntöter (Lanius collurio); Lamius senator fehlt dagegen. 

Eher noch erblickte ich den Neuntöter in den Gesträuchen, 
die an den verfallenen Mauern des alten Klosters Lonk empor- 
wachsen. Wie die Dorngrasmücke zeigte auch der Dorndreher 
eine grosse Abneigung dagegen, vor dem Beobachter auf die 
baumlose Kultursteppe zu flüchten, sondern bemühte sich, in den 
wenig geräumigen Sträuchern die nötige Deckung zu finden. 


330 ritz Braun; 


liinzelne der Sprosser, die an der Drewenz stehen, bringen 
die Ihilipp-Philipp-Rufe recht schön zum Vortrag, beeinträchtigen 
aber den schönen lindruck der markigen Töne gar sehr durch 
unschöne, ich möchte fast sagen, zerknitterte Strophen, die an 
Klangwirkung noch hinter dem Wettern einer Sumpfmeise zu- 
rückstehen. 

In «diesem Frühling hat der Sprosser hier böse Tage und 
Nächte durchgemacht (am 11. Mai hatten wir Nachts 3 Zoll 
Schnee). Am unangenehmsten schienen ihm klare Nächte mit 
Ostwind zu sein, wo in Kolge der bedeutenden Wärmeabgabe 
(durch Strahlung die Temperatur bis auf ea. 3% Kälte herabeing. 
In solchen Nächten schwieg der Sprosser völlig, während ihn 
gewöhnlicher, gleiehmässiger Landregen bei 4°— 5% Wärme kaum 
im Gesange hinderte. 

Mit dem gelben Spötter und den Grasmücken verhielt es sich 
grade umgekehrt. Bei --1—2° Lufttemperatur, ruhiger Luft 
und hellem Sonnenschein sass der gelbe Spötter unseres Schul- 
gartens noch immer lustig auf einem sonnigen Zweige und knüpfte 
Strophe an Strophe, während kaum fühlbarer Regen ihn sofort 
verstummen machte, und den Grasmücken erging es ganz ähnlich, 

An sonnenhellen Maitagen mit kalter Lufttemperatur ver- 
liess die Grasmücken und Spötter sogleich ihre Lebenslust, wenn 
(die Sonne sich zum Untergang neigte und ihre schrägen Strahlen 
(die wärmende Kraft einbüssten. Alsdann sah man stets die eben 
noch so fröhlichen Sänger durch’s Gesträuch hüpfen. 

Von Wasservögeln sieht man am ehesten noch ein Paar 
linten (Annas boschas), denn die Altwasser sind nicht geräumig 
gsonug, um viele Gäste zu beherbergen. Den Strandläufern und 
anderen mehr fehlt der gelbe, breite, sandige Flussstrand, während 
den Möwen der Fluss zu schmal, die Flut zu trübe, strudel- 
reich und verwirrt sein dürfte. Selbst die Rohrdrossel (Acroce- 
phalus arundinaceus) findet in den Altwassern noch kein gast- 
liches Heim; nur einen einzigen Teichsänger (Acrocephalus 
saltearius) sah ich im Norden der Stadt. Da ich jedoch seine 
klappernden Lieder schon seit mehreren Tagen nicht mehr gehört 
habe, muss ich annehmen, dass auch ihm unser Städtehen nicht 
behast hat und er anderswo zwecks Verheiratung seine Lieder 
schirkt. 

Das Getön der Rohrammer (Eimberiea schoenielus) schallte 
mir an demselben Ort recht oft entgegen. Weil das Rohr hier 


Zur Ornis dos Thalos dor Drowenz. 351 


nur sehr spärlich ist, wurde der schöne Vogel zum Bewohner 
der Weidengebüsche, von deren Zweigen er sein Liebeslied stammelt, 

An seiner Sommerresidenz steht in nächster Nähe der Stadt 
auch ein Pärchen Gallinula chloropus. Das sumpfige Altwasser 
der Drewenz, auf dem die anmutigen "Teiehhühner siedeln, ist 
nur recht klein. Trotzdem streichen sie bei drohender Gelahr 
nicht ab, sondern bergen sich in den dichten Pllanzen des Sumples, 
ohne sich durch Würfe mit Iördschollen aus ihrem Versteck 
auftreiben zu lassen. 

Die Ansiedelung der Rohrvögel wird noch dadurch erschwert, 
dass die Käthner das schwankende Rohr, wo immer es sich ein- 
fand, emsiglich schneiden, um mit den langen Schäften Stall und 
Scheuer zu decken. Daher starren den Ankömmlingen im Lenz 
nur die kurzen Stoppeln entgegen und die brütelustigen müssen 
weiter wandern, gastlichere Stätten zu suchen, 

Sogar der Storch ist bei Neumark nicht übermässig häufig, 
Sein Nest schmückt allerdings als weithin sichtbares Wahrzeichen 
einen zerbröckelten Wartturm der Stadtmauer, aber auch «dieses 
Nest steht leer, und wenn der biedere Wächter der Nacht die 
l"euerglocke zieht, scheuchen ihre gefürchteten Töne kein Dtorchen- 
kind aus dem süssen Schlummer, 

Besser als für das Rohrgevögel eignen sich die Uler der 
Drewenz, die bald steil abfallen, bald sanft gewölbt sind, am 
denen immer wieder und wieder Weidengebüsch mit weitüber- 
hängenden Zweigen haftet, für  Alcedo xspida, den Niegenden 
Iidelstein unseres Vaterlandes. Kinmal sah ich ihn pfeilschnell 
über das Feld fliegen und wurde von meinem Begleiter hastig, 
auf „den Vogel ohne Schwanz mit dem dieken Bauch“ aufmerk- 
sam gemacht. Im allgemeinen verlässt er jedoch nieht ohne Not 
sein feuchtes Brutrevier, 

in erfreulicher Anblick ist für den ostdeutschen Ornitho- 
logen der schopftragende Wiedehopf (Upupa epops), den man bei 
uns in der Danziger Gegend nur recht selten zu sehen bekommt, 
Hier stolzierte er keck auf dem Lawn-tennis-Platz des Schul- 
eartens umher, Allerdings erwies sich diese Vertraulichkeit des 
Wiesenhüppers als wenig praktisch, denn ein Schrotschuss aus 
der Flinte des Direktors machte seinem anrlchieen Dasein ein 
schnelles Ende — jetzt ziert er die Sammlung der Schule. 
Auch in der Umgegend des Städtchens begegnete ich dem weiss- 
gefleckten Kukuksküster zu wiederholten Malen. 


332 Fritz Braun: 


Es giebt in Westpreussen wohl kaum einen zweiten Schul- 
garten, der von so zahlreichen und so verschiedenen Vogelarten 
besucht wird, wie der Schulgarten in Neumark. Auf den Bäumen 
der südlichen Allee, die auf weite Felder hinausschaut, leiert 
die Grauammer, spinnt der Hämmerling seinen Singsang. Auf 
dem sandigen Lawn-tennis-Platz schreiten neben der Haubenlerche 
schmucke Bachstelzen einher, zu denen sich bis vor kurzem wohl 
gar der schmucke Wiedehopf gesellte.. Wenige Schritte davon 
trillert der Grünfink, schlägt der Fdelfink, lockt der Stieglitz 
mit. metallischem Ruf. Dicht daneben schlüpft das Rotkehlchen 
schwanzwippend durch das dunkle Gezweig der übermannshohen 
Fichten, die den Zaun beschatten. Im Geäst der Büsche und 
Bäume singen Zaun- und Dorngrasmücken und der Spötter, der 
Töne reichster, während Sumpf- und Kohlmeisen emsiglich jedes 
Ästchen und jedes Astloch nach ihren mikroskopisch kleinen 
Nahrungsteilchen absuchen. Ihre feinen Stimmchen werden aller- 
dings gar leicht von den blöden Spatzen überschrieen, die hier 
wie anderswo das letzte Wort behalten. 

Die groben Schreier geniessen im Schulgarten Bürgerrecht, 
weil man seitens des Lehrerkollegiums ihre Verdienste im Ver- 
tilgen der Maikäfer, die hier bisweilen zur überaus lästigen Land- 
plage werden, gebührlich, vielleicht über Gebühr preist. Jeden- 
falls scheinen die Spatzen hier der Ansiedlung anderer Vögel 
nur wenig zu schaden, da sie sich in dem geräumigen Hof- und 
Gartenraum auf wenige Lieblingsplätze in der Nähe der Gebäude 
beschränken und den übrigen Platz dem anderen Gefieder kampf- 
los überlassen. 

Im Herzen des Ornithologen regt sich beim Anblick dieses 
prächtigen Schulgartens der stille Wunsch, alle Anstalten möchten 
es so gut haben, dann würde der Nachwuchs unserer Zunft auch 
vielleicht nicht gar so spärlich sein. 

Durch regelmässige Beiträge aus kargem Taschengeld sind 
die Schüler am Gedeihen der Anlagen interessiert, direktoriale 
Verfehmungen etwaiger Nestzerstörer thun ein weiteres, und so 
leben denn hier die zerstörungslustigen Menschenkinder und die 
schutzbedürftige Brut der Vögel einträchtlich nebeneinander, wie 
es sein kann und sein soll. 

Der Wald von Kosten, der östlich von Brattian ins Drewenz- 
thal hinabsteist, ist an Vögeln nicht arm. Im Unterholz nistet 
überall das Rotkehlchen (Lusciola rubecula) und aus den Baum- 


Zur Ornis des Thales der Drewenz. 333 


kronen tönt uns das wohlbekannte Zilp-Zalp des Weidenlaubvogels 
(Ficedula acredula) entgegen. Neben dem Finken (Fringilla 
eoelebs) hüpft -geräuschlos der Fitis- und Schwirrlaubvogel (Frce- 
dula trochilus und F. sibilatrix) durchs hohe Buchenstangenholz 
und kreischend fliegt der Eichelhäher (Garrulus glandarius) vor 
uns auf. In sonniger Lichtung singen die Grasmücken und auch 
die verhallenden Töne des Baumpiepers (Anthus arboreus) dringen 
an unser empfängliches Ohr. Die Drosselarten sind dieselben 
wie sonst in der Provinz, über Zurdus piaris vermochte ich 
wenig in Erfahrung zu bringen. Die Förster behaupteten, sie 
niste in diesen Wäldern nie, doch pflege ich, durch Schaden ge- 
witzigt, auf solche Aussagen nur wenig zu geben. An engbe- 
buschtem Örtchen fehlt auch der Zaunkönig (Troglodytes parvulus) 
nicht. Einer der kleinen Schelme musste an einem Hohlweg, 
wo lockerer Sand unter der überhängenden Rasendecke fortge- 
glitten war, über schier metertiefe Schlupfwinkel verfügen, denn 
selbst der tastende Stock vermochte ihn nicht aus seiner Festung 
zu verscheuchen. 

Von Raubzeug sollen Sperber (Astur nisus) hier häufiger 
sein als in der Nachbarschaft, wenigstens versicherte mir der 
Förster in Kaszek, dass er allsommerlich mehrere dieser Räuber 
erlest. Im allgemeinen sind aber meine Erfahrungen und Kennt- 
nisse des hiesigen Raubzeuges so lückenhaft geblieben, dass ich 
mit denselben besser nicht aufwarte. 

Damit wäre die hiesige Ornis in grossen Zügen geschildert, 
wie sie das Drewenzthal um Neumark herum, von Brattian bis 
Kaluga, besiedelt. Vergleichen wir diese Ornis mit der des 
Danziger Weichbildes, so fällt uns besonders auf. 

1. Das Fehlen von Fringilla serinus. 

2. Das fast gänzliche Fehlen von a) Sturnus vulgaris, 

b) Corvus pica. 

3. Das verhältnismässig häufige Vorkommen von 
Upupa epops. 

4. Die ungemein grosse Häufigkeit von Emberiza 
miliaria und ihr vertrautes Zusammenleben mit 
den andern Ammerarten. 

Das sind verhältnismässig bescheidene Resultate. Wenn 
man aber bedenkt, dass manche Meile durchwandert wurde, und 
manche Stunde auf den feuchten Wiesen mir eintönig dahinschlich, 
ehe sich ein mildherziger Vogel des Beobachters erbarmte, dann 


3354 Fritz Braun: Zur Ornis des Thales der Drewenz. 


wird man dieses bescheidene Resultat vielleicht nicht ganz ver- 
achten. Wenn aus dem mit Ornithologen reicher gesegneten 
Westen nur gediegenes Gold Gnade findet vor dem Auge des 
Lesers, sollte man aus unserm armen Osten auch das grün- 
spanige Kupfer nicht verachten. 

Neumark, 22. V. 1900. 


Eine weissliche Farbenvarietät der Märzente, 
Anas boschas L. 
Von ©. Wüstnei. 
(Mit Abbildung). 

Spielarten und Farbenvarietäten der wilden Enten im all- 
gemeinen, sowie der Märzente im Besonderen, gehören bekannt- 
lich zu den grössten Seltenheiten, sodass selbst Naumann kaum 
etwas von solchen Abarten zu berichten weiss, er sagt, dass man, 
abgesehen von den mit Hausenten gekreuzten Bastarden, unter 
vielen Hunderten noch nicht eine mit einer ungewöhnlich 
gefärbten Feder findet. Er spricht dann von einem auf weissem 
Grunde isabellfarbig gefleckten Weibchen, welches er selbst 
besass und von einer schwärzlichen Varietät eines Männchens 
im Hochzeitskleide, welches im Brandenburgischen geschossen 
sein soll und in Frisch’s Vögel als Anas boschas nigra auf 
Tafel 193 abgebildet wurde. Das ist Alles, was Naumann weiss, 
und auch mir war bisher anderweit von derartigen Spielarten 
nichts bekannt geworden, ebenso wie mir seit vielen Jahren 
unter den auf den Mecklenburgischen Seen beobachteten und 
erlegt gesehenen Wildenten niemals eine auffallende Erscheinung 
vorgekommen war, bis im Herbst vorigen Jahres eine helle Varie- 
tät einer männlichen Märzente in hiesiger Umgegend beobachtet 
wurde, welche mit einer grösseren Schar anderer Märzenten 
überwinterte und hier von mir recht oft gesehen wurde. Dieser 
Vogel wurde dann in den letzten Tagen des Februar 1901 auf 
lem südlichen Teil des Schweriner Sees erlegt, gelangte in den 
Besitz des Präparator Knuth, welcher ihn ausstopfte. 

Diese Varietät lässt nicht etwa den Gedanken an eine 
Verbastardierung mit einer weissen Hausente aufkommen, die 
schlanke Gestalt, der ganze Habitus, die Grössenverhältnisse aller 
Teile, ebenso das ganze scheue Wesen sprechen unzweifelhaft für 
eine reine Wildente. Wie gewöhnlich versammelten sich auch im 


Farbenvarietät der Märzente. 335 


Herbst v. J. auf den Gewässern des hiesigen Schlossgartens eine 
Anzahl Märzenten, welche hier überwintern und, wenn alles zu- 
gefroren war, sich auf den benachbarten Burgsee begahen, welcher 
durch den starken Strom eines hindurch fliessenden Kanals stets 
einige offene Stellen behält. Auf diesem See versammelten sich 
dann im Januar und Februar Gesellschaften von Märzenten bis 
zu 100 Stück und zwar in der Mehrzahl Männchen, unter welchen 
sich auch die helle Varietät befand und als solche sofort auffiel. 
Zu diesen Scharen gesellten sich auch einige Reiherenten, Anas 
fuligula, grosse und kleine Säger, Mergus merganser und albellus, 
sowie eine sehr grosse Anzahl schwarzer Wasserhühner, Fulica 
atra. Als nun bei der lange andauernden Kälte diesem grossen 
Vogelschwarm die Nahrung knapp wurde, liessen sich zuerst die 
Wasserhühner herbei, die ihnen von einer lebhaft begangenen 
Brücke aus zugeworfene Nahrung anzunehmen, legten schliesslich 
alle Scheu ab, sodass immer eine Schar von 60 bis 70 dieser 
Vögel bei dieser Brücke versammelt war, welche die Passanten 
anbettelten und das ihnen gespendete Futter unter Zanken und 
 Beissen wegschnappten. Sie erreichten hiedurch eine ausreichende 
Durchfütterung, bis das schwindende Eis ihnen anderweiten Er- 
werb gestattete.e Zu diesen Wasserhühnern an der Brücke 
gesellten sich auch stets etwa ein Dutzend Märzenten, die sich 
aus der grösseren Schar absonderten und ebenfalls das zu- 
geworfene Futter annahmen, auch sie mischten sich in den 
grossen, plätschernden Haufen, der um das hineingeworfene 
Futter sich balgenden und beissenden Wasserhühner und legten 
ebenfalls alle Scheu ab. Ich habe aber nicht gesehen, dass die 
helle Spielart, die sich abseits in dem grösseren Haufen befand, 
sich bis zu dieser Brücke, wie ihre Artgenossen, vorgewagt hätte. 

Bei dieser Spielart fällt zunächst das Weiss des Rumpfes 
auf, sodass man aus der Ferne gesehen auf den ersten Blick an 
einen Bastard mit der Brandente Tadorna cornuta denken möchte, 
doch schwindet dieser Gedanke bei näherer Besichtigung sofort, 
da sich die bei der Märzente bekannten Schattierungen ziemlich 
genau wiederholen. Das kastanienbraune Kropfschild ist etwas 
heller als gewöhnlich, ist vielleicht auch etwas kleiner, der übrige 
Unterkörper bis auf die schwarzen Unterschwanzdeckfedern bei- 
nahe reinweiss, die bekannte Zeichnung der zarten Wellenlinien 
ist nur angedeutet, auch nur bei näherer Besichtigung bemerkbar. 
Der Oberkörper ist ebenfalls sehr hell, der Oberrücken und eine 


3356 C. Wüstnei: Farbenvarietät der Märzente. 


Mittellinie bis zum Bürzel rötlich grau, die kleinen Flügeldeck- 
federn bis zum Spiegel ebenso, doch sehr hell, auch die grossen 
Schwungfedern sind hellrötlichgrau mit weisslichen Kanten. Die 
kleineren hinteren Schwungfedern und Schulterfedern sind weiss, 
am Spiegel schwarz und rostrot gesäumt, dieser Saum mit Wellen- 
zeichnung, die hier deutlicher hervortritt als auf der Unterseite. 
Bürzel und Oberschwanzdeckfedern sind schwarzbraun oder schwärz- 
lich. Interessant ist die Art und Weise, wie sich die Neigung 
zum Albinismus auf die mit Metailschimmer versehenen Teile 
seäussert hat. Der sonst grünschillernde Kopf hat eine düster- 
braune dunkle Farbe erhalten, welche nur wenig Glanz zeigt, 
ein grünlicher Schiller ist nicht vorhanden. Die beiden aufge- 
rollten mittleren Schwanzfedernpaare haben eine ähnliche, beinahe 
russschwarze Färbung ohne Glanz. Das sonst stahlblaue Spiegel- 
feld hat ebenfalls eine sehr dunkle braune Färbung mit einem 
leichten Schiller, der aber nicht ins Blaue, sondern ins Oliven- 
grüne spielt, wenn man überhaupt hier von einem Farbentone 
sprechen kann, denn in einiger Entfernung sieht das Spiegelfeld 
fast ganz schwarz aus. Im übrigen ist die Einfassung des Spiegels 
wie gewöhnlich schwarz und weiss, auch nach oben zu ist eine 
schwarze Einfassung vorhanden. Hiernach ist bemerkenswert, 
dass die metallglänzenden Teile eine weit dunklere Färbung er- 
halten haben, als sie im gewöhnlichen Zustande besitzen, während 
im übrigen Weiss vorherrscht. Halsring und Schwanz sind weiss. 
Wenn nun auch diese Farbenzusammenstellung nicht die Schönheit 
der gewöhnlichen Färbung aufweist, so macht doch das Ganze 
einen recht angenehmen harmonischen Eindruck, wie aus der bei- 
sefügten Abbildung zu ersehen ist. 


337 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 
Von Paul Leverkühn., 


Zur Rechtfertigung für den Umfang des folgenden Nach- 
rufes möchte ich zunächst die Worte Richard Freiherrn von 
König-Warthausen’s anführen, mit denen er seinen schönen 
Nekrolog Th. v. Heuglin’s einleitet, und die auch auf Hartlaub 
passen: 

„Dem reicherfahrenen Naturforscher, dem langjährigen Mit- 
arbeiter an unserm Journal für Ornithologie gebührt mit Recht 
in diesen Blättern ein ausführlicher Lebensabriss zu ehrendem 
Andenken!).“ Sodann berufe ich mich auf das klassische Wort 
Buffon’s: Le style, c’est l’homme, für die zahlreichen Briefstellen, 
welche ich einflechte. Besser als durch Paraphrasen über ihn 
lernt man gerade Hartlaub in seinen Briefen kennen, deren viele 
zu empfangen mehr als 15 Jahre lang ich den köstlichen Vor- 
zug hatte. — 

Karl Johann Gustav Hartlaub wurde am 8. November 1814 
‘als Sohn des Senators Hartlaub und seiner Frau geb. Buch 
geboren. Sein Vater, dessen Familie aus Schweinfurt in Franken 
stammt, war „der Chef eines der ältesten und noch heute 
bestehenden bremischen Handelshauses (Joh. Lange Sohn’s Witwe 
& Cie.), der im höheren Lebensalter durch das Vertrauen seiner 
Mitbürger in den Senat berufen wurde. Neben ihm wirkte ohne 
Zweifel in anderer Weise erziehend und bildend auf die Ent- 
wickelung des jungen Hartlaub seine kluge Mutter ein, eine 
Frau, von ungewöhnlichen Geistesgaben, die noch in ihren 
späteren Lebensjahren in ihrem gastlichen Hause von Zeit zu 
Zeit einen Kreis wissenschaftlich gebildeter, künstlerisch an- 
geregter Männer und Frauen um sich versammelte?).“ Er wuchs 
in sehr günstigen Familienverhältnissen auf und widmete sich 
nach abgeschlossener Vorbildung auf der Bremer Gelehrtenschule 
von 1831 an dem Studium der Medizin und Naturwissenschaften 
auf den Universitäten Bonn, Berlin und Göttingen. In diese, an 
Anregungen und Eindrücken mannigfaltiger Art reiche Studien- 
zeit fielen manche fröhliche Studentenwanderungen, darunter 


1) J. f. 0. XXV. 1877. 35. Lev. 

2) Nach Dr. Moritz Lindemann’s Nachruf in der Weser-Zeitung 
(„Dresden, 25. XI. 1900“) No. 19414 v. 1. XII 1900. Abgedruckt in: 
Orn. Monatsberichte IX, No. 1. Jan. 1901 p. 1—4. Lev. 


Journ, f£, Orn, XLIX, Jahrg. Juli 1901. 23 


338 Paul Leverkühn: 


eine für damals ungewöhnliche, ja kühne, in die wilden Karpathen, 
von deren reizvollen Eindrücken und bis zur Lomnitzer Spitze 
ausgedehnten Ersteigungen er noch später oft mit Lust, ja mit 
Begeisterung erzählte. Die Anregung dazu verdankte er dem 
Geographen Karl Ritter und dem Zoologen Heinrich Lichtenstein, 
deren eifriger ‘Schüler er in Berlin war. Über die gemeinsam 
mit Graf Keyserling und J. H. Blasius unternommene Reise 
erschien in einer Bremer Tageszeitung seinerzeit eine äusserst 
anziehende Beschreibung, von der Hartlaub 1870 einen Neudruck 
in Buchform erscheinen liess, zusammen mit der Schilderung 
einer 1869 ausgeführten Italienfahrt. Er gab dem Buche den 
Namen: „Bergauf und Bergab,“ womit die Phasen des Lebens 
bezeichnet sein sollten. Eigentümlicherweise ist dieletzte Veröffent- 
lichung, welche Hartlaub erlebte, der Neudruck!) der Karpathen- 
reise, deren Zustandekommen auf allerlei Schwierigkeiten stiess. 
Hören wir ihn selbst darüber: 

„Ich schrieb Ihnen schon, dass die Aussicht, jemals in den 
Besitz einiger Separata meines neu auferstandenen „Bergauf und 
Bergab‘“ zu gelangen, für mich in immer unabsehbarere 
Fernen gerückt erscheint. Es wäre indessen immerhin möglich, 
dass Sie mir eine doch etwas bestimmtere Aussicht quoad tempus 
eröffnen könnten... .. vergessen Sie nicht, dass an Ihnen die 
moralische Verpflichtung hängen bleibt, ein Exemplar des Büch- 
leins auf meinem Grabe zu deponieren, wenn nicht bald der 
nötige Steam mit Hochdruck in die Angelegenheit kommt.“ — 
(Juli 1900). Ä 

„Was das Opusculum juvenile anbetrifft, so bin ich längst 
auf dem Standpunkt der Lasciate ogni speranza angelangt. Mir 
thut dabei nur das eine Leid, dass Sie soviel Mühe und frucht- 
lose Schreibereien darum gehabt haben. Also, wie gesagt: es 
hat nicht sollen sein. Trösten wir uns.“ — (21./VIlI. 1900). 


1) Dritte Auflage besorgt von Paul Leverkühn. In: Jahrbuch des 
ungarischen Karpathenvereines 1900, S. 88—134 und in ungarischer 
Übersetzung gleichzeitig: S. 78—117. Vgl. auch ebenda 1899, S. 120, 
1900, S. 155—156 und ungarisch 1899, S. 129, 1900, S. 136. — 
Zu spät für den Druck teilte mir Dr. Hartlaub noch mit, (4/III. 1900), 
dass es „uns damals gelang, das von dem alten verstorbenen Pastor 
Maukoch hinterlassene Herbarium käuflich zu erwerben, was insofern von 
einiger Bedeutung ist, als dieses Herbarium Wahlenberg bei Abfassung 
seines Buches wesentlich von Nutzen gewesen ist. Was später daraus 
geworden ist, weiss ich nicht.“ Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 339 


„Mit dem quousque tandem hat’s doch nun unglaublicher- 
weise ein Ende — also gestern 10 Exemplare des Jahrbuches 
des ung. Karpathen-Vereins aus Iglö erhalten.‘ — (29./VII. 1900). 


Nachdem er in Göttingen am 24. Juli 1838 zum Doctor 
medicinae promoviert!) hatte, unternahm er Reisen nach Öster- 
reich, den Niederlanden, Frankreich, England und Schottland, 
studierte in Wien, Paris, London, Leyden und Edinburgh die 
wissenschaftlichen Institute und knüpfte zahlreiche Verbindungen 
an mit Männern der Wissenschaft, die für sein späteres Leben 
von grosser Bedeutung blieben.?) 

Über eine 1840 unternommene Excursion nach Ungarn ent- 
halten folgende Briefstellen interessante Einzelnheiten: 

„Ich habe Ihnen noch wenig erzählt von einer Reise, die 
ich als Wiener Student nach Südungarn und Kroatien machte, 
und an die ich, ein paar Einzelheiten abgesehen, mit grösstem 
Vergnügen zurückdenke. Meiner Freundschaft mit den beiden 
Söhnen J. Natterer’s verdankte ich es, dass ich mich einer wissen- 
schaftlichen Expedition anschliessen durfte, die auf kaiserliche 
Kosten gemacht wurde, und zu deren Aufgaben unter anderem 
gehörte, näheres über die Lebensweise und die Fundstellen eines 
merkwürdigen, in Löchern auf sumfigen Wiesen hausenden Fisches 
(Oyprinodon Krameri) zu erkunden. Wir erwischten ihn glück- 
jich am Balaton. Es war eine höchst vergnügliche Reise. Ich 
schoss Museicapa parva, (die ich nach Bremen schickte) und 
Lanius major am Plattensee, lebte eine Woche mit den gast- 
freien Mönchen des Cistercienser Klosters Tihanyi (Komitat Zala), 
die sich in der Fastenzeit gebratene Enten wohl schmecken 
liessen, weil dieselben nach der in lateinischer Sprache während 
der Coena vom Prior gegebenen und gleichsam rechtfertigenden 
Erklärung „als Wasservögel sanguinem frigidum hätten.“ Uh! 
Auf dieser Reise war es, wo wir in Pest den Direktor des Zool. 
Museums Petenyi sehr nahe kennen lernten. Er bat schmeich- 
lerisch, sich unserer Expedition als supernumerarius anschliessen 
zu dürfen. Aber o weh! wir konnten uns nur zu bald von dem 
perfiden Charakter unseres Reisegefährten überzeugen und 


1) De hydrope acuta. Lev. ) 
2) Rudolf Blasius, Nachruf ir: Zeitschrift für Ornithologie. Stettin 
XXV. No. 1. 1901. p. 1. Lev. 


23% 


340 Paul Leverkühn: 


mussten uns glücklich schätzen, dass es gelang, ihn abzuschütteln. 
Petenyi war ein unbequem disponierter Mensch von alberner 
Empfindlichkeit und sehr anmasslich, mit dem wir uns schliess- 
lich gründlich überwarfen. Das Wort bieder und zuverlässig 
schien er nicht zu kennen. Ich hatte Gelegenheit dies zu erfahren. 
[Es ist schwer, heute darüber zu urteilen, ob Hartlaub’s reichlich 
scharfes Urteil über den grossen ungarischen Ornithologen nicht 
über die Grenze der Objektivität hinausgeht. Aus der schönen 
Herman’schen Biographie gewinnt man ein anderes und nur 
vorteilhaftes Bild von ihm. Lev.]. Schöne Zeit war’s; ein un- 
vergessliches Wandern in diesen hohen, wogenden Getreidefeldern, 
wo es allerdings weder Kornblumen, noch Agrostenıma githago, da- 
für aber eine dort nie fehlende hübsche Pflanze gab: Prisma- 
tocarpus speculum Herit.“ (24./VII. 1891 und 5./XI. 1900). 


Eine kurze Notiz über die gemeinsame Expedition giebt 
Otto Herman in seiner Festschrift für den II. intern. orn. Con- 
gress. „1840 besuchte Petenyi in Gesellschaft seines Freundes 
Jakob Heckel, des Dr. Hartlaub und des jüngeren Natterer den 
Balaton-See, wo fleissig gefischt wurde, und er die Biologie des 
berühmten „Fogas“.— Lucioperca sandra — ins Reine brachte; 
doch auch der Vogelwelt volle Aufmerksamkeit schenkte.t)“ 


Mit besonderem Behagen erzählte Hartlaub von dieser Reise 
nach Ungarn, woher er allerdings auch manche weniger an- 
genehme Erinnerung an die Menschen mitgenommen hatte: 


„Ich kann mir denken, dass der Ausflug nach Ungarn 
und der Besuch bei Tschusi Ihnen viel Genuss bereitet hat. 
Nucifraga hat uns hier schon mehrmals in grossen Scharen 
Besuch abgestattet; jedenfalls einer der merkwürdigsten Vögel. 
In der freien Natur sah ich ihn nie.“ (18./IV. 1892). 


Es ist schwer, eine Liste aller Ornithologen aufzustellen, mit 
welchen Hartlaub in Verkehr stand. Innige Freundschaft verband 
ihn mit Georg Robert Gray, Sclater und Alfred Newton, ferner 
seien genannt Jardine, dessen Schwiegersohn Strickland, Shelley, 
Seebohm, Tristram, Sharpe; aus den Vereinigten Staaten: Ridgway, 


1) J. 8. v. Petönyi, der Begründer der wissenschaftlichen Ornitho- 
logie in Ungarn 1799— 1855. Ein Lebensbild unter Mitwirkung von 
Julius von Madaräsz, Stefan von Chernel und G6za v. Vastagh verfasst 
von O0. H. Budapest 1891. p. 33. Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 341 


Elliot, Lawrence, Baird, Allen, Cassin, Stejneger, Coues; die 
Italiener: Antinori, Grafen Turati und Salvadori; der Portugiese: 
Barboza du Bocage; die Reisenden: Priuz Max Wied, Rüppel, 
Burmeister, v. Heuglin; die Besitzer grosser Sammlungen in 
Deutschland: Heine sen. und Kirchhofl, sodann Reichenbach, 
Cabanis, Peters, Reichenow, v. Droste, Altum, Nehrkorn, v. Pel- 
zeln und viele andere. 

„Mit Forbes habe ich viel persönlich verkehrt.“ — (10. III. 92). 
Mit Sundevall und Reinhardt, mit Temminck und Schlegel und 
Büttikofer stand er in Briefwechsel, stolz äusserte er, Naumann 
persönlich gekannt zu haben, mit Finsch gab er zahlreiche 
Arbeiten gemeinsam heraus und der Autorbezeichnung „Finsch 
und Hartlaub“ begegnet man bei vielen Dutzenden von Arten. 
An seinen Aufenthalt bei belgischen Forschern bewahrte er 
angenehme Erinnerungen: 

„Dass man in Belgien als Gelehrter guter Aufnahme sicher sein 
kann, habe ich selbst zur Genüge wiederholt erfahren. Das höchste 
an gastfreundlicher Liebenswürdigkeit leistete in dieser Beziehung 
der Baron de Selys-Longchamps, der sich dem Bremer Museum 
in ungewöhnlichem Masse verpflichtet fühlte, weil wir ihm eine 
grössere Anzahl seltener, seiner Sammlung fehlender Orthopteren 
geschenkt hatten. Den Gipfelpunkt meiner zoologischen Erinner- 
ungen aus Belgien bilden indessen und bleiben die kolossalen, 
aufrecht stehenden Saurier in Brüssel. Im übrigen kein Land, 
wo so viel schlechte Elemente im Betriebe sind, als gerade 
Belgien.‘ — (Juli 1900). 

Die französischen Koryphaeen der klassischen Zeit waren 
ihm persönlich bekannt gewesen: Charles Lucien Bonaparte, 
Dubois, Milne-Edwards. Jules Verreaux benannte ihm zu Ehren 
drei Arten. [,Jules Verreaux war im Punkte des Geographischen 
nur sehr mässig beschlagen.“ (12. XI. 96.)] Mit Oustalet befand 
er sich in Briefwechsel bis in sein letztes Lebensjahr. „Grüssen 
Sie in Paris Oustalet von mir. Ich nehme lebhaft Anteil 
an dem, was dort geschieht.“ (15. VI. 1900). 

Ausser den erwähnten Studienreisen unternahm Hartlaub 
1869 einen Ausflug nach Süditalien, als dessen schönes Resultat 
der leider fast unzugängliche Aufsatz „Paestum‘ vorliegt; sein 
Freund Professor Nicolaus Delius!) begleitete ihn. Man fuhr 


!) Der bekannte Shakespeare-Editor. Lev. 


342 Paul Leverkühn; 


über Florenz nach Rom und Neapel. Sehr interessante Abende 
wurden auf dem archäologischen Institute verlebt mit den 
Professoren Herzen, Helwig und anderen. Ein zweites Mal 
besuchte er 1878 mit seiner Tochter Italien, von Ravenna, Pisa, 
Perugia wieder bis nach Neapel. In den späteren Lebensjahren 
gingen die sommerlichen Erholungsreisen meist nach den deut- 
schen und österreichischen Alpen, der Schweiz, dem Riesengebirge, 
auch zum Taunus. 1887 besuchte er Ragaz und Arosa, 1890 
Wildungen, 1891 Berchtesgaden, 1892 Schlangenbad und Herren- 
alb, 1894 letzteren reizenden Ort in Württemberg zum zweiten 
Mal. Die alpinen Formen fesselten besonders sein Interesse: 
„Pyrrhocorax alpinus begegnete ich auf dem Turlo-Pass zwischen 
Macugnaga und Alagna.“ (20. X. 88). „Ich habe selbst Ticho- 
droma nur in der hohen Tatra gesehen, nie in der Schweiz. 
Accentor alpinus belebt die Gipfel der Schneekoppe.“ (10. X. 88). 
„Der Alpenfluevogel erinnerte mich an schöne Stunden mit Alfred 
Brehm auf der Höhe der Schneekoppe. Auf der Schutzmauer, 
die das Hotel umgiebt, also ganz nahe den Fenstern desselben, 
sassen zutraulich und der Schonung sicher mehrere Accentor 
alpıinus-Pärchen.— Der dieKrummholzgebiete des Riesengebirges 
fast exclusive belebende Vogel ist Anthus aquaticus.“ (Anf. IX. 
1900 Letzter Brief). 

Wenn auch sein Hauptinteresse der exotischen Ornithologie 
galt, so kannte er doch sehr wohl die einheimische, auf die er 
auf seinen Reisen wie im Wohnsitze stets ein aufmerksames 
Auge hatte. Allerdings veröffentlichte er nichts über Deutsch- 
lands Vögel, wie Alfred Newton hervorhebt!),. „Otis tarda 3 
adult bei Nienburg erlegt.“ — (11. VI. 93). „Gestern sah ich 
zum ersten Mal in unseren Wallanilagen (Bremen) ein reizendes 
Pärchen von Parus caudatus.“ (2. I. 97). 

[Über seine Schrift der fast extineten Arten]: 

„Es wird Ihnen auffallen (und vielleicht unangenehm auf- 
fallen), dass beim Kapitel vom Vogelschutz das vaterländische 
nur sehr unvollständig behandelt ist. Ja, aber da war une mer 
a boire. — Das hätte zu weit geführt. Desto besser wird Ihnen 
Italien gefallen.“ — (18. V. 95). 

Als praktischer Arzt blieb Hartlaub seiner Vaterstadt treu 
und fand viel Befriedigung in seinem Berufe, für welchen er stets 


9) Diet. of birds Introduction. p. 39. (1896). Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 343 


das regste Interesse bewahrte. Bis zum Jahre 1890 übte er 
eine ziemlich umfangreiche Praxis aus und liess sich später von 
seinem Freunde Dr. Stadler über interessante Fälle aus dem 
städtischen Krankenhause und dessen chirurgischer Privatklinik 
erzählen. Namentlich die Kinderpraxis machte ihm viel Ver- 
gnügen, wie er überhaupt sehr kinderlieb war und von seinen 
Enkeln geradezu schwärmerisch geliebt wurde. 

Seine sehr früh erwachte Vorliebe für Ornithologie fand in 
den reichen Sammlungen des Bremer Museums stets reichliche ’ 
Nahrung. Als 30 jähriger gab er ein systematisches Verzeichnis 
der naturhistorischen Sammlung, Museum. Erste Abteilung. 
Vögel (Bremen Schünemann 4°. IV, 126 p.) heraus. Von den 
Original-Sendungen, die in seine Hände zur Bearbeitung gelangten, 
schenkte er vieles dem Museum; nur in den letzten Jahren 
glaubte er eine Verminderung des Interesses für Wirbeltiere 
wahrzunehmen, was ihm schmerzlich war und ihn u. a. veran- 
lasste, eine Emin-Pascha Sendung in den Besitz eines Fach- 
ornithologen übergehen zu lassen. 

„Schauinsland ist ein netter tüchtiger Mensch von viel 
gutem Willen und mir sehr attachiert, [aber er ist eben alles 
andere eher als ein Ornitholog! leider.] Ich muss ihm die Ge- 
rechtigkeit widerfahren lassen, dass er mir zuliebe vieles Inter- 
essante anschaffte und die sehr hohen Preise nicht scheut. So 
aquirierte er die hochinteressanten Gattungen JIbsdorhynchus, 
Picathartes, Podoces, Pityriasis, Argus grayi!! also sämtlich 
Raritäten allerersten Ranges!“ — (30. X. 93.) 

„Demnächst wird mit dem Überführen unserer Vogelsamm- 
lung in den neuen Prachtbau der Anfang gemacht. Ein tüchtiges 
Stück Arbeit. Bei dieser Gelegenheit habe ich es durchgesetzt, 
dass noch einige Vögel unserer Sammlung, deren Erlöschen 
bevorsteht, in hermetischen Glaskasten noch besonders conserviert 
werden. Also z. B. Temenuchus cupido, Conurus carolinensis, 
Turnagra crassirostris (Neuseeland) und Ooracopsis barkleyi von 
der Seychelleninsel Praslin. Angekauft wurden kürzlich 2 nahezu 
vollständige Dinornis-Scelette (D. crassus), der irische Cervus 
megaceros, ein altes Gorillamännchen u. s. w. Auch eine Stein- 
bock-Familie aus den Graji’schen Alpen, die scheusslich teuer 
wars .1(27..X. 94:) 

Ausser dem Bremer Museum lieferte ihm das Hamburger 
und jenes des Maecens Cesar Goddeffroy vieles Material nament- 


344 Paul Leverkühn: 


lich aus Polynesien. Nach zahlreichen Einzel-Beiträgen zur Or- 
nithologie Australiens folgte das zusammen mit Otto Finsch 
herausgegebene stattliche Buch: Beitrag zur Ornithologie Central- 
Polynesiens 1867. Daneben her gingen Untersuchungen über die 
Ornis Afrikas, das in der Anfangszeit seiner Wirksamkeit noch 
am meisten eine Terra incognita war. Wiederum mit Finsch 
gemeinschaftlich gab er 1870 den Band Vögel in v. d. Decken’s 
grossem Reisewerk heraus, nachdem er 1868 in Berlin!) mit 
« Th. v. Heuglin und Cabanis den Plan dazu besprochen hatte. 

Sein 1857 herausgekommenes „System der Ornithologie 
Westafrikas“ nennt Reichenow?) bis auf den heutigen Tag das 
vollständigste Werk, das wir über diesen Teil Aethiopiens besitzen. 
Die Vorstudien dazu erschienen in Gymnasialprogrammen Ham- 
burg’s 1850 und 1852. — An ihn, als an die erste Autorität auf 
diesem Gebiete wandte sich Emin Pascha behufs wissenschaftlicher 
Verwertung seiner reichen Sammlungen. In einer Anzahl. von 
sehr wertvollen Beiträgen führte Hartlaub diese Aufgabe durch 
und stand lange Jahre hindurch mit dem Reisenden in 
Correspondenz. Folgende Briefstellen enthalten bemerkenswerte 
Daten zu diesem Capitel seines Lebens: 

„Das demnächst zu erwartende Buch von Vitu Hassan über 
Emin Pascha scheint in hohem Grade der Beachtung wert. 
Haben doch sowohl Casati wie Junker unsere Erwartungen 
entschieden getäuscht. Durch beide sind wir über so manche 
dunkle Seite bei Emin nicht klüger geworden. (11. VI. 93.) 

„vom Mombottu-Reisemanuscript habe ich mir eine wort- 
getreue Copie gemacht.®) (16. XI. 93.) 

„Ich bin sehr zweifelhaft, ob das Emin M. S. sich überhaupt 
zur Publication in toto eignet. Es würde sich dabei natürlich 
um Noten handeln. Aber Noten schreiben zu Arten, die man 
nicht selbst untersuchen konnte, oder die man nur mit so und 
so viel Fragezeichen identificieren zu können meint, hat doch sein 
sehr bedenkliches.‘“ (XII. 93.) 

„Dass Emin Pascha so tragisch enden würde, stand zu er- 
warten. Er hat das Schicksal herausgefordert. Die Journale 
bringen das photographische Bild der kleinen Ferida, das unbe- 


1) J. f. 0. 1877 p. 45. 

2) Orn. Monatsberichte IX. 1901. 1. 

8) Von diesem Manuscript veröffentlichte Dr. Reichenow verschie- 
dene Abschnitte. Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 345 


dingt viel mehr Züge von der Mutter als vom Vater aufzuweisen 
hat.“ (30. X. 93.) 

„Im eigentlichen Sinne des Wortes habe ich intim freund- 
schaftlich die langen Jahre mit Emin Pascha verkehrt. Es 
kann keinem Zweifel unterliegen, dass Emin mir irgend etwas 
übel genommen hat, aber Gott weiss was? Es ist oder war nicht 
meine Schuld, dass er ohne Mitteilungen von mir blieb. Wie 
ich Ihnen schon mündlich mitteilte, habe ich 3 Briefe und 2 
Sendungen (Packete!) von Brochuren und Drucksachen, die ich 
an das Deutsche Generalconsulat in Zanzibar zur Weiter- 
beförderung an Emin Pascha sandte, zurückerhalten mit der 
Bezeichnung: Adressat im Innern nicht auffindbar!!!) Bezüglich 
der wissenschaftlichen Verwertung der von Emin an mich 
gelangten Sendungen glaube ich meine Pflicht gethan zu haben. 
Mein vierter Beitrag zur Ornith. äquat: Afrika’s ist, glaube ich, 
nie in seine Hände gekommen. Gut und geordnet und halbwegs 
regelmässig blieb der Verkehr zwischen uns eigentlich nur, solange 
die Dampferverbindung auf dem Nil (Chartum-Lad6) bestand. 
Mit der Madisten-Empörung war das aber gründlich vorbei. — 
Na, man erfährt so Manches. Mir bleibt jedenfalls eine herrliche 
Lebenserinnerung aus diesem Verkehr. Sie fragen, warum ich 
geschrieben hätte, Emin hätte das Schiksal herausgefordert. 
Nun ich sollte meinen, Alles hätte seine Zeit und sein Mass. 
Emin hatte für die Aufhellung innerafrikanischer Verhältnisse 
das Mögliche gethan. Er war inzwischen auch älter geworden. 
Kurz, ich begreife schwer oder garnicht, dass er nicht irgend 
wie oder wo in ein ruhiges Fahrwasser einzulanden versucht hat. 
Über so etwas können aber die Ansichten verschieden sein. 
in Emin’s Leben spielt viel von dem mit, was Goethe das 
Dämonische nennt, mit anderen Worten von dem, was Verstand 
und Vernunft nicht auflösen können.“ (15. XI. 93.) 

„Meine kleine Privatsammlung Emin Pascha’scher Vögel 
(eigentlich nur Passeres) habe ich an Rothschild, dessen Museum 
ja das reine Wunder sein muss, verkauft. Er bezahlte mir dafür 
den hohen Preis von 160 L. (also 3200 M.) Ich that dies, weil 
mir in meinem hohen Alter der Gedanke immer unerträglicher 
wurde, dass nach meinem Tode über diese meine Lieblinge 


1) Ebenso ergings auch mit anderen Sendungen an Emin. Vgl. 
Schwalbe (Mitt. Orn. Ver. Wien.) XVIII 1894 p. 22. Lev. 


346 Paul Leverkühn: 


chaotische Verwirrung und Vernachlässigung hereinbrechen würde, 
wenn sie den hiesigen städtischen Sammlungen einverleibt würden.“ 
(300. x. 930) 

„Das intensive Vergnügen, welches mir aus der ersten 
Hälfte meiner Bekanntschaft mit Emin erwuchs, beruhte darauf, 
dass die Correspondenz mit ihm, der Verkehr in gesicherter, 
ziemlich regelmässiger Weise stattfand via Cairo und Chartum. 
Mit dem Vertauschen seines Aufenthaltes von Ladd nach Wadelai 
änderte sich alles zum Schlechteren. An mich via Zanzibar ge- 
schickte Kisten gingen verloren. Ich musste darauf verzichten, 
auf dem Gebiete der Litteratur in Sachen Emin Paschas Allein- 
herrscher zu sein, und die dann folgende Concurrenz war mir 
wenig nach dem Sirn. — Ich bin überzeugt, dass Emin mit dem 
Vorwurf gegen mich im Herzen gestorben ist, dass ich un- 
dankbar gegen ihn gehandelt hätte. Aber was konnte ich 
dafür, dass die Fahrt den Nil herauf ein sichereres Beförderungs- 
mittel war als die Spitzbuben-Karawane von Zanzibar ins unbe- 
kannte Innere, wo es sich kaum lohnte, den in seinen Bewegungen 
so unstäten und so unberechenbaren Emin zu suchen. Für mich 
ist der mir in psychologischer Hinsicht rätselhaft gebliebene 
Emin ein mehr oder weniger überwundener Standpunkt .... 
So eben die telegraphische Nachricht vom Tode seines Söhnchens 
aus dritter Ehe. „La femme‘ hat auch bei Emin eine grosse 
Rolle gespielt.!) Die kleine Ferida in Neisse schaudert, wenn 


sie das Wort Afrika hört... . Mein M.S. zu lesen, wird Ihnen 
Freude machen. Der echte Ornithologe, wie er leibt und lebt! 
Sit ei terra levis.“ — (26. XI. 93.) 


Madagascar mit seiner seltsamen Fauna, welche an die 
zoologische Geographie so schwere Aufgaben stellt, fesselte Hartlaub 
von Jugend auf. In den Vögeln Madagascars (1877) gab er ein 
Compendium alles bis dahin bekannten. Durch die madagassi- 
schen Formen, deren Fortexistenz bedroht ist, oder die schon ganz 
vom Schauplatze verschwunden, wurde er auf die Beachtung 
solcher Fälle im allgemeinen geführt und veröffentlichte als 
80 jähriger eine sehr lehrreiche Zusammenstellung darüber. 

„Neulich hatte ich in einem Schweinsleder-Bändchen der 
Göttinger Bibliothek, einen 1600 in Paris erschienen Book of fancy 


1)... Gemeint ist die Frau des Pascha in Scutari, dessen Leibarzt 
Emin war... . (—XII: 93.) 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 347 


betitelt Farteriana über etwas nachzusehen, und zwar anlässlich 
Aepyornis. In diesem Buche heisst es, die Einwohner hätten sich 
zum Schutze gegen Angriffe des Vogels Roq gezähmter 
Tiger als sauvegarde bedient! Reizend führwahr ! —“ (29. VI. 1900). 

„Die kleine Ralle (Pennula ecaudata (King.) [millsi Sc. 
Wils.] wurde mir durch Ihre Vermittlung denn wirklich von 
Cambridge zugesandt: das wunderbarste Geschöpf in der 
Vogelwelt! Bei dieser Gelegenheit habe ich mit Alfred Newton 
eine höchst interessante Correspondenz über die Ralliden gehabt. 
„You may depend upon it,“ schreibt er mir „that Rallidae are 
a very old invention,“ und dass sie sich auf’s Colonisieren 
(mit der selbstverständlich im Laufe der Zeit erfolgenden Diffe- 
renzierung) wundervoll verstanden haben „next to the human 
race“ am besten.“ — (25. VI. 92). ‚bei meiner Arbeit über 
extincete Vögel der Jetztzeit stehe ich wieder der grauenvollen 
Thatsache gegenüber, dass der letzte, lebende Mascarin-Papagei 
(Mascarinus Duboisi Forbes), welchen Hahn bekanntlich nach 
einem Exemplar in der Menagerie des Königs abbilden liess, 
so abhanden kommen konnte, dass jede Spur von dem gestorbenen 
Vogel verschwunden bleibt, seit 1834. Welcher Jammer, wenn 
man erwähnt, dass überhaupt nur 2 Exemplare dieser pracht- 
vollen Form in Museen existieren.“ (20. V. 92). 

Aus dem bisher vorgebrachten geht schon hervor, wie er- 
schöpfend Hartlaub die Fachlitteratur kennen musste. In der 
That entging ihm so leicht nichts. Wie schon in den Conver- 
sationslexieis betont wird, lieferte er fünf Lustren lang die 
Berichte über die Leistungen in der Naturgeschichte der Vögel 
für Troschels Archiv, um dann 1871 das Kommando an v. Pelzeln 
abzutreten. In diesen bibliographischen Übersichten spiegelt 
sich der Charakter dieses wundervollen Mannes: er kennt keine 
Rücksicht, wenn es sich um Geisselung von Unrichtigem oder 
Oberflächlichem handelt; und er lobt mit Freude des enthusias- 
tischen Jünglings das Vortreffliche und Gediegene. Als Kritiker 
war er zu fürchten; angegriffen wurde er aber höchst selten?). 


1) z. B. von Giebel, der sich sehr energisch gegen eine abfällige 
Recension des Thesaurus in Zarncke’s Centralblatt (1872 No. 9. 2. März 
p. 215) wehrte (in Zeitschrift f. d. ges. Naturw. 1872. Febr. 8 Seiten). 
Hartlaub hatte übrigens die Verdienste des Repertoriums Giebels vollauf 
anerkannt. (Über die Leistungen im Jahre 1871. Arch. für Naturg. 
XXXVIl 2. Bd. p. 2—4 Sep.-Abz.) Lev. 


348 Paul Leverkühn: 


Der arbeitende Ornithologe muss wieder und wieder alle 
Jahresberichte durchblättern; bei den Hartlaub’schen wird die 
zeitraubende Mühe stets versüsst durch die fortreissende Indivi- 
dualität des Recensenten. Wie leuchtete er z. B. den Vater Brehm 
heim, als dieser ihm unbekannte Exoten bekam und frischweg 
als lauter neue Arten beschrieb, weil sie ihm persönlich neu 
waren! — Eine gewisse Unnahbarkeit offenbarte sich in dem nur 
selten verlassenen Pluralis majestaticus, dessen Hartlaub sich 
in allen seinen Veröffentlichungen bediente. Aber ganz falsch 
wäre der Schluss, daraus etwa Hochmut oder gar Einbildung 
folgern zu wollen; es handelte sich um sehr berechtigtes Selbst- 
bewusstsein, welchem gerade im richtigen Verhältnis die zierende 
Bescheidenheit des Gelehrten sich zugesellte. 


In unserem Briefwechsel kamen natürlich oft Literalien vor: 


„Ein gutes modernes Gesamtwerk über die Tauben existiert 
nicht. Reichenbach, so grässlich seine Abbildungen sind, bleibt 
doch nützlich. Die afrikanischen Tauben hat Shelley vorzüglich 
monographisch bearbeitet. Die indischen suche man bei Jerdon, 
Hume und Oates. Die oceanischen, papuanischen etc. sind voll- 
ständig in Salvadori’s grossem 3bändigen Werke. Am schwierigsten 
stehts um die Tauben Amerikas, die man in 20 Büchern und 
mehr suchen muss. T'schudi, Prinz Max, Burmeister, d’Orbigny, 
Pelzeln, Berlepsch, etc. etc.‘ (18. V. 87). 

„In der „Täglichen Rundschau“ findet sich ein Aufsatz von 
Dr. Georg Bauer über die Ornis der Galapagos.“ (17. V. 92). 


„Ein famoses Buch über die Ornith. Südungarns ist neu- 
lich erschienen von einem Grafen?!) Zahlreiche Kupfer. Sie 
kennen es wohl schon? In Pest war damals ein Herr Petenyi 
der Hauptornitholog.* (13. VIL 91). 

„Der ornithologische Teil in Erhard’s Cycladen unterscheidet 
sich nicht wesentlich von dem Text der Naumannia.“ (8. Ill. 1887). 
„Ehrhard’s Buch enthält nur das in der Naumannia mitgeteilte.‘ 
(13. III. 1887). 

„A. Newton’s Dictionary of birds ist in meinen Augen 
eines der besten Werke, die auf ornithologischem Gebiete jemals 
erschienen sind. Ein ganz vortreffliches Buch, das ich den 
Zierden meiner Bibliothek beizähle.“ (2. I. 97). 


1)? 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 349 


„Radde’s Museum caucasicum erster Band ist ausserordent- 
lich wertvoll, weil es ein korrektes Namensverzeichnis der 
vorhandenen Tiere mit Angabe von Datum und Fundort enthält, 
und weil es sehr wertvolle Notizen über einzelne Arten bringt, 
so über die grossen Katzen des Kaukasus, über Bos bonasus 
(NB!), über Megaloperdix caucasica usw. Ich habe mit Vergnügen 
und Belehrung diese Notizen gelesen. Auch über die wilden 
Capra und Ovis-Arten des Kaukasus höchst instruktiv. Ich 
denke mit Vergnügen zurück an die vier Vorträge, die Radde 
hier in Bremen vor vielen Jahren hielt und zähle sein schönes 
Buch: „Bericht über Reisen im Süden von ÖOstsibirien“ (Peters- 
burg 1861)!) zu den wertvolleren meiner Bibliothek. Es ist die 
Arbeit eines auf allen Gebieten gründlich beschlagenen, eifrigen 
und durchaus tüchtigen Naturforschers.“ (2. II. 1900). 

„Kostbare Kupferwerke zu verleihen ist nun einmal gegen 
mein Princip. — Auf die äussere Haltung meiner Bücher lege 
ich den grössten Wert, und bitte Sie also um mögliche Sorgfalt 
in dieser Beziehung.“ (13. V. 1887. 13. III. 1888.) „Strickte 
Ordnung herrscht bei mir in allen meinen persönlichen Sachen.“ 
(19. V. 92.) „Ihre Idee, Biographieen von Vogelfreunden mit 
Portraits herauszugeben, interessiert mich lebhaft. Ein sehr 
nettes, durchaus zeitgemässes Unternehmen.“ (2. I. 97.) 

Für alles ornithologische, das ich in Briefen vorbrachte, 
interessierte er sich und nahm in rührender Weise Anteil an 
den Freuden und Leiden des Studenten und Schülers. Zahllose 
Male hatte ich für gute Ratschläge und nützliche Winke zu 
danken. Über einen Bussard, der Hühnereier ausbrütete, stellte 
er für mich Recherchen an, die ich in den „Fremden Eiern im 
Nest“ (p. 25) mitteilte. Oftmals lieh er mir schwer zugängliche 
Bücher oder lenkte meine Aufmerksamkeit auf abgelegene Citate. 
Folgende Briefstellen haben vielleicht auch für andere Interesse: 

[,„Mus alexandrınus hat sich jetzt bei uns hier und in 
Vegesack eingebürgert.“ (— XII. 93.) 

„Die Behn’sche?) riesige Sammlung ist mir aus eigener An- 
schauung bekannt und namentlich in bester Erinnerung durch das 
durch Gould unsterblich gewordene Trogon-Artefact.“ (18. V. 87). 


1) Hartlaub besprach dieses Werk im Jahresbericht für 1861, 
p- 55 und 1863, p. 1 und 10. Lev. 
2) P. S. Z. 1887. 557. J. f. 0. 1889. 101. Ornis 1890 1. Lev. 


350 Paul Leverkühn: 


„Die Nestor-Arten sind bekanntlich äusserst variabel 
in der Färbung und selbst in ihren Massen. Im Bremer Museum 
ist eine hübsche Suite.“ (18. 5. 87.) 

„Die 2 Exemplare von Acrulocercus nobilis der Bremer 
Sammlung sind sehr verschieden von einander, der eine erheblich 
grösser als der andere; Schwanzform und Schwanzfärbung 
total verschieden! Was liegt hier vor? Gadow beschreibt in 
dem Brit. Mus. Cat.) nur die kleinere Form.“ (22. V. 92.) 

„Unser Bremer Exemplar von Turtur decipiens Finsch und 
Hartl., das einzige der Sammlung, stammt von Verreaux, angeblich 
aus Ostafrika. Die Synonymie der Art ist keineswegs gesichert. 
In unsern Vögeln Ostafrikas (p. 544) stammt die lateinische 
Beschreibung von mir her, die deutsche von Finsch. Beide sind 
gänzlich unabhängig von einander entworfen.“ (12. XI. 96.) 

„Es ist sehr möglich, dass ich noch eine kleinere Sendung 
Vögel aus Hainan erhalte, und ebenso möglich, dass dieselbe 
Neues enthält. Hr. Schomburg, der lange Jahre auf Hainan lebte 
und sich lebhaft für die Zoologie dieser südchinesischen Gegend 
interessiert, hat mir wiederholt von einer „ganz gelben‘ Taube 
gesprochen, die er selbst sah und die für mich zu erlegen er 
sich eifrigst bemühen wird.‘ (Febr. 1898.) 

Über die Anregungen, die Hartlaub auf geographischem 
Gebiete gab, schreibt Dr. Moritz Lindeman: 

Schon in den sechziger Jahren sehen wir Dr. Hartlaub mit 
Kind, Buchenau, Haepke u. a. an der Spitze des auf ihre An- 
regung ins Leben gerufenen naturwissenschaftlichen Vereins, 
dessen noch heute erfolgreiches vielseitiges Wirken in Pflege und 
Förderung der Naturwissenschaften für das geistige Leben unserer 
Stadt mit bestimmend geworden ist. Reges Interesse brachte 
Hartlaub aber besonders den in den sechziger und siebziger 
Jahren von Deutschland aus nach den verschiedensten Richtungen 
unternommenen Eintdeckungs- und Forschungsreisen dar. Haupt- 
sächlich auf Dr. Hartlaub’s Betrieb und Empfehlung geschah es, 
dass der aus Bremen stammende französische Militärarzt Gerhard 
Rohlfs, als er sich auf seiner ersten abenteuerlichen Reise in 
Marocco befand, vom Senat einen namhaften Reisekostenzuschuss 
erhielt, der später, als es sich um die Aufsuchung Vogel’s durch 
Rolfs handelte, wiederholt wurde. 


1) Vol. IX. 1884. p. 84. Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 351 


Aber auch für die durch August Petermann in den Vorder- 
grund gebrachten Bestrebungen zur Förderung der deutschen 
Polarforschung .hatte Dr. Hartlaub volles Verständnis; er be- 
grüsste freudig die Arbeiten und Erfolge der zweiten deutschen 
Polarexpedition, welche erst im vorigen Sommer durch die kühne 
Bootfahrt des dänischen Leutnants Amdrup längs der bisher 
unbekannten, von der Schollenfahrt der Hansamänner nur stellen- 
weise gesichteten südlichen Ostküste Grönlands ihren ergänzenden 
Abschluss gefunden hat. Dr. Hartlaub übernahm bereitwillig 
mit Lindeman die Redaktion des ersten (erzählenden) Teils des 
grossen Werkes, welches über diese Reise bei Brockhaus in 
Leipzig erschien. Lebhafte Teilnahme fand bei Hartlaub die 
Begründnng der Bremer Geographischen Gesellschaft und die 
Herausgabe der Geographischen Blätter, deren Hefte er regel- 
mässig in seiner anregenden, durch musterhaften Stil sich aus- 
zeichnenden Weise besprach. Sein lebhaftes Interesse nahmen 
die von der Geographischen Gesellschaft veranstalteten For- 
schungsreisen in die Polarwelt und die ihr angrenzende Region . 
‘in Anspruch, die erste nach Westsibirien 1876, ausgeführt von 
Dr. Finsch, Dr. A. Brehm und Graf Waldburg-Zeil, die 
zweite nach der Tschuktschen-Halbinsel und Nordwest-Amerika 
1882—83 von den Gebrüdern Professor Krause, die dritte 
nach Ost-Spitzbergen 1889 von Professor Kükenthal. Ja, in 
dem Vorwort zu dem grossen Werk über die deutsche Expedition 
nach Ostgrönland weist Hartlaub sogar auf die grossen Aufgaben 
hin, welche der deutschen Forschung am Südpole sich bieten, in- 
dem er dem künftigen glücklichen Entdecker ein preisendes Dichter- 
wort Petrarca’s zuruft.“ (Weser-Ztg. No. 19414. 1. Dec. 1900.) 

„In meinen Weserzeitungs-Recensionen und den „Deutschen 
Geographischen Blättern‘ habe ich seit Jahren für eine Südpol- 
Expedition plaidiert! Es ist dies ja ohne allen Zweifel, die 
letzte und allerinteressanteste Frage auf geographischem 
Gebiet, die überhaupt noch zu lösen ist! Bastian ist mir per- 
sönlich befreundet. — Mir scheint, es ist noch alles mehr in 
votis, als zur Action fertig. Die Sache kostet viel Geld, denn 
zwei Schiffe werden unbedingt nötig sein. Ich hoffe das im 
Kerguelenland ein schönes Exemplar von Ohionis minor erbeutet 
werden wird.“ (21. XI. 95.) 

„Auf Hartlaubs Vorschlag, fährt Lindeman fort, plante die 
Geographische Gesellschaft die naturwissenschaftliche Erforschung 


352 Paul Leverkühn: 


der früher von dem deutschen Ornithologen Kittlitz besuchten, 
noch wenig bekannten Bonin-Insel südlich von Japan, allein der 
Plan kam nicht zur Ausführung, da der in Tokio lebende 
deutsche Naturforscher, welcher sich anfänglich zur Lösung der 
Aufgabe bereit erklärt hatte, im letzten Augenblicke von dem 
Vorhaben zurücktrat.“ 

Nach äusseren Ehren strebte Hartiaub’s einfacher Sinn nicht. 
Wir können aber wertvollere wissenschaftliche aufzählen: er 
gehörte als Gründer seit dem Jahre 1851 der Deutschen Ornitho- 
logen Gesellschaft und seit 1867 dem Gründungs-Ausschuss der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft an, welche ihn im Jahre 
1870 in ihren Vorstand, 1875 in ihren Ausschuss und von 1883 
bis 1890 zu ihrem Präsidenten wählte. Die Zoologische Gesell- 
schaft in London nennt als einzigen Deutschen ihn ihr Foreign 
Member seit 1855, eine ganz besondere Auszeichnung; die British 
Ornithologist’s Union erwählte ihn 1860 zu ihrem Ehrenmitgliede; 
ebenso die schwesterliche A. O. U. in New York 1883. — 28 
Arten und ein Genus wurden ihm zu Ehren benannt von folgen- 
den Forschern: Bianconi, Barboza du Bocage, Bolle, Charles 
Lucien Bonaparte, Bruch, Cabanis, Cassin, Elliott, Finsch, Grandi- 
dier, G. R. Gray, Heuglin, Sir Jardine, Lafresnaye, Malherbe, 
Reichenow, Salvadori, Sclater, Sharpe und J. Verreaux. 

Im Naturwissenschaftlichen Verein zu Bremen gehörte er 
dem Vorstande vom 1. Juni 1877 an, den Vorsitz führte er vom 
1. April 1878 bis April 1887. Im Jahre 1888 beging er die 
seltene Feier seines 50 jährigen Doktorjubiläums, bei welcher 
Gelegenheit er von seinen Bremer Berufsgenossen einmütig be- 
grüsst und gefeiert wurde. Mit warmen Worten der Anerkennung 
für seine so vielseitigen Verdienste auf fast allen Gebieten der 
faunistischen Ornithologie gedachte seiner unlängst Herman 
Schalow!) in seiner schönen historiographischen Rede zur Er- 
öffnung der 50 jährigen Jubelfeier des Bestehens unserer Ge- 
sellschaft. 

Durch seinen intimen Verkehr mit den tonangebenden 
Forschern jenseits des Canals schlug er frühzeitig eine Brücke 
zwischen britischen und continentalen Vogelkundigen. Kamen 
Ornithologen zu ihm, so konnten sie auf einen freundlichen, 


1) Orn. Monatsber. VIII. 1900 p. 178. 179., J. f. O. XLIX. 1901. 
p. 14. 17. 23. Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 353 


aber zunächst reservierten Empfang rechnen. Man musste viele 
Bedingungen erfüllen, um vollends in die nähere Intimität zuge- 
lassen zu werden. Seine Exclusivität war eine wohlberechtigte 
und sogar äusserst wohlthätige Wenn der vielseitige, geist- 
sprühende alte Herr anhub, so erntete man immer. „Niemand 
ging von ihm mit leeren Händen; man brachte stets etwas 
Geistiges nach Hause“, schreibt einer seiner Neffen. Gerade die 
Vielseitigkeit der von ihm gepflegten Interessen war es, die den 
Verkehr mit ihm so anregend, erquicklich und genussreich machte. 
(Lindemann). Gross war seine Liebe für die Musik, und im 
Bremer Theater war er sicher in seiner abonnierten Prosceniums- 
Loge zu sehen, wenn klassische Opern gegeben wurden. Für 
Wagner schwärmte er, namentlich für Tannhäuser; der ersten 
Aufführung von Parsival wohnte er bei, als Wagner selbst vor 
dem Publikum erschien, und kehrte ganz hingerissen von dem 
weihevollen Eindruck heim. Auch die Hugenotten versäumte er 
nie. — Er hatte selbst früher eine schöne Baritonstimme und 
sang als junger Mann viel. — 

| Seine Belesenheit auf allen Gebieten des Schönen und 
Edlen war eine universelle und internationale. Französisch und 
Englisch war ihm völlig der Muttersprache gleich geläufig. Am 
liebsten vertiefte er sich aber in den einen Meister, dem er in 
den späteren Lebensjahren namentlich sich ganz hingab: Goethe. 
Ein eifriges Mitglied der Weimarer Goethegesellschaft, zu deren 
Gründern er gehörte, verfolgte er die Goetheforschung von Schritt 
zu Schritt. Er lebte mit und in Goethe. Nur einige Briefcitate 
mögen hier zur Vervollständigung des Bildes in dieser Richtung 
Platz finden: 

„Was mich und mein geistiges Bedürfnis zur Zeit betrifft, 
so bleiben zwar die Worte des englischen Dichters William 
Wordsworth!) bei mir in voller Geltung: 

Und Gott fleh’ ich um eines an: 
Dass nie der Mutter, der Natur 
Den Eid ich breche, den ich früh ihr schwur. 

Daneben bin ich aber tiefer als je befangen in dem Bann, 
der von Goethe’s Zauberkreise ausstrahlt. -- Lernen sie Victor 
Hehn’s „Gedanken über Goethe“ kennen, wenn sie einmal das 
Bedürfnis fühlen, etwas hinauszugelangen über das rein empi- 


1) geb. 7. IV. 1770. gest. 23. IV. 1850. Lev. 
Journ, f, Orn,. XLIX, Jahrg. Juli 1%1, 24 


354 Paul Leverkühn: 


rische.“ (— Oct. 94.) „Ich kann Ihnen auch das im vergangenen 
Jahre bei Cotta erschienene Buch Hehn’s: über Goethe’s 
Herman und Dorothea als ersten Ranges empfehlen. Immer 
vorausgesetzt, dass Sie sich überhaupt für Goethe warm und voll 
enthusiasmieren können. In diesem letzteren Falle nenne ich 
Ihnen noch als Goethebücher vortrefflichster Art: Dr. O. 
Harnack, Goethe in der Epoche seiner Vollendung, Leipzig 1887 
und: Goethe in den Hauptzügen seines Lebens und Wirkens von 
Adolf Schoell Berlin 1882. Beide Bücher sind ernste, um nicht 
zu sagen schwere Lektüre. Aber es lohnt sich die darauf ver- 
wendete Zeit und Mühe.“ (27. Oct. 94.) „Ich nähre nach wie vor 
meinen Geist hauptsächlich von Goethe. Und kann Ihnen nur 
raten, dasselbe zu thun. Man steht sich gut dabei. — 

Sehr gut, dass der preussische Minister Graf Posadowsky 
die den Kindern Brod austeilende Lotte für eine Schiller’sche 
Gestalt gehalten hat.“ (18. V. 96.) „Zählte ich mich nicht längst 
zu den Immobilien, ginge ich zur Goethe-Feier nach Weimar: 
lebe ich doch eigentlich nur noch in Goethe. Welch ein 
Mensch!!!“ (13. VIII. 1899.) Sie wissen, dass Duentzer, bei 
den höchstwertigen Goethe-Forschern, wie v. Loeper und Erich 
Schmidt, viel Anfeindung erlitten hat. Wohl zum Teil nicht mit 
Unrecht. Aber nichtsdestoweniger halte ich das viele auf dem 
Gebiete der Goethe-Forschung von ihm geleistete für höchst ver- 
dienstlich. So z. B. die kleine Schrift über Friederike von Se- 
senheim ; auch den Aufsatz Goethe und Napoleon.“ (Nov. 99.) 

„Lieber Freund!!) 

Für die abermalige Sendung interessanter Göthiana sage 
ich Ihnen meinen wärmsten Dank. Merkwürdig, dass der ur- 
alte, ganz erblindete Heinr. Duentzer in Köln noch so schreiben 
kann! Sein „Bei Goethe zu Gaste‘“‘ gegen Gaederz gerichtetes 
Schriftstück hat mich eigentlich zumeist angesprochen. Hoffent- 
lich gehts Ihnen besser wie mir — einfach bergab in tempo 
cresceendo — nichts quälender als diese Dyspnoe! Hier das 


1) Aus dem anfänglichen ,„Geehrter Herr“ wurde im Laufe der 
Jahre das bis zum Schluss andauernde „Lieber Freund“, auf welches 
Beiwort der Briefempfänger mit Recht stolz war. Als Student machte 
ich von Kiel oder Hannover aus Abstecher nach Bremen; während meines 
Aufenthaltes in Südost-Europa versäumte ich keine Reise nach Nord- 
deutschland, ohne dem alten Herrn einen Besuch abzustatten, stets auf 
das freundlichste, ja herzlichste empfangen. Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 355 


Wetter noch leidlich. Wollen bald wieder in die Stadt. Noch 
immer keine Separata! — Herzlichen Gruss von Ihrem G. Hart- 
laub.“ (Aumund 29. IX. 1900.) 

In diesem Briefe, einem der letzten, die ich empfing, klingt 
die wehmütige Klage über das Älterwerden durch, welches schwer 
auf dem stark am Leben hangenden und bis an sein Ende rüsti- 
gen Manne lastete. Seine geistigen Kräfte, sein fabelhaftes Namen- 
und Speciesgedächtnis blieben bis zur letzten Stunde unver- 
ändert frisch. Die Äusserungen de senectute, welche oft in 
der Correspondenz sich einstellen, athmen nur teilweise den Geist 
Cato major’s. Eine kleine Auslese möge hier Platz finden: 

„Das Greisentum ist überhaupt die scheusslichste aller 
Krankheiten.“ (10. V. 90.) „Sie sind jung und ahnen nicht, wie 
hundeelend einen das Bewusstsein des crescendo im Älterwerden 
macht! Ja, ja die molesta senectus die ist's. Denken sie an 
das: „Wer immer strebend sich bemüht‘ Goethe’s.“ (4. I. 92.) 
„Sehr rühmen kann ich mein Befinden zur Zeit nicht. Das 
allerdings mit meinem Alter ganz naturgemäss verbundene 
„Bergab“ macht sich mir sehr bemerklich.“ (8. VII 92.) „Wenn 
ich Hexenschuss oder das sehr unangenehme Podagra habe, 
verliere ich jedes Anrecht auf den Namen: Mensch.“ (26. XI. 93.) 
„Was mich persönlich betrifft, so halte ich noch leidlich gut zu- 
sammen und klage nicht, wenn mich die Gicht zufrieden lässt. 
Mit dem Alter ist nicht zu spassen. Lasen Sie Cicero de senec- 
tute? Ich trage schwer an demselben und finde die Bezeichnung 
des Euripides kaum übertrieben, der vom Alter schreibt, es sei: 
Aitvos oxoneiwv Bagvregov.“ (27. X. 94.) „In immer rascherem 
Tempo geht es den Berg hinunter. Natürlich! — Man wird auf 
meiner Lebensstufe wenn auch nicht gerade lebenssatt, so doch 
gedankenmüde durch die unerbittliche Realität des Lebens. 
Schopenhauer sagt einmal treffend genug: Im Alter geizt man 
mit der Zeit. Es geht uns da, wie einem, der in den Geld- 
sack greift und schon den Boden sieht. Na, genug der Klagen 
und tapfer weiter, so lange es noch währen soll. — Ich lese 
allerlei: „My library my Kingdom large enough.“ (13. VIIL 96). 
„Bei mir geht es nun holter die polter den Berg hinunter. Ich 
fühle mit Goethe, dass auf dieser Alterstufe die grösste Ruhe 
und Gleichförmigkeit des Daseins das einzig Richtige ist. 
Die beiden Bände von Herman Grimm, Commentar zur llias, 
sind zur Zeit für mich eine Art von pabulum vitae; exquisites 

24* 


356 Paul Leverkühn: 


Vergnügen, geistiger Hochgenuss und unschätzbare Belehrung — 
das ist es, was mir diese Lektüre gewährt. Und, lieber Freund, 
„Homeride zu sein, wenn auch nur letzter, ist schön“, sagt Goethe.“ 
(3. IX. 96.) ‚Meine an sich ungeduldige Natur wird durch 
Krankheit stets auf die härteste Probe gestellt. Krankheit ist 
und bleibt grässlich, mag man sich darüber hinweg philosophieren, 
so gut man’s auch kann.“ (22. XI. 96.) „Mein Befinden lässt 
sehr zu wünschen übrig.“ (23. V. 97.) 

Um diese Zeit unterschrieb er seine Briefe als „Senex sili- 
cernius“ und „alter Melancholicus“. 

„Ich schleppe mich so hin — danke Gott, dass ich noch 
sehen und hören kann, und finde Trost bei guten Büchern.“ — 
(Juli 1900.) „Mein Befinden ist das denkbar schlechteste; die 
qualvollste Dyspnoe Tag und Nacht. Ursache: Emphysem. All- 
zulange kann es ja nicht mehr dauern; es ist ein Trost, wenn 
auch ein melancholischer.“ (10. X. 1900.) Letzte Postkarte. 

Am 20. November!) trat die Erlösung ein, nachdem er nur 
4 Tage lang das Bett gehütet hatte; immer halb schlummernd, 
nie klagend und dann endlich still ohne Kampf erlöschend. 
Kein Leidenszug entstellte seine edlen Züge. Auf seinem Grab- 
mal wird man jenes Wort der Heiligen Schrift lesen, das Goethe 
in Eckermann’s Stammbuch schrieb: Es geht vorüber, ehe ich’s 
gewahr wurde und verwandelt sich, eh’ ich’s merke. 

Hartlaub hatte darunterin einem seiner Excerptbücher gesetzt: 

‚‚Ja, wer das an sich erführe .... aber das erfährt 
wohl nur einer, ders verdient. —“?) 

1) Meyer’s Conversations-Lexicon (5. Aufl.) liess ihn schon im 
Oktober 1894 gestorben sein! Lev. 


2) Merkwürdigerweise hat hier Goethe den Text der Bibel wesent- 
lich und mit ganz anderem Sinne geändert, denn es heisst Hiob 9, 11 
also: Siehe, er [Gott] gehet vor mir über, ehe ich es gewahr wurde; 
und verwandelt sich ehe ich es merke. — (Gespräche mit Goethe in den 
letzten Jahren seines Lebens. Von Johann Peter Eckermann. — Fünfte 
Auflage zweiter Teile B. Z. Leipzig Brockhaus 1883 S. 139. Weimar, 
Mittwoch den 21. April 1830. „Ich nahm heute Abschied von Goethe, 
indem die Abreise nach Italien .... bestimmt war .... Als ich 
ging, schenkte er mir ein Stammbuch, worin er sich mit folgenden 
Worten eingeschrieben: 
Es geht vorüber, eh’ ichs gewahr wurde, 
Und verwandelt sich eh’ ich’s merke. Hiob. 
Den Reisenden 
Goethe“, Lev. 


Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 357 


Hartlaub war glücklich verheiratet und erfreute sich innigst 
am Familienleben, für das er vielen Sinn hegte. Seine Frau, 
geb. Stachow, ging ihm im Tode am 28. III. 1900 voraus. „Die 
Zeit war für mich die denkbar traurigste, da es in Gottes Rat- 
schluss bestimmt war, meine heissgeliebte Frau fort von meiner 
Seite zu nehmen; nach einer glücklichen, ich kann wohl sagen 
ungetrübt glücklichen Ehe von 56 Jahren. Gott sei Dank, dass 
vortreffliche Töchter mir zur Seite stehen und tragen ‘helfen, 
was uns auferlegt ist.“ (4. III. 1900). Einer seiner Söhne, 
Clemens, erbte die Liebe zur Naturwissenschaft und waltet als 
Professor der Zoologie heute in der kgl. preuss. Station für 
Biologie auf Helgoland. — 

Es erübrigt, auf die reiche litterarische Thätigkeit des 
Ornithologen einen Blick zu werfen. Ein Schriftenverzeichnis 
liess er 1894 als Manuscript bei A. Guthe in Bremen drucken 
(8Y°- 24 Seiten). Dasselbe ist in 7 Gruppen geteilt; 

l. Allgemeiner Inhalt, II. America, III. Afrika, IV. Mada- 
gascar und die benachbarten Inselgruppen. Lemuria, V. Austra- 
lien und Polynesien, VI. Asien und Europa, VII. Specielles.. Es 
umfasst 177 Nummern. Dann folgen die Namen der Vögel, 
welche seinen Namen tragen. Den meisten der Titel hat er 
kurze Bemerkungen über den Inhalt, die Anzahl der behandelten 
Arten u. dergl. zugesetzt, wodurch die leider nur in wenigen 
(50) Exemplaren gedruckte Liste besonders wertvoll wird. Er schrieb 
in deutscher, französischer und englischer Sprache und gab 
manches in Verbindung mit anderen Gelehrten heraus, nament- 
lich mit dem treuen Freunde Finsch, ausserdem mit Moritz 
Lindemann. Seit Abschluss der 1894er Liste publizierte er 
folgende Arbeiten: 

No. 178. 1894. Schriftenverzeichnis von Dr. G. H. — Als Manu- 

script gedruckt. — Bremen, A. Guthe. 8vo. 24 p. 

179. 1895. Ein Beitrag zur Geschichte der ausgestorbenen 
Vögel der Neuzeit, sowie derjenigen, deren 
Fortbestehen bedroht erscheint. (Abhandl. 
naturwiss. Ver. Bremen XIV. 1. p. 1—43). 

180. 1896. Dasselbe. Zweite (vermehrte) Ausgabe, als 
Manuscript gedruckt. 64 S. 

181. 1897. Ein dritter Beitrag zur Ornithologie Chinas. 
(Abhandl. naturw. Ver. Bremen XIV. 3. p. 341 
—383 pl. I, I). 


358 


182. 


183. 


Paul Leverkühn : 


1899. Zwei Beiträge zur Ornithologie Asiens. (Eben- 
da XVI. 2. p. 243— 273). 
1900. Aus den Zentralkarpathen. Näheres siehe oben. 


Folgende Arbeiten befinden sich in dem Schriftenver- 
zeichnis nicht: 


184. 


185. 


1852. Zur geographischen Verbreitung der Gattung 
Turacus, Cuv. (Wiegmann’s Archiv für Natur- 
geschichte p. 18—21). 

1874. Die Glanzstaare Afrika’s. (Abh. naturwiss. 
Ver. Bremen IV. 2. p. 35—98). 


Von Besprechungen in der Weser-Zeitung sind mir die 
folgenden, durch (G. H.) bezeichneten bekannt: 


186. 


187. 


188. 


189. 
190. 


191. 
192. 


193. 


194. 


195. 


196. 


197. 


198. 


Bastian, Ethnologische Forschungen und Sammlung 
von Material für dieselben. I. Band. — (Weser- 
Zeitung im folgenden mit W. Z. abgekürzt, 22. Juni 
1872. 5 Spalten). 

Das Buch von der deutschen Nordfahrt. (W. 2.9. 
II. 1873. 8 Spalten). 

Bastian, Schöpfung oder Entstehung. (W. Z. 18. IV. 
1875. 3 Spalten). 

Oscar Peschel, Nachruf. (W. 2.7. X. 1875. 4 Spalten). 
Stanley, through the dark continent. (W. Z. 28. VIL 
1878. 'A.Sp. — 4. VII, 1878. 6 Sp.). 

Madagascar. — (W. Z. 31. 1. 1879. 5 Sp.). 

Bastian, die heilige Sage der Polynesier. (W. Z. 20. 
Ill. 1881.22 Sp,). 

Bastian, die Vorgeschichte der Ethnologie. Eine neue 
Schrift von Bastian. (Deutsche Geograph. Blätter 
1881, Heft III. 2 Sp.). 

Bastian, In Sachen des Spiritismusund einer naturwissen- 
schaftlichen Psychologie. — (W.Z. 21. XI. 1881. 2 Sp.). 
Bastian, Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissen- 
schaft vom Menschen. (W. Z. 23. XI. 1881. 4 Sp.). 
Bastian, Inselgruppen in Ozeanien. — Völkerstämme 
am Brahmaputra und verwandschaftliche Nachbarn. 
(WE 2.30. X. 1881. 9275p)). 

Tylor, Anthropology: an introduction to the study of 
man and civilisation. (W. Z. 7. II. 1882. 5 Sp.). 

A. & K. Müller, Tiere der Heimat. (W. 2. 14. I. 
1883. 1 Sp.). 


Paul Leverkühn: Zur Erinnerung an Dr. Gustav Hartlaub. 359 


199. 


200. 


201. 


202. 


203. 


204 — 206. 


207. 


Walfischausstellung. (W. Z. 5. X. 1884. 3 Sp., 19. 
X. 1884 (Sirenen). 3 Sp.). 

Bastian, Allgemeine Grundzüge der Ethnologie. (W. 
Z2..15.0Xx1, 1884 2, Sp.). 

Bastian, Die Seele indischer und hellenischer Philo- 
sophie. (W. Z. 26. II. 1886. 4 Sp.). 

Bastian, Indonesien oder die Inseln des malajischen 
Archipels. (W. Z. 14. XII. 1886. 2 Sp.). 

Bastian, die Welt in ihren Spiegelungen unter dem 
Wandel des Völkerlebens. Prolegomena zu einer 
Gedankenstatistik. (W. Z. 11. XH. 1887. 2 Sp.). 
Lindemann, Deutsche Geographische Blätter. Band 
xl 2. (W. 2. 15. VI. 1888. 1 Sp.). Dasselbe, Band 
XH. 1. (W. Z. 12. Ill. 1889. 1 Sp.). Dasselbe, Band 
XII. 1. 2. (W. Z. 3. IV. 1890. 3 Sp.) 

Tring. (W. Z. 8. XII. 1893. 4 Sp.). 


Ich schliesse diese Worte des Gedenkens, welche bewun- 
dernde Verehrung und liebevolle Hochachtung dictiert haben, 
mit einem Lieblingsvers des grossen Ornithologen, den er in 
rührender Selbstironie in seinem Todesjahre für mich aufzeichnete: 


Gieb mir die Zeit zurück, wo die Gedanken 
Wie zügellose Rosse vorwärts stürmten, 

Vom Glücksgefühl gespornt die jungen Flanken; 
Wo meine Stirn in friedlich heiterm Glanz 

Den Sonnenschein des Hoffens wiederspiegelnd 
Nichts drückte als der Kindheit Blumenkranz. 


Sofia, Palais, 30. März 1901. 


- 


(25. I. 1900). 


360 


Einige Bemerkungen über Kasuare. 
Von Dr. W. v. Rothschild. 


Herr Paul Matschie hat im Aprilheft dieses Journals 
eine kleine Übersicht der Kasuare geliefert, welche durch meine 
Monographie hervorgerufen wurde. Ich fühle mich veranlasst, da- 
rauf kurz zu erwidern, weil mehrere Punkte darin nicht mit meinen 
Ansichten übereinstimmen, und ebenso weil seit der Publikation 
meiner Monographie mehrere noch nicht bekannte Thatsachen 
entdeckt worden sind. 

Matschie betont, dass es ihm folgerichtiger erscheint, nur 
eine Stammart, Casuarius casuarius, in der Gruppe der Zwei- 
lapp-Kasuare anzuerkennen und Casuarius bicarunculatus nur 
als eine geographische Abart davon zu trennen. Hierin kann 
ich nicht mit ihm übereinstimmen, da ich ziemlich sichere Nach- 
richt besitze, das auf derselben Insel, wo Cas. bicarunculatus 
lebt, ein zweiter Zweilapp-Kasuar vorkommt, sei es ©. intensus 
oder C. beccarü. Seit dem Erscheinen meiner Monographie habe 
ich von Herrn Heinrich Kühn von der Insel Trangan folgende 
Exemplare erhalten: einen Balg eines fast ausgefärbten alten 
Kasuar, 2 Bälge von Dunenjungen und mehrere Eier. Mit diesem 
Material sandte der erwähnte Sammler eine sorgfältig angefertigte 
Skizze der Nacktteile des alten Kasuares, die zweifellos beweist, 
dass der auf Trangan lebende Kasuar wirklich ©. viokicollis ist, 
wie ich früher vermutet hatte. 

Herr Matschie hat augenscheinlich meinen Artikel über 
©. c. salvadorii nicht zu Ende gelesen. Ich sagte ausdrücklich, 
dass C. salvadorii mit Sicherheit nur aus den 2 typischen Bälgen 
bekannt ist und ich als zu dieser Rasse gehörend nur zeitweilig 
gewisse lebende Kasuare aus Neuguinea ansah, die ich sonst 
nicht in der Klassifikation unterbringen konnte. Ich möchte aber 
besonders hervorheben, dass der Typus von C. salvadorii einen 
ganz niedrigen Helm besitzt und überhaupt gewissermassen ver- 
schieden ist von dem, der von Salvadori abgebildet wurde. 
Dieser Vogel diente Sclater als Typus für seinen Casuarius alti- 
jugus. Diese beiden Bälge stammen aus der Ausbeute von 
Laglaize und wurden wie die meisten von seinen Sachen von 
den Eingebornen gekauft. Es scheint mir daher nicht ganz un- 
möglich, dass der zweite Kasuar wirklich von C. salvadorii ver- 


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Einige Bemerkungen über Kasuare. 361 


schieden ist. In diesem Falle würde er wahrscheinlich mit meinem 
O. intensus identisch sein, der dann als Casuarius casuarius altijugus 
Scelat. bezeichnet werden müsste. Dass C. tricarunculatus eine 
Monstrosität ist, beweist die Thatsache, dass ich von C. sclateri 
2 junge Vögel lebendig erhielt, wovon der eine einen einzigen 
grossen Lappen hatte, während der andere 3 deutliche, ganz 
getrennte Karunkeln besass. Von der Form, die ich zeitweilig 
mit ©. salvadorii identificierte, habe ich mehrere Stücke gehabt, 
lebendig und in Bälgen, die einen, zwei oder mehrere anormale 
Lappen am Vorderhalse trugen. Ich muss gestehen, dass Herr 
Matschie meiner Meinung nach nicht genügende Gründe hat, wenn er 
den Oasuarius philipi als subspecies zu ©. unappendiculatus zieht. 
Meine Argumente, ©. philips als gute Art zu betrachten, sind 
zweierlei. Erstens habe ich jetzt mehr als eine Vermutung, dass 
er zusammen mit ©. «. oceipitalis auf der Insel Jobi zu Hause 
ist; zweitens ist der Vogel jetzt gestorben und der Knochenbau sowie 
die innere Gestalt zeigen sehr abweichende Charaktere und in 
einzelnen Teilen ganz riesenhafte Dimensionen. Seit der Publikation 
- der Monographie habe ich zwei echte und ganz typische Casuarius 
unappendiculatus Blyth lebend erhalten und hatte schon erkannt, 
dass das abgebildete Tier einer neuen Form angehört. Indem 
ich Herrn Matschie vielmals danke für die Ehre, die er mir er- 
wiesen hat, indem er diese Form nach mir benennt, will ich nur 
noch hinzufügen, dass dann wohl Casuarius unappendiculatus typicus 
auf die Insel Salwatti beschränkt zu sein scheint, während ©. un- 
appendiculatus rothschildi die Form der Berau Halbinsel sein dürfte. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longehamps. 


+ 


Nachruf von Rudolf Blasius. 


Am 11. Dezember 1900 starb zu Lüttich im 88. Jahre der 
Nestor der belgischen Ornithologen, Michel-Edmond de Selys- 
Longehamps. 

Derselbe wurde am 25. Mai 1813 zu Paris geboren, wo sein 
Vater, Baron Michel Laurent de Selys-Longchamps, sich zu 
parlamentarischen Geschäften aufhielt. Er gehörte einer alten 
aristokratischen Familie an, die aus Maestricht stammt und als 
Urahn den Baron Michel de Selys, gestorben um das Jahr 1622, 


362 Rudolf Blasius: 


aufführt. Die eine von diesem abstammende Linie nahm den Zu- 
namen Longchamps an nach einem kleinen Dorfe Longchamps- 
sur-Geer, nahe bei Waremmes, 15 Kilometer westlich von Lüttich, 
wo sie grossen Grundbesitz, einen prachtvollen Park und ein 
prächtiges Schloss besass. 

Hier verlebte der Vorstorbene seine Jugend, indem Haus- 
lehrer seine Erziehung leiteten. Eine Schule besuchte er niemals, 
sondern studierte nur als Jüngling auf der Universität Lüttich. 

Schon von frühester Jugend an zeigte er besondere Neigung 
zu den Naturwissenschaften, namentlich zur Ornithologie und 
Insektenkunde. Seine erste wissenschaftliche Arbeit überreichte 
er im Alter von noch nicht 16 Jahren am 5. Mai 1829 der 
Societe des Sciences naturelles de Liege und wurde als ordentliches 
Mitglied derselben (der späteren Societ&e royale des Sciences de 
Liege) aufgenommen. Mit 18 Jahren machte er 1831 seine erste 
naturwissenschaftliche Publication, indem er im Dictionnaire geo- 
graphique, herausgegeben von P. van der Maelen, die Vögel und 
Insekten der Provinz von Lüttich bearbeitete. 

Im Jahre 1838 verheiratete er sich mit Sophie Caroline, 
der Tochter von d’Omalius d’Halloy, dem berühmten belgischen 
Geologen. Seit 1869 war er Wittwer und hinterliess bei seinem 
Tode Kinder, Grosskinder und Urgrosskinder. 

Immer hat sich der Verstorbene in regster Weise für das 
öffentliche Leben interessiert. 1848 wurde er zum Mitgliede des 
Gemeinderates von Waremme gewählt und blieb es 58 Jahre 
lang bis zu seinem Tode. Von 1846—48 war er Provinzialrat 
desselben Kantons, am 13. Juni 1848 wurde er in das Ab- 
geordneten-Haus gewählt für Waremme und am 13. Februar 
1855 für dasselbe Arrondissement für den Senat. Mitglied des 
Senates war er bis 1900, seine Gesundheit erlaubte es ihm nicht, 
eine Wiederwahl anzunehmen; 1879 wurde er zum Vicepräsidenten 
und 1880 zum Präsidenten des Senates ernannt und blieb in 
dieser Stellung bis 1884. Viele Jahre lang war er der Führer 
der liberalen, antiklerikalen Partei in Belgien. 

Bis zu seinem Tode hin war er geistig thätig, in wissen- 
schaftlicher und politischer Beziehung. Alle bewunderten wir 
bei Gelegenheit des III. internationalen Ornithologen-Kongresses zu 
Paris, zu dessen Ehrenpräsidenten er gewählt war, im Juni v. J. 
seine Unermüdlichkeit, den Sitzungen und Festen beizuwohnen 
und sich in dem Trubel der Weltausstellung zu bewegen. Wie mir 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longcehamps. 363 


der jüngere Sohn Walter mitteilt, kam er ziemlich erschöpft von 
seiner Pariser Reise zurück. Ein bösartiges Unterleibsleiden ver- 
schlimmerte sich zunehmend und zwang den Verstorbenen, sehr 
gegen seinen Willen, seine Lebensgewohnheit — immer wieder und 
wieder zu arbeiten — zu ändern. Physisch litt er weniger als mora- 
lisch, da er mehr oder weniger auf Arbeit verzichten musste und 
nicht mehr an den Sitzungen der belgischen Akademie der Wissen- 
schaften Teil nehmen konnte. Am 4. Dezember verliess er seinen 
Landsitz in Longchamps und siedelte nach Lüttich über, um sich 
dort bequemer pflegen lassen zu können. Sein Zustand ver- 
schlimmerte sich sehr rasch, am 8. Dezember konnte er noch 
das Schlafzimmer verlassen, um im Esszimmer sein Dejeuner zu 
nehmen. Lebhaft interessierte er sich noch für die Neuwahl eines 
Mitgliedes der Academie de Bruxelles und bedauerte noch am 
Sonnabend, 8. Dezember, nicht daran Teil nehmen zu können. 
Montag trat ein soporöser Zustand ein, die Besinnung war ge- 
schwunden und Dienstag, 11. Dezember Morgens 6 Uhr erlöste 
ein sanfter Tod den Kranken von seinem unheilbaren Leiden. 
— Am Freitag, 14. December fand die Leichenfeier mit allem 
äusseren Pomp statt, wie er dem früheren Präsidenten des Senates 
und Inhaber des Grosskreuzes des Leopold-Ordens zukam. Die 
ganze Garnison, 2 Linien-Infanterie-Regimenter, die 2. Lancier’s, 
eine Abtheilung Genie- Truppen, unter dem Kommando von 
Generalleutnant Daelman, Vertreter des Ministeriums, des Se- 
nates, des Abgeordnetenhauses, Provinz- und städtische Beamte, 
Mitglieder der belgischen Akademie der Wissenschaften und vieler 
anderer gelehrten Gesellschaften, zahlreiche Herren des belgischen 
Adels, viele Offiziere und andere hervorragende Persönlichkeiten 
hatten sich ausser den nächsten Verwandten im Trauerhause, 
Boulevard de la Sauveniere 36, eingefunden. Sieben Reden 
wurden dort gehalten; es sprachen: der Präsident des Senats, 
Emile Dupont, Generalleutnant von Tilly, stellvertretender 
Direktor der Klasse der Wissenschaften der belgischen Akademie, 
van Marcke, Präsident der Association liberale de Liege, Favier 
Neujean, Deputirter und Präsident der Federation liberale de 
Belgique, Auguste Lameere, Präsident der Societe entomo- 
logique de Belgique, Alfred Cogniaux, Präsident der Societe 
royale de botanique de Belgique und Gravis, Professor an der 
Universität im Namen der Societe royale des Sciences de Liege. 
Der Leichenzug bewegte sich nach Abgabe einer Ehrensalve 


364 Rudolf Blasıus: 


seitens des Militärs zunächst nach Ste-Croix, wo die kirchliche 
Feier stattfand, darauf nach dem Bahnhofe des Guillemins, von 
wo nach einer zweiten Ehrensalve der Zug sich um 3 Uhr nach 
Waremme in Bewegung setzte, begleitet von den Familienmit- 
gliedern und vom Gemeinderat von Waremme unter Führung 
seines Bürgermeisters. In der Nacht war der Sarg in der 
Kirche aufgebahrt und wurde dann am 15. Dezember nach dem 
vom Verstorbenen der Gemeinde Waremme vor 50 Jahren ge- 
schenktem Kirchhofe in das Mausoleum der Familie Selys-Long- 
champs übergeführt. 3 Redner sprachen noch auf dem Kirch- 
hofe 1’Honeux, Senator von Huy-Waremme, Leon Naveau, 
Provinzialrat und Lejeune, Bürgermeister von Waremme. 
Ehrende Nachrufe wurden dem Verstorbenen noch in der Sitzung 
des Abgeordnetenhauses am 13. Dezember und in der Sitzung 
des Senates am 20. Dezember seitens .der Präsidenten beider 
Versammlungen gewidmet. 

So ruht er nun im Kreise seiner Ahnen, geachtet von allen 
Seiten durch die Vertretungen seines engeren Vaterlandes, durch 
die Vertreter der Wissenschaft, der Provinz, der Gemeinde, ge- 
schätzt wegen seiner persönlichen, politischen und wissenschaftlichen 
Eigenschaften, ein Vorbild für jeden seiner Mitbürger. Aber 
nicht bloss in seinem engeren Vaterlande, nein, in der ganzen 
eivilisierten Welt leuchtet Edmond de Selys-Longchamps hervor 
durch die Zeugnisse seiner wissenschaftlichen Bestrebungen und 
Arbeiten. In seinen zahlreichen Veröffentlichungen auf natur- 
wissenschaftlichem Gebiete (am Schlusse ist ein Verzeichnis 
derselben angefügt!) hat er selbst sich ein Denkmal gesetzt, 
aere perennius, das nie vergessen sein wird, so lange der Mensch 
seiner Kulturaufgabe, die Wissenschaften zu pflegen und durch 
emsige Geistesarbeit weiter auszubilden, nachkommen wird. 

Der Verstorbene war in vielen Gebieten der beschreibenden 
Naturwissenschaften thätig, zuerst wohl interessierten ihn am 
meisten die Vögel. Einer seiner wissenschaftlichen Freunde, 
speciell auf dem Gebiete der Insektenkunde, Rob. Mac Lachlan, 
schreibt in einem schönen Nachrufe, dass der Verstorbene ihm 
ein kleines Buch der belgischen Vögel zeigte, das er mit selbst 
colorierten Abbildungen der einzelnen Arten geschmückt hatte, 
ehe er 16 Jahre alt war; mehrere sehr schöne Arbeiten 
lieferte er über die kleineren Säugetiere Belgien’s, so schrieb 
er über die Feldmäuse und Spitzmäuse, Arbeiten, die ihn schon 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 365 


in den 40er Jahren mit meinem verstorbenen Vater in wissen- 
schaftliche Verbindung brachten; lieferte verschiedene Publicationen 
über Fische, z. B. über die Fortpflanzung der Aale und die 
Süsswasserfische Belgiens, beschäftigte sich mit den Crusta- 
ceen seines engeren Vaterlandes; — ganz besonders interessierten 
ihn aber von frühester Jugend an die Insekten und unter diesen 
besonders die sogenannten „Wasserjungfern“, die Libbel- 
lulidae. Man kann nach Calvaire (Nekrolog von Selys-Long- 
champs in Entomological News, February 1901) seine Arbeiten 
auf diesem Gebiete (im Ganzen 115 einzelne Abhandlungen) in 
3 zum Theil auch chronologisch gekennzeichnete Gruppen ein- 
teilen. Die erste Gruppe umfasst fast ausschliesslich euro- 
päische Arten, erstreckt sich auf die Zeit von 1831 bis 1851 
und gipfelt in dem Hauptwerke, Monographie des Libellulidees 
d’Europe, Paris, 1840; die zweite Gruppe betrifft eine mono- 
graphische Revision der Ödonaten der ganzen Erde, der „Calo- 
pterygines, Gomphines, Agrionines, Cordulines, Aeschnines“, Ar- 
beiten von 1853—1886 ; die dritte Gruppe erstreckt sich auf 
faunistische Arbeiten, von 1857 bis 1891 hin; für Belgien und 
Europa, aber auch für viele aussereuropäische Länder, wie Neu- 
Guinea, Philippinen, Japan, die paläarktische Region, Klein-Asien, 
Sumatra, Kirgisen-Steppe, Burma u. a. — 

Aber nicht nur die Tierwelt veranlasste ihn zu wissenschaft- 
licher Forschung. Besonderes Interesse hatte er für die Pflanzen. 
Seit dem Bestehen der Societe royale de Botanique de Belgique, 
seit 40 Jahren war er Mitglied derselben, wohnte den Sitzungen 
eifrig bei, beteiligte sich an den botanischen Excursionen und 
veröffentlichte mehrere Arbeiten im Bulletin der Gesellschaft. 
Besondere Aufmerksamkeit widmete er den meteorologischen 
Erscheinungen, so verdanken wir ihm eine Arbeit über das am 
25. Juni 1863 in Waremme beobachtete Gewitter, über den Schnee- 
fall am 19. Juni 1869 im Luxemburgischen u. a. 

Diese Vielseitigkeit der wissenschaftlichen Anschauungen 
brachte den Verstorbenen schon früh auf den Gedanken, die 
Gesetze zu erforschen, nach denen die Wanderungen der Vögel 
vor sich gehen, festzustellen, wie die klimatischen Verhältnisse, 
das Wachstum der Pflanzenwelt die biologischen Erscheinungen 
in der Vogelwelt beeinflussen. Diese Richtung der Arbeiten 
Selys-Longchamps’s war es, die mich zuerst mit ihm in briefliche 
wissenschaftliche Verbindung brachte. Als die deutsche ornitho- 


366 Rudolf Blasius: 


logische Gesellschaft auf Anregung von Professor A. Reichenow 
ein Netz von ornithologischen Beobachtungsstationen über Deutsch- 
land einzurichten bestrebt war und ich mich Jahre lang, später 
auch Namens des permanenten ornithologischen internationalen 
Comite’s für die ganze Erde dieser Angelegenheit besonders 
widmete und die deutschen Jahresberichte im Journal für 
ÖOrnithologie von 1879 an redigierte und viele andere ausser- 
deutsche in der „Ornis“ zur Veröffentlichung brachte, lag mir 
namentlich daran, ausser dem berühmten Sibirienreisenden A. von 
Middendorff, der in seinen Isepiptesen eine methodische Zugbe- 
obachtung der Vögel angeregt hatte, den Verstorbenen um seinen 
sachverständigen Rat zu bitten. Schon 1842 stellte er einen 
Plan auf zu jährlichen Beobachtungen über die periodischen 
Erscheinungen in der Vogelwelt, veröffentlichte dann mit verschie- 
denen Mitarbeitern zusammen von 1843 bis 1854 an jährlich 
zoologische Beobachtungen über periodische Erscheinungen in 
der Tier- und Pflanzenwelt, ebenso erschien eine besondere Arbeit 
über die Wanderungen der Vögel von 1841—1846 in Belgien und 
ein zoologischer Kalender von Belgien 1851. Einzelne Vogelarten 
interessierten ihn durch ihre Wanderungen ganz besonders, so der 
Tannenheher (Nucifraga caryocatactes), das Steppenhuhn 
(Syrrhaptes paradoxus) und der Bienenfresser (Merops apiaster). 
Wir verdanken dem Verstorbenen hierüber sehr schöne Special- 
arbeiten. Auf dem zweiten internationalen ornithologischen Con- 
gresse zu Budapest hatte er das Referat über Wanderungen der 
Vögel übernommen. Ähnlich wie bei Gätke, finden wir auch bei 
Selys Longchamps, dass er sich für die Wanderungen der Insekten 
interessierte, z.B. eine schöne Arbeit über die Insektenwanderungen 
auf Helgoland 1858 veröffentlichte. — Aber nicht bloss auf der- 
artige biologische phänomenologische Arbeiten beschränkte er 
sich. Schon 1843 versuchte er die Nomenclatur auf sichere feste 
Grundlagen zu stellen, eine Reihe systematischer Arbeiten 
besitzen wir von ihm, 1879 schrieb er eine grosse vortreffliche 
Arbeit über die Classification der Vögel seit Linne, namentlich 
mit den Familien der Meisen beschäftige er sich eingehend, be- 
schrieb die von ihm so benannte Parus borealis und machte be- 
sonders auf die lokalen Unterschiede ein und derselben Art in 
verschiedenen Gegenden aufmerksam, beschritt damit einen Weg 
in der Ornithologie, der namentlich seit dem alten Chr. L. Brehm 
in den letzten Jahren wieder in der Ornithologie sehr viel An- 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 867 


klang gefunden hat. — Ein besonderes Inseresse schenkte er 
der Verbastardierung einzelner Arten, namentlich bei den Enten 
und Gänsen, schon 1845 veröffentlichte er eine Arbeit darüber, 
die vorbildlich für spätere Autoren wie Suchetet, Leverkühn 
und andere geworden ist. — 

Vielfach suchte er, abgesehen von Ausflügen in seinem 
engeren Vaterlande, seine Kenntnisse durch Excursionen in’s 
Ausland zu erweitern und, da er immer mit offenen Augen reiste, 
vieles Neue in sich aufzunehmen. Auch die Resultate solcher 
wissenschaftlichen Reisen hat er in reizend geschriebenen Arbeiten 
der Nachwelt überliefert, so eine Tour nach Frankreich, Gegend 
zwischen Sambre und Meuse, nach Baraque-Michel; nach Italien, 
nach Deutschland, Österreich und Ungarn, nach Helgoland. Mit 
Vorliebe gedachte er in kurzen Nekrologen ihm befreundeter 
Männer der Wissenschaft, wie Ch. Donckier de Donceel, 
E. Bellier de la Chavigneric und A. Maurissen. 

Zu seinen Arbeiten hatte er eine grössere Privatbibliothek 
und eine in einem besonderen neben seinem Schlosse in Long- 
 champs erbauten Hause aufgestellte naturhistorische Sammlung, 
die ich am 12. August 1884, als ich auf einer Reise nach Belgien 
und Holland begriffen war, das Glück hatte, unter seiner persön- 
lichen liebenswürdigen Führung zu besichtigen. Ich schrieb 
darüber seiner Zeit in meinem Tagebuche: „Die Sammlung ist 
ähnlich wie bei Heine in Halberstadt in einem besonderen 
Nebengebäude aufgestellt. Die Vögel sind sämtlich ausgestopft. 
Auf das äussere Aussehen derselben ist weniger Wert gelegt, als 
auf eine möglichst vollständige Sammlung der Europäer und 
Vertreter sämtlicher Familien der Vögel der Erde. Gerade 
die interessantesten ausländischen Formen waren, wenn auch 
nur in wenigen Exemplaren, vorhanden. Von Seltenheiten will 
ich erwähnen ein völlständiges schönes Exemplar von Alca im- 
pennis Linne, dann ein Exemplar von Fregilupus varius Bodd., 
das nach Selys noch seltener ist als A. impennis. — Sehr inter- 
essant ist die Suite von Raubvögeln, dann namentlich die Meisen. 
Die Anordnung von Selys, wobei auch die Färbung sehr 
bedeutend mit berücksichtigt ist, hat doch viel für sich. Es fehlen 
S. überhaupt nur 2 oder 3 bis jetzt bekannte Meisenarten. — 
Eine ungewöhnlich grosse Anzahl von Bastarden von Enten und 
Gänsen ist vorhanden. Bei den Fliegenschnäppern kamen wir 
auf M. luctuosa und atricapilla zu sprechen, nach S. brütet dort 


368 Rudolf Blasius: 


in Longchamps nur luciuosa, während die richtige atricapilla nur 
im Frühlinge auf dem Durchzuge beobachtet wird. — Ausser 
den Vögeln hat S. auch die Säugetiere Europa’s fast vollständig 
vertreten, ebenso die Amphibien, Reptilien und Fische. Die Eier- 
sammlung besahen wir auch. Sie war sehr verstaubt, seit 40 
Jahren hatte der jetzt 74jährige S. keinen Blick hineingeworfen. 
— Nach der Sammlungsbesichtigung machten wir einen kleinen 
Spaziergang durch den grossen, prachtvoll angelegten Park. 
Namentlich die Nadelhölzer interessierten mich, viel war in dem 
kalten Winter 1880 erfroren. — Die Hitze war furchtbar. 
Nach dem Dejeuner, wobei der Diener immer in grosser Livree 
aufwartete und S. selbst die Salat-Sauce in der penibelsten Weise 
anrührte, gingen wir oben hinauf in die Bibliothek. Vorher 
zeigte mir S. das Zimmer, (seinem eigenen gegenüber), in dem 
im vorigen Winter Tristram mehrere Wochen logiert hatte. Er 
war eigentlich ausser sich, dass ich nicht mehrere Tage bei ihm 
bleiben konnte, und namentlich darüber, dass meine Frau nicht mit- 
gekommen war. Die Bibliothek war in mehreren Zimmern unter- 
gebracht, in einem besonders die Separatabdrücke seiner 
eigenen Arbeiten, die er mir, was Ornithologie anbetritit, sämtlich 
schicken will. Augenblicklich arbeitet S. fast nur in Libelluliden 
und bekommt diese aus der ganzen Welt zugeschickt. In Berlin 
wurde er offenbar sehr wenig entgegenkommend bei einer seiner 
vielen Libelluliden-Reisen behandelt, indem ihm die dort vor- 
handenen Neuropteren zur Bearbeitung nicht zur Verfügung 
gestellt wurden. — Von lebendem Geflügel hat S. höchst inter- 
essante Bastarde von Anas rutila ($) und Anser aegyptiacus (2), 
dem Vater im Gefieder sehr ähnlich, der Mutter den hohen 
Beinen nach. Ein Teil der Eier war von einer Puterhenne aus- 
gebrütet, die Jungen waren immer auf den Lande; — ein anderer 
Teil war einer Ente untergelegt, die Jungen waren immer auf 
dem Wasser; — übrigens glichen sich die Land- und Wasser- 
jungen im Gefieder vollständig. Beim Füttern war Anser canadensis 
sehr unverschämt. — Ein heftiges Gewitter warteten wir im 
Saale ab und warfen dann noch einen kurzen Blick in den 
Gemüsegarten, um Artischokken zum Diner mitzunehmen. Abends 
8 Uhr fuhr ich in Begleitung des liebenswürdigen alten Herrn 
zur Bahn, um nach einem hochinteressanten Tage 81), Uhr 
wieder in Lüttich einzutrefien.“ 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 369 


Später hatte ich noch mehrere Male das Glück, mit dem 
alten würdigen Herrn auf Kongressen zusammenzutreffen, zuletzt 
auf dem vorjährigen Ornithologen-Kongress in Paris. 


In der Unterhaltung war S. eine der anregendsten, liebens- 
würdigsten Persönlichkeiten, die mir jemals vorgekommen ist. 
Er sprach französisch, verstand aber deutsch, englisch, italienisch 
und spanisch. Seine Veröffentlichungen sind hauptsächlich in 
französischer Sprache erschienen, einzelne Arbeiten aber auch in 
deutschen, englischen, italienischen und spanischen Zeitschriften. 
Als „Altmeister der Odonatologie‘“ erhielt er von der ganzen 
Erde die Sammlungen der Libelluliden zum Bestimmen zugeschickt 
und war in diesem Fache unbedingt die erste Autorität. Nur 
seiner persönlichen Liebenswürdigkeit entsprach es, wenn er z.B. 
die Sammlungen von den Philippinen und anderen spanischen 
Besitzungen in wissenschaftlichen spanischen Zeitungen bearbeitete. 
Vielen gelehrten Gesellschaften gehörte er als Ehren- oder 
korrespondierendes Mitglied an, namentlich den entomologischen 
Gesellschaften seines engeren Vaterlandes, ferner von Paris, 
- London, Berlin, Florenz, Wien, Stockholm, Dresden, Stettin, Bern, 
Helsingfors, Philadelphia — ausserdem einer ganzen Reihe z00- 
logischer Vereine, der Societe zoologique de France, ferner mehreren 
-ornithologischen Gesellschaften, so war er Mitglied des genannten 
internationalen ornithologischen Komite’s und Ehrenmitglied 
unserer deutschen ornithologischen Gesellschaft. 


Eine grosse Reihe von Orden schmückte seine Brust, 
darunter das Grosskreuz des Leopold-Ordens, das Grosskreuz 
des italienischen Ordens vom heiligen Mauritius und Lazarus 
und das Kommandeurkreuz der französischen Ehrenlegion. Als 
das Königreich Italien konstituiert und von Belgien anerkannt 
war, wurde er von seinem Fürsten in einer besonderen Mission 
zum König von Italien entsandt. 


So war er ein in jeder Beziehung hochgeachteter Mann, als 
Diplomat und Aristokrat bei seinem Könige, als Politiker bei 
seiner Gemeinde und seinem Vaterlande, als Mann der Wissen- 
schaft unter seinen Kollegen über die ganze Erde hin, als 
wohlwollendes Familienoberhaupt bei seinen Verwandten und als 
Freund allen denjenigen gegenüber, die jemals das Glück gehabt 
hatten, mit ihm persönlich zusammen zu kommen und ihn 
achten, schätzen und lieben zu lernen. 

Journ, f, Orn. XLIX, Jahrg. Juli 1901, 95 


370 Rudolf Blasius: 


Nach den Verfügungen des Verstorbenen fällt das Besitz- 
tum Longchamps mit den sämtlichen Sammlungen an den älteren 
Sohn, Baron Raphael. Falls die Sammlung zerstreut werden 
sollte, gelangen die interessantesten Stücke, wie Alca impennis 
und Fregilupus auf Wunsch Selys’s an die Universität der Stadt 
Lüttich. Die Bibliothek ist nicht an Longehamps gebunden und 
hat der jüngere Sohn Walter, zur Zeit Mitglied des Senats für 
Namur, und grosser Bücherfreund, das Recht, sich alle diejenigen 
Bücher auszuwählen, die er für seine Bibliothek zu haben wünscht, 
besonders die Spezialwerke, und besitzt ausserdem den ganzen 
litterarischen brieflichen Nachlass des Vaters. 


So kann man die bestimmte Hoffnung haben, dass die Samm- 
lungen Edmond de Selys-Longchamps erhalten bleiben werden 
und der wissenschaftliche gemeinnützige politische Geist des Ver- 
storbenen in seinen Kindern und Kindeskindern weiter leben wird. 
Noch bei Lebzeiten hatte der Verstorbene die Freude, zwei seiner 
Grosssöhne sich dem Studium der Zoologie widmen zu sehen. 
Hoffentlich werden sie dem würdigen Beispiele ihres Grossvaters 
folgen! 

Wir, seine wissenschaftlichen Freunde und Kollegen, werden 
immer uns an ihn als leuchtende vorbildliche Warte der Wissen- 
schaft erinnern und mit unseren schwachen Kräften versuchen, 
seiner universellen Bildung nachzustreben. 


Verzeichnis der wissenschaftlichen Werke von Baron Edmond 
de Selys-Longchamps.!) 


„Sur les Lepidopteres de la province de Liege“, presente & la 
Societe des Sciences naturelles de Liege le 5. Mai 1829. 


Catalogue des Oiseaux comp. le cabinet de M. le Conte de 
Riocour & Aulnois, 1829. 


Catalogue raisonne des Lepidopteres de Belgique. 1837. 


Essai monographique sur les Campagnols des environs de Liege 
(Extr.) in L’Institut, IV. 1836. N. 184. p. 382. 


Campagnols inedites, in: Rev. Zool. 1839. p. 8—9. 


1) Das Verzeichnis macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 
Für gütige Hilfe dabei bin ich besonders Herrn Professor Dr. Taschen- 
berg in Halle zu Dankbarbeit verpflichtet. R. Bl. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 371 


Analyse d’une classification des Oiseaux Passereaux in: Rev. Zool. 
1839. p. 9—13. 


Diagnose de trois especes europdennes d’Aeshna, du sousgenre 
Anax, in: Rev. Zool. 1839. p. 333—334. 

Description de deux nouvelles especes d’Aeshna du sousgenre 
Anax (Leach). (Mit 1 Taf.) in: Bull. de l’acad. de Brux. 6,2. 
1819. p. 368—393. 

Addition. ibid. 7,2. 1840. p. ST—88. 


Etudes de micromammalogie. Revue des Musaraignes, des Rats 
et des Campagnols suivie d’un index me&thodique des Mammi- 
feres d’Europe. Paris 1839. 

Sur trois nouvelles especes Europ6eenes du genre Agrion, in Rev. 
Zool. 1840. p. 213—215. 

Enumeration des Libellulidees de la Belgique in: Bull. de l’Acad. 
de Brux. 7,1. 1840. p. 31—42. — Addition ibid. 7,2. 1840, p. 
88—97.. (Mit 1 Taf.) 

Monographie des Libellulidees d’Europe. Avec 4 pl. Paris 1840. 

Notices sur les Libellulidees in: Bull. Acad. roy. Bruxelles 1841. 

Nouvelles Libellulid&es d’Europe. in: Rev. Zool. 1841. p. 
243 — 246. 

Sur les Campagnols, in: L’Institut, IX. 1841. No. 413. p. 404. 

Note sur les Campagnols (Arvicola) de la Suisse, in: Ver- 
handlungen der Schweizer naturforschenden Gesells. 26. Vers. 
Zürich. 1841. p. 186—191. 

Note sur deux especes de Musaraignes observ6s nouvellement 
en Belgique, in: Bull. de l’Acad. de Brux. 8,2. 1841. p. 335— 
338. 

Projet d’observations annuelles sur la periodicit6 des Oiseaux, 
in: Report. Brit. Assoc. Adv. Sc. I. Meet. 1841 (1842.) Trans- 
act. Sect. p. 70—75. 

Faune Belge I.: Indication meth. des Mammiferes, Oiseaux, 
Reptiles et Poissons. Liege 1842. 8° 11 pll. 

BORN... A. F. J. Pietet, Cordulia splendens Pict. n. spec. (Mit 
ı Taf.) in: Magas. de Zool. 1843. Insect. pl. 117 (3. Seiten) 
— (C. splendida) in: Rev. Zool. 1843. p. 131. 

Ph&önome£nes p&riodiques, Observations zoologiques faites A 
Liege par Chr. Morren et Edm. de Selys Longchamps, et & 
Gand, par F. Cantraine in: Nouv. M&m. de l’Academie de 


Brux. Tom. 15. 1842. 
25* 


372 Rudolf Blasius: 


Faites a Waremmes et ä Liege par Edm. de Selys Long- 
champs en 1842. lbid. tom. 16. 1843. | 
faites en 1843 en divers lieus ibid. Tom. 17. 1844. 


- - 1844 - - - - 18 1845. 
= - 1845 - - - - 19. 1846. 
- - 1846 - - - - 20. 1847. 
- - 1847 - - - - 21. 1848. 
- - 1848 = - - - 23. 1849. 
- - 1849 - - - - 23. 1850. 
= - 1850 = - = - 26. 1851. 
- - 1851 - - - =7 927. 1853. 
= - 1852 - - - - 28. 1854. 
- 1853—1854. - - - - 29. 1855. 


Note sur la nomenclature zoologique (sur les Series de pro- 
positions etc. de l’Assoc. brit.) in: Bull. de l’Acad. de Brux. 
10,2. 1843. p. 291—292. 

Note sur une nouvelle M&esange d’Europe (Parus borealis) in: 

Bull. de l’Acad. de Brux. 10,2. 1843. p. 24—31. 

Note sur quelques petits Mammiferes du midi de la France. 
in: Rev. zool. 1843, 129—131. 

Nouvelles Additions aux Libelluliddes de la Belgique de 
1840—43. Mit ı Taf.) in: Bull. de l’Acad. de Brux. 10,2. 
1843. p. 149—162. 

Note sur quelques Libellules d’Europe. in: Ann. soc. entom. 
France 2. Ser. Tom. I. 1843. p. 107—109. 

Note sur un nouveau Cordulegasier d’Europe. in: Rev. zool. 1844, 
8. 135— 136. 

Enumeration des Insectes L&pidopteres de la Belgique. 
Liege, 1844. 8°. 

Note sur une migration de Cassenoix (Nucifraga). (Mit 1 Taf.) 
in: Bull. de l’Acad. de Brux. 11,2. 1844, p. 298—304. 

Sur les Cassenoix (Corvus caryocatactes). in: L’Institut, XIII, 
1845. No. 590. p. 148. 

Recapitulation des hybrides observees dans la familie des 
Anatid6es. in: Bull. de l’Acad. de Brux. 12,2. 1845. p. 335 
—355. — Isis, 1848, p. 226—227. 

Dur les Oiseaux ame&ricains inscrits dans la Faune euro- 
peenne. in: Mem. de la Soc. R. de Liege. Tom. 4. 1849. 
p. 35 —54. 

Auch apart: Liege, 1846. 8°. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 373 


Notice sur les Beccroises leucoptere et bifascie (Loxia leucoptera 
‚et bifasciata). in: Bull. de l’Acad. de Belgique. 13,1. 1846. 
p. 324—336. — L’Institut, XIV. 1846. No. 660, p. 290—291. 

Revision of the british Libellulidae. in: Ann. of nat. hist. 
Vol. 18. 1846. p. 217—227. 

(Enumeration des Insectes Löpidopteres de la Belgique. 
in: Mem. de la Soc. R. de Liege. Tom 2. 1846. p. 1—35.) 
dasselbe. 

Distribution geographique des Campagnols (Arvicola) en 
Europe. in: Rev. zool. 1847, p. 305—312. 

Note sur le Passer pusillus Pall. et sur la Sylvia (Hippolais) 
veterina. in: Rev. zool. 1847. p. 120—124. 


Resume concernant des Oiseaux brevipennes, mentionnes dans 
l’ouvrage de M. Strickland sur le Dodo. in: Revue zool.: 1848. 
p.- 292—295. 

Observations sur les phenom&nes periodiques du r&egne ani- 
mal et particulierement sur les migrations des oiseaux en 
Belgique de 1841—1846. 88 pag. in: Nouv. Mem. de l’acad. 
de Brux. Tom. 21. 1848. 

Liste des Libellules d’Europe et diagnose de quatre especes 
nouvelles. in: Rev. zool. 1848. p. 15--19. 

Essai sur l’histoire naturelle du Brabant, Mammiferes. 
Bruxelles, 1848. (28 pag.). 4°. 

Sur la Sauterelle voyageuse (Oedipoda migratoria) observee 
en Belgique. in: Bull. de l’Acad. de Belge. Tom. 16, 2. 1849. 
p. 626—628. — L’institut, XVIII, No. 843. 1850. p. 71. 

(Vanderstegen de Putte?) Essai sur ’histoire naturelle de 
Brabant. Analyse par E. d. S. L. Mammiferes (28 pag.) in: 
Nouv. Mem. de l’Acad. de Belge, T. 24, 1850. 

S. L. et H.A. Hagen. Revue des Odonatesou Libbellules 
d’Europe. in: Soc. Roy. d. Sciences de Liege. VI. 1850. 

Auch erschienen mit demselben Titel. Brux. et Leipzig, 
Muquardt, Paris, Roret 1850 (XVIII, 408 pag. Mit 11 Taf.). 

— et H. A. Hagen, Revue des Odonates ou Libellules d’ 
Europe. Ouvrage servant de compl&ment et de supplement 
ä la monographie des Libellulidees d’Europe de M. de 8. L. 
publiee en 1840. Avec planches. Brux. Leipzig. Gand, Mu- 
quardt, 1850. 8°. (XXIV, 408 pag). — Mein. de la Soc. Royale 
de Liege. Tom. VI. 


374 Rudolf Blasius: 


Note sur la famille des Recurvirostride&es. in: Bull. de l’Acad. 
de Belg. Tom. 18, 1. 1851. p. 5—15. — L’Institut, XIX. 
1851. No. 913. p. 211. 

Zoologischer Kalender von Belgien. in: Fror. Tagsber. 
No. 296 (Zool. Bd. 2) 1851, p. 59—67. 

Resume geographique sur les Libeilules de !’Italie conti- 
nentale et insulaire. in: Mem. Accad. Torino. 2. Ser. Tom. 11, 
1851. p. 64—68. 

Synopsis des Calopterygiens. in: Bull. de ’Acad. de Beleg. 
Annex. 1853—1854 (73 S.) 

S. L. et H. A. Hagen, Monographie des Calopterygiens, 
in: Soc. Roy. d. Sciences de Liege. IX. 1854. 

auch erschienen mit demselben Titel Brux. et Leipzig, Mu- 
quardt, 1854. (VI, 289 pag. Mit 14 Taf.) 

Synopsis des Gomphines. in: Bull. de ’Acad. de Belg. Tom. 21,2. 
1854 (p. 23—112). Apart.: Bruxelles, 1854. 8. (93 pag.). 
Discours sur la faune de Belgique. in: Bull. de l’Acad. de 

Belg. Tom. 21. 2. 1854. p. 1020-1050. 


Bemerkungen über die wahren Gänse Europa’s, in: Nau- 
mannia, 1855. p. 261—265. 397—398. 


Notice sur P’Hirondelle rousseline d’Europe (Hirundo 
rufula Temm.) et sur les autres especes du sous -genre 
Cecropis. in: Bull. de l’Acad. de Belg. Tom. XXI, 2. 
1855. p. 95—134. — L’Institut, XXIII. 1855. No. 1142. 398. 


Addition & la recapitulation des hybrides observees dans la 
famille des Anatide&es. in: Bull. de l’Acad. de Belg. Tom. 23,2. 
1856. p. 6—22. — Naumannia, 1856. VI, S. 395. 

Bemerkungen über einige Vögel Europa’s. in: Naumannia, 
1856. p. 386—395. 

— et H. A. Hagen, Monographie des Gomphines. (Mit 
23 Taf.) in: M&em. Soc. de Liege. Tom. 11. 1858. p. 257 
— 720. 


De la chasse et de la preparation des Neuropteres. 
(Extr. du nouveau guide de l’amateur d’Insects.) Paris, Dey- 
rolle, 1859. 8°. (13 pag.) 

Corrections aux especes et varietes nouvelles de Lepidopteres, 
decrites dans l’Enumeration des Insectes Lepidopteres de la 
Belgique. (Mem. Soc. Liege. Tom. 2. 1844.) in: Ann. Soc. 
entom. France. 3. Ser. Tom. 1859. Bull. p. 92—94. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 375 


Synopsis des Agrionides. 1. Legion. Pseudostigma. in: Bull. 
Acad. Belg. 2. Ser. 1860. Tom. 10. No. 6. (20 Seiten). — 
Derniere Legion. Protoneura. ibid. Tom. 10. No. 9 und 10 
(34 Seiten). 

Sur l’orage du 15. Juin 1863. in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles 
KV. 1863. p. 132—133. 

Synopsis des Agrionines. 4. lEgion: Platyenemis. ibid. XVL 
1863. p. 147—176. 

Note sur une excursion dans l’Entre-Sambre et Meuse. in: 
Ann. Soc. Entom. Belg. XVII. 1863. p. 47—51. 

Apparition du Syrrhaptes heteroclitus en Belgique. in: Bull. 
Acad. Sc. Bruxelles. XVII. 1864. p. 22—25. 

Note sur une variete pyramidale du Populus virginiana, Desf. 
(P. monilifera Ayt.) in: Bull. Soc. bot. Bruxelles. III. 1864. 
p- 9—15. — Horticole Belgique. XIV. 1864. p. 257—261. 

Catalogue des Neuropteres Odonates de la Corse. in: Ann. 
Soc. Ent. Paris. IV. 1864. p. 35—37. 

Synopsis des Agrionines. in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles. XX. 

1865. p. 375—417. 

Remarques & propos de la notice de M. Lallemant. Sur l’inva- 
sion des Sauterelles (Acridium peregrinum) en Algerie. in: 
Ann. Soc. Entomol. Belg. IX. 1865. p. 45—46. 

Notice sur une nouvelle espece de Nemoptere N. Ledereri. in: 
Ann. Soc. Entomol. Belg.. X. 1866. p. 253—255. 

Ravages de la Noctua segetum Tr. en 1865. in: Ann. Soc. 
Entomol. Belg. X. 1866. p. VIII—-X. — Belgique horticole 
XVII 1867. p. 61-63. 

Additions et correction au ‘Catalogue Raisonne des Orthopteres 
de Belgique’. in: Ann. Soc. Ent. Belg. XI. 1867—68. p. 22—42. 

[Note sur l’invasion des Sauterelles (Acridium peregrinum) en 
Algerie] in: Ann. Soc. Ent. Belg. XI. 1867—68, p. IV—V. 

Notice sur une nouvelle espece de Neuroptere du genre Ne- 
moptera, d&couverte dans l’Asie-Mineure par M. Lederer (N. 
Ledereri). in: Ann. Soc. Ent. Belg. XI. 1867—68. p. VII. 

[Observations sur le Deilephila esulae] ibid. XI. 1867—68. 
p. XVI-XVI. 

Sur quelques Odonates du Mexique. in: Ann. Soc. Ent. Belg. 
XI 1867—68. p. LXVI—LXXI 

Diagnose d’un nouveau genre d’Agrionine Hemiphlebia nob, 
ibid.e XL. 1857—68. p. LXXI—LXXI. 


376 Rudolf Blasius: 


Diagnose d’un nouveau genre d’Agrionine d’Australie: Synlestes 
nob., et d’une Panorpide nouvelle d’Australie: Bittacus nigri- 
ceps. ibid. XI. 1867--68. p. LXXVI—LXXVM. 

Sur les Lycaena alcon et euphemus. ibid.. XI. 1867—68. 
p. LXXXIV—.V. 

Agrion scitulum, nouveau pour ia faune Belge. ibid. XI. 1867—68. 
p. XC-XCl 

Odonates des Iles Seychelles. ibid. XII. 1868—69. p. 95— 99. 

Note surles Neuropteres Odonates recueillis en Mingrelie 
en 1868 par M. Theophile Deyrolle ibid. XIL 1868—69. 
p. 105—106. 

List of species and description of a new genus (.Allolestes) 
and five new species of Dragonflies (Odonata) from the Sey- 
chelles. in: Ann. Mag. Nat. Hist. III. 1869. p. 272—277. 

Seconde et troisieme additions au Synopsis des Colypterygiens 
(Oolopteryx). in: Bull. Acad. Bruxelles. XXVII. 1869. p. 645— 
680; XXXV. 1873. p. 469—519; XXVI. 1873. p. 610—619. 

Sur la presence de la neige dans diverses localitös du Luxem- 
bourg, le 19. Juin 1869. in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles. XXVIN. 
1869. p. 29-31. 

Seconde et troisieme additions au Synopsis des Gomphines. 
in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles. XXVII. 1869. p. 168— 208; 
‚XYXV. 1873. p. 732—774; XXXVI. 1873. p. 492--531. 

Sur les poissons du departement d’Eure-et-Loire. in: Congrös 
scientif. France. XXXVI 1869. p. 110 —112. 

Notes on various birds observed in Italian Museums in 1866. 
in: Ibis, VI. 1870. p. 449—455. 

Nouvelle revision des Odonates de l’Algerie. in: Ann. Soc. Ent. 
Belg. XIV. 1870—71. p. 9—20. 

Resume d’une nouvelle classification de la sous-famille des Cor- 
dulines. ibid. XIV. 1870—71. p. IV—-VI. 

[Renseignements du Professeur Stefanelli sur les Deilephila 
euphorbiae et esulae.| in: Ann. Soc. Ent. Belg. XIV. 1870-71. 
p. XXI— XXI. 

[Notice sur quelques Ascalaphides] ibid.e XIV. 1870—71. 
p. XXXIL 

Compte-rendu de l’excursion faite & la Baraque-Michel, du 
8 au 11 Juillet 1871. ibid. XIV. 1870—71.. p. XLIX—LXI. 

Synopsis des Cordulines. in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles. XXXI. 
1871. p. 238—316; 519 —565. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 377 


Le Guepier (Merops apiaster) en Belgique. ibid.e. XXXI. 1871. 
p. 565—567. 

Apercu statistique sur les Neuropt&res Odonates. in: Trans. 
Entomol. Soc. London 1871. p. 409—416. 

[Sur une notice de M. T. H. Briggs relative aux varietes de la 
Zygaena trifolii.) in: Ann. Soc. Ent. Belg. XV. 1871—72. 
p- LVII—LIX. 

Note sur plusieurs Odonates du Madagascar et des iles 
Mascareignes. in: Rev. et Mag. de Zool. XXIII. 1871-72. 
p. 175—183. 

Selys-Longehamps, Edmond de et R. Mac Lachlan, 
Mat£@riaux pour une faune neuropterologique de l’Asie-Septen- 
trionale. in: Ann. Soc. Ent. Belg. XV. 1871—72. p. 25—77. 

On the form of Zygaena trifolü. in: Entomol. Monthl. Mag. IX. 
1872 73: .p: 14. 

Note on two new genera of Psocidae: Psyllipsocus and Hemipsocus. 
in: Entomol Monthl. Mag. IX. 1872 —73. p. 145 — 146. 

Sur la production des Anguilles. in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles. 
ROSWVL 1873. p. 757-758. 

Revision des Psocides decrites par Rambur, suivie de la liste 
des especes de cette famille observees jusqu’ici en Belgique. 
in: Ann. Soc. Ent. Belg. XVI. 1873. p. 5—9. 


Sur les limites de la Faune Europ6enne. in: Ann. Soc. Ent. 
Belg. XVI. 1873. p. XXH—XXIX. 


Addition. au synopsis des Cordulines. in: Bull. Acad. Sc. 
Bruxelles. XXXVI. 1874. p. 16—34; XLV. 1878. p. 183—222. 


Note on Odonata from Newfoundiand, collected in 1874 by 
Mr. John Milne in: Entomol. Monthl. Mag. XI. 1874—75. 
p. 241—243. 

Synopsis des Agrionines (suite de la 5®® lEgion: Agrion). in: 
Bull. Acad. Sc. Bruxelles. XLI. 1876. p. 247—322; 496—539; 
1233 —1309; XLII. 1876. p. 490—531; 952—991; XLIII. 1877. 
p- 97—189. — Ann. Soc. Ent. Belg. XIX. 1876. Compt. rend. 
p. XXXV—XXXVI; XLVII—L. 

Note sur un voyage scientifique fait en Allemagne, en Autriche 
et en Hongrie en 1876. in: Ann. Soc. Ent. Belg. XIX. 1876. 
C. R. p. LXVI—LXXI. 


Examen des Acridiens recus de M. Lichtenstein. ibid. XX. 
1877. C. R. p. X—XU, 


378 Rudolf Blasius: 


Note sur deux Libellulines du genre Urothemis. ibid. XXI. 
1877. C. R. p. LXIV—LXVI. 

Quatriemes additions au synopsis des Gomphines. in: Bull. 
Acad. Sc. Bruxelles. XLVI. 1878. p. 408—471: 658—698. 

Quatriemes additions au synopsis des Colopterygines. ibid. 
XLVII 1879. p. 349 — 409. 

Revision des Ophiogomphus et descriptions de quatre nouvelles 
Gomphynes americaines. in: Ann. Soc. Ent. Belg. XXIL 1879. 
C. R. p. LXH—LXX. 

La sous-famille des Psocines en Angleterre, en Belgique et en 
Scandinavie. ibid. XXIL 1879. C. R p. CLXIV—CLXVI. 
La classification des oiseaux depuis Linne. In Bull. Acad. Sec. 

Bruxelles. XLVII. 1879. p. 729—813. 

Description of new species of Phyllomacromia (Corduliina) from 
West Africa, in: Entomol. Monthl. Mag. XVI. 1879 — 80. 
p. 103—104. 

Lais devillei, in: Ann. Soc. Ent. Belg. XXIII. 1880. C.R.p. XLIX—LI. 

Neophya Selys, nouveau genre des Cordulines. ibid. XXV. 1881. 
C. R. p. XV— XVII. 

Sur la distribution des insectes odonates en Afrique. in: Compt. 
Rend. Assoc. franc. p. l’avanc. d. sc. 1881. p. 663—669. 

Odonates des Philippines. in: Anales Soc. Hist. Nat. Madrid. 
XI. 1882, p.:5--34. 

Sur quelques varietes, ou aberrations des Zygaena de Belgique. 
in: Ann. Soc. Ent, Belg. XXVI. 1882. C. R. p. CXIU—-CXVI. 

Note sur genre Gomphomacronmia Brauer. ibid. XXVI. 1882. 
C. R. p. CLXVI—CLAXIX. 

Les Odonates de Japon. ibid. XXVI. 1883. p. 82—143. 

Synopsis des Aeschnines in: Bull. Acad. Sc. Bruxelles. Ser. V. 
18830 p. 710 748. 

Scudder, Sam. L. et S. L., Observations sur l’Acridium pere- 
grinum in Soc. entom. Belg. 2. 8. No. 47. p. 12—15. 

(Über Vorkommen in Amerika). 1878. 

Sur la. distribution des Odonates en Afrique Extr. (Assoc. 
france. av. Sc., Alger.). in: Rev. Sc. Nat. Montpellier (3.) T. 
l. No. 2. 1881. p. 183-185. 

Les Odonates de Japon. in: Ann. Soc. Entomol. Belg. T. 27. 
1. P. 1p:. 82143: 

(28 n. sp.). 1881. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 379 


Excursion ä lile Helgoland. in: Bull. Soc. Zool. France, 1882. 
an EB. p. 250-279 

Considerations sur le genre Mesange (Parus). in: Bull. Soc. 
Zool. France, T. 9. No. 1/,. p. 32—78. 1883. 

(n. subgen. Sittiparus, Peripurus, Pandaliparus). 

Diagnose d’un nouveau Macrogomphus (abnormis n. Sp.). in: 
Soc. Entomol. Belg. Compt. rend. (3). No. 41. p. 10. 1883. 
Revision des Diplax pal6earctiques. in: Ann. Soc. Entomol. 

Belg. T. 28. p. 29-45. 1884. 

Rectification concernant l’Onychogomphus Genei Ssl., Compt. rend. 
(3). No. 66. p. 146—147. 1885. 

Programme d’une revision des Agrionines. in: Soc. entomol. 
Belg. Compt. rend. (3.). No. 66. p. 141—146. (n. g. Maga- 
podagrion, n. s-g. — Mesagrion, Protosticta). 1885. 

Note sur deux COrustaces Entomostrac&s de Belgique. in 
Soc. Entom. Belg. Compt. rend. (3.) No. 85. p. 54—55. 1886. 

Odonates nouveaux (5) de Pekin. in: Soc. Entomol. Belg. 
Compt. rend. (3.) No. 78. p. 178—185. 1886. 

Odonates recueillis aux iles Loo-Choo par feu M. Pıyer. 
in: Soc. entom. Belg. Compt. rend. (3.) No. 101, p. 48— 53. 
(16 Species). 1887. 

Odour observable in males of Pieris napi. in: Entom. Monthly. 
Mag. Vol. 24. July. p. 40—41. 1887. 

Charles Donckier de Donceel. in: Soc. entom. Belg. Compt. 
rend. (3.) No. 101, p. 53—55. 1887. 

Remarques sur un ouvrage de H. A. Hagen. [(Sur l’ouvrage de 
Ignat. de Asso.?); liste des Neuropt£eres, reimprimee). in. 
Soc. entom. Belg. Compt. rend. (3.) No. 92. p. 92—93], 
ibidem, S. 93—94. 1887. 

Sur l’hivernation de deux especes d’Odonates (Sympyena fusca 
et Sympetrum scoticum). in: Soc. entom. Belg. Compt. rend. 
(3.) No. 97. 1888. p. 27—28. 

Where does Goneptery& rhammi hibernate? in: Entom. Monthly 
Mag. Vol. 25. . Nov. p. 135. 1888. 

Odonates de ’Asie mineure et revision de ceux des autres 
parties de la faune dite Europe&enne. in: Ann. Soc. Entom. 
Beles 27731. p: 185. (103'sp., 8; n.'spec., 5/n. var.). 71888. 

Notice necrologique sur Eugene Bellier de la Chavignerie. 
in: Soc. entom. Belg. Compt. rend. (3.) No. 105. p. 91—92. 
1888, 


380 Rudolf Blasıus: 


Inseet Migrations at Heligoland. in: The Naturalist 
(Yorksh.), 1888. p. 219. i 
Revision des poissons d’eau douce de la faune belge. in: 
Bull. Ac. Sc. Belg. (3.). T. 14. No. 12. p. 1021—1097. 1888. 

Odonates de Sumatra comprenant les especes recueillies A 
Pulo Nias par M. le Dr. E. Modigliani. Genova, 1889. 80 
(43 p.). in: Ann. Mus. Civ. Stor. Nat. Genova, (2.) Vol. 7. 
p- 444— 484. (75 (5 n.)sp., subg. Microdiplax, Oligoaeschna). 1889. 

Palaeophlebia, nouvelle legion de Calopterygines. Suivi de la 
description d’une nouvelle Gomphine de Japon: Tachopteryx 
Pryeri. in: Soc. Entom. Belg. Compt. rend. (3.) No. 116. 
p. 153—159. 1889. 

Proneura, nouveau genre d’Agrionines de la l&egion de Proto- 
neuras. in: Soc. entom. Belg. Comptes rend. (3.) No. 110. 
p. 172—175. (ln. sp.). ‚1889. 

Catalogue raisonne des Orthopteres et des Neuropte£res 
de Belgique. in: Ann. Soc. Entom. Belg. T. 32. p. 103— 
203. 1889. 

Viaggio di Leonardo Fea in Birmania e regioni vicine. 
XXXII. Odonates. in: Ann. Mus. Civ. Stor. Nat. Genova. 
(2.) Vol. 10. (Vol. 30). p. 433—518. 1891. 

(88 (20 n.) sp., n. g. aut subg. Amphithemis, Aciagrion). 

Migration in 2. Internat. Ornith. Kongress, Hauptber. II. Th. 
p. 177-178 (3 sp.). 1892. 

Additions aux Odonates des Philippines. in: Anal. Soc. 
Espan. Hist. Nat. T. 20. Cuad. 2. p. 209—218. (1 .n. sp.). 
1892. 

Adrien Maurissen. Notice necrologique. in: Ann. Soc. Entom. 
Belg. Tom. 36. VIII. p. 389—391. 1893. 

Causeries odonatologiques. in: Soc. Entom. Belg. Comptes 
rend. (4.) 1). No. 8. p: 115-121, — 2)'No. 9, p. 157164, 
— 3) Nesobasis Selys, n. subgen. in: ibidem, No. 15, p. 51 — 
57, — 4) les genres Zyonyx et Schizonyx No. 19, p. 226 
—232 (5.n. sp.), — 5) No. 23, p. 398—403. (2 n. sp.; n. subgen. 
Nesolostes, Nesocnemis, — 6) Les Gomphines d’Afrique. ibidem, 
tom. 36. II. p. 86—107. (33 (5. n.) sp.; n. subg. Oreni- 
gomphus, Isomma.)1890, 1891, — 7) Ibidem, T. 38. IV. p. 163 
—181, — 8) ibidem, T. 40. III. p. 78—86; neues genus und 
2 n. sp. — Terminologie de la reticulation des ailes. (1896), 
9) ibidem, sur le groupe de Uroihemis Brauer. Tom. 41. 


Michel Edmond, Baron de Selys-Longchamps. 381 


Il. 68—77 (1897). 2 n. Subsp., — 10) Avec 4 figg. Tom. 41. 
XI. p. 427—432. 1) Neurobasis chinensis et ses races, 
2) Aeschna Martini n. 1sp. (1898.), — 11) 1) Sur le g. Isomma 
Selys, 2) Echo uniformis Selys. 3) Euphaea Modigliani Selys, 
4) Sur les noms Euphaea et Calopteryx), ibidem. Tom. 42. VIII. 
p. 332—338. (1898). 

Sur Paclimatation de deux especes de Tetras en Belgique (Lagopus 
scoticus et Tetrao urogalins). in: Bull. Acad. R. Sc. Belg. (3.) 
Tom. 25. No. 7, p. 72—83. 1893. 

Les progres de la connaissance des Odonates. Compt. rent. 
3. Congr. internat. Zol. Leyde. p. 441—460. (1896). 

Le Declin d’une Faunule, in Bull. Acad. R. Sc. Belg. (3.). 
Tom. 34. No. 12, p. 1139—1178. 1897. — Auch apart er- 
schienen als: Lecture faite dans la seance publique de la Classe 
des sciences de l’Acad. roy. de Belg., le 16. Decembre 1897. 
8%. Bruxelles. 1897. 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Aprilsitzung 1901. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 1. April, Abends 8 Uhr im 
Bibliothekzimmer des Architekten-Vereinshauses, Wilhelmstr. 92. II. 

Anwesend die Herren: Grunack, Reichenow, Ehmcke, 
von Oertzen, Freese, Matschie, Deditius, Jacobi und 
Paeske. 

Vorsitzender: Herr Reichenow. Schriftf. Herr Matschie. 

Von der Verlesung des Berichtes über die Märzsitzung wird 
Abstand genommen, da dieser augenblicklich im Druck sich be- 
findet. 

Der Vorsitzende verliest ein Schreiben des Herrn Dr. O. 
Herman, Leiters der Ungarischen Ornithologischen Centrale an 
den Präsidenten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, in 
dem der Genugthuung über Begründung der Vogelwarte 
Rossitten Ausdruck gegeben wird. 

Ferner gelangen zwei Briefe zur Kenntnis der Anwesenden, 
welche die Fortschritte der zoologischen Expedition unserer 
Mitglieder, Dr. Heinroth im Bismarck-Archipel und O. Neu- 
mann in Nordostafrika schildern. 


382 Bericht über die Aprilsitzung 1901. 


Herr Matschie spricht hierauf über den jetzigen Stand 
der Vorarbeiten zu dem V. Internationalen Zoologen-Congress 
und erwähnt u. a., dass die Beteiligung seitens der Ornithologen 
eine sehr rege zu werden verspricht. 

Nachdem eine Anzahl von neu erschienenen Schriften vorge- 
legt ist, giebt Herr Jacobi einen ausführlichen Bericht über 
das Werk Barringtons über Beobachtungen an den Leuchtfeuern 
der Küsten Irlands, das in den Ornithologischen Monatsberichten 
abgedruckt ist. 

Herr Reichenow zeigt nunmehr einige seltene Vögel des 
Kaukasus vor, die das Berliner Zoologische Museum kürzlich er- 
worben hat und die gut kenntliche geographische Abarten von 
westeuropäischen Vögeln darstellen. 

Herr Deditius macht darauf aufmerksam, dass der Hänf- 
ling in Italien wesentlich anders aussieht als in Deutschland. 

Auch Herr Ehmcke hat eine ähnliche Beobachtung an 
italienischen Buchfinken gemacht; dieser ist heller weinrot als 
der deutsche Buchfink. 

Herr Reichenow weist auf die Wichtigkeit der sorgfältigen 
Untersuchung unserer europäischen Vögel hin und bittet, ihm für 
die Berliner ornithologische Sammlung Material aus den verschie- 
denen Gebieten Europas zugänglich zu machen. Auch einge- 
gangene Käfigvögel, deren genaue Herkunft bekannt ist, sind für 
derartige vergleichende Untersuchungen von Wert. 

Herr Matschie verliest einen Brief des Herrn Baron 
Rothschild in Tring, der einige interessante Ergänzungen und 
Berichtigungen der von ihm seiner Zeit gemachten Bemerkungen 
über Kasuare enthält. 

Herr Jacobi erinnert an die Schwierigkeit, welche die 
sichere Feststellung von Original-Exemplaren, auf denen Species 
begründet sind, in gewissen Fällen macht, und führt dafür ein 
Beispiel an. 

Für den Mai ist eine Sitzung nicht in Aussicht genommen, 
wohl aber wird eine Besichtigung der Vogelhäuser des Z Oeloeı 
schen Gartens am Sonntag den 12. Mai stattfinden. 

Matschie. 


383 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology Vol. XVII. 
No. 2. 1901. 


Bulletin of the British Ornithologists’ Club. LXXVII—-LXXX. 
März—May 1901. 

Bulletin de la Societe Philomathique de Paris. IX. Serie. Tome 
Il. No. 3. 1899 —1900. 


The Ibis. A Quarterly Journal of Ornithology (8). I. No. 2. 1901. 


Ornithologisches Jahrbuch. Organ für das palaearktische Faunen- 
gebiet. Herausgegeben von Victor Ritter von Tschusi zu 
Schmidhoffen. XII. Jahrg. 1901. Heft 1—3. 


Ornithologische Monatsschrift d. Deutsch. Ver. z. Schutze der 
Vogelwelt. No. 4. 1901. 


Zeitschrift für Oologie. Organ für Wissenschaft und Liebhaberei. 
Herausg. v. H. Hocke. Xl. No. 1. 


E. Arrigoni degli Oddi, Bird Notes from Brembana Valley. 
(Abdruck aus: The Zoologist Jan. 1901). 


K. Berg, Ornitkologisches. (Abdruck aus: Comunicaciones del 
Mus. Nac. Buenos Aires. I. No. 8 1901). 


C. Berg, Comunicaciones Oolögicas. (Abdruck aus: Anales Mus. 
Nac. Buenos Aires. 1896). 

C. Berg, Notas Criticas referentes 4 las Contribuciones al estudio 
de las Aves Chilenas de Federico Albert. (Abdruck aus: 
Anal. Soc. C. Argent. LI. 1901). 


A. Dubois, Synopsis Avium. Nouveau Manuel d’Ornithologie. 
Fasc. V—VI. Bruxelles 1901. 

O0. Finsch, Zur Catalogisirung der ornithologischen Abteilung. 
II. Übersicht der Schrei- und Steppenadler. III. Südsee- 
papageien. IV. Saxicolidae. (Abdruck aus: Notes Leyden 
Mus. Vol. XXI). 

OÖ. Finsch, Über eine neue Treron-Art von den Kangean-Inseln. 
(Abdruck aus: Notes Leyden Mus. Vol. XXIJI). 


O0. Finsch, Zur Catalogisirung der ornithologischen Abteilung. 
V. Indische Gattungen und Arten aus den Familien: Oriolidae, 
Dicruridae, Muscicapidae, Sylviinae, Timeliidae, Zosteropidae 
und Nectariniidae. (Abdruck aus: Notes Leyden Mus. 
Vol. XXD). 

O0. Finsch, Über eine dritte Sendung Vogelbälge aus Central- 
Borneo (Mahakkam), gesammelt von Herrn Dr. A. W. Nieu- 
wenhuis. (Abdruck aus: Notes Leyden Mus. Vol. XXII1). 


R. Friedländer & Sohn, Zoologisches Adressbuch. Teil II. 
Berlin 1901. 


384 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


E. A. Goeldi, Verzeichniss der bisher wissenschaftlich beschrie- 
benen neuen Tier- und Pflanzenformen, welche während der 
Jahre 1884—1899 in Brasilien gesammelt und entdeckt 
worden sind von Dr. E. A, Goeldi. Bern 1899. 


E. A. Goeldi, As Aves do Brasil. T. I u. II. Rio Janeiro u. 
S. Paulo 1894—1900. 

E. A. Goeldi, Album de Aves Amazonicas. Supplemento illustra- 
tivo a obra „Aves do Brazil“ pelo Dr. E. A. Goeldi. I. Fase. 
Est. 1—12. 

L. Greppin, Notizen über das Vorkommen des Alpen-Mauer- 
läufers in der Rheinebene bei Basel. (Flugblatt). 

E. Hartert, On the Birds of the Key and South-East Islands 
and of Ceram-Laut. (Abdruck aus: Novit. Zool. VIII. Febr. 
1901). 

E. Hartert, The Brehm Collection. I. Die Formen von Corvus 
corax. Von E. Hartert und O. Kleinschmidt. (Abdruck 
aus: Novit. Zool. VIII. Febr. 1901). 

C. E. Hellmayr, Eine neue Graumeisenform aus Italien. 


(Abdruck aus: Ornith. Jahrb. XII. Heft 2, 3). 

O0. Helms, Om nogle danske Uglers Gylp. (Abdruck aus: 
Vidensk. Medd. naturh. Foren. Kbhvn. 1901). 

J. Jackson, List of Birds obtained in British East Africa. 
Part. II. With Notes by R. B. Sharpe. (Abdruck aus: The 
Ibis January 1901). 

L. v. Lorenz-Liburnau, Geschichte der Zoologie in Österreich 
von 1850—1900. (Abdruck aus: Botanik und Zoologie in 
Österreich während der letzten fünfzig Jahre. Festschrift 
Zool. Bot. Ges. Wien 1901). 

J. v. Madaräsz, Magyarorzäg Madarai. A. Hazai Madärviläg 
Megismeresenek Vezerfonala. VII Füz. Budapest 1901. 

E. Rey, Die Eier der Vögel Mitteleuropas. 9.—11. Lif. Gera- 
Untermhaus 1900. 

H. C. Robinson and W.S. Laverock, The Birds of North 
Queensland. Part. I. On two Collections from Cooktown 
and the Neighbourhood of Cairns. With Fieldnotes by E. 
Olive. (Abdruck aus: The Ibis for October 1900). 

The Hon. W. Rothschild and E. Hartert, Notes on. Papuan 
Birds. (Abdruck aus: Novit. Zool. VIII. Febr. 1901). 

K. Russ, Die Fremdländischen Stubenvögel, ihre Naturgeschichte, 
Pflege und Zucht. Vierte Auflage. Magdeburg 1901. 

V.v. Tschusi zu Schmidthoffen, Ornithologische Collectaneen 
aus Österreich-Ungarn und dem ÖOccupations-Gebiete. VII. 
(Abdruck aus: Ornith. Jahrb. XH. Helft 2, 3). 


= 


Druck von Otto Dornblüth in Bernburg, 


JOURNAL 


ORNITHOLOGIE. 


Neunundvierzigster Jahrgang. 


No. 4. October I" 1901. 


Nachträge zur Vogelwelt des Herzogtums $. Altenburg. 
Von Dr. Otto Koepert (Dresden-Striesen). 


Infolge der Veröffentlichung meiner Vogelwelt des Herzog- 
tums „S. Altenburg“ (Journal f. Ornith. XLIV. Jahrg. April 1896 
und Programm des Herzogl. Realgymnasium zu Altenburg 1896) 
wurden mir von verschiedenen Seiten Beobachtungen zugänglich 
gemacht, die teils die vorhandenen ergänzten, teils neue Arten 
den bis dahin beobachteten hinzufügten. Auch konnte ich von 
einer für mich bislang unbekannt gebliebenen Sammlung alten- 
burgischer Vögel des verstorbenen Gastwirts und Bauers Kratsch 
in Rolika Einsicht nehmen, zu deren Verständnis auch noch 
eine von letzterem hinterlassene Schussliste wesentlich beitrug. 
Von Herrn Dr. med. A. Meyer in Roda wurden mir gütigst 
phänologische Beobachtungen zur Verfügung gestellt, deren Ver- 
öffentlichung vielleicht nicht ohne Interesse ist. Wenn auch die 
Avifauna eines Landes infolge des steten Wechsels nie als abge- 
schlossen gelten kann, so wollte ich doch infolge meiner Ueber- 
siedelung nach Dresden die Avifauna von Altenburg zu einem 
gewissen Abschluss bringen. Ich lehne mich dabei an meine 
oben erwähnte Arbeit im Journal f. Ornith. XLIV. April 1896 
an und füge neue Beobachtungen unter den Nummern des alten 
Verzeichnisses hinzu. Als neu für das Gebiet ist zu bezeichnen: 
Fringilla nivalis, Fuligula maria Steph., Hydrochelidon nigra 
L., Larus canus, so dass sich die Zahl der beobachteten Arten von 
223 auf 227 erhöht. 

Journ, {, Orn. XLIX, Jahrg, October 1901. 26 


386 Dr. Otto Koepert: 


2. Erithacus luscinia L., Nachtigal. 

1896 Frühjahr 1 S am Kinderhospital gefangen. Laut 
Zeitungsnotiz hatte sich ein Paar bei Orlamünde a. d. Saale an- 
gesiedelt. Im Frühjahr 1897 hielt sich ein Paar ca. 3 Wochen 
im Altenburger Schlossgarten auf, in welchem auch im Frühjahr 
1900 ein allerdings gänzlich verfehlter Ansiedlungsversuch mit 
10 Paaren gemacht wurde; diese hatte man durch einen Händler 
bezogen und sofort in Freiheit gesetzt. Die Folge war, dass sie 
sich zerstreuten und nichts mehr von ihnen gehört wurde. 


4. Erithacus suecicus L., Rotsterniges Blaukehlchen. 
Nach Ed. Müller im Frühjahr 1896 an der „Sprotte* beobachtet. 


5. Erithacus rubeculus L., Rotkehlchen. 
Brütet auch häufig bei Schmölln. 


14. Turdus viscivorus L., Misteldrossel. 
Von Dr. Meyer regelmässig bei Roda beobachtet. 


15. Turdus pilaris L., Wachholderdrossel. 
Nach Ed. Müller in der „Chemnitz“ und dem Taupadler- 
holz brütend. 
17. Turdus torgquatus L., Ringdrossel. 
Ein Exemplar von Kratzsch in Rolika am 18. Okt. 1892 erlegt. 


24. Locustella naevia Bodd., Heuschreckensänger. 
Auch bei Bohra beobachtet. 
36. Troglodytes parvulus Koch., Zaunkönig. 
Auch in den „Lohsen‘“ bei Schmölln im Winter 1894 und 
1893 beobachtet. 


37. Acredula caudata L., Schwanzmeise. 

Zur Brutzeit in Schmölln zahlreich. Hat nach Ed. Müller 
in Kriebitsch auf einem Birnbaum gebrütet. Im Ostkreise finden 
sich beide Subspecies nebeneinander vor, im Westkreise ist die 
weissköpfige häufiger. 


45. Otocoris alpestris L., Alpenlerche. 


Im Winter 1894/95 wurde ein Exemplar tot am Bahndamm 
bei Hermsdorf-Klosterlausnitz gefunden. Dasselbe befindet sich 
nach Mitteilung Hellers im Besitz des Schaffners Franke in Gera. 


Nachträge zur Vogelwelt des Herzogtums $. Altenburg. 387 


56. Eimberiza hortulana L., Ortolan. 

Ein Exemplar wurde im April 1892 bei Paditz von Schmiede- 
knecht auf einem Sturzacker erlegt. Derselbe stopfte es für 
seine Sammlung aus. 

59. Calcarius nivalis L., Schneeammer. 


Ein Paar wurde im Februar 1895 am Bahnhof Zwötzen bei 
Gera, kurze Zeit nachher kleine Flüge von 8 bis 12 Stück auf 
der Landstrasse nach Poris und Kauern gesehen. Sie frassen 
Plantago-Samen und blieben bis 8. März dort. 


62. Loxia piütyopsittacus Behst., Kiefernkreuzschnabel. 


1894 6 Exemplare von Ed. Müller in den Lohsen bei 
Schmölln beobachtet. 


63. Pyrrhula europaea Viell. Gimpel. 
Sowohl in Gärten Altenburgs, wie Schmöllns im Winter 
beobachtet. 
64. Serinus hortulanus Koch, Girlitz. 
Auch bei Roda von Meyer beobachtet. 


72a. Fringilla nivalis Schneefink. 
Heller sah Anfang März 1895 bei Kaimberg und Kauern 
4 Exemplare. 
75. Coccothraustes vulgaris Pall., Kernbeisser. 
Brütet nach Hildebrandt auch bei Breitenhain. 


74. Passer petronius L., Steinsperling. 

Ein Exemplar wurde im Juni 1896 von Schmiedeknecht bei 
Paditz unweit Altenburg erlegt. Daselbst befinden sich umfang- 
reiche Porphyrsteinbrüche und es würde das Vorkommen eine 
Weiterverbreitung des Steinsperlings von Gumperda und Rothen- 
stein an der Saale in östlicher Richtung beweisen. 


75. Passer montanus L., Feldsperling. 
Brütet bei Schmölln in hohlen Linden und auch in Gärten. 


78. Pasior roseus L., Rosenstar. 
Auch in der Sammlung von Kratzsch in Rolika befindet 
sich ein dort erlegtes Exemplar. 
26° 


388 Dr. Otto Koepert: 


80. Nucifraga macrorhyncha Brehm, dünnschnäbliger Tannenheher. 

Am 18. Oct. 1878 wurde ein Stück bei Rolika von Kratzsch 
erlegt; am 17. Nov. 1899 eins im Meusebacher Revier von Hil- 
debrandt geschossen. 

81. Garrulus glandarius L., Eichelheher. 

In der Sammlung Kratzsch in Rolika befindet sich ein 
reinweisser Albino. 

87. Corvus corax L., Kolkrabe. 

In der Sammlung Kratzsch steht ein dort am 18. Mai 
1853 erlegtes Exemplar, das angeblich im Lucka’schen Forste 
genistet hat. In den sechziger Jahren befanden sich noch zwei 
Kolkrabenhorste in der „Pahna“ bei Fockendorf. 


90. Lanius minor L., Grauer Würger. 
Am 2. Mai 1894 von Meyer bei Roda beobachtet. 


93. Muscicapa collaris Behst., Halsbandfliegenfänger. 


Von Schmiedeknecht Anfang September 1897 an der 
Schmölln’schen Strasse bei Altenburg angetroffen. 


99. Clivicola riparia L., Uferschwalbe. 


Eine Kolonie befindet sich in einer Lehmgrube bei Knau 
unweit Altenburg in der Nähe des alten Bahndammes. 


101. Caprinulgus europaeus L., Nachtschwalbe. 

Kommt nach Ed. Müller auch in den Tautenheiner Wal- 
dungen vor. 

102. Coracias garrula L., Blaurake. 

In den 50er Jahren ein Exemplar von Kröber bei Wilden- 
börten erlegt. 

103. Upupa epops L., Wiedehopf. 

Ein Paar wurde am 10. Juni 1896 vom Oberforstmeister 
Pöschmann in Kammerforst brütend angetroffen. Brütet nach 
Hildebrandt auch in der Nähe des Rettungshauses bei Meusel- 
witz. Von Letzterem wurde bei Breitenhain Anfang Mai 1898 
1 Exemplar erlegt. 


107. Picus viridicanus Wolf, Grauspecht. 


Ein Paar im Juni 1896 bei Hummelshain von Hildebrandt 
erlegt. 


Nachträge zur Vogelwelt des Herzogtums S. Altenburg. 389 


109. Dendrocopus medius L., Mittelspecht. 


Im Februar 1878 zwei Stück bei Rolika erlegt (Sammlung 
Kratzsch). 


111. Dryocopus martius L., Schwarzspecht. 
Brütet nach Hildebrandt häufig im Lucka’er Forst. 


123. Asio otus L., Waldohreule. 


Im Winter 1894/95 bei Schmölln in den Lohsen dutzend- 
weise, im Winter 1895/96 nicht eine einzige. 


126. Falco subbuteo L., Baumfalk. 
Auch im Luckaer Forst und von Meyer bei Roda angetroffen. 


130. Falco peregrinus Tunst. Wanderfalk. 

Auch bei Schmölln im Chemnitzholze als Durchzügler nach 
Edwin Müller beobachtet. 1896 ein Stück von Findeisen in der 
Leina bei Altenburg erlegt. 

134. Aquila chrysaetus L., Goldadler (Steinadler). 

Der 1853 von Kratzsch erlegte Steinadler steht ausgestopft 
in der Bürgerschule zu Schmölln. 

135. Archibuteo lagopus Brünn, Rauhfussbussard. 

In den 70er Jahren wurden zwei Stück auf einer Krähen- 
hütte bei Kriebitsch erlegt. In der Sammlung von Kratzsch 
befinden sich zahlreiche im Herbst und Winter bei Rolika erlegte 
Exemplare. 

139. Pandion haliaetus L., Fischadler. 

In der Sammlung von Kratzsch stehen zwei bei Rolika er- 
legte Exemplare. 

140. Pernis apworus L., Wespenbussard. 


{m Sommer 1896 wurde ein Stück auf den Plateauwiesen 
bei Altenburg vom Hofbüchsenmacher Gmeiner erlegt. 


142. Milvus ictinus Sav. Gabelweihe. 
Kratzsch erlegte bei Rolika zwei Stück, welche in seiner 
Sammlung stehen. 
146. Circus cyaneus L., Kornweihe. 
Kratzsch schoss am 2. Dez. 1858 ein Exemplar bei Rolika, 


390 Dr. Otto Koepert: 


148. Circus pygargus L., Wiesenweihe. 
Edwin Müller erhielt im Frühjahr 1895 ein Stück, das 
Arbeiter bei Gimmei aufgefunden hatten. 


151. Teirao tetrix L., Birkhuhn. 
Dr. Meyer beobachtete im März 1897 zahlreiche Birkhühner 
auf Feldern bei Roda. Kratzsch erlegte bei Rolika ein Birkhuhn 
am 28. Octob. 1843. 


153. Tetrao urogallus L., Auerhuhn. 
Kommt auch im Tautenhainer Revier des „Westkreises“ vor. 
Am 15. Febr. 1849 wurde bei Rolika eine Auerhenne, am 7. Nov. 
ein Auerhahn von Kratzsch erlegt, die sich in seiner Sammlung 
befinden. 
154. Perdix cinerea Lath., Rephuhn. 
In der Sammlung Kratzsch befinden sich zwei Albinos mit 
gelbbraunen Flecken. Fabrikant Ranniger erlegte bei Altenburg 
drei Albinos, die er für seine Sammlung ausstopfen liess. 


154a. Phasianus colchicus L., Fasan. 
Tritt nach einer Notiz von Kratzsch zuerst 1854 bei Rolika auf. 


154c. Meleagris gallopavo americana, Nordam. Truthuhn. 

Neuerdings wurde auch vom Fabrikant Herbst in Meusel- 
witz ein Einbürgerungsversuch gemacht in einem Wäldchen bei 
Lucka, der indess gänzlich missglückte. Herumziehende Zigeuner 
sollen die Vögel gefangen und verspeist haben. Auch die in der 
„Leina“ ausgesetzten Truten sind infolge Nachstellungen von 
herumplündernden Menschen arg decimiert worden. So ist der 
dortige Bestand auf 6 Stück zurückgegangen. Es zeigt sich 
eben, dass Wälder, welche viel von Menschen besucht werden 
und durch welche Chausseen und zahlreiche Wege führen, weniger 
geeignet für einen derartigen Einbürgerungsversuch sind, da 
besonders die Gelege zu sehr gefährdet sind. Im Frühjahr 
1899 erlegte S. Hoheit Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg einen 
starken Hahn in der Balz. 


157. Columba oenas L., Hohltaube. 
Brüten nach Hildebrandt zahlreich bei Meusebach. 


162. Ciconia alba J. GC. Schäff., Weisser Storch. 
Von mir am 7. Mai 1896 und Juni 1898 mehrere bei 
Kotteritz und Oberlödla beobachtet. Im Sommer 1898 über- 


Nachträge zur Vogelwelt des Herzogtums S. Altenburg. 391 


nachteten regelmässig 12 Störche im Kammerforst, wo man an 
der Losung ihre Standbäume erkennen konnte Im Sommer 
1899 nistete ein Paar auf einer geköpften Weide zwischen Schelditz 
und Wilchwitz. Das Gelege von 4 Eiern wurde durch Stein- 
würfe zerstört, das alte Paar verscheucht. Ein zweites Paar 
brütete im Mai 1899 auf der Brennereiesse des Rittergutes Treben 
und brachte auch Anfang Juni Junge aus. Leider wurde infolge 
Abschusses eines der Eltern die Brut nicht gross. Im Sommer 
1900 hingegen gelang eine Brut von 4 Stück, die sämtlich 
flügge wurden. In derselben Zeit befand sich ein Horst auf 
einer geköpften Pappel bei Haselbach. Der weisse Storch ist 
demnach seit 1900 in Ostthüringen Brutvogel. 


173. Scolopax rusticula L., Waldschnepfe. 


Kratzsch verzeichnet als merkwürdiges Vorkommnis den 
Abschuss einer Waldschnepfe am 5. Dezember 1877 bei Rolika. 


180. Totanus hypoleucus L., Flussuferläufer. 


Ein Exemplar im September 1899 bei Meusebach von 
Hildebrandt erlegt. 


183. Totanus ochropus L., Punktierter Wasserläufer. 
Im Mai 1899 schoss Hildebrandt bei Meusebach ein Stück. 


197. Oedicnemus scolopax Gm., Triel. 
Von Oberförster Koehler in Meusebach wurde ein Stück im 
Herbst 1897 bei Weissbach erlegt. 


191. Oharadrius pluvialis L., Goldregenpfeifer. 
1877 von Heller am Hainspitzer Teich drei Stück beobachtet. 


200. Anas penelope L., Pfeifente. 
Zwei Exemplare bei Rolika erlegt und zwar am 26. März 
1848 und 20. April 1875. 


202. Anas clypeata L., Löftelente. 


Kratzsch hat in seiner Sammlung 11 bei Rolika erlegte 
Exemplare. Die Erlegungsdaten sind folgende: 15. Sept. 1847 
zwei Stück, 11. Nov. 1875 ein Stück, 8. April 1860 zwei Stück, 
23. August 1860 ein Stück, 3. April 1862 ein Stück, 11. Okt. 1875 
ein Stück, 10. Sept. 1876 zwei Stück, 10. April 1879 ein Stück, 


392 Dr. Otto Koepert: 


294. Fuligula elangula L., Schellente. 
Kratzsch schoss am 5. März 1848 ein Exemplar bei Rolika. 


2053. Fuligula maria Steph., Berg- oder Muschelente. 
Ein Stück am 26. April 1842 bei Rolika erlegt. 


205. Fuligula nyroca Güld., Moorente. 

Am 31. März 1881 schoss Kratzsch zwei Exemplare bei 
Rolika. 

207. Fuligula eristata Leach, Reiherente. 

Mitte Nov. 1898 wurde ein Exemplar auf einem Teiche 
zwischen Fröhlichenwiederkunft und Meusebach erlegt. Die in 
der Sammlung Kratzsch befindlichen 11 Exemplare wurden bei 
Rolika an folgenden Daten erlegt: 30. März 1850, 14. Mai 1853, 
7. April 1857, 10. April 1864, 12. März 1868 und 24. März 1869. 


211. Mergus merganser L., Gänsesäger. 

Beim Fischzüchter Fuchs in Lippersdorf stehen zwei aus- 
gestopfte Gänsesäger, die auf einem dortigen Teiche 1895 erlegt 
wurden. ; 

212a. Hydrochelidon nigra L., Trauerseeschwalbe. 

Von Hildebrandt wurden am 14. Juni 1898 sechs Stück 

auf dem Wilchwitzer Teiche beobachtet. 


214. Larus ridibundus L., Lachmöve. 
Am 26. April 1884 wurde ein Stück bei Rolika erlegt. 


215a. Larus canus L., Sturmmöve. 

Im Oktober 1898 wurde vom Dammaufseher des „Grossen 
Teiches“ bei Altenburg ein über demselben kreisendes Exemplar 
erlegt und von mir für die Sammlungen der Naturforschenden 
Gesellschaft erworben. 

221. Colymbus cristatus L., Haubensteissfuss. 

Bei Beginn des Winters 1895 wurden 5 Stück in der Stadt 
Schmölln aufgefunden. 

223. Urinator arcticus L., Polartaucher. 


Am 22. Nov. 1896 wurde ein Stück bei Schmölln ermattet 
aufgefunden. 


Nachträge zur Vogelwelt des Herzogtums $S. Altenburg. 395 


Phänologische Notizen. Beobachtungsort: Roda SA. 

Sturnus vulgaris L. Ankunft: 1894: 28. Febr., 1895: 5. März, 
1896: 20. Januar, 1897: 19. Febr. Ank.: 1898: 20. Febr., 
1899: 21. Januar, 1900: 14. Febr., 1901: 25. Januar. 

Micropus apus L. Ank.: 1894: 21 April, 1896: 25. April, 1897: 
30. April, 1898: 26. April, 1899: 30. April, 1900: 28. April. 

Hirundo rustica L. Ank.: 1894: 12. April, 1895: 6. April, 1896: 
11. April, 1897: 31. März, 1899: 4. April, 1900: 9. April, 
1901: 7. April. 

Motacilla alba L. Ank.: 1894: 1. März, 1895: 17. März, 1896: 
11. März, 1897: 16. März, 1898: 13. März, 1899: 7. März, 
1900: 26. Febr., 1901: 17. März. 

Motacilla melanope Pall. Ank.: 1894: 1. März, 1895: 18. März, 
1896: 11. März. 

Erithacus titis L. Ank.: 1894: 16. März, 1885: 24. März, 1896: 
20. März, 1897: 18. März, 1898: 6. April, 1899: 27. März, 
1900: 7. April, 1901: 5. April. 


Beiträge zur Vogelfauna Centralasiens. 


Uebersicht der von Herrn Oberamtmann Dr. Holderer während 
einer Durchquerung Asiens gesammelten Vögel 


von Herman Schalow. 
Hierzu Tafel III und IV. 


Im Jahre 1897 unternahm Herr Oberamtmann Dr. Holderer 
aus Heidelberg in Begleitung des Herrn Dr. Futterer, Prof. der 
Mineralogie und Geologie an der grossherzogl. technischen Hoch- 
schule in Karlsruhe, eine Forschungsreise durch Asien, welche 
im November des gedachten Jahres von Karlsruhe aus angetreten 
wurde, und die im Januar 1899 in Shanghai endete. Auf dieser 
Reise, über welche bereits verschiedene, zum Teil sehr ausführ- 
liche Mitteilungen!) vorliegen, wurden die nachstehend ver- 
zeichneten Vögel gesammelt. 


1) Es mögen hier erwähnt sein: 
K. Futterer, Geologische Beobachtungen am Terek Pass (Ver- 
handl. Ges. Erdkunde Berlin, 1898 S. 262—265). 


394 Herman Schalow : 


Die Expedition Dr. Holderers hat in Centralasien Gebiete 
besucht, welche von russischen und anderen Reisenden bereits 
mehrfach betreten worden waren, sie ist aber auch durch Gegen- 
den gekommen, welche wenig erforscht und zum Teil sogar 
geographisch vollständig unbekannt gewesen sind. Ueber Wien, 
Kiew, Tiflis ging der Weg der Reisenden zum Caspischen Meer. 
Nach Durchquerung der Türkmenen-Steppen und nach kurzem 
Aufenthalt in Buchara, Samarkand und Taschkent wurde Osch 
erreicht, wo die letzten Reisevorbereitungen getroffen und die 
Karawane zusammengestellt wurde. Am 26. Januar 1898 erfolgte 
von hier der Aufbruch. In dichtestem Schneegestöber über- 
schritten die Reisenden den 2112 m. hohen Schalbelipass und 
gelangten dann nach jähem Abstieg nach Gultscha.. In den 
Bergen der Umgegend dieses Ortes ist Phasianus semitorquatus 
nicht selten, darf aber nur mit Erlaubnis des Gouverneurs ge- 
jagt werden. Die Fasanen kamen hier bis dicht an die mensch- 
lichen Wohnungen heran. Auf einer von Dr. Holderer unter- 
nommenen Excursion konnten mehrere dieser schönen Hühner- 
vögel für die Sammlungen erlegt werden. In Sufi- Kurgan 
wurden die Reisenden mehrere Tage durch schlechtes Wetter 
aufgehalten. In der Nähe des Ortes konnten Perdix daurica, 
Tauben und kleine Fringilliden gesammelt werden. In Sufi-Kurgan 
gabelt sich der Weg. Der eine führt über den berüchtigten 
Terek-Dawan, der andere über den Taldukpass in’s grosse Alai 
Thal und von dort nach Kaschgar. Die Reisenden wählten den 
ersteren. Unter grossen Schwierigkeiten, bei starkem Schneefali 
und empfindlicher Kälte gelang es der Expedition, den 3871 m. 
hohen Terek-Dawan Pass zu überschreiten und Kaschgar in Ost- 
Turkestan zu erreichen. Im nördlichen Tarim-Becken, wohin 
sich die Reisenden nunmehr wandten, fanden sich Gegensätze 
zwischen Kulturland und totem Wüstengebiet schroff und un- 
vermittelt. In den niederen, sandigen Hügeln, bedeckt mit 


Zweiter Brief über die Reise nach Centralasien von Dr. Futterer 
und Dr. Holderer (ebenda 1898 S. 448—455). 

Dritter Bericht über die Reise durch Centralasien und China von 
Prof. Dr. Futterer und Dr. Holderer (ebenda 1899 S. 139—150). 

K. Futterer, Durch Asien. Erfahrungen, Forschungen und 
Sammlungen während der von Amtmann Dr. Holderer unternommenen 
Reise, Bd. 1. Berlin 1901. gr. 8°. XXII + 545 S. Mit Ill. Pro- 
filen und Karten. 


Beiträge zur Vogelfauna Centralasiens. 395 


verkrüppeltem Buschwerk, zeigte sich kein Vogelleben, während 
eine reiche Vogelfa